TE OGH 1988/2/10 14Os186/87

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Veröffentlicht am 10.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.Februar 1988 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Samek als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Horst M*** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 131 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 5.Oktober 1987, GZ 29 Vr 919/87-20, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Jerabek, und des Verteidigers Dr. Bast, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe auf 15 (fünfzehn) Monate herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 27-jährige Horst M*** (zu A/) des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 131 StGB und (zu B/) des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Das bezeichnete Verbrechen liegt ihm deshalb zur Last, weil er am 17.Juli 1987 in Amstetten der Firma S***-R*** und P*** OHG fremde bewegliche Sachen, nämlich drei Herrenhosen und ein Polohemd im Wert von zusammen 1.392 S, mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei er bei seiner Betretung auf frischer Tat dadurch, daß er Franz M*** einen kräftigen Stoß gegen die Brust versetzte, Gewalt gegen eine Person anwendete, um sich die weggenommene Sache zu erhalten (Punkt A/ des Urteilssatzes). Nur gegen die Annahme der Qualifikation des § 131 StGB wendet sich die auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Den Verfahrensmangel (Z 4) erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Durchführung eines Ortsaugenscheines zum Beweis dafür, daß er "ohne Behinderung durch den Zeugen M*** geflüchtet ist bzw flüchten konnte" (S 121).

Das Erstgericht hat diesen Beweisantrag mit der - in den Urteilsgründen nachgeholten - Begründung abgewiesen, eine Gewaltanwendung durch den Dieb gegen denjenigen, der ihn auf frischer Tat betritt, sei durchaus auch dann möglich, wenn die räumlichen Gegebenheiten des Tatorts eine solche nicht erfordern, und es müsse die angewendete Gewalt nach § 131 StGB nicht die Flucht des Täters, sondern die Erhaltung der weggenommenen Sache durch den Täter bezwecken; daß aber der Angeklagte zu diesem Zweck Gewalt gegen M*** angewendet hat, stehe auf Grund der Aussage des Genannten, der das Gericht vollinhaltlich folge, fest (S 130). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers konnte die begehrte Beweisaufnahme - ausgehend von dem in erster Instanz hiefür angegebenen und für die Beurteilung ihrer Relevanz allein maßgebenden (vgl SSt 41/71 ua) Beweisthema - ohne Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte unterbleiben. Hat doch der Beschwerdeführer anläßlich der Antragstellung in keiner Weise dargetan, inwieweit durch den begehrten Ortsaugenschein die ihn belastenden Bekundungen des Zeugen M*** - die im übrigen mit der geständigen Verantwortung des Angeklagten vor der Gendarmerie (S 15) übereinstimmen - erschüttert werden könnten. Soweit daher erwiesen werden sollte, daß der Angeklagte ohne Gewaltanwendung gegen M*** geflüchtet ist, wäre es erforderlich gewesen, schon bei der Antragstellung anzugeben, aus welchen Gründen erwartet werden kann, die Durchführung des begehrten Beweises werde auch tatsächlich das vom Antragsteller angestrebte Ergebnis haben (vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 19 zu § 281 Z 4). Daß der Angeklagte bei der gegebenen Örtlichkeit allenfalls auch ungehindert fliehen und die Diebsbeute sohin ohne Gewaltanwendung gegen M*** in Sicherheit bringen hätte können, worauf der Beweisantrag desweiteren abzielt, schließt hinwieder keineswegs denknotwendig die vom Zeugen M*** bekundete (und vom Angeklagten vor der Gendarmerie selbst eingeräumte) Gewaltanwendung zwecks Erhaltung der Beute aus, sodaß die Vornahme eines Ortsaugenscheines (auch) unter diesem Aspekt entbehrlich war. Soweit die Rüge nunmehr darauf abstellt, es hätte durch den Ortsaugenschein dargetan weden sollen, daß der Angeklagte wegen der dicht (nebeneinander) aufgestellten Kleiderständer nicht in der Lage gewesen wäre, dem Zeugen M*** mit beiden Händen einen Stoß zu versetzen, entfernt sie sich zum einen von dem in erster Instanz angegebenen Beweisthema und übersieht zum anderen, daß die Behauptung, die Kleiderständer seien derart "dicht" gedrängt aufgestellt gewesen, in den Verfahrensergebnissen keine Deckung findet (vgl S 121) und das Urteil nur einen Stoß mit einer Hand feststellt (S 127, 129).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge versagt daher.

Der in der Mängelrüge (Z 5) erhobene Einwand hinwieder, die Feststellung, der Angeklagte habe M*** einen kräftigen Stoß versetzt (S 127), stehe mit den Bekundungen des Genannten in der Hauptverhandlung vom 5.1. (richtig: 10.) 1987, wonach ihm der Angeklagte "einen Stoß" versetzte, in einem (in Ansehung der Intensität dieses Stoßes) unerörtert gebliebenen Widerspruch, übersieht, daß der Zeuge vor der Gendarmerie (S 9) ausdrücklich von einem "kräftigen" Stoß gesprochen und diese Angaben in der Hauptverhandlung vollinhaltlich aufrechterhalten hat (S 119), sodaß von einem erörterungsbedürftigen Widerspruch in seinen Bekundungen keine Rede sein kann. Im übrigen ergibt sich die Intensität dieses Stoßes schon aus der vom Zeugen bekundeten und vom Gericht festgestellten Tatsache des hiedurch bewirkten Zurücktaumelns des Angegriffenen (S 11 iVm S 119 ff, S 127). Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fußverletzung haben die Tatrichter ohnedies in den Kreis ihrer Erwägungen einbezogen (S 128); daß sie ihr - insbesondere im Hinblick auf die dem Angeklagten dennoch trotz Verfolgung durch M*** erfolgreich gelungene Flucht - nicht jene Bedeutung beigemessen haben, die ihr die Beschwerde beimißt, stellt einen im Nichtigkeitsverfahren unbekämpfbaren Akt der Beweiswürdigung dar.

Letztlich versagt auch die Rechtsrüge (Z 10), mit welcher (wie zum Teil schon mit den Ausführungen in der Mängelrüge) der Entfall der Qualifikation des § 131 StGB mit der Begründung angestrebt wird, die dem Beschwerdeführer zur Last liegende nur unwesentliche Beeinträchtigung der körperlichen Integrität des Angegriffenen entspräche nicht dem Begriff der Gewalt im Sinne der in Rede stehenden Gesetzesstelle. Denn darunter ist jede Art physischer Gewaltanwendung zu verstehen, die darauf abstellt, den Widerstand des Opfers zu brechen, wobei eine besondere körperliche Kraftanstrengung keineswegs erforderlich ist (vgl Mayerhofer-Rieder StGB2 ENr 2 zu § 105); lediglich ganz unerhebliche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit des Angegriffenen genügen nicht (vgl Kienapfel BT II § 131 RN 19 und BT I2 § 105 RN 11 und 22; EvBl 1983/123). Letztere Voraussetzung trifft aber vorliegend nach den Konstatierungen des Erstgerichts nicht zu; im festgestellten Versetzen eines kräftigen, das Zurücktaumeln des Angegriffenen bewirkenden Stoßes ist vielmehr die Anwendung von Gewalt im Sinne des § 131 StGB zu erblicken (vgl auch ÖJZ-LSK 1987/83), sodaß dem Urteil der reklamierte Subsumtionsirrtum nicht anhaftet.

Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 131 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 (zwanzig) Monaten. Dabei wertete es als erschwerend das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen, die sieben einschlägigen Vorstrafen und das Vorliegen der Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 StGB; als mildernd hielt es dem Angeklagten das Teilgeständnis (zu Punkt B/ des Schuldspruchs) und die teilweise Zustandebringung der Diebsbeute zugute. Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an.

Diesem Begehren kann Berechtigung nicht abgesprochen werden. Zwar kann dem Angeklagten der von ihm in Ansehung des räuberischen Diebstahls reklamierte Milderungsgrund des § 34 Z 17 StGB nicht zugutegehalten werden, weil er nach der Aktenlage diesbezüglich weder ein umfassendes, nämlich auch die Qualifikation des § 131 StGB erfassendes Geständnis abgelegt noch in dieser Hinsicht wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat. Ebensowenig kann von einem längeren Wohlverhalten seit der letzten Entlassung aus der Strafhaft gesprochen werden. Wird jedoch entsprechend berücksichtigt, daß das objektive Gewicht der von ihm verschuldeten (abermaligen) Rechtsgutverletzungen nicht allzu schwer wiegt, was insbesondere auch auf den ihm zur Last liegenden räuberischen Diebstahl zutrifft, so erweist sich das in erster Instanz gefundene Strafmaß als etwas überhöht.

In Stattgebung der Berufung war daher die Strafe auf das aus dem Spruch ersichtliche, der Strafzumessungsschuld des Berufungswerbers (trotz seiner mehrfachen einschlägigen Vorstrafen) angemessene Ausmaß herabzusetzen.

Über die Rechtsmittel des Angeklagten war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E13475

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0140OS00186.87.0210.000

Dokumentnummer

JJT_19880210_OGH0002_0140OS00186_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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