Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Georg K*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 4.Juli 1986, GZ 3 d Vr 4534/83-112, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, des Privatbeteiligtenvertreters Dr. Jenicek sowie des Verteidigers Dr. Schuppich, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung gegen den Strafausspruch wird nicht Folge gegeben. Der Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis wird hingegen Folge gegeben, der Ausspruch, wonach dem Privatbeteiligten W*** G*** ein Betrag von 48.729,60 S zuerkannt wird,
aufgehoben und der genannte Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs. 2 StPO (auch) mit diesem Begehren (sohin zur Gänze) auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten Dr. Georg K*** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2, 148 (erster Fall) StGB nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB unter Anwendung der §§ 41, 37 StGB zu einer Geldstrafe von 240 Tagessätzen, wobei es den Tagessatz mit 650 S und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 120 Tagen festsetzte. Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend "die strafbaren Handlungen verschiedener Arten" und die Ausnützung eines gewissen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arzt und seinen Patienten, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß die Tat schon vor längerer Zeit begangen wurde.
Dem Privatbeteiligten WIENER G*** wurde (gemäß § 369 Abs. 1 StPO) ein Betrag von 48.729,60 S zuerkannt; mit seinem Mehrbegehren wurde der Privatbeteiligte (im Hinblick auf den insoweit ergangenen Freispruch des Angeklagten vom weiteren Betrugsvorwurf) auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Nachdem die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten vom Obersten Gerichtshof bereits in nichtöffentlicher Beratung mit Beschluß vom 10. Dezember 1987, GZ 12 Os 10/87-8, dem im übrigen auch der nähere Inhalt des Schuldspruchs zu entnehmen ist, zurückgewiesen wurde, war im Gerichtstag nur mehr über die Berufung zu entscheiden, mit welcher der Angeklagte zum einen die Herabsetzung der Anzahl der Tagessätze und der Höhe des Tagessatzes sowie die Gewährung bedingter Strafnachsicht anstrebt und zum anderen das (kondemnierende) Adhäsionserkenntnis bekämpft.
Was zunächst die Berufung gegen den Strafausspruch betrifft, so bedürfen zwar die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe insofern einer Korrektur, als der Erschwerungsgrund der Begehung von strafbaren Handlungen verschiedener Art zu entfallen hat; liegt doch dem Berufungswerber nur eine strafbare Handlung zur Last, wenngleich die betrügerischen Angriffe oftmals wiederholt und zum Nachteil verschiedener Geschädigter begangen worden sind. Diese vielfache Tatwiederholung kann allerdings, mag eine solche auch bei einem gewerbsmäßig agierenden Rechtsbrecher die Regel sein, bei der Gewichtung der Strafzumessungsschuld nicht außer Betracht bleiben
(vgl ÖJZ-LSK 1983/120). Wird dies entsprechend berücksichtigt, so erweist sich die in erster Instanz verhängte Anzahl von Tagessätzen keineswegs als überhöht; sie ist vielmehr durchaus tatschuldangemessen. Das von der Berufung ins Treffen geführte Bemühen des Angeklagten um die Gesundheit seiner Patientinnen durch Anwendung einer (seiner Meinung nach) besonders effizienten Untersuchungsmethode wurde vom Schöffengericht bei der Strafbemessung ohnedies gewürdigt (S 369/Bd II). Der Umstand hinwieder, daß der Angeklagte durch das Strafverfahren und insbesondere durch die Einvernahme seiner Patientinnen, die Beschlagnahme seiner Unterlagen, die vorübergehende Schließung seiner Arztpraxis und das über ihn verhängte, jedoch vorerst wieder aufgehobene Berufsverbot wirtschaftliche Nachteile erlitten hat, ist nicht geeignet, die Schuld des Berufungswerbers zu vermindern, sodaß (auch) darauf eine Reduzierung der Anzahl der Tagessätze nicht gegründet werden kann.
Rechtliche Beurteilung
Dem bezüglichen Berufungsbegehren kann demnach kein Erfolg beschieden sein.
Das gilt gleichermaßen für die angestrebte Herabsetzung der Höhe des Tagessatzes. Ausgehend von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Angeklagten im Zeitpunkt des Urteils erster Instanz (§ 19 Abs. 2 StGB) - sein monatliches Nettoeinkommen wurde mit durchschnittlich 40.000 S festgestellt (S 345/Bd II) - ist ein täglich abschöpfbarer Betrag von 650 S nicht zu hoch bemessen, zumal die Ehefrau des Angeklagten, für die er sorgepflichtig ist, ein eigenes Einkommen bezieht.
Nicht näher getreten werden konnte schließlich auch dem Begehren um bedingte Nachsicht der Geldstrafe. Auch wenn - entgegen der Auffassung des Erstgerichts - Schuldeinsicht keine unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des § 43 StGB ist (ÖJZ-LSK 1986/71), so gebietet vorliegend der doch beträchtliche Grad der Schuld des Angeklagten, der aus gewerbsmäßigem Gewinnstreben nicht nur die Krankenkasse, sondern auch viele seiner Patientinnen am Vermögen schädigte, die Vollstreckung der Geldstrafe, deren Vollzug mithin im Interesse der gebotenen Effektivität der verwirkten Sanktion unerläßlich ist.
Der Berufung gegen den Strafausspruch kommt somit in keinem Punkt Berechtigung zu.
Berechtigt ist hingegen die Berufung gegen das Adhäsionserkenntnis. Denn der Angeklagte wurde - wie er zutreffend reklamiert - entgegen der ausdrücklichen Vorschrift des § 365 Abs. 2 StPO zu den geltend gemachten privatrechtlichen Ersatzansprüchen nicht vernommen (vgl S 330, 339/Bd II); ebensowenig ist eine Äußerung seines Verteidigers zu diesen Ansprüchen aktenkundig. Ohne Vernehmung bzw Anhörung des Angeklagten ist aber ein Zuspruch an den Privatbeteiligten unzulässig
(vgl Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr 19 ff zu § 365).
In Stattgebung dieser Berufung war somit das kondemnierende
Adhäsionserkenntnis aufzuheben und die WIENER G***
(auch) mit dem Betrag von 48.729,60 S (mithin zur Gänze) auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (§ 366 Abs. 2 StPO).
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E13453European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00010.87.0211.000Dokumentnummer
JJT_19880211_OGH0002_0120OS00010_8700000_000