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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BDG 1979 §44 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über die Beschwerde des Dipl.Ing. K in W, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission für Soldaten beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 9. September 2002, Zl. 15-DOKS/01, betreffend Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldbuße nach dem Heeresdisziplinargesetz 1994, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, nämlich in seinem Schuld-, Straf- und Kostenausspruch, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichthof angefochtenen Bescheid vom 9. September 2002 hat die belangte Behörde den Beschwerdeführer der Begehung einer vorsätzlichen Dienstpflichtverletzung nach § 44 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) dahingehend für schuldig befunden, er habe "trotz der schriftlichen Weisung seines Vorgesetzten vom 20. Dezember 2000 den ausgefassten Schlüssel zum Objekt X im AG SGASSE nicht bis zum 5. Jänner 2001 abgegeben".
Wegen dieser Pflichtverletzung im Sinne des § 2 Abs. 1 Herresdisziplinargesetz 1994 (HDG 1994) wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 50 Z 2 HDG 1994 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von EUR 100,-- verhängt und dem Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 1 HDG 1994 ein Kostenbeitrag in Höhe von EUR 10,-- auferlegt.
Hingegen wurde der Beschwerdeführer mit dem angefochtenen Bescheid von einem weiteren (unter 2. näher umschriebenen) Vorwurf gemäß § 61 Abs. 3 Z 4 HDG 1994 freigesprochen.
Die belangte Behörde hat - nach Darstellung des Verfahrensverlaufes - auf Grund einer durchgeführten Berufungsverhandlung folgenden Sachverhalt (zum Schuldspruch) als erwiesen angenommen:
"Dem Beschuldigten wurde am 12. Dezember 2000 mit Weisung Nr. ... von seinem Vorgesetzten, dem Leiter der PVE Bgdr DI Dr. T, Richtlinien im Hinblick auf seine Tätigkeit im Bezug auf die Aufbereitung von digitalem Kartenmaterial für die derzeitige und zukünftige verbesserte Auswertesoftware des Duellsimulators L, sowie Erklärungen zum UTM-System für die Arbeitsgruppe DuSim im BMLV/WGM, angeordnet, welche er mit Vorbehalt übernommen hatte. Der weitere Inhalt war eine Festlegung der Sprachregelung nach außen, wobei der Beschuldigte angewiesen wurde, keine Absprachen und Verbindungsaufnahmen mit externen Dienststellen ohne vorheriger Genehmigung durch Ltr PVE durchzuführen. Die pauschale Ermächtigung zur Kontaktaufnahme wurde für die laufenden Projekte mit IMG, IT Plan und FMTS erteilt.
Mit Weisung ... vom 12. Dezember 2000 wird er von seinem Vorgesetzten ohne Terminsetzung aufgefordert, den Vorbehalt auf der Weisung ... ausführlich zu erläutern.
Mit Schreiben des AWT vom 18. Dezember 2000, Zl. 13627- 3133/10/00, wird vom Ltr AWT eine vorübergehende Verwendungsänderung ab 8. Jänner 2001 in der PVWM mit Dienstort F angeordnet.
Daraufhin wurden ihm vom Ltr PVE die Weisung Nr. ... vom 20. Dezember 2000 erteilt, nämlich alle Geräte und Kanzleischlüssel, welcher er bei der PVE ausgefasst hatte, bis zum 5. Jänner 2001 abzugeben.
Am 29. Dezember 2000 erhielt er die Weisung Nr. ... mit der er darüber hinaus verpflichtet wurde bis zum 4. Jänner 2001
1. eine Stellungnahme hinsichtlich seiner Diensterfindung am TAS/LZS fertig zu stellen,
2. eine geordnete Übergabe aller ARC/INFO-Komponenten samt Übersichten der Hard- und Software, der erforderlichen Dokumentationen dazu, eine Übersicht und die Bearbeitungsstände zu den offenen Geschäftsfällen, sowie eine Grobeinweisung mit ADir Ing. I nachweislich durchzuführen, und im Anschluss die Gerätschaften im Ref Rf zu übergeben,
3. den Bearbeitungsstand zu der Weisung Nr. ... betreffend Auswerterechner DuSim/Leo2A4 ausführlich zu dokumentieren, sowie die Erläuterungen zu dem Vorbehalt (Weisung Nr. ...) vorzulegen und
4. die Übergabe der 3. VE-Komponenten samt der dazugehöriger Peripheriegeräte und der Benutzerchipkarte (x3ka) vorzubereiten.
Der Beschuldigte gab weiters an, dass
a) er von seinem Vorgesetzten glaublich im Sommer 2000 den Auftrag erhielt, das Projekt 'F' an der FMTS mit einem Geländemodel im UTM-Format zu versorgen,
b) er auf Grund seiner Arbeitsplatzaufgaben und der Konkretisierung derselben mit Weisung Nr. ... einen Datenauszug am Gelände-Höhen Modell des FlaSimulators zu bearbeiten und fertig zu stellen hatte,
c) er auf der Grundlage eines Erlasses des BWLV/WGM von seinem Vorgesetzten glaublich im Juli 2000 den Auftrag erteilt bekam, Kartenmaterial für die AG DuSim/Leo aufzubereiten, dafür wurde ihm die ARC/INFO Workstation (Auswerterechnersatz) übergeben.
Da es sich bei diesen Arbeitsaufträgen um eine Datenerbringung für verschiedene Projektgruppen handelte, war der Beschuldigte bestrebt diese zum Zeitpunkt der Umstellung des alten Meldesystems auf das neue UTM-System mit Wirkung vom 1. Jänner 2001 so abzuschließen, dass in weiterer Folge dem Bedarfsträger diese Daten zur Verfügung stehen. Sein Vorgesetzter bestätigte diese Angaben.
Einen Befehl, welche Aufträge er vorrangig zu bearbeiten oder hintanzustellen hat, wurde ihm im Zusammenhang mit der Weisung ... nicht erteilt. Er konnte in der zur Verfügung stehenden Zeit die Summe aller Arbeitsaufträge und Weisungen nicht restlos erfüllen und ersuchte den stvLtr PVE, ObstdhmtD DI W am 5. Jänner 2001 schriftlich den Schlüssel zu seiner Kanzlei im Objekt X, AG SGASSE zur Beendigung seiner Aufträge im Jänner 2001 behalten zu dürfen."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zum Schuldspruch im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe von seinem Vorgesetzten nicht nur die gegenständlichen Weisungen, sondern bereits davor überaus umfangreiche Arbeitsaufträge erhalten. Dem Beschwerdeführer könne nicht vorgeworfen werden, dass er sich nicht redlich um Erfüllung aller Aufträge bemüht hätte; in der zur Verfügung stehenden Zeit - vor allem ab der Erteilung der Weisung ... am 29. Dezember 2000 - sei nach Ansicht der belangten Behörde eine lückenlose Befolgung der Arbeitsaufträge nicht möglich gewesen. Die verspätete Schlüsselabgabe sei jedoch eine Pflichtverletzung. Der Beschwerdeführer habe "zum Tatzeitpunkt" gewusst, dass er seinen Kanzleischlüssel (gemäß der Weisung ...) am 5. Jänner 2001 abzugeben habe. Er habe diesen Schlüssel nicht abgeben wollen, um "nach seiner Meinung wichtige Terminarbeiten fertig zu stellen"; er habe "deswegen noch am selben Tag den stvLtr PVE schriftlich ersucht, den Schlüssel zur Fertigstellung seiner Aufträge behalten zu dürfen". Da dieses Ersuchen unbeantwortet geblieben sei, hätte der Beschwerdeführer der Weisung zum befohlenen Termin und nicht erst im Juli 2001 nachkommen müssen. Anders als die (durchaus komplizierten) wissenschaftlichen Arbeitsaufträge, denen ein nicht genau zu bemessender Zeitbedarf immanent sei, sei die Abgabe des Kanzleischlüssels ein sehr einfach zu befolgender "Akt der militärischen Befehlsgewalt", dessen Vollzug trotz gegenteiligen Ersuchens "zumutbar" gewesen sei.
Über die gegen diesen Bescheid - im Umfang seines Schuldspruches - erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Im Beschwerdefall ist davon auszugehen, dass für den Beschwerdeführer als Berufsoffizier gemäß § 56 Abs. 1 Wehrgesetz 1990 das Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 mit Ausnahme seines 9. Abschnittes (demnach der §§ 91 bis 135) gilt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 97/09/0298; und zum Umfang der Pflichten nach § 2 Abs. 1 HDG 1994 das zur insoweit inhaltlich unveränderten Rechtslage des HDG 1985 ergangene hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1999, Zl. 93/09/0122).
Die belangte Behörde legt dem Beschwerdeführer die vorsätzliche Begehung einer Dienstpflichtverletzung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 zur Last.
§ 44 BDG 1979 hat folgenden Wortlaut:
"Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten
§ 44. (1) Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.
(2) Der Beamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(3) Hält der Beamte eine Weisung eines Vorgesetzten aus einem anderen Grund für rechtswidrig, so hat er, wenn es sich nicht wegen Gefahr im Verzug um eine unaufschiebbare Maßnahme handelt, vor Befolgung der Weisung seine Bedenken dem Vorgesetzten mitzuteilen. Der Vorgesetzte hat eine solche Weisung schriftlich zu erteilen, widrigenfalls sie als zurückgezogen gilt."
Der Beschwerdeführer machte in seiner Beschwerde (zusammengefasst) geltend, er habe nicht mit Vorsatz gehandelt. Er habe seinen Vorgesetzten ersucht, den Termin der Weisung zu verlängern, weil er die anderen Aufträge noch habe erfüllen wollen. Es müsse der "Zusammenhalt aller Aufträge berücksichtig werden". Ohne sein Arbeitszimmer hätte er seine weiteren Aufträge nicht erfüllen können. Sein Ersuchen sei aber unbeantwortet geblieben. Dieses Ersuchen schließe seinen Vorsatz aus. Er habe die Gründe für die nicht fristgerechte Umsetzung der Weisung, nämlich die Erfüllung anderer Aufträge, seinem Vorgesetzten genannt. Durch die Nichtbeantwortung (seines Ansuchens) habe er davon ausgehen können, dass die gegenständliche Weisung als zurückgezogen gelte. Wäre die Abgabe des Schlüssels tatsächlich dringlich gewesen, hätte der Vorgesetzte sofort geantwortet und die Schlüsselabgabe urgiert; der Vorgesetzte hätte ihm mitteilen müssen, dass der gegenständlichen Weisung ein Vorrang vor den anderen Weisungen einzuräumen sei. § 44 Abs. 3 BDG komme auch bei einer ursprünglich schriftlich erteilten Weisung zur Anwendung. Selbst wenn er allenfalls fahrlässig gehandelt haben sollte, hätte das Verfahren jedenfalls nach § 61 Abs. 3 Z 4 HDG eingestellt werden müssen.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine zur Aufhebung des Schuldspruches führende Rechtswidrigkeit auf.
Die belangte Behörde wirft dem Beschwerdeführer vor, er habe die am 20. Dezember 2000 erteilte Weisung (Abgabe des Kanzleischlüssels) nicht "bis zum" 5. Jänner 2001 befolgt. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist aber zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer diese Weisung letztlich doch - im Juli 2001 - befolgte. Von daher liegt somit eine "verspätete" Weisungsbefolgung vor.
Eine "verspätete" Weisungsbefolgung ist als Verletzung der Dienstpflicht gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979 anzusehen, wenn nach dem Inhalt der erteilten Weisung dem verpflichteten Beamten (hier: einem Berufsoffizier) die Befolgung zu einem (konkreten) Zeitpunkt aufgetragen wurde und dem derart Verpflichteten die frühere Erfüllung möglich und zumutbar gewesen wäre (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Juli 2000, Zl. 93/09/0182, und das zur vergleichbaren Rechtslage des LDG 1984 ergangene hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2005, Zl. 2002/09/0150).
Die belangte Behörde nimmt an, die rechtzeitige Befolgung der Weisung sei dem Beschwerdeführer "zumutbar" gewesen. Diese Beurteilung hat die belangte Behörde nicht begründet und die Beurteilung ist vor dem Hintergrund der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen und der übrigen Bescheidbegründung auch nicht nachvollziehbar. Die belangte Behörde lässt unberücksichtigt, dass der Beschwerdeführer die ihm erteilten Arbeitsaufträge erfüllen wollte. Dass bzw. durch welchen konkreten Vorgang der Beschwerdeführer von der Erfüllung der Arbeitsaufträge, die ihm als Weisungen erteilt wurden, spätestens am 5. Jänner 2001 entbunden war, oder dass diese Weisungen "zum Tatzeitpunkt" zurückgezogen waren, hat die belangte Behörde jedenfalls nicht festgestellt. Sie geht aber davon aus, dass dem Beschwerdeführer die lückenlose Befolgung der umfangreichen Arbeitsaufträge (zum vorgesehenen Termin) nicht möglich war. Angesichts der Vielzahl von Weisungen befand sich der Beschwerdeführer somit in einer Pflichtenkollision (weil er den Schlüssel zur Befolgung der anderen Weisungen benötigte), die dazu führte, dass er alle Weisungen nicht bzw. nicht rechtzeitig befolgen konnte.
Davon ausgehend hat die belangte Behörde zu Unrecht angenommen, dass dem Beschwerdeführer die rechtzeitige Befolgung der gegenständlichen Weisung zumutbar gewesen sei. Hätte der Beschwerdeführer die gegenständliche Weisung rechtzeitig befolgt, wäre er mit dem Vorwurf bedroht gewesen, eine andere Weisung nicht oder nicht rechtzeitig befolgt zu haben.
Die belangte Behörde hat des Weiteren verkannt, dass der Beschwerdeführer dem Vorgesetzten (Weisungsgeber) Gründe zur Kenntnis brachte, die ihn darin hinderten, die gegenständliche Weisung rechtzeitig zu befolgen. Der Vorgesetzte hat darauf aber nicht reagiert (geantwortet). Für den Beschwerdeführer blieb daher unklar, welche Weisung er prioritär zu befolgen habe.
Der Vorgesetzte hätte den Beschwerdeführer nicht darüber im Unklaren lassen dürfen, ob dem "Ersuchen" (so die im angefochtenen Bescheid und in der Beschwerde dafür gewählte Bezeichnung), den Schlüssel zur Fertigstellung seiner Aufträge behalten zu dürfen, zugestimmt wird oder nicht.
Vor diesem sachverhaltsmäßigem Hintergrund ist dem Beschwerdeführer jedenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung im Sinne des § 2 Abs. 4 HDG 1994 nicht vorzuwerfen.
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid hinsichtlich des verbliebenen Schuldspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben. Dies zieht notwendigerweise die Aufhebung des Straf- und Kostenausspruches nach sich.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 21. September 2005
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002090169.X00Im RIS seit
17.10.2005