Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Plachy als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef P*** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 (erster Fall) StGB und andere strafbare Handlungen über die von der Generalprokuratur gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10.November 1986, GZ 9 Vr 2.600/83-61, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. November 1986, GZ 9 Vr 2600/83-61, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 41 Abs. 2 StPO.
Dieser Beschluß wird aufgehoben und es wird gemäß § 292 StPO in der Sache selbst erkannt:
Der Antrag des Rechtsanwaltes Dr. Michael M*** vom 28.August (offensichtlich unrichtig datiert mit 28.September) 1986 auf seine rückwirkende Enthebung als Verteidiger gemäß § 41 Abs. 2 StPO, wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Aus dem Akt 9 Vr 2600/83 des Landesgerichtes Klagenfurt ergibt sich folgender Sachverhalt:
Dem mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 8.August 1985, GZ 9 Vr 2600/83-42 des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs. 1 (erster Fall) StGB sowie der Vergehen der Nötigung zur Unzucht nach § 204 Abs. 1 StGB und des Mißbrauches eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs. 1 StGB schuldig erkannten und (über seine Berufung) zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilten Gastwirt Josef P*** wurde - vor Beginn der Hauptverhandlung - durch Verfügung des Vorsitzenden des Schöffengerichtes vom 12.November 1984 ein Verteidiger nach § 41 Abs. 2 StPO beigegeben (S 103 dA), worauf der Ausschuß der Rechtsanwaltskammer für Kärnten gemäß § 45 RAO Rechtsanwalt Dr. Michael M*** zum Verteidiger bestellte.
Am 28.August 1986, nach Urteilsrechtskraft, stellte Rechtsanwalt Dr. Michael M*** beim Landesgericht Klagenfurt den Antrag "auf Aberkennung der Beigabe eines Verteidigers gemäß § 41 Abs. 2 StPO" (ON 58 dA), in dem er unter Hinweis auf die Einkommensverhältnisse des Verurteilten in den Jahren 1985 und 1986 die rückwirkende Aufhebung der "Verteidigerbeigabe" begehrte.
Nach Einholung einer Äußerung des Josef P***, in der dieser seine Vermögenslosigkeit behauptete, faßte das Landesgericht Klagenfurt am 10.November 1986 den Beschluß, daß "die Beigabe des Antragstellers Dr. Michael M*** als Verteidiger gemäß § 41 Z 2 (richtig: Abs. 2) StPO im Verfahren 9 Vr 2600/83 gegen den Angeklagten Josef P*** rückwirkend aufgehoben wird" (ON 61 dA). Die dagegen erhobene Beschwerde des Josef P*** wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 1.Oktober 1987, 9 Bs 361/87, unter Hinweis auf das im vorliegenden Fall nicht gegebene Beschwerderecht als unzulässig zurückgewiesen (ON 67 dA).
Der Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt vom 10. November 1986, GZ 9 Vr 2600/83-61 steht mit dem Gesetz nicht im Einklang, weil eine Verteidigerbestellung im Sinne des § 41 Abs. 2 StPO nicht rückwirkend aufgehoben werden kann, da der Betroffene durch den Bestellungsakt ein Recht auf Vertretung ohne Bezahlung der hiefür entstandenen Kosten erworben hat (Bertel, Grundriß des Österreichischen Strafprozeßrechts2 RZ 296;
Mayerhofer/Rieder StPO2 ENr. 19 zu § 41; EvBl. 1970/242;
ÖJZ-LSK 1975/136 = EvBl. 1975/305 = SSt. 46/27).
Das Landesgericht Klagenfurt hätte daher im vorliegenden Fall den Antrag des gemäß § 41 Abs. 2 StPO beigegebenen Verteidigers Dr. Michael M*** abweisen müssen.
Rechtliche Beurteilung
Durch diese Gesetzesverletzung wurde der Verurteilte Josef P*** insoferne benachteiligt, als er - nach Rechtskraft des gegenständlichen Beschlusses - für die Verteidigungskosten aufzukommen hätte. Demzufolge bedarf es nicht nur der Feststellung dieser Gesetzesverletzung, sondern auch der Behebung des in Rede stehenden Beschlusses (§ 292 StPO); der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 33 Abs. 2 StPO war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Anmerkung
E13085European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00017.88.0211.000Dokumentnummer
JJT_19880211_OGH0002_0120OS00017_8800000_000