TE OGH 1988/2/18 12Os125/87

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Veröffentlicht am 18.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.Februar 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mitterhöfer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Olaf Siegfried B*** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 14.August 1987, GZ 24 Vr 1880/87-41, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, und des Verteidigers Dr. Orgler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Olaf Siegfried B*** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 16.Mai 1987 in Lienz der Aloisia G*** dadurch, daß er sie festhielt und aus ihrer Manteltasche zwei Geldscheine im Wert von zusammen 150 S entnahm, mit Gewalt gegen deren Person mit Bereicherungsvorsatz fremde bewegliche Sachen weggenommen hat, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an Sachen geringen Wertes begangen wurde und die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.

Die Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich gegen das Zwischenerkenntnis des Schöffengerichtes (S 244), mit dem Beweisanträge des Angeklagten "wegen Unerheblichkeit" abgewiesen worden sind. Der Angeklagte hatte in der letzten Hauptverhandlung in der vorangegangenen Verhandlung bereits gestellte Beweisanträge ausdrücklich wiederholt (S 243, 222 f), welche die Ausforschung und zeugenschaftliche Vernehmung von Personen, die ihn am 15.Mai 1987 am Tristachersee gesehen haben sollten, die Ausforschung und Einvernahme einer Person, die nach Angabe der Rosemarie F*** den Angeklagten am Nachmittag des 15.Mai 1987 mehrmals vor dem Cafe G*** gesehen haben sollte, und schließlich die Einvernahme der Magdalena O*** jeweils zum Beweis dafür betrafen, daß er am 15. Mai 1987 offensichtlich mehrfach zugleich an verschiedenen Orten gesehen worden sei, nämlich am Vormittag des 15.Mai 1987 vor dem Altersheim in Lienz und am Tristachersee sowie am Nachmittag dieses Tages vor dem Cafe G***, obwohl er vom Postverkehrsbüro nicht dorthin, sondern unverzüglich in die Billrothstraße gegangen sei. Die Relevanz dieser Anträge erblickt der Beschwerdeführer darin, daß er von der Überfallenen nur aufgrund seiner äußeren Erscheinung (Kleidung) identifiziert worden sei, sodaß die Anwesenheit einer ihm nur ähnlich sehenden Person zur Tatzeit in Lienz geeignet wäre, die Verläßlichkeit der Identifikation in Zweifel zu ziehen. Soweit der Beschwerdeführer noch darauf verweist, daß die Zeugin G*** (das Tatopfer) seine Sprechweise als bayrisch bezeichnet habe, wogegen er aus Hessen stamme, was ebenfalls für eine Verwechslung spreche, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Zeugin in Wahrheit angegeben hat, der Angeklagte habe nicht mit Osttiroler und auch nicht mit Wiener oder überhaupt mit österreichischem Dialekt gesprochen, seine Sprachfärbung sei "deutsch, bayrisch oder so" gewesen. Dies läßt auf Unwissen der Zeugin über den Klang des bayrischen Dialektes schließen, spricht aber keineswegs gegen die Einbeziehung hessischer Sprechweise, die sich jedenfalls von einem österreichischen Dialekt markant unterscheidet, in ihre Schilderung.

Rechtliche Beurteilung

Im übrigen vermag der Angeklagte gar nicht zu behaupten, daß sich auch zur Tatzeit eine zweite, mit ihm zu verwechselnde Person in Lienz aufgehalten habe. Zu Recht hat das Erstgericht die Abweisung der Beweisanträge nachträglich im Urteil damit begründet (US 7 f), daß es für die Tatfrage ohne Belang sei, wo der Angeklagte sich am Tag vor der Tat aufgehalten hat und wo er gesehen wurde. Zu dem für die Frage, ob ihn die Zeugin G*** schon am Vortag gesehen hat und also wiedererkennen konnte, allein entscheidenden Zeitpunkt (15.Mai 1987, 5,45 Uhr) war der Angeklagte nach seiner Darstellung in Lienz und an dem von den Zeugen G***, F*** und F*** bezeichneten Ort (S 99, 109, 113, 139). Daß er laut seiner Darstellung nachher (ca 8,00 Uhr) zu Fuß zum Tristachersee aufbrach und nach Lienz erst im Laufe des Nachmittags zurückkehrte, ist demgegenüber völlig unerheblich. Die Verteidigungsrechte des Angeklagten sind durch die Abweisung der bezeichneten Beweisanträge jedenfalls nicht beeinträchtigt worden.

Bei den umfangreichen Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO handelt es sich in Wahrheit nur um eine im Nichtigkeitsverfahren unzulässige Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung, wobei der Beschwerdeführer übersieht, daß gemäß § 270 Abs. 2 Z 5 StPO in den Entscheidungsgründen (lediglich) in gedrängter Darstellung, aber doch mit voller Bestimmtheit anzugeben ist, welche Tatsachen vom Gericht aus welchen Gründen als erwiesen oder nicht erwiesen angenommen worden sind. Im angefochtenen Urteil wird die Feststellung der Täterschaft des Angeklagten auf die Aussage der Zeugin G*** gestützt, die ihn in der Hauptverhandlung als Täter erkannte - und die ihm unmittelbar nach der Tat eindeutig identifiziert hat (S 101 f) -, weiters darauf, daß beim Angeklagten außer den nach der Tat am Postamt behobenen 14.000 S und einer geringen Menge Münzgeld je eine Note zu 100 S und zu 50 S gefunden wurde, wie sie dem Tatopfer geraubt worden waren, daß der Täter nach der Tat in Richtung des Quartiers des Angeklagten flüchtete, daß der Angeklagte ein Motiv zur Tat hatte, weil er befürchten mußte, über das Wochenende ohne Bargeld zu bleiben und letztlich, daß ihm der Versuch, seine Anwesenheit zur Tatzeit in seinem Quartier vorzuschützen, insofern mißlungen ist, als ein von der Quartiergeberin unbemerktes Verlassen des Hauses nicht ausgeschlossen werden kann.

Mit den in der Mängelrüge dagegen erhobenen Einwendungen wird kein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO aufgezeigt. Daß die Zeugin G*** den Angeklagten nicht am Gesicht, sondern nur an Statur und Kleidung wiedererkannt hat, wird im Urteil (US 5) ausdrücklich erörtert. Eine Aktenwidrigkeit liegt insoweit nicht vor. Die in der Hauptverhandlung schließlich über Befragen des Verteidigers von der Zeugin vorgenommene Abschwächung, sie könne "nicht 100 %ig" sagen, ob sie den Angeklagten jetzt als Täter wiedererkenne, stellt zufolge des Nachsatzes "aber seine Statur paßt jedenfalls" (S 242) keinen Widerspruch zu den vorangegangenen Aussagen dar.

Details in der Beschreibung der Zeugin von der Kleidung des Täters, hinsichtlich der zeitlichen Dauer des Überfalls auf sie, ihr Verhalten beim Erscheinen am Arbeitsplatz sowie der Umstand, ob der Zugriff des Täters am Arm oder am Mantelärmel erfolgte etc, bedurften keiner ausdrücklichen Erwähnung im Urteil, weil es sich hiebei um keine für die Frage der Schuld des Angeklagten entscheidenden Tatsachen handelte. Daß der Angeklagte sich nach dem Überfall noch zweimal in die Stadt begab, ohne seine Kleidung zu ändern, mag unvorsichtig gewesen sein, läßt aber ebenfalls keinen Schluß gegen seine Täterschaft zu. Desgleichen war die angebliche Auskunft am Postamt, das Geld werde spätestens am Samstag hier sein, nicht geeignet, die Besorgnis des Angeklagten über dessen tatsächliches Eintreffen, das ja von der rechtzeitigen Aufgabe des Betrages durch seine Eltern abhing, zu zerstreuen. Wie der Angeklagte sein Nachtquartier von der Hausfrau unbemerkt verlassen und wiederbetreten hat, wurde vom Erstgericht offengelassen, sodaß auch das diesbezügliche Beschwerdevorbringen, das Gericht hätte sich "formal" mit den Angaben der Zeugin S*** auseinandersetzen müssen, ins Leere geht.

Zusammenfassend findet somit die Urteilsfeststellung in den Verfahrensergebnissen Deckung. Daß aus den Verfahrensergbnissen allenfalls auch andere, gegen die Täterschaft des Angeklagten sprechende Schlüsse hätten gezogen werden können, ist hingegen nicht geeignet, den behaupteten Begründungsmangel herzustellen. Die Mängelrüge versagt daher ebenfalls.

In der Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO) behauptet der Angeklagte, es fehlen ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite. Er übergeht dabei, daß vom Erstgericht der Vorsatz des Angeklagten einschließlich des erweiterten (Bereicherungs-)Vorsatzes nicht nur im Urteilsspruch festgestellt, sondern auch in den Entscheidungsgründen erörtert wird, wobei es darauf verweist, daß der Angeklagte die Tat aus (befürchteter) Geldnot begangen hat. Daß im Urteil nicht festgestellt werden konnte, ob der Entschluß zu dem "Überfall", wie das Tatgeschehen im Sinne eines allgemein üblichen und verständlichen Sprachgebrauchs an einer Stelle des Urteils bezeichnet wird, längere Zeit vorher oder spontan gefaßt wurde, ist für den Vorsatz im Augenblick der Tat unerheblich. Daß aber in diesem Augenblick der Vorsatz des Angeklagten auf die gewaltsame Wegnahme von Geld gerichtet war, folgt eindeutig aus seiner Handlungsweise. Wird nämlich - wie hier - Geld mit Gewalt gegen die Person weggenommen, bedarf es keiner weiteren Erörterung im Urteil, ob der Täter den Entschluß zur Gewaltanwendung vor, gleichzeitig oder nach der Geldwegnahme gefaßt hat, sofern die letzte (für eine andere rechtliche Beurteilung allein relevante) Variante schon nach Art des Tatgeschehens auszuschließen ist. Da sich die Rechtsrüge zufolge ihres Abweichens vom Urteilssachverhalt als nicht gesetzmäßig ausgeführt erweist, war die mithin in allen Punkten unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Olaf Siegfried B*** zu verwerfen.

Der Angeklagte wurde nach § 142 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Die Freiheitsstrafe wurde gemäß § 43 Abs. 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend keinen Umstand, als mildernd die bsherige Unbescholtenheit, das Alter unter 21 Jahren und die bedrängte finanzielle Situation des Angeklagten.

Die Berufung, mit der der Angeklagte die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 41 StGB und die Verhängung einer Geldstrafe gemäß § 37 StGB begehrt, ist nicht berechtigt. Das Schöffengericht hat neben dem Milderungsgrund des Alters unter 21 Jahren auch die Unbescholtenheit des Angeklagten als mildernd gewertet und somit den Milderungsgrund nach § 34 Z 2 StGB, daß der Angeklagte einen ordentlichen Lebenswandel geführt und die Tat mit seinem sonstigen Verhalten im auffallenden Widerspruch steht, angenommen. Hingegen kann die vom Erstgericht weiters als mildernd herangezogene bedrängte finanzielle Situation nicht die Voraussetzungen des Milderungsgrundes nach § 34 Z 10 StGB erfüllen, der voraussetzt, daß der Angeklagte durch eine nicht auf Arbeitsscheu zurückzuführende drückende Notlage zur Tat bestimmt worden ist. Der Angeklagte, der arbeitsfähig, wenn auch derzeit arbeitslos ist und der, von seiner Mutter unterstützt, in Österreich herumreist, war zur Tatzeit nicht in einer Situation, die einer drückenden Notlage im Sinne der zitierten Gesetzesstelle gleichkommt. Auch kann nicht davon gesprochen werden, daß der Angeklagte die Tat nur aus Unbesonnenheit begangen hat. Es handelt sich keineswegs um einen im Vergleich zu den sonstigen Fällen des § 142 Abs. 2 StGB atypischen Fall, der die Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung rechtfertigen könnte. Die Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten ist vielmehr schuldangemessen. Es liegen somit auch die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 1 StGB (Freiheitsstrafe von nicht mehr als sechs Monaten) nicht vor.

Der Berufung mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der angeführten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E13084

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00125.87.0218.000

Dokumentnummer

JJT_19880218_OGH0002_0120OS00125_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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