TE OGH 1988/2/23 10ObS32/88

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Veröffentlicht am 23.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter

Dkfm. Mag. DDr. Wilhelm Kryda und Franz Eckner in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria R***, Pensionistin, 1150 Wien, Johnstraße 2/14, vertreten durch Dr. Bernhard Gansrigler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A*** (Landesstelle Wien),

1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 1987, GZ 31 Rs 189/87-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15. Mai 1987, GZ 13b Cgs 280/86-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 7. November 1986 wies die beklagte Partei den Antrag der am 24. Oktober 1924 geborenen Klägerin vom 23. September 1986 auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses (zur Alterspension, die im Jahre 1986 monatlich S 5.030,20 betrug,) ab, weil sie nicht hilflos im Sinne des § 105 a ASVG sei.

Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig Klage.

Das Erstgericht verurteilte die beklagte Partei, der Klägerin ab 23. September 1986 einen Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Es stellte ua. fest, daß das linke Bein der Klägerin um 5 cm verkürzt und verschmächtigt ist, daß die Beweglichkeit des linken Hüftgelenks sich um 1/3, die Beweglichkeit des rechten oberen Sprunggelenks sich um 2/3 eingeschränkt zeigt, daß die Wirbelsäule im gesamten Verlauf klopfempflindlich ist und eine Verspannung der Lumbalmuskulatur vorliegt, daß das Seitbeugen und die Torsion um 2/3 eingeschränkt sind, daß sich die Klägerin sehr schlecht bücken kann und lediglich einen Finger-Boden-Abstand von 60 cm erreicht. Die Klägerin kann sich allein an- und auskleiden, sich waschen und die Toilette aufsuchen, ihre Mahlzeiten zubereiten, Kleider und Wäsche in Ordnung halten und die Wohnung notdürftig säubern sowie Lebensmittel in kleinen Mengen einkaufen. "Sie ist aber nicht in der Lage, den Ofen zu heizen und zu warten. Die Unfähigkeit zur Ofenwartung ergibt sich aus der Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke und daraus, daß die Klägerin sich sehr schlecht bücken kann."

Wegen der letztgenannten Einschränkung sei die Klägerin hilflos im Sinne des § 105 a ASVG.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren ab, weil die Klägerin wohl ständig der Wartung, aber nicht auch ständig der Hilfe bedürfe.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (der Sache) mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 dieser Gesetzesstelle zulässig; sie ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senates (siehe z. B. JBl 1988, 64; ZAS, Judikaturbeilage 1988, H 1, 3; ÖJZ NRsp 1988/7) liegt Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG dann vor, wenn der Leistungsbezieher nicht in der Lage ist, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende, lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Aus der Höhe und dem Zweck des Hilflosenzuschusses ergibt sich allerdings, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden kann, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Leistungsbeziehers üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind wie der begehrte Zuschuß. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handelt, müssen die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Da jedoch auch von einem Hilflosen erwartet werden muß, daß er einen Standard hält, der unter nicht hilflosen Beziehern gleichhoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich ist, ist bei der Schätzung des notwendigen Dienstleistungsaufwandes mindestens dieser Standard zugrunde zu legen.

Daraus folgt, daß die in großstädtischen Verhältnissen lebende Klägerin nicht hilflos im Sinne des § 105 a ASVG ist. Aus den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen ergibt sich, daß die Klägerin die mit der Unterhaltung des Feuers in einem Ofen für feste Brennstoffe verbundenen Verrichtungen nur insoweit nicht ausführen kann, als sie dabei durch die Bewegungseinschränkungen der Hüftgelenke behindert ist und sich nur sehr schlecht bücken kann. Dies bedeutet aber, daß die Klägerin nur beim Anzünden des Feuers und vor allem beim Entleeren des Ofens von Schlacke und Asche, nicht aber beim Einfüllen des Brennmaterials und Nachlegen aus einem in der Wohnung aufzubewahrenden kleinen Brennstoffvorrat behindert ist. Die Klägerin braucht daher im Zusammenhang mit der Ofenheizung - während der Heizperiode - täglich nur einmal für kurze Zeit für das Ausräumen des Ofens und das Feuermachen Hilfe. Ferner braucht sie für die nicht täglich erforderliche Bereitstellung des kleinen Brennstoffvorrates und für die nur in größeren Abständen erforderlichen Arbeiten im Zusammenhang mit der gründlichen Reinigung von Wäsche und Wohnung Hilfe.

Es ist daher - selbst wenn die Klägerin mit einem feste Brennstoff verfeuernden Ofen heizen müßte - auszuschließen, daß für diese Dienstleistungen im Monatsdurchschnitt mehr als rund S 2.950,-- aufgewendet werden müßten. So hoch wäre etwa der monatliche Durchschnitt des im Jahre 1986 gebührenden Hilflosenzuschusses gewesen.

Der gegen die im Ergebnis richtige Berufungsentscheidung gerichteten Revision war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

Anmerkung

E13416

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00032.88.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19880223_OGH0002_010OBS00032_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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