TE OGH 1988/2/23 4Ob515/88

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Veröffentlicht am 23.02.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Kodek, Dr. Niederreiter und Dr. Redl als weitere Richter in der Vormundschaftssache des am 20. Juni 1985 außer der Ehe geborenen Emanuel V***, infolge Revisionsrekurses der väterlichen Großmutter Agathe R***, Hauswartin, Wien 18., Sternwartestraße 29/1/1, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 19. November 1987, GZ 47 R 934/87-41, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 22. Oktober 1987, GZ 2 P 115/87-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der am 20.6.1985 geborene Emanuel V*** ist der außereheliche Sohn der Maria Luise V*** (geboren 17.1.1968) und des Kurt Z*** (geboren 16.9.1965). Mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 10.4.1987 wurde das Bezirksjugendamt für den 17., 18. Bezirk in Wien als Amtsvormund des Kindes enthoben und die Mutter zum Vormund bestellt. Am 2.6. und 12.6.1987 stellten der Kindesvater und die väterliche Großmutter Agathe R*** den Antrag, die Pflege und Erziehung des Kindes der Mutter zu entziehen und sie der väterlichen Großmutter zu übertragen. Die Mutter erklärte sich damit einverstanden, daß das Kind bis zur endgültigen Entscheidung über diesen Antrag vorläufig bei der väterlichen Großmutter verbleibe, wenn ihr gleichzeitig ein Besuchsrecht einmal wöchentlich eingeräumt werde (ON 16). Dazu führte sie später aus, ihre Verhältnisse seien jetzt wieder völlig geordnet; sie habe keine Kontakte mehr zu Karl L***, der sich derzeit in Haft befinde (ON 20).

Das Erstgericht entzog mit Beschluß vom 22.10.1987 der Mutter vorläufig das Recht, den Minderjährigen zu pflegen und zu erziehen (Punkt 1), wies diesen vorläufig in die Pflege und Erziehung der väterlichen Großmutter Agathe R*** ein (Punkt 2) und räumte für die Dauer dieser vorläufigen Regelung der Mutter ein Besuchsrecht an jedem 1. und 3. Sonntag im Monat und an jedem 2. und 4. Samstag im Monat von jeweils 9 Uhr 30 bis 17 Uhr 30 ein (Punkt 3). Dieser Entscheidung legte das Erstgericht im wesentlichen folgende Feststellungen zugrunde:

Der Minderjährige befand sich bis ca. Mai 1987 in Pflege seiner Mutter. Ende Mai 1987 wurde er auf Intervention des Bezirksjugendamtes für den 12. Bezirk bei der väterlichen Großmutter untergebracht, weil die Mutter ihren Haushalt und das Kind stark vernachlässigt hatte; sie verkehrte damals "in ungünstigem Milieu bzw. in Rauschgiftkreisen". Das am 19.8.1987 erstattete Gutachten des Dr. Claus H*** vom Psychologischen Dienst der MA 11-Jugendamt kam zusammenfassend zu der Empfehlung, der Minderjährige solle derzeit bei der väterlichen Großmutter verbleiben, um abzuwarten, ob die Stabilisierung der mütterlichen Verhältnisse auf Dauer gegeben sei; gleichzeitig solle jedoch ein intensiver Besuchskontakt zwischen Mutter und Kind abgewickelt werden. Zuletzt schilderte das Bezirksjugendamt für den 17., 18. Bezirk mit Bericht vom 14.10.1987 die nunmehrigen Lebensverhältnisse der Mutter als günstig und befürwortete ein ausgedehntes Besuchsrecht der Mutter. Diese bewohne nunmehr in Wien 5., Spengergasse 43/3, eine nett eingerichtete, saubere Wohnung; sie erwarte Mitte Februar (1988) ihr zweites Kind.

Daraus folgerte das Erstgericht in rechtlicher Hinsicht, daß auf Grund der positiven Entwicklung der Lebensverhältnisse der Mutter die Gewährung eines umfangreichen Besuchsrechtes dem Kindeswohl dienlich sei.

Die dagegen erhobenen Rekurse der Mutter, des Vaters und der väterlichen Großmutter blieben erfolglos. Letztere hatte sich nur gegen die erstgerichtliche Besuchsregelung gewendet und die Herabsetzung des Besuchsrechtes der Mutter auf zwei Tage monatlich beantragt. Hiezu vertrat das Rekursgericht die Auffassung, die ausgedehnte Einräumung des Besuchsrechtes der Mutter sei auf Anraten des Jugendamtes und des Psychologischen Dienstes der Stadt Wien erforderlich, um den Kontakt zwischen Mutter und Kind aufrecht zu erhalten und die Rückführung des Kindes zu seiner Mutter bei Stabilisierung der Verhältnisse zu ermöglichen. Zum Rekursvorbringen der väterlichen Großmutter, wonach die Mutter immer noch regelmäßigen Kontakt mit Karl L*** und fragwürdigen Personen aufrecht erhalte, verwies das Rekursgericht darauf, daß die Verhältnisse bei der Mutter ohnedies in absehbarer Zeit neuerlich überprüft werden müßten.

Dagegen wendet sich der (als "Einspruch" bezeichnete) Revisionsrekurs der väterlichen Großmutter mit dem - aus dem Zusammenhang klar erkennbaren - Rechtsmittelantrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Herabsetzung des Besuchsrechtes der Mutter auf zwei Tage im Monat. Auch das Fehlen der Bezeichnung des Rechtsmittelgerichtes macht den Revisionsrekurs nicht unwirksam, weil das zur Entscheidung berufene Gericht durch § 3 Abs 2 JN eindeutig bestimmt ist (vgl. EFSlg 44.636).

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Da eine bestätigende Entscheidung im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG vorliegt, ist die Rechtsmittelwerberin auf die Anfechtungsgründe der offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit und der Nullität beschränkt. Soweit sie in ihrem Rechtsmittel auf Vorfälle Bezug nimmt, die zeitlich vor der tatsächlichen Übernahme des Kindes in ihre Obhut liegen, ist sie darauf zu verweisen, daß bei einer am Einzelfall orientierten Entscheidung, wie der Besuchsrechtsregelung nach § 148 ABGB, der solcherart erhobene Vorwurf, es seien nicht alle Umstände des Einzelfalles gebührend berücksichtigt worden, die in § 16 Abs 1 AußStrG angeführte Rechtsmittelvoraussetzung der offenbaren Gesetzwidrigkeit nicht herzustellen vermag (EFSlg 47.233 uva). Die konkrete Ausmessung des Besuchsrechtes im Rahmen des Wohles des Kindes ist nämlich ebenso eine bloße Ermessensentscheidung wie die Wertung festgestellter Umstände im Hinblick auf das Kindeswohl (EFSlg 47.236, 49.966 uva). Die Rechtsmittelwerberin erhebt aber auch den Vorwurf, das Rekursgericht habe ihr in zweiter Instanz erstattetes Vorbringen, die Kindesmutter habe sich von Karl L*** in keiner Weise getrennt, sie verkehre noch immer in einschlägigen Kreisen im Lokal "Kommune" mit Bekannten L*** sowie in der U-Bahn-Station Karlsplatz mit "zwielichtigen Gestalten", in keiner Weise berücksichtigt. Damit meint sie offensichtlich, das Rekursgericht hätte darüber noch ein weiteres Beweisverfahren abführen sollen. Demgegenüber bildet aber nach ständiger Rechtsprechung die Beurteilung der Frage, ob die Feststellung bestimmter Tatsachen auf Grund der vorhandenen Verfahrensergebnisse gerechtfertigt ist oder ob noch eine weitere Beweisaufnahme, etwa durch abermalige Einholung von Auskünften, Einvernahme von Auskunftspersonen etc., erfolgen soll, grundsätzlich eine Frage der Beweiswürdigung, welche im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG nicht angefochten werden kann (EFSlg 49.925 ua). Soweit aber in diesem Vorwurf allenfalls auch ein Hinweis auf die Nichtbeachtung von Neuerungen durch das Rekursgericht enthalten ist, liegt darin bloß die Behauptung eines Verfahrensmangels. Ein solcher könnte im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses, wenn überhaupt, nur aufgegriffen werden, wenn er in seinen Auswirkungen einer Nichtigkeit gleichkäme, also etwa dann, wenn eine Neuerung geeignet wäre, die gesamte Entscheidungsgrundlage zu verändern oder umzustoßen oder wenn durch die Nichtbeachtung der Neuerungen tragende Grundsätze des Pflegschaftsverfahrens - wie die Beachtung des Kindeswohles - vernachlässigt würden (EFSlg 44.686, 47.254). Derartige Auswirkungen vermag die Rechtmittelwerberin im vorliegenden Fall schon deshalb nicht aufzuzeigen, weil sie nicht die Einräumung eines Besuchsrechtes an die Mutter an sich anficht, sondern lediglich das Ausmaß des ihr zuerkannten Besuchsrechtes, welches um die Hälfte herabgesetzt werden soll. Auf den Umfang des - grundsätzlich nicht in Frage gestellten - Besuchsrechtes der Mutter können aber die von der väterlichen Großmutter in ihrem Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes erhobenen Vorwürfe, die Kindesmutter habe noch immer regelmäßigen Kontakt mit Karl L***, den sie regelmäßig am Freitag im Landesgericht II besuche, es sei "uns" (gemeint offenbar: dem Vater und der väterlichen Großmutter) von Bekannten mitgeteilt worden, daß die Mutter mehrmals auf dem Karlsplatz mit fragwürdigen Personen ("Punkertypen") gesehen wurde, keinen so gravierenden Einfluß haben, daß dadurch die gesamten Grundlagen für die diesbezügliche Ermessensentscheidung umgestoßen oder das Kindeswohl gänzlich in Frage gestellt würde. Dazu ist der vage Hinweis auf einen von Bekannten angeblich wahrgenommenen Kontakt der Mutter mit "Punkertypen" auf dem Karlsplatz nicht geeignet. Ebensowenig ist ersichtlich, welchen Einfluß der Umstand, daß die Mutter allenfalls einen Häftling wöchentlich einmal im Gefängnis besucht, auf den Umfang ihres Besuchsrechtes beim Kind haben könnte. Selbst wenn daher dieses Vorbringen der väterlichen Großmutter in zweiter Instanz als Neuerung und nicht als bloße Bekämpfung der erstgerichtlichen Beweiswürdigung angesehen würde, läge in seiner Nichtbeachtung durch das Rekursgericht ein bloßer Verfahrensmangel, der im Wege eines außerordentlichen Revisionsrekurses nicht mehr geltend gemacht werden kann. Soweit die Rechtsmittelwerberin aber nunmehr erstmalig behauptet, die Mutter verkehre noch immer in einschlägigen Kreisen im Lokal "Kommune" mit jenen Bekannten Karl L***, derentwegen sie schon einmal das Kind vernachlässigt habe, macht sie damit eine auch im Verfahren über einen außerordentlichen Revisionsrekurs unzulässige Neuerung geltend (EFSlg 47.205, 49.921 ua).

Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Anmerkung

E13189

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0040OB00515.88.0223.000

Dokumentnummer

JJT_19880223_OGH0002_0040OB00515_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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