Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** S*** Aktiengesellschaft, Bad Ischl, Wirerstraße 10, vertreten durch Dr.Johannes Hintermayr und Dr.Michael Krüger, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei A*** I***-M***
Gesellschaft mbH, Pichlwang, Timelkam, vertreten durch Dr.Erich Aichinger und Dr.Harald Fahrner, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen S 81.936,-- s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8. Oktober 1987, GZ 6 R 128/87-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 19. März 1986, GZ 3 Cg 30/86-16, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei betreibt in Hallein eine Saline mit vier Verdampfern und vier Solevorwärmern. Jeder dieser Verdampfer enthält ca. 250 Rohre als Heizkammern, in denen heißer Dampf zirkuliert und die Sole, die um die Rohre herumrinnt, erwärmt. Durch Korrosion werden diese Rohre häufig leck, was zur Folge hat, daß die Sole in das Innere der Heizrohre eindringt und sich mit dem Dampf vermischt. Um Korrosionsschäden am Kompressor hintanzuhalten, wird der Verdampfer im Falle des Auftretens eines Lecks beim Heizrohr sogleich abgestellt. Um den dadurch bedingten Produktionsausfall möglichst gering zu halten, ist eine unverzügliche Auswechslung des beschädigten Heizrohres erforderlich. Das defekte Rohr muß vom doppelten Rohrboden gelöst, aus dem Verdampfer entfernt und ein neues Rohr in den Verdampfer eingefädelt und mittels eines Einwalzgerätes in den Rohrboden eingesetzt werden. Zur Durchführung dieser Rohrwechselarbeiten sind zwei Monteure erforderlich. Die Rohrwechselarbeiten in den Solevorwärmern sind in ähnlicher Weise durchzuführen. Die bei der klagenden Partei eingesetzten Verdampfer wurden von der Waagner-Biro AG errichtet, die auch die erforderlichen Rohrwechselarbeiten bis zum Jahre 1985 ausführte. Im Frühjahr 1985 holte die klagende Partei von mehreren Konkurrenzunternehmen der Waagner-Biro AG Anbote über die Durchführung von Montagearbeiten, insbesondere auch der Rohrwechselarbeiten, ein. Am 9.Mai 1985 wurde der Geschäftsführer der beklagten Partei Hermann K*** als Billigstbieter zu einem Vergabegespräch eingeladen. Dabei wurde Hermann K*** darauf hingewiesen, daß ca. 50 % der von den Monteuren der beklagten Partei auszuführenden Arbeiten Rohrwechselarbeiten in den Verdampfern und Solevorwärmern seien. Der Direktor der Salline Hallein, Dr.Hans R***, beschrieb genau, worauf es beim Rohrwechsel ankommt; insbesondere wurde Hermann K*** darauf hingewiesen, daß die Rohrwechselarbeiten unter erschwerten Bedingungen, insbesondere bei starker Hitze, auszuführen seien. Hermann K*** entgegnete, diese Arbeiten stellten für die beklagte Partei kein Problem dar, weil sie auf Grund der Vornahme von Rohrwechselarbeiten in Zuckerfabriken Erfahrung im Umgang mit Wärmetauschern habe. Unmittelbar im Anschluß an die Unterredung wurde Hermann K*** von Dipl.-Ing. Horst S*** und vom Werkmeister Kurt S*** durch die Produktionsanlagen geführt und ihm Gelegenheit geboten, einen offenstehenden Verdampfer zu besichtigen. Dabei erklärte Hermann K*** neuerlich, daß die Durchführung der Rohrwechselarbeiten für die beklagte Partei kein Problem darstelle. Am 20.Mai 1985 übersandte die klagende Partei der beklagten Partei ein mit "Bestellung" überschriebenes Schreiben nachstehenden Inhalts:
"Wir bestellen (die) Durchführung von Montagearbeiten in der Saline Hallein laut ihrem Offert vom 22.März 1985 bzw. dem Vergabegespräch vom 9.Mai 1985. Einsatzdauer cirka 3 Monate. Preis cirka ÖS 350.000,-- plus 20 % Mehrwertsteuer.
Stundensätze: Obermonteur ÖS 174,--, Monteur ÖS 164,--, Schweißer geprüft ÖS 166,-- Kalendertägliche Auslöse ÖS 360,--, Fahrtgeld ÖS 200,-- plus 2 Stunden.
Einsatz der Monteure: Es werden auf die Dauer von cirka 3 Monaten ständig 2 Monteure Ihrer Frima in der Saline Hallein beschäftigt. Im Extremfall oder bei größeren Reparaturen wird zusätzliches Personal angefordert (nach vorheriger Absprache mit Hermann K***).
Arbeitsumfang: Die Monteure werden für nachstehend angeführte
Arbeiten eingesetzt:
-
Rohrwechsel im Verdampfer und Solevorwärmer unter besonders erschwerten Bedingungen (Schmutz, Hitze etc.)
-
Austausch von Absperrorganen in der gesamten Anlage
-
Anfertigen und Montieren verschiedener Rohrleitungen und Materialien (Stahl, Rost und säurebeständiges Material)
-
Rührwerksreparatur der Verdampfer
-
Pumpen der gesamten Anlage demontieren und montieren
-
Instandhaltung Förderbänder bzw. Neuanfertigung
-
je nach Bedarf sind Ihre Monteure auch zu jeder anderen anfallenden Arbeit heranzuziehen.
Qualifikation der Monteure: Sollte die Qualifikation Ihrer Monteure nicht zufriedenstellend sein, so sind wir berechtigt, sofort und kostenlos für den Auftraggeber neues Montagepersonal anzufordern.
Fachliche Zuordnung: Die Monteure sind unserem Werkstättenmeister, Herrn Kurt S*** oder dessen Stellvertreter zugeteilt ......"
Dieses Schreiben wurde von der beklagten Partei firmenmäßig gefertigt der klagenden Partei retouniert. Im Zeitpunkt des vereinbarten Arbeitsbeginns am 1.Juli 1985 befand sich der von Hermann K*** für den Einsatz bei der klagenden Partei vorgesehene einzige für die Durchführung der Rohrwechselarbeiten qualifizierte Monteur der beklagten Partei in Algerien. Die beklagte Partei entsandte zunächst einen geprüften Schweißer und ab 2.Juli 1985 einen weiteren Monteur; beide hatten zuvor Rohrwechselarbeiten noch nicht durchgeführt. Auch das Rohreinwalzgerät wurde von der beklagten Partei nicht zur Verfügung gestellt. Als am 2.Juli 1985 erstmals Rohrwechselarbeiten durchzuführen waren, waren die von der beklagten Partei entsandten Monteure hiezu nicht in der Lage. Diese Arbeiten mußen daher von den bei der klagenden Partei anwesenden Monteuren der Waagner-Biro AG durchgeführt werden. Für die übrigen in der Bestellung vom 20.Mai 1985 angeführten Arbeiten waren die von der beklagten Partei beigestellten Monteure tauglich. Als bekannt wurde, daß die von der beklagten Partei beigestellten Arbeiter noch nie zuvor Rohrwechselarbeiten durchgeführt hatten, setzte sich Dr.Hans R*** mit der beklagten Partei in Verbindung. Der zweite Geschäftsführer der beklagten Partei teilte Dr.Hans R*** mit, daß der einzige mit Rohrwechselarbeiten vertraute Monteur, derzeit nicht verfügbar sei. Am 10.Juli 1985 fand eine Unterredung zwischen Hermann K*** und Dr.Hans R*** statt, bei der vereinbart wurde, daß die beklagte Partei ihre Monteure wegen ihrer mangelnden Erfahrung bei Rohrwechselarbeiten am 14. Juli 1985 abziehen werde. Mit Schreiben vom 24.Juli 1985 teilte die klagende Partei der beklagten Partei erstmals mit, sie werde der beklagten Partei die entstandenen Mehrkosten in Rechnung stellen, da sie wegen der Unfähigkeit der von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte die vereinbarten Montagearbeiten durch ein anderes Unternehmen habe durchführen lassen. Die klagende Partei beschäftigte bis zu vier Monteure der Waagner-Biro AG. Bei einem ständigen Einsatz von zwei Monteuren und einer Regelarbeitszeit von 8 Stunden täglich bzw. 40 Stunden wöchentlich wäre bei Beschäftigung von Monteuren der beklagten Partei in der Zeit vom 16.Juli 1985 bis 30. September 1985 ein Entgelt von S 201.456,-- zu leisten gewesen, die Beschäftigung von Monteuren der Waagner-Biro AG erforderte für den vorgenannten Zeitraum S 283.392,--. Am 31.Juli 1985 stellte die beklagte Partei der klagenden Partei für die bis 12.Juli 1985 geleisteten Arbeiten den Betrag von S 42.382,-- in Rechnung. Die klagende Partei begehrte die Zahlung des Betrages von S 122.560,14 s.A. und brachte vor, sie habe die beklagte Partei mit Montagearbeiten beauftragt; bei dem die Grundlage des Auftrages bildenden Vergabegespräch sei klargestellt worden, daß die von der beklagten Partei zur Verfügung zu stellenden Arbeitskräfte Rohrwechselarbeiten auszuführen hätten. Die beklagte Partei habe erklärt, daß ihre Mitarbeiter mit solchen Arbeiten vertraut seien. Tatsächlich seien aber die von der beklagten Partei entsandten Monteure nicht in der Lage gewesen, die vertraglich vereinbarten Rohrwechselarbeiten durchzuführen. Die Streitteile hätten darauf vereinbart, daß die beklagte Partei ihre Monteure von der Baustelle zurückziehe. Dabei sei die beklagte Partei darauf aufmerksam gemacht worden, daß ihr der durch Ersatzvornahme notwendige Mehraufwand in Rechnung gestellt würde. Dieser Mehraufwand betrage S 164.944,14, wovon der von der beklagten Partei für geleistete Arbeiten in Rechnung gestellte Betrag von S 42.384,-- in Abzug zu bringen sei. Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe sich lediglich verpflichtet, für die Dauer von ca. drei Monaten ständig zwei Monteure zur Durchführung verschiedener Arbeiten zur Verfügung zu stellen. Sie habe beim Vergabegespräch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß ihre Monteure die durchzuführenden Rohrwechselarbeiten erst erlernen müßten. Die klagende Partei habe die Einschulung der Monteure zugesagt. Diese Einschulung sei nicht erfolgt, so daß Schwierigkeiten bei den Rohrwechselarbeiten aufgetreten seien. Wegen der in diesem Zusammenhang aufgetretenen Unstimmigkeiten hätten die Parteien den Vertrag einvernehmlich aufgelöst; erst 14 Tage nach einvernehmlicher Auflösung habe die klagende Partei den Ersatz der Mehrkosten begehrt.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 81.936,-- s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren auf Zahlung von S 40.624,14 s.A. wies es ab. Es stellte fest, es sei nicht erweislich, daß die klagende Partei zugesagt habe, die von der beklagten Partei beizustellenden Monteure für Rohrwechselarbeiten einzuschulen.
In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, das Vertragsverhältnis der Streitteile sei als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zu qualifizieren. Die beklagte Partei habe diesen Vertrag mangelhaft erfüllt, allfällige Gewährleistungsansprüche seien aber verfristet. Neben dem Gewährleistungsanspruch bestehe auch kein Anspruch auf Schadenersatz, weil bei Aufklärung der klagenden Partei über die mangelnde Befähigung der beigestellten Arbeiter, wie dies dann in der Folge auch geschehen sei, Monteure der Waagner-Biro AG beschäftigt worden wären. Der klagenden Partei sei aber das Recht zum Rücktritt vom Vertrag gemäß § 918 ABGB zugestanden. Wenn sich die Streitteile entschlossen, den Vertrag einvernehmlich aufzuheben, so könne die klagende Partei nicht schlechter gestellt werden, als wenn sie von dem ihr zustehenden Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hätte. Ihr stehe demnach der Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens für die Zeit vom 16.Juli 1985 bis 30. September 1985 in der Höhe von S 81.936,-- s.A. zu. Das Berufungsgericht gab der gegen den dem Klagebegehren stattgebenden Teil der Entscheidung des Erstrichters erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, daß die Revision gegen den abändernden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes zulässig sei. Der Berufung der klagenden Partei gab das Berufungsgericht nicht Folge. Das Berufungsgericht übernahm die Tatsachenfeststellung des angefochtenen Urteils. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, das Vertragsverhältnis der Streitteile sei zum 14.Juli 1985 aufgelöst worden, ohne daß sich die klagende Partei Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung vorbehalten habe. Der Rechtsansicht, bei einvernehmlicher Auflösung des Vertrages könne der Partner nicht schlechter gestellt werden, als wenn er von einem ihm zustehenden Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht hätte, könne nicht gefolgt werden.
§ 921 ABGB finde nur in Fällen einseitiger Auflösung des Vertragsverhältnisses Anwendung. Bei einvernehmlicher Beendigung des Vertragsverhältnisses müßten allfällige Schadenersatzansprüche vorbehalten werden. Ein solcher Vorbehalt sei nicht erklärt worden, so daß das Klagebegehren nicht gerechtfertigt sei.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den abändernden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der klagenden Partei kommt Berechtigung nicht zu.
Die Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gerechtfertigt (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).
Der zwischen den Streitteilen abgeschlossene Vertrag beinhaltet, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, eine Arbeitnehmerüberlassung, die in Österreich keine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren hat. Bei der Arbeitnehmerüberlassung schuldet der "Verleiher" nur die Überlassung des Dienstnehmers zum Zwecke der Arbeitsleistung, nicht aber einen bestimmten Erfolg (ArbSlg 10.351; SZ 55/115; JBl. 1971, 45; SZ 25/44; Koziol-Welser, Grundriß8 I 370; Krejci in Rummel, ABGB, Rz 96 zu § 1151 ABGB; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 880 a; Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I, 41, 42; Spielbüchler-Floretta, Arbeitsrecht2 I 83). Der Verleiher hat aber für die durchschnittliche berufliche und fachliche Qualifikation und die Arbeitsbereitschaft der von ihm zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte einzustehen (ArbSlg 10.351; SZ 55/115; Mayer-MalyMarhold a.a.O. 42; Becker, Zur Abgrenzung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages gegenüber anderen Vertragstypen mit drittbezogenem Personaleinsatz, ZfA 1978, 131, 136). Die von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten Arbeitskräfte konnten die bedungenen Rohrwechselarbeiten nicht ausführen; eine Verpflichtung der klagenden Partei, die Arbeitskräfte einzuschulen, ist nicht erwiesen. Die Streitteile vereinbarten deshalb, daß die beklagte Partei die von ihr entsandten Monteure am 14.Juli 1985 abziehen wird. Diese Vereinbarung wird von beiden Streitteilen dahin verstanden, daß damit der abgeschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvertrag einvernehmlich aufgehoben wurde. Daß es sich um einen Aufhebungsvertrag handelte, wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
Den Parteien eines Vertragsverhältnisses steht es grundsätzlich frei, einen Vertrag einvernehmlich aufzuheben. Durch den contrarius consensus werden die Rechtswirkungen des Vertrages beseitigt. Ob die Vertragswirkungen rückwirkend beseitigt oder nur ab einem späteren Zeitpunkt, insbesondere jenem der Beendigungsübereinkunft, wegfallen sollen (sog. Beendigungsvertrag), ist, sofern keine ausdrückliche Regelung vorliegt, eine Frage der Vertragsauslegung (Klang in Klang Kommentar2 VI 532; Ehrenzweig-Mayrhofer, System3 Schuldrecht Allgemeiner Teil 628; Gschnitzer in Iherings Jahrb. 76, 317, 375; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts14 I Allgemeiner Teil 272; Söllner in Münchener Kommentar2 Rz 26, 27 zu § 305 BGB). Bei Dauerschuldverhältnissen wird vielfach nur die Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft gewollt sein; die bereits entstandenen oder bis zum vereinbarten Zeitpunkt noch entstehenden Rechte und Verpflichtungen bleiben in einem solchen Fall unberührt (Larenz a.a.O. 272). Möglich ist auch, daß nur die primären Leistungspflichten entfallen, sekundäre Schadenersatzpflichten aber bestehen bleiben sollen (Larenz a.a.O. 272). Es kann mit dem Aufhebungsvertrag aber auch der Verzicht auf einzelne schon entstandene Ansprüche verbunden sein. Schadenersatzansprüche, die der klagenden Partei bis zu der mit Wirkung vom 14.Juli 1985 erfolgten Aufhebung des Vertrages erwachsen sein konnten, sind nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Für Ersatzansprüche aus nach diesem Zeitpunkt entstandenen Schäden sprach der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung JBl. 1979, 203 aus, daß derjenige, der der Aufhebung eines Vertrages zustimmte, obwohl der Vertragspartner den Vertrag verletzt hat, nicht schlechter gestellt werden könne, als hätte er von dem ihm gemäß § 918 ABGB zustehenden Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht. Auf die einvernehmliche Vertragsauflösung sei die Bestimmung des § 921 ABGB anwendbar. Koziol trat a.a.O. dieser Rechtsansicht mit dem Hinweis entgegen, daß § 921 ABGB nur im Falle einseitiger Vertragsauflösung, nicht jedoch bei einvernehmlicher Beendigung eines Schuldverhältnisses zur Anwendung gelange. Die einvernehmliche Vertragsaufhebung schließe Schadenersatzansprüche wegen Nichterfüllung aus, da die Erfüllungspflichten einvernehmlich beseitigt wurden. Nur über eine sehr kühne Auslegung der Auflösungsvereinbarung könne man zum Ergebnis gelangen, daß Schadenersatzansprüche vorbehalten worden seien. Die Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes wird hingegen von Ehrenzweig-Mayrhofer a. a.O. 407 FN 29 gebilligt: Heben die Parteien, etwa im Hinblick auf den eingetretenen Verzug, ihr Vertragsverhältnis einvernehmlich auf, gelange im Zweifel ebenfalls § 921 ABGB zur Anwendung. Die Lage sei gleich wie bei der Wandlung, bei der ebenfalls kein Unterschied zu machen sei, ob sie einvernehmlich vorgenommen werde oder nicht. Bei neuerlicher Prüfung der Rechtsfrage vermag der Oberste Gerichtshof an der in JBl. 1979, 203 vertretenen Rechtsansicht nicht festzuhalten. Der Aufhebungsvertrag beinhaltet jedenfalls die Beseitigung der aus dem Vertrag erfließenden Leistungspflichten. Auf eine einvernehmliche Aufhebung der Leistungspflichten ist die Bestimmung des § 921 ABGB jedenfalls nicht unmittelbar anwendbar, weil sie die einseitige Aufhebung des Vertrages (vgl. §§ 918, 920 ABGB) voraussetzt. Welche Rechtswirkungen an die einvernehmliche Aufhebung des Vertragsverhältnisses geknüpft sind, ist primär eine Frage der Auslegung des Aufhebungsvertrages. Im Regelfall wird einer solchen Vereinbarung die Bedeutung beizumessen sein, daß sämtliche Vertragswirkungen, also nicht nur die Leistungsansprüche, sondern auch allfällige aus der Verletzung des Vertrages abgeleitete Schadenersatzansprüche beseitigt sein sollen. Sollen Schadenersatzpflichten unberührt bleiben und die Vertragswirkungen demnach nicht zur Gänze, sondern nur teilweise beseitigt werden, muß der Gläubiger einen Vorbehalt machen. Nur damit wird klargestellt, daß die Aufhebungsvereinbarung in Wahrheit keine vollständige Einigung darstellt, sondern nur die Bedeutung einer teilweisen Aufhebung der Rechtswirkungen des Vertrages haben soll. Es entspricht herrschender Lehre und Rechtsprechung, daß gemäß § 1389 ABGB ein anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossener Vergleich im Zweifel Bereinigungswirkung für alle aus diesem Dauerschuldverhältnis entspringenden wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten hat (EFSlg. 38.638; ArbSlg 9209; MietSlg. 29.110; vgl. EvBl. 1977/266; RZ 1977/14; Wolff in Klang2 VI 284). Ein Vergleich liegt hier zwar nicht vor, aber doch eine ähnliche Situation, weil nur bei uneingeschränkter einverständlicher Vertragsaufhebung die Frage, ob der Gläubiger überhaupt zum Rücktritt (bzw. zur Beendigung des bereits in Vollzug gesetzten Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund) berechtigt gewesen wäre, dahingestellt bleiben kann. Bei einvernehmlicher Aufhebung eines Dienstvertrages wird in der Bundesrepublik Deutschland angenommen, daß ein Schadenersatzanspruch nur dann erhalten bleibt, wenn sich die Parteien in der Vereinbarung diesen Anspruch ausdrücklich vorbehalten; der Schadenersatzanspruch, den § 628 Abs. 2 BGB an die Kündigung wegen vertragswidrigen Verhaltens des anderen Teils knüpft, bleibe bei Abschluß eines Aufhebungsvertrages nur erhalten, wenn klargestellt werde, daß Schadenersatzansprüche vom Aufhebungsvertrag nicht betroffen sein sollen (Schwerdtner in Münchener Kommentar2 Rz 13 zu § 628 BGB). Im vorliegenden Fall ist auch durchaus denkbar, daß die klagende Partei mit der Vertragsaufhebung nur zu jenem Zustand zurückkehren wollte, der sich ohnehin bei der Weiterverwendung von Arbeitern der Fa. Waagner-Biro für die klagende Partei ergeben hätte. Gewiß gibt es Fälle, wo das Verschulden des anderen Teils so klar und offensichtlich ist, daß auch bei einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung ohne besonderen Vorbehalt ein Einverständnis darüber angenommen werden kann, daß die Vertragsaufhebung Schadenersatzansprüche unberührt lassen soll. Für eine solche Annahme bietet der vorliegende Sachverhalt aber keinen hinreichenden Anhaltspunkt; die Revision führt auch nicht aus, daß ein fortgesetztes Verfahren Ergebnisse in dieser Richtung erbracht hätte. Immerhin vertrat die beklagte Partei den Standpunkt, daß eine Vertragsverletzung nicht vorliege, weil die klagende Partei sich zur Einschulung des zur Verfügung gestellten Personals für Rohrwechselarbeiten verpflichtet habe; dies wurde zwar von den Vorinstanzen als nicht erwiesen erachtet, konnte aber zu Meinungsverschiedenheiten führen, die durch den Aufhebungsvertrag ausgeräumt werden konnten.
Der Vergleich Ehrenzweig-Mayrhofer a.a.O. mit der Wandlung eines Vertrages wegen wesentlicher unbehebbarer Mängel ist nicht zielführend, weil die einvernehmliche Wandlung zwar die Aufhebung des Vertrages bewirkt und bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche auslöst (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 932), im übrigen aber auch bei einvernehmlicher Wandlung die Frage, ob Schadenersatzansprüche, die nicht vorbehalten wurden, weiterbestehen, zu lösen bleibt.
Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E13123European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00509.88.0224.000Dokumentnummer
JJT_19880224_OGH0002_0010OB00509_8800000_000