TE OGH 1988/2/24 1Ob54/87

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Veröffentlicht am 24.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*** L*** Aktiengesellschaft, Filiale Innsbruck, Innsbruck, Museumstraße 20, vertreten durch Dr.Peter Murschetz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei G*** A***, vertreten durch Dr.Hansjörg Schweinester, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert S 1,000.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 11.Mai 1987, GZ 6 R 367/86-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 1.September 1986, GZ 6 Cg 426/85-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 17.112,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.555,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der beklagten Gemeinde vom 26. Juli 1978 wurde der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 49 Wohnungen und Tiefgaragen auf dem Grundstück 2506 KG Axams unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt. Mit Schreiben vom 8.November 1979 teilte die den Bau ausführende Architektengemeinschaft unter Bezugnahme auf ein Gespräch dem Bürgermeister der beklagten Gemeinde mit, daß die bewilligte Wohnhausanlage nun endgültig 79 selbständige Wohneinheiten und ein Gemeinschaftszentrum aufweise. Unter Hinweis auf § 12 WEG wurde gebeten, die beiliegende Bestätigung wie versprochen zu unterfertigen und zu retournieren. Der Bürgermeister der beklagten Gemeinde stellte die gewünschte Bescheinigung nach § 12 Abs 2 Z 2 WEG noch am selben Tag aus. Auf Grund dieser Bestätigung wurde in BOZ 4 der EZ 1006 II KG Axams das mit allen Anteilen verbundene Wohnungseigentum einverleibt. Am 21.November 1980 legte die Bauwerberin einen den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Tekturplan vor, aus dem hervorging, daß 79 Wohnungen samt Zubehör errichtet worden waren. Der Bürgermeister ließ auf diesem Tekturplan am 26.November 1980 den Vermerk anbringen: "Dieser Tekturplan zu Zl. 131/9-57/1978 wird baubehördlich genehmigt."

Mit Bescheid vom 4.Mai 1981 hob die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck gemäß § 113 Abs 1 der Tiroler Gemeindeordnung in Wahrung der aufsichtsbehördlichen Befugnisse den als Bescheid zu qualifizierenden Vermerk vom 26.November 1980 wegen Vorliegens eines Nichtigkeitsgrundes gemäß § 68 Abs 4 lit d AVG in Verbindung mit § 52 Abs 1 lit b der Tiroler Bauordnung (Tir.BO) auf. Die Aufsichtsbehörde vertrat die Ansicht, der Vermerk des Bürgermeisters sei als Bescheid zu qualifizieren, da darin sein Wille zum Ausdruck gebracht worden sei, daß diese Pläne baubehördlich bewilligt werden. Im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides habe aber der Bürgermeister über die vorgesehenen Eigentums- und Bestandverhältnisse, daß fast ausschließlich holländische Staatsbürger als Käufer aufgetreten seien, bereits genau Bescheid gewußt. Seien aber überwiegend holländische bzw. schwedische Staatsbürger mit einem ordentlichen Wohnsitz in ihrem Heimatstaat Erwerber der Wohnung, sei das Objekt überwiegend als Apartmenthaus zu beurteilen. Da die Errichtung von Apartmenthäusern einer Widmung als Sonderfläche in Bauland bedarf, hätte die Baubehörde gemäß § 31 Abs 4 lit a in Verbindung mit § 31 Abs 3 TirBO ein Bauansuchen abweisen müssen, wenn sich ergebe, daß es dem Flächenwidmungsplan widerspreche. Dieser Bescheid wurde von der Tiroler Landesregierung mit Bescheid vom 11.Jänner 1982, Zl. Ve-551-284/7, bestätigt. Verwaltungsgerichtshofbeschwerden zahlreicher Wohnungseigentümer wurden mit Erkenntnis vom 28. Juni 1984, Zl. 82/06/0023, 0025, 0087, als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof billigte die Auffassung der Gemeindeaufsichtsbehörden. Erst durch die später vorgenommenen baulichen Abänderungen und die geänderten Verhältnisse bezüglich Wohnungswerber oder Käufer sei von einer Umwidmung des bewilligten Gebäudes in ein Apartmenthaus und sohin von einem Umbau auszugehen. Zugunsten der klagenden Partei sind auf den der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH verbliebenen Wohnungseigentumsanteilen der EZ 1006 II KG Axams nachstehende Pfandrechte einverleibt: Auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 8.November 1978 S 9,600.000,-- mit Rang 10.November 1980; auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 29. Mai 1981 S 8,400.000,-- als Haupteinlage, Nebeneinlage EZ 1522 II KG Axams, mit Rang 15.Juni 1981 und auf Grund der Pfandbestellungsurkunde vom 17.Juni 1981 S 6,000.000,-- als Haupteinlage, Nebeneinlage EZ 1522 II KG Axams, mit Rang 7.Mai 1981. Diese Darlehen hafteten per 31.Dezember 1983 mit S 10,314.795,47 und per 15.Mai 1985 mit S 12,123.511,29 unberichtigt aus. Der Verkehrswert der Wohnungseigentumsanteile der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH an der EZ 1006 II KG Axams wurde vom Sachverständigen Ing.Herbert P*** mit Gutachten vom 14.März 1983 auf S 12,705.592,-- geschätzt. Dieses Gutachten wurde ohne Berücksichtigung der Tatsache erstellt, daß ein Baubescheid für das Gebäude nicht mehr besteht und der Abbruch nach den Bestimmungen der Tiroler Bauordnung zwingend vorgeschrieben ist. Ein Abbruchbescheid ist bisher aber noch nicht erlassen worden. Über das Vermögen der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH wurde zu S 51/82 des Landesgerichtes Innsbruck der Konkurs eröffnet.

Die klagende Partei begehrt die Fällung des Urteiles, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei alle ihr aus der Erteilung einer rechtswidrigen Baubewilligung und Erteilung einer Bestätigung gemäß § 12 WEG 1975 an die Firma Wohnbau Axams Gesellschaft mbH betreffend das auf Grundstück 2506/1 in EZ 1006 II KG Axams errichtete Gebäude erwachsenden Schaden zu ersetzen. Die klagende Partei habe der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH Kredite nur deshalb gewährt, weil einerseits eine entsprechende rechtskräftige Baubewilligung vorgelegen sei und andererseits die Begründung von Wohnungseigentum sichergestellt gewesen sei. Die Wohnungseigentumsanteile der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH seien durch die Aufhebung des Bescheides vom 26. November 1980 praktisch wertlos. Der klagenden Partei entstehe ein Schaden, dessen Höhe derzeit noch nicht abzuschätzen sei, für den jedoch die beklagte Gemeinde auf Grund der Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes hafte. Der Bürgermeister der beklagten Gemeinde als Baubehörde erster Instanz habe rechtswidrig und schuldhaft gehandelt. Auf Grund der ihm zur Kenntnis gebrachten Zahl und Gestaltung der Wohnungen habe ihm bekannt sein müssen, daß die Bestimmung des § 16 a Tiroler RaumordnungsG (TirROG) verletzt wurde; der Bürgermeister sei auch vom Amt der Tiroler Landesregierung mehrfach darauf hingewiesen worden, daß seine Vorgangsweise zu einer Nichtigkeit des Bescheides führen müßte. Der Bürgermeister habe auch bei Erteilung der Bestätigung nach § 12 WEG rechtswidrig gehandelt, weil er den Bestand von 79 selbständigen Wohneinheiten bestätigt habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt ein rechtskräftiger Baubescheid nur über 49 Wohnungen vorgelegen sei.

Die beklagte Gemeinde wendete ein, es mangle am Feststellungsinteresse, weil bisher kein Schaden eingetreten sei. Die klagende Partei sei auch zur Stellung von Schadenersatzsansprüchen nicht legitimiert. Die Streitteile stünden in keinem Rechtsverhältnis zueinander. Eine aus dem Gesetz ableitbare Haftung gegenüber den Wohnungseigentümern begründe keinen Schadenersatzanspruch zwischen den Prozeßparteien. Eine solche Haftung könnte höchstens zwischen den Wohnungseigentümern und der beklagten Partei gegeben sein.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Der Bürgermeister der beklagten Gemeinde habe rechtswidrig und schuldhaft gehandelt, weil er ohne baubehördlich bewilligten Bauplan den Bestand von 79 selbständigen Räumlichkeiten gemäß § 12 WEG bestätigt und später die Baubewilligung von 49 auf 79 Wohneinheiten ausgedehnt habe. Auf Grund der dem Bürgermeister zur Kenntnis gebrachten Zahl und Gestaltung der Wohnungen habe ihm als Baubehörde bekannt sein müssen, daß die Bestimmung des § 16 a TirROG verletzt wurde. Zudem sei der Bürgermeister mehrfach vom Amt der Tiroler Landesregierung darauf hingewiesen worden, daß seine Vorgangsweise zu einer Nichtigkeit des Bescheides führen müßte. Es bestehe auch der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang. Es müsse eine Norm verletzt worden sein, die gerade den Schaden der eingetretenen Art verhindern wollte. Bestehe dieser aus der verletzten Norm selbst abzuleitende Zusammenhang zwischen Normzweck und eingetretenem Schaden nicht, liege nur ein mittelbarer, grundsätzlich nicht ersetzungsfähiger Schaden vor. Vom Schutzzweck der Raumordnungs- und Bauordnungsgesetze seien nur die subjektiv öffentlichen Rechte der Liegenschaftseigentümer und ihrer Rechtsnachfolger erfaßt, nicht aber die Rechte von Personen, die zu ihnen in obligatorischen Beziehungen stünden. Wenn nun auch die Forderung der klagenden Partei sich aus obligatorischen Beziehungen mit der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH ableite, so sei doch davon auszugehen, daß eine pfandrechtliche Sicherstellung erfolgt sei und somit auch im Falle der Durchführung der Zwangsversteigerung eine Rechtsnachfolge der klagenden Partei eintreten könnte. Liege eine Baubewilligung nicht vor, könne ein Abbruchbescheid erlassen werden. Für diesen Fall werde eine Befriedigung der klagenden Partei auf Grund ihrer pfandrechtlichen Sicherstellung nicht mehr in voller Höhe zu erwarten sein, weil der Grundwert allein weit unter ihren Forderungen liege.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge und wies das Feststellungsbegehren ab. Es sprach aus, daß der Wert, über den es entschieden habe, S 300.000,-- übersteige. Es mangle der klagenden Partei an einem Feststellungsinteresse, weil ein Schaden noch nicht eingetreten sei. Die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden setze voraus, daß zumindest bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz ein Schaden bereits eingetreten sei und die Möglichkeit künftiger weiterer Schäden aus dem bereits eingetretenen Schadenereignis nicht ausgeschlossen werden könne. Sei dagegen ein Schaden bis zum Schlusse der mündlichen Verhandlung in erster Instanz überhaupt noch nicht entstanden, dann fehle es an einem rechtlichen Interesse an der alsbaldigen Feststellung der Schadenersatzpflicht. Die Möglichkeit eines späteren Schadenseintrittes allein genüge für eine Feststellungsklage nicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes wäre das Feststellungsinteresse der klagenden Partei, soweit sie sich auf die Erteilung einer rechtswidrigen Baubewilligung stützt, allerdings zu bejahen. Ein Rechtverhältnis im Sinn des § 228 ZPO kann auch im Bestehen einer Schadenersatzpflicht liegen. Das rechtliche Interesse an der Feststellung, der Schädiger hafte für alle Nachteile, die sich in Zukunft aus dem schädigenden Ereignis ergeben, wird regelmäßig dann bejaht, wenn die Möglichkeit offen bleibt, daß das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt verursachen kann (ZVR 1980/289; ZVR 1978/30; JBl 1976, 315; SZ 45/78; SZ 41/153 uva). Es ist nicht erforderlich, daß bis zum Schluß der Verhandlung bereits ein Schaden eingetreten ist. Es genügt vielmehr, daß sich ein Vorfall, durch den ein konkreter Schaden eintreten hätte können, bereits ereignete und wiederholen kann (SZ 56/38;

1 Ob 26/83; 6 Ob 626/87) oder in Zukunft ein Schaden auch ohne weiteres Zutun des Schädigers eintreten kann (ÖBl 1978, 37;

ZVR 1974/252; SZ 37/82). Daß das schädigende Ereignis für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, reicht zur Begründung des Feststellungsinteresses aus. Die Feststellungsklage dient nicht nur dem Ausschluß der Gefahr der Verjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten, somit der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde nach (SZ 56/38; JBl 1976, 315; SZ 37/82; 1 Ob 26/83 ua). In jedem Fall, in dem die Ersatzpflicht für künftige Schäden festgestellt wird, kann sich die Feststellung notwendigerweise nur auf die des haftungsbegründenden Verhaltens der beklagten Partei, nicht aber auf die eines in Zukunft mit Sicherheit konkret zu erwartenden Schadens und des Bestehens eines Kausalzusammenhanges beziehen. Daß die klagende Partei mit zukünfigen Leistungsbegehren nicht nur den Eintritt des Schadens, sondern ungeachtet des Feststellungsurteiles auch den Kausalzusammenhang zwischen dem schädigenden Verhalten und dem Schadenseintritt beweisen müßte, vermag der klagenden Partei das Feststellungsinteresse nicht zu nehmen (SZ 56/38; 1 Ob 26/83). Soweit die klagende Partei ihren Anspruch aus einer Verletzung der Vorschrift des § 12 Abs 2 Z 2 WEG ableitet, so trifft es zwar zu, daß die vom Bürgermeister der beklagten Gemeinde ausgestellte Bescheinigung vom 8.November 1979 mit den behördlich bewilligten Bauplänen nicht übereinstimmte. Diese Bescheinigung diente dazu, die dann tatsächlich erfolgte Einverleibung von Wohnungseigentum zu ermöglichen. Eine Verschiebung der Haftungsgrundlage trat allein durch die Ausstellung dieser Bescheinigung aber nicht ein, ein Schaden ist der klagenden Partei dadurch weder entstanden noch droht er in Zukunft.

Wich die Bauausführung von den bewilligten Bauvorhaben ab und stellte diese Abweichung eine Änderung des Bauvorhabens dar, zu deren Vornahme auch bei bestehenden baulichen Anlagen eine Baubewilligung erforderlich wäre, so hat die Behörde - d.i. gemäß § 50 Abs 1 TirBO der Bürgermeister - die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes durch Beseitigung der baulichen Anlage, für die keine Bewilligung vorliegt, zu verfügen (§ 40 Abs 3 TirBO in Verbindung mit § 40 Abs 2 TirBO). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Nach dem rechtskräftigen Bescheid des Bürgermeisters der beklagten Gemeinde vom 26.Juli 1978 wurde der Wohnbau Axams Gesellschaft mbH die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 49 Wohnungen und Tiefgaragen unter gleichzeitiger Vorschreibung einer Reihe von Auflagen erteilt. Errichtet wurde aber ein Apartmenthaus mit 79 Wohneinheiten samt Zubehör, für das die nach § 16 a Abs 2 TirBO erforderliche Baubewilligung nicht erteilt wurde. § 40 Abs 3 TirBO ist keine Ermessensvorschrift; den Bürgermeister der beklagten Partei trifft daher die Rechtspflicht, die Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes zu verfügen. Daß daraus eine Minderung des Verkehrswertes der Wohnungseigentumsanteile an der Axams Wohnbau Gesellschaft mbH eintreten kann, liegt auf der Hand.

Die beklagte Partei tritt der zutreffenden Beurteilung des Erstgerichtes, ihre Organe hätten schuldhaft und rechtswidrig gehandelt, nicht entgegen. Es ist daher zu prüfen, ob zwischen dem Verhalten von Organen der beklagten Partei und dem von der klagenden Partei behaupteten, ohne weiteres Zutun des Schädigers in Zukunft möglicherweise eintretenden Schaden der erforderliche Rechtswidrigkeitszusammenhang besteht.

Auf Grund jedes rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens ist für jene verursachten Schäden zu haften, die die übertretene Verhaltensnorm nach ihrem Schutzzweck gerade verhindern sollte (SZ 55/190; SZ 52/44; SZ 49/96 uva; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht2 I 274; Loebenstein-Kaniak, AHG2 123). Zum Amtshaftungsrecht wird zwar anerkannt, daß ein subjektives Recht auf Führung der Verwaltung in gesetzmäßiger Weise nicht Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch ist; es reicht aber auch trotz Kausalität die rechtswidrige schuldhafte Schadensverursachung allein nicht hin, um eine Schadenersatzpflicht des Rechtsträgers auszulösen. Diese tritt vielmehr nur ein, wenn die übertretene Vorschrift gerade auch den Zweck hat, den Geschädigten vor den eingetretenen Nachteilen zu schützen (SZ 59/68; SZ 57/149; JBl 1984, 373; SZ 55/190 uva; Loebenstein-Kaniak aaO 124 mwN in RZ 121). Der Auffassung Klecatskys, JBl 1981, 115 ff, der eine weitgehende Haftung der Rechtsträger befürwortet und die Auffassung vertritt, daß jegliches objektiv rechtswidrige schadensverursachende Verhalten hinreicht, um einen Amtshaftungsanspruch zu begründen (aaO 117), wurde bereits von Rebhahn (JBl 1981, 512 ff) mit überzeugenden Gründen entgegengetreten; ihr wurde auch vom Obersten Gerichtshof die Gefolgschaft versagt (SZ 55/190; 1 Ob 23/87; vgl. Loebenstein-Kaniak aaO 125 f). Besteht kein Zusammenhang zwischen Normzweck und eingetretenem Schaden, liegt nur ein mittelbarer, grundsätzlich nicht ersetzungsfähiger Schaden vor (SZ 55/190; SZ 52/44; SZ 49/46 ua; Koziol aaO I 152). Der Normzweck ist durch Auslegung im Sinn einer wertenden Beurteilung des Sinnes der Norm zu ermitteln (Koziol in JBl 1986, 105; Welser in ÖJZ 1975, 43; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 10 zu § 1311; Heinrichs in Palandt47 251; Grunsky in Münchener Kommentar2 vor § 249 BGB Rz 44). Es geht darum, daß nur für solche Schäden gehaftet wird, die sich als Verwirklichung der Gefahr darstellen, deretwegen der Gesetzgeber ein bestimmtes Verhalten untersagt hat (Grunsky aaO), die verletzte Amtspflicht muß gerade dem geschädigten Dritten gegenüber oblegen sein (1 Ob 23/87 unter Hinweis auf BGHZ 90, 310, 311 f; BGHZ 89, 1, 5 f; BGHZ 39, 358, 362 ff).

Daß das Tiroler Raumordnungsgesetz und die Tiroler Bauordnung den Hypothekargläubiger vor rechtswidrig erteilten Baubewilligungen schützen sollen, kann diesen Vorschriften nicht entnommen werden. Nach § 31 Abs 3 TirBO ist ein Bauansuchen u.a. dann abzuweisen, wenn das Bauvorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspricht. Baubewilligungen für Apartmenthäuser dürfen nach § 16 a Abs 2 TirROG nur erteilt werden, wenn diese Gebäude auf einer Grundfläche errichtet werden, die als Sonderfläche für Apartmenthäuser gewidmet ist. Zweck dieser Vorschrift ist die Hintanhaltung einer Zersiedelung der Tiroler Landschaft. Es soll der Ausverkauf von vom Fremdenverkehr bevorzugten Plätzen (Hauer, Tiroler Baurecht 280) bzw. die Errichtung größerer Häuser, die nicht der Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnungsbedarfes dienen, verhindert werden (VfGH Slg. 8389/1978).

Über den sich primär aus den Raumordnungs- und Bauvorschriften ergebenden Schutzzweck hinaus anerkannte der Oberste Gerichtshof, daß die Baubehörde bei Erteilung von Baubewilligungen auch auf die Interessen des Bauherrn Rücksicht nehmen müsse, da mit der Erteilung der Baubewilligung ein Vertrauenszustand geschaffen wird, daß einer Baubewilligung entsprechenden Durchführung des Bauvorhabens öffentlich-rechtliche Hindernisse nicht entgegenstehen. Ein Amtshaftungsanspruch des Bauwerbers wurde als möglich erachtet, wenn die Baubehörde öffentlich-rechtliche Fragen der Baugenehmigung zunächst rechtskräftig in seinem Sinn gelöst hatte, diese Beurteilung sich aber durch Nichtigerklärung seitens der Aufsichtsbehörde als unrichtig herausstellte und infolge der Notwendigkeit der Beseitigung des errichteten Baues zu einem Schaden führte (SZ 55/81; Loebenstein-Kaniak aaO § 225 f; vgl. NJW 1980, 2578; BGHZ 60, 112, 115; Papier in Münchener Kommentar2 § 839 BGB Rz 205). Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 1 Ob 23/87 darlegte, ist vom Schutzzweck der Bauvorschriften, soweit sie den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen und ihres Eigentums anstreben, auch der spätere Mieter des aufgeführten Baues umfaßt. Andererseits wurde aber bereits abgelehnt, daß über den Schutz der subjektiv-öffentlichen Rechte des Eigentümers bei Änderung des Flächenwidmungsplanes hinaus auch die Rechte von Personen geschützt wären, die auf dem Grundstück einen Bau errichten sollen und mit dem Grundeigentümer in obligatorischen Vertragsbeziehungen stehen (SZ 55/190; vgl. NJW 1980, 2578). Der Hypothekargläubiger ist am Baubewilligungsverfahren nicht beteiligt. Über seine subjektiv-öffentlichen Rechte wird in diesem Verfahren nicht abgesprochen. Vom dargestellten Schutzzweck des Raumordnungsgesetzes und der Bauordnung ist er nicht erfaßt. Wohl mag das Vertrauen auf den Rechtsbestand der Baugenehmigung kausal für die Gewährung von Darlehen gewesen sein. Ohne Vorliegen des erforderlichen Rechtswidrigkeitszusammenhanges, also ohne Verstoß gegen den Schutzzweck einer Norm, begründet aber Kausalität allein noch keine Schadenersatzansprüche. Der Hypothekargläubiger steht nur mit dem Liegenschaftseigentümer in privatrechtlichen Beziehungen, dinglich berechtigt ist er nur insoweit, als der Rang gewahrt wird und auch bücherliche Rechtsnachfolger die Sachhaftung der Liegenschaft trifft; weitere Wirkungen werden damit nicht entfaltet. Durch die Erlangung solcher dinglicher Rechte an einer Liegenschaft wird er daher in den Schutzbereich der Raumordnungs- und Bauvorschriften nicht einbezogen. Der klagenden Partei stehen aus ihrem privaten Rechtsverhältnis daher nur alle daraus entspringenden Rechte gegen ihren Vertragspartner und dessen bücherlichen Rechtsnachfolger zu. Das Risiko der Einbringlichkeit solcher Ansprüche trägt sie allein. Die Gefährdung ihrer Ansprüche war eine Folge der Geschäftsgebarung ihres Schuldners und der später erfolgten Konkurseröffnung. Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00054.87.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19880224_OGH0002_0010OB00054_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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