TE OGH 1988/2/24 1Ob704/87

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Veröffentlicht am 24.02.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Lisandra Verena V***, geboren am 3. Jänner 1986 in Klagenfurt, vertreten durch ihre Mutter Dkfm. Tamara V***, Handelsagentin, Viktring, Viktringer Platz 9, diese vertreten durch Dr. Georg Gorton, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Vladimir G***, geboren am 16. Oktober 1943, Angestellter, Taunusstein 2, Spessartstraße 7, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Gottfried Hammerschlag, Dr. Wilhelm Dieter Eckhart und Dr. Gerhard Gratzer, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen Vaterschaft und Unterhalt infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 18. September 1987, GZ 1 R 375/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 10. Dezember 1986, GZ 18 C 36/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung:

Die durch die Mutter vertretene, unehelich geborene mj. Klägerin begehrt die Feststellung, daß der Beklagte ihr Vater sei, der Beklagte sei schuldig, ihr einen monatlichen Unterhalt von S 2.000,-- zu leisten.

Der in erster Instanz anwaltlich nicht vertretene Beklagte gab zu, mit der Mutter des Kindes in der möglichen Empfängniszeit geschlechtliche Beziehungen unterhalten zu haben, er sei sich aber nicht sicher, ob er tatsächlich der Vater sei. Auf Grund der Blutsverschiedenheit sei er als Vater auszuschließen. Das Erstgericht faßte den Beweisbeschluß auf Einholung eines Blutgutachtens darüber, daß der Beklagte das klagende Kind erzeugt habe bzw. daß er auf Grund der Blutsverschiedenheit als Vater auszuschließen sei. Zur Einholung des Blutgutachtens schloß es die Verhandlung gemäß § 193 Abs 3 ZPO. Nach Einlangen des Sachverständigengutachtens wies es das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Beklagte könne auf Grund des Systems der Adenosindesaminase (ADA) nicht der Erzeuger der Klägerin sein. Auf Grund der Verteilung der Faktorenmerkmale MN-Ss sei seine Vaterschaft sehr unwahrscheinlich.

In ihrer Berufung führte die Klägerin unter anderem aus, dem ADA-System komme wegen seines mangelnden Sicherheitsgrades nur wenig Beweiskraft zu. Das System sei instabil, gealterte Blutproben könnten falsche Ergebnisse liefern. Die Verteilung im System könne durch die Einnahme bestimmter Substanzen verändert werden. Das MN-Ss-System gehöre zu den unvollständigen Systemen; eindeutige Ergebnisse hätten sich nur auf Grund einer erweiterten Familienuntersuchung ergeben. Es wäre daher erforderlich gewesen, in der mündlichen Verhandlung das Sachverständigengutachten zu erläutern und durch Befragung des Sachverständigen die Beantwortung dieser offenen Fragen zu erreichen. Beantragt wurde die Einholung eines Kontrollgutachtens, die Durchführung einer erweiterten Familienuntersuchung und eine biostatische Berechnung. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Für die in der Berufung aufgestellte allgemeine Behauptung, daß das System ADA beeinflußbar sei, finde sich im Akteninhalt kein Anhaltspunkt. Die gegen dieses System als solches vorgebrachten Bedenken vermöchten ohne konkreten gegenteiligen Anhaltspunkt am Gutachten des gerichtlich beeideten Sachverständigen nicht zu rütteln, weil davon ausgegangen werden müsse, daß dieser seine Untersuchung ordnungsgemäß durchgeführt und die entsprechenden Schlüsse gezogen habe. Das Berufungsgericht übernahm daher die auf Grund eines mängelfreien und erschöpfenden Beweisverfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Davon ausgehend sei zunächst die Frage aufzuwerfen, ob die Anwendung fremden Rechtes in Betracht komme. Die Klägerin habe behauptet, jugoslawische Staatsbürgerin aus Slowenien zu sein. Das Erstgericht habe dazu keine Feststellungen getroffen. Selbst wenn man davon ausginge, wäre für die Klägerin nichts gewonnen, weil auch nach Art. 87 des in Slowenien geltenden Gesetzes über die Ehe- und Familienbeziehungen vom 26. Mai 1976 als Vater eines unehelich geborenen Kindes der gelte, der das Kind als seines anerkenne oder dessen Vaterschaft durch eine Gerichtsentscheidung festgestellt werde. Nacht Art. 92 Abs 1 dieses Gesetzes könne die Klage auf Feststellung der Vaterschaft zu einem unehelich geborenen Kind im Namen des Kindes die Mutter erheben. Dies sei im vorliegenden Fall geschehen. Gehe man von den Feststellungen aus, erweise sich die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes, daß die Rechtsvermutung des § 163 Abs 1 ABGB widerlegt sei, als zutreffend. Im vorliegenden Fall verbleibe nicht einmal ein ganz geringer Grad von Wahrscheinlichkeit, daß der Beklagte der Vater der Klägerin sein könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist berechtigt.

Den Nichtigkeitsgrund nach §§ 503 Abs 1 Z 1, 477 Abs 1 Z 9 ZPO, der darin erblickt wird, daß nicht geklärt wurde, ob jugoslawisches oder österreichisches Recht zur Anwendung gelange, liegt nicht vor. Mit ihren Ausführungen bekämpft die Revision vielmehr die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen. Das Berufungsverfahren leidet aber an einer zutreffend gerügten Mangelhaftigkeit. Nach Art. V Z 5 UeKindG gilt im Berufungsverfahren für Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind das Neuerungsverbot des § 482 ZPO nicht. Neue Tatsachen können daher vorgetragen, neue Beweismittel beantragt werden (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 2382). Die Klägerin war daher berechtigt, in ihrer Berufung den Beweiswert des zum Ausschluß herangezogenen ADA-Systems zu bekämpfen, auf eine mögliche Instabilität der untersuchten Enzyme hinzuweisen und den Antrag auf Ergänzung des Sachverständigengutachtens zu stellen. Darüber durfte das Berufungsgericht nicht mit der Begründung hinweggehen, für dieses Vorbringen finde sich im Akteninhalt kein Anhaltspunkt, weil eine zulässig vorgebrachte Neuerung noch nicht aktenkundig sein konnte. Die Frage der Zuverlässigkeit des herangezogenen Ausschlußsystems im allgemeinen und die Frage, ob im Einzelfall alle Maßnahmen zur verläßlichen Auswertung getroffen wurden, hätte nur durch die beantragte Ergänzung des Sachverständigengutachtens geklärt werden können.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist gemäß § 510 Abs 1 ZPO aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Im fortgesetzten Verfahren wird auch die Staatsbürgerschaft des klagenden Kindes festzustellen sein. Eine solche Feststellung wird selbst für den Fall, daß das Berufungsgericht neuerlich zum Ergebnis gelangen sollte, der Beklagte sei als Vater des klagenden Kindes auszuschließen, erforderlich sein, weil nach § 25 Abs 2 IPRG das Personalstatut des Kindes auch für die Frage seiner gesetzlichen Vertretung maßgeblich ist (Schwimann in Rummel, ABGB, Rz 6 zu § 25 IPRG; Duchek-Schwind, IPR Anm. 5 zu § 25 IPRG). Sollte das klagende Kind die jugoslawische Staatsbürgerschaft besitzen, wäre die Mutter, die der Aktenlage nach die Elternrechte ausübt, zur Vertretung des Kindes im Verfahren auf Feststellung der Vaterschaft befugt (Art. 92 Abs 1 des Slowenischen Gesetzes über die Ehe und Familienbeziehungen vom 26. Mai 1976 und Art. 23 des Grundgesetzes über die Beziehungen zwischen Eltern und Kindern vom 1. Februar 1947; Cigoj-Firsching, Jugoslawisches Familienrecht 46). Sollte die Klägerin aber österreichische Staatsbürgerin sein, so wäre mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 17 Abs 1 JWG die Vertretungsbefugnis der Mutter zu prüfen. Wäre diese zu bejahen, müßte auch geklärt werden, ob die Mutter die zur Klagsführung erforderliche vormundschaftsbehördliche Genehmigung eingeholt hat (arg. e contrario aus § 18 Z 1 JWG; vgl. Pichler in Rummel, ABGB, Rz 15 zu §§ 154, 154 a). In materieller Hinsicht müßte allenfalls unter Mitwirkung der Beteiligten (§ 4 Abs 1 IPRG) geklärt werden, ob nach jugoslawischem Recht das klagende Kind die Vaterschaft zu beweisen hat (so Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Jugoslawien 60 FN 38), oder ob, wie in der Revision behauptet wird, der Mann, der der Mutter des Kindes in der Empfängniszeit beiwohnte, den Beweis antreten müßte, er könne nicht der Vater des Kindes sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E13126

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00704.87.0224.000

Dokumentnummer

JJT_19880224_OGH0002_0010OB00704_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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