TE OGH 1988/2/25 8Ob508/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner, Dr.Petrag und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ferdinand F***,

Unternehmer, Hofbauerweg 34, 8141 Unterpremstätten, vertreten durch Dr.Christian Moser, Rechtanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Johann C*** sen., Pensionist, Am Damm 9, 8141 Unterpremstätten, vertreten durch Dr.Emil Soucek, Rechtsanwalt in Graz, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 7.Oktober 1987, GZ 3 R 228/87-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 4.Juni 1987, GZ 8 C 149/86-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Umsatzsteuer von S 247,20) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte vom Beklagten, die im Erdgeschoß des Hauses

Am Damm 9 in Unterpremstätten gelegenen 5 Zimmer samt Küche von seinen Fahrnissen zu räumen und dem Kläger geräumt zu übergeben. Er habe das Haus von der Dachziegelwerk Haas Kommanditgesellschaft käuflich erworben. Dieses Unternehmen habe die Wohnung seinerzeit dem Beklagten im Rahmen eines Dienstverhältnisses als Werkswohnung zur Verfügung gestellt. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei der Beklagte zur Räumung der Wohnung aufgefordert worden. Er benütze sie seither ohne Rechtstitel. Seine Verpflichtung zur Räumung ergebe sich auch daraus, daß er für die Benützung der Wohnung dem Kläger kein Entgelt bezahle.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Anläßlich der Beendigung des Dienstverhältnisses sei ihm mitgeteilt worden, daß er in der Wohnung verbleiben könne. Da er seither ständig Mietzinse bezahlte, sei davon auszugehen, daß ein Hauptmietverhältnis begründet wurde.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Der Beklagte schloß im Jahre 1967 ein Dienstverhältnis mit dem Unternehmen Haas & Co.; gleichzeitig zog er in die Wohnung Am Damm 9 ein. Während seines Dienstverhältnisses wurden die Wohnungskosten von seinem Lohnkonto als Sachbezug abgebucht. Im Oktober 1982 ging der Beklagte in Pension, blieb jedoch weiterhin in der Wohnung. Ein Sohn oder zwei seiner Söhne waren zu diesem Zeitpunkt im Unternehmen Haas KG beschäftigt.

Ab der Pensionierung leistete der Beklagte monatliche Barzahlungen, welche die Firma Haas KG bis einschließlich April 1986 im Büro entgegennahm.

Üblicherweise teilten die Geschäftsführer der Haas Kommanditgesellschaft den Arbeitnehmern mit, daß sie nach Beendigung des Dienstverhältnisses nur entgegenkommenderweise die Wohnungen benützen könnten. Dem Beklagen wurde dies nicht mitgeteilt. Er wurde erst mit dem Schreiben vom 30.Oktober 1985 aufgefordert, bis Ende Februar 1986 die Wohnung zu räumen.

Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß es zwischen dem Beklagten und seinem Dienstgeber zufolge widerspruchsloser Entgegennahme eines Entgeltes für die Benützung der Wohnung seit November 1982 im Wege schlüssiger Handlungen zur Begründung eines Mietverhältnisses gekommen sei, das der Kläger gemäß § 1120 ABGB gegen sich gelten zu lassen habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es dem Klagebegehren stattgab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteige und ließ die Revision zu, weil zur Frage der Anwendung der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 2 Z 2 MRG auf nach Beendigung eines Dienstverhältnisses hinsichtlich der ehemaligen Dienstwohnung begründete Wohnungsbenützungsvereinbarungen keine ausreichende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege. Das Gericht zweiter Instanz nahm eine ergänzende Beweisaufnahme vor und traf folgende zusätzliche Feststellungen:

Der bei der Haas Kommanditgesellschaft beschäftigt gewesene Beklagte hatte dort eine Werkswohnung zur Verfügung. Die Kosten hiefür wurden ihm für die Dauer seiner Beschäftigung als Sachbezüge verrechnet. Nach seiner Pensionierung leistete er für die Wohnung einen Betrag "in Höhe der Sachbezüge".

Rechtlich sei davon auszugehen, daß dem Beklagten die Wohnung im Rahmen des Dienstverhältnisses als Dienst- oder Naturalwohnung mit der sich aus dem Zweck der Überlassung ergebenden zeitlichen Beschränkung für die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses zur Verfügung gestellt wurde. Nach der Beendigung des Dienstverhältnisses sei eine ausdrückliche Willenseinigung über die Weiterbenützung der Wohnung durch den Beklagten zwischen diesem und seinem ehemaligen Dienstgeber nicht zustande gekommen. Auch schlüssig sei kein Mietverhältnis begründet worden. Werde eine Wohnung aufgrund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen, falle sie im Sinne des § 1 Abs 2 Z 2 MRG nicht unter den Anwendungsbereich des MRG. Dies treffe nach der vor dem Inkrafttreten des MRG ergangenen Rechtsprechung auch für jene Wohnungsbenützungsverhältnisse zu, die sich als bloße Fortsetzung des bisher im Rahmen eines Dienstvertrages entgeltlich gewährten Nutzungsrechtes erweisen. Aber auch Mietverträge, die nach Beendigung des Dienstverhältnisses in dessen Nachwirkung als damit im Zusammenhang stehend zu den im wesentlichen gleichen Bedingungen wie zuvor geschlossen werden, fielen nicht unter den Anwendungsbereich des MRG. Demnach könne sich der Beklagte auch für den Fall, daß man ein schlüssig begründetes Mietverhältnis annehmen sollte, nicht auf die Kündigungsbeschränkungen des MRG berufen. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte stellt sich auf den Standpunkt, daß durch die jahrelange Entgegennahme von "Mietzins" durch den Kläger schlüssig ein Mietverhältnis begründet worden sei, auf das der Kündigungsschutz des MRG Anwendung finde. Dazu war zu erwägen:

Nach § 1 Abs 2 Z 2 MRG fallen Wohnungen, die aufgrund eines Dienstverhältnisses oder im Zusammenhang mit einem solchen als Dienst-, Natural- oder Werkswohnung überlassen werden, nicht in den Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes. Durch diese Bestimmung werden die Grenzen des Anwendungsbereiches der Kündigungsschutzvorschriften für die dort genannten Bestandobjekte deutlich enger gezogen als nach der Rechtslage vor dem MRG (1 Ob 527/84, 1 Ob 505/85). Damals wie jetzt stellt sich aber für den Fall, daß der Dienstgeber den Dienstnehmer weiterhin die Wohnung benützen läßt und einen entsprechenden Betrag als "Mietzins" annimmt, die Frage, ob damit schlüssig ein "reiner" also vom Dienstverhältnis lösgelöster Mietvertrag zustandekam oder nicht. Die Rechtsprechung setzte dabei für den konkludenten Abschluß eines unter das MG fallenden Mietvertrages sehr strenge Maßstäbe, weil bei Überlegung aller Umstände (§ 863 ABGB) sehr wohl daran gezweifelt werden könnte, ob der Dienstgeber durch das Weiterbelassen des Dienstnehmers in der Wohnung einen nach dem MG geschützten Mietvertrag abschließen wollte. Der Wortlaut des § 1 Abs 2 Z 2 MRG hindert die Fortführung dieser strengen Rechtsprechung nicht (vgl. Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 138 f). Die dargestellten Grundsätze sind auch auf sogenannte Pensionistenwohnungen anzuwenden (MietSlg 33.147).

Wenngleich daher der Beklagte nach Beendigung des Dienstverhältnisses durch längere Zeit einen gleich hohen Betrag seinem Dienstgeber bezahlte, wie er ihm seinerzeit als Sachbezug für die Werkswohnung verrechnet wurde, so kann nicht aus dieser Tatsache allein, ohne daß irgendwelche andere Anhaltspunkte hiefür hinzutraten, darauf geschlossen werden, daß nunmehr ein dem MRG unterliegendes Mietrecht begrÜndet werden sollte. Das im Zusammenhang mit dem seinerzeitigen Dienstvertrag stehende Wohnungsbenutzungsrecht ist vielmehr nach der Beendigung des Dienstverhältnisses - da dieses nicht bloß Anlaß, sondern wesensmäßiger Zweck der Nutzungseinräumung war - im Zweifel weiter aufrecht geblieben und somit vom Fortbestand des bisherigen Werkswohnungsverhältnis auszugehen. Durch die Weiterbelassung des ehemaligen Dienstnehmers nach seinem Übertritt in den Ruhestand im Genuß der Wohnung zu den im wesentlichen gleichbleibenden Bedingungen änderte sich demnach an dem Inhalt des bisherigen Benützungsverhältnisses nichts (MietSlg 20.101/15; MietSlg 33.147; vgl. auch Korinek-Krejci aaO, 140).

Ein derartiges über die Zeit der Pensionierung hinaus als Nachwirkung des Arbeitsverhältnisses (vgl. Würth MRG Fußnote 15 zu § 1 und Schuppich, ImmZ 1983, 267) aufrecht erhaltenes Wohnungsnutzungsverhältnis endet aber - von dem in MietSlg 33.147 dargestellten Endigungsgrund des Todes des ehemaligen Dienstnehmers abgesehen - auch dann, wenn es seinem Charakter einer entgeltlichen Gebrauchsüberlassung gemäß (Würth in Rummel, Rdz 6 zu § 1090 ABGB), jedoch als dem MRG nicht unterliegend, zufolge außergerichtlicher Aufkündigung zur Auflösung gebracht wird (Fasching, Zivilverfahrensgesetze, Rdz 2139; Würth in Rummel, Rdz 13 zu § 1116 ABGB). Das Schreiben des Klägers vom 30.Oktober 1985, mit welchem der Beklagte aufgefordert wurde, die Wohnung bis Ende Februar 1986 zu räumen, ist somit als materiell-rechtlicher Auflösungsgrund des Wohnungsnutzungsrechtes zu werten, was die Berechtigung des vorliegenden Räumungsverfahrens zur Folge hat. Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13621

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00508.88.0225.000

Dokumentnummer

JJT_19880225_OGH0002_0080OB00508_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten