Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ewald K***, Kaufmann, Wien 16., Wilhelminenstraße 72, vertreten durch Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs AG, Wien 13., Hietzinger Kai 101-105, vertreten durch Dr. Werner Masser u.a., Rechtsanwälte in Wien, wegen 186.526 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. November 1987, GZ 3 R 129/87-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 18. März 1987, GZ 28 Cg 554/85-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger hat der Firma I*** Messe- und Ausstellungsgüter zur Beförderung zu einer in der Zeit vom 14. bis 18. Juni 1984 in Posen stattfindenden Messe übergeben. Die I*** hat diesbezüglich eine Speditionsversicherung bei der Beklagten abgeschlossen. Mit dem Transport war ebenfalls die I*** beauftragt.
Der Kläger hat selbst eine Transportversicherung bei der W*** Versicherungs AG abgeschlossen. Im Auftrage der I*** waren verschiedene andere Unternehmen mit der Be- und Entladung des Transportgutes betraut. Eine dieser Beladungen wurde nicht sachgemäß durchgeführt, wodurch es zu einer Beschädigung des Transportgutes kam (bezüglich der Details sei auf die Feststellungen des Erstgerichtes auf den Seiten 127 f des Aktes verwiesen).
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter Hinweis auf die Speditionsversicherung den Ersatz des ihm entstandenen Schadens von 186.526 S sA.
Die Beklagte bestritt einerseits grundsätzlich eine Haftung der Firma I*** und wendete andererseits ein, für den Ersatz des Schadens habe der Transportversicherer aufzukommen. Im zweiten Rechtsgang hat das Erstgericht mit Zwischenurteil ausgesprochen, daß das Ersatzbegehren des Klägers dem Grunde nach zu Recht besteht. Diese Entscheidung wurde vom Berufungsgericht bestätigt, wobei das Berufungsgericht die Revision für zulässig erklärte.
In rechtlicher Hinsicht gingen die Vorinstanzen davon aus, daß die I*** wegen des ihr erteilten Transportauftrages nicht nur die Stellung eines Spediteurs, sondern auch jene eines Frachtführers hatte. Aus diesem Grunde hafte sie dem Kläger gegenüber auch für das Verschulden der von ihr bei der Beladung eingesetzten Leute. Der Eintritt des Versicherers für eine solche Haftung werde durch den Speditionsversicherungsschein (SVS), insbes. dessen § 5 1 A, nicht ausgeshlossen. Der Schaden sei nämlich durch ein Verschulden des Spediteurs bzw. einer Person, für die der Spediteur einzustehen habe, entstanden, so daß eine Haftung des Transportversicherers nicht gegeben sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist gerechtfertigt.
Soweit sich die Revision gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen bezüglich der grundsätzlichen Haftung der I*** für die mit der Beladung beschäftigten Personen richtet, kann ihr nicht beigepflichtet werden, weil die I*** auch einen Transportauftrag hatte und ihr demnach gemäß § 413 Abs. 1 HGB die Rechte und Pflichten eines Frachtführers zukamen. Gemäß § 431 HGB haftet also die I*** auch für das Verschulden ihrer Leute und anderer Personen, deren sie sich bei der Ausführung der Beförderung bedient hat, wie für ihr eigenes. Sie hat demnach auch für ein Verschulden jener Personen einzustehen, die in ihrem Auftrag die Beladung des Gutes vorgenommen haben. Sowohl das Erstgericht als auch das Gericht zweiter Instanz haben jedoch die grundsätzlich richtige Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in seinem Aufhebungsbeschluß vom 10. Juli 1986, 3 R 100/86-12, mißverstanden. Dort wurde Bezug auf § 5 1 A SVS genommen. Nach dieser Bestimmung sind von der Speditionsversicherung alle Gefahren ausgeschlossen, die durch Transport- bzw. Lagerversicherung gedeckt sind oder durch eine Transport- bzw. Lagerversicherung allgemein üblicher Art hätten gedeckt werden können oder nach den herrschenden Gepflogenheiten sorgfältiger Kaufleute über den Rahmen einer Transport- bzw. Lagerversicherung allgemein üblicher Art hinaus gedeckt werden, es sei denn, daß eine ordnungsgemäß geschlossene Versicherung durch fehlerhafte Maßnahmen des Spediteurs unwirksam wird. Richtig hat also das Berufungsgericht in seinem den ersten Rechtsgang abschließenden Aufhebungsbeschluß ausgeführt, daß eine Haftung der Beklagten dann nicht mehr gegeben wäre, wenn eine ordnungsgemäße Transportversicherung Deckung für die vorliegenden Schäden bieten müßte. Hiebei wurde zutreffend darauf verwiesen, daß es bezüglich von Risikoausschlüssen nicht auf die konkreten Transportversicherungsbedingungen, sondern auf jene Versicherungsbedingungen, die nach den herrschenden Gepflogenheiten üblicherweise solchen Versicherungen zugrundegelegt werden, ankommt. Ob dies die Allgemeinen Österreichischen Binnentransportversicherungsbedingungen (AÖB 1965) sind, wurde bisher nicht erörtert, wird aber wahrscheinlich nicht strittig sein. Nach diesen Bedingungen wird der Transportversicherer nicht grundsätzlich im Falle jeder mangelhaften oder unsachgemäßen Verladeweise leistungsfrei, sondern nur dann, wenn der Versicherungsnehmer oder Versicherte die Verladung selbst vorgenommen hat (§ 2 Abs. 2 c AÖB 1965). Erfolgt dagegen die Verladung durch den vom Versicherungsnehmer oder Versicherten beauftragten Spediteur oder Frachtführer bzw. durch Personen, für die der Frachtführer einzustehen hat, so bewirkt die zitierte Bestimmung der AÖB 1965 nicht Leistungsfreiheit des Transportversicherers. Geht man daher im vorliegenden Fall nur von den Bestimmungen der AÖB 1965 aus, so wäre der klägerische Schaden durch die Transportversicherung gedeckt, was zur Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 5 1 A SVS führen würde.
Im vorliegenden Fall wurde vom Kläger allerdings ausdrücklich geltend gemacht, daß der Transportversicherer nicht nur seine Leistungspflicht bestreitet, was für sich allein eine solche Pflicht nicht ausschließen würde, sondern sinngemäß, daß nach der abgeschlossenen Transportversicherung in einem Fall wie dem vorliegenden keine Leistungspflicht des Transportversicherers bestünde. Würde eine solche Leistungspflicht lediglich aufgrund nicht üblicher besonderer Versicherungsbedingungen ausgeschlossen sein, so könnte dies, wie bereits dargelegt wurde, keinen Einfluß auf die Leistungsfreiheit des Speditionsversicherers nach § 5 1 A SVS haben. Wäre dagegen ein solcher Ausschluß nach den herrschenden Gepflogenheiten sorgfältiger Kaufleute im Rahmen einer Transport- bzw. Lagerversicherung allgemein üblich, dann müßte die Beklagte infolge des von ihrem Versicherungsnehmer zu vertretenden Fehlers bei der Beladung für den Schaden eintreten. Im vorliegenden Fall wurde, ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht des Erstgerichtes, die offenbar vom Berufungsgericht im zweiten Rechtsgang geteilt wird, überhaupt nicht erörtert, welche Bedingungen der Transportversicherung zugrundelagen und welche Bedingungen in gleichgelagerten Fällen üblich sind. Dies wäre umso mehr notwendig gewesen, als das hier vorgelegte Ablehnungsschreiben der W*** Versicherung vom 9. August 1984 (Beilage C) die Ablehnung ihrer Haftung nicht nur auf § 2 Abs. 2 c AÖB 1965 stützt, was nach dem oben Dargelegten verfehlt wäre, sondern auch auf besondere Bedingungen für die Versicherung von Messe- und gewerblichen Ausstellungsgütern. Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers hätte daher erörtert und festgestellt werden müssen, ob der Transportversicherung über die AÖB 1965 hinaus noch weitere besondere Versicherungsbedingungen zugrundelagen, welchen Inhalt diese hatten und ob solche besondere Versicherungsbedingungen in Fällen wie dem vorliegenden üblich sind. Unerheblich sind in den konkreten Versicherungsbedingungen nur Risikoausschlüsse, die über das übliche hinausgehen.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind demnach mit Feststellungsmängeln behaftet, die nur in einem ergänzenden Verfahren behoben werden können.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E14363European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00005.88.0225.000Dokumentnummer
JJT_19880225_OGH0002_0070OB00005_8800000_000