Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eleonore V***, geboren 6.Februar 1941, Geschäftsfrau, Klagenfurt, Siebenhügelstraße 33, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Werner V***, geboren 7.März 1942, Maschinenwerkmeister, Klagenfurt, Siebenhügelstraße 33, vertreten durch Dr. Erhard Fink, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 18. September 1987, GZ 1 R 401/87-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 15. Juni 1987, GZ 3 C 11/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrte mit ihrer am 27.1.1987 eingebrachten Klage die Scheidung ihrer Ehe mit dem Beklagten wegen schwerer Eheverfehlungen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, weil die Klägerin ihm seine Verfehlungen durch den ehelichen Verkehr verziehen habe.
Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten aus.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die beiden Vorinstanzen trafen im wesentlichen folgende Tatsachenfeststellungen:
Schon in den ersten Jahren der 1970 geschlossenen Ehe fügte der Beklagte der Klägerin im Zuge von Mißhandlungen einen Nasenbeinbruch zu, welche Verfehlung die Klägerin mit Rücksicht auf die beiden im Jahr 1970 geborenen ehelichen Kinder und einen gemeinsam gegründeten Betrieb verzieh. Der Beklagte setzte aber seine Mißhandlungen auch in den folgenden Jahren fort. Immer wenn die Klägerin sich ihm in irgendeiner Angelegenheit widersetzte beschimpfte er sie und schlug sie. Am 28.12.1986 fügte er ihr eine schwere Prellung am Unterarm und Knie zu und bedrohte sie mit dem Umbringen. Am 9.2.1987 verlangte er von ihr die Zurückziehung ihrer eingebrachten Scheidungsklage und versetzte ihr Faustschläge und Fußtritte, die zu Blutergüssen am Oberarm, der Brust und der Schulter und einer Hautabschürfung am Unterarm führten. Am 10.2.1987 stellte die Klägerin aus Angst vor dem Beklagten von ihm benötigte Buchungsunterlagen für den Betrieb und sein Mittagessen vor seine Zimmertür. Aus diesem Grund und weil er im gemeinsamen PKW einen Kratzer im Lack bemerkt hatte beschimpfte der Beklagte die Klägerin und wollte sie mißhandeln. Die Klägerin konnte aber flüchten und die Polizei verständigen.
Die Klägerin wohnt mit dem Beklagten weiter in Hausgemeinschaft und kocht für ihn und die Kinder. Aus Angst vor den Zornausbrüchen und Gewalttätigkeiten des Beklagten ist es in den letzten drei Monaten zwischen den Streitteilen gelegentlich zu einem Geschlechtsverkehr gekommen. Die Klägerin hat dem Beklagten aber seine Verfehlungen nicht verziehen. Durch das Verhalten des Beklagten ist die Ehe unheilbar zerrüttet.
Beide Vorinstanzen waren der Auffassung, daß nicht in jedem ehelichen Geschlechtsverkehr eine Verzeihung von Eheverfehlungen erblickt werden könne. Dies gelte vor allem für den vorliegenden Fall, weil es die Klägerin nur aus Angst nicht gewagt habe, sich dem Beklagten zu verweigern.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Beklagten ist nicht berechtigt.
Die Revision enthält vor allem unzulässige Neuerungen, so die Behauptung, die Klägerin habe dem Beklagten ausdrücklich erklärt, sie wolle die Scheidungsklage zurückziehen und habe mit ihm einen 14-tägigen Urlaub im Ausland verbracht. Teilweise geht die Rechtsrüge von einem urteilsfremden Sachverhalt aus. Nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen führten die Streitteile seit den schweren Verfehlungen des Beklagten nicht eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft, sondern es ist vielmehr erwiesen, daß die Klägerin für den Beklagten weiter kochte und mit ihm die Hausgemeinschaft teilte, was nach den festgestellten Vorkommnissen für sich allein noch keine Hinweise auf die Wiederherstellung einer funktionierenden geistigen, seelischen und körperlichen Lebensgemeinschaft erlaubt. Es ist in diesem Zusammenhang nur etwa auf die festgestellten Vorfälle vom 9. und 10.2.1987 hinzuweisen. In Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen steht auch die Annahme der Revision, die Streitteile hätten wieder "regelmäßig" miteinander geschlechtlich verkehrt. Festgestellt ist nur, daß es noch "gelegentlich" zu einem Geschlechtsverkehr gekommen ist. Der Hinweis auf die geplante Zurückziehung der Scheidungsklage, die nach § 483 a ZPO bis zur Rechtskraft des Urteiles erfolgen könnte geht schon deshalb fehl, weil die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung trotz Kenntnis der Behauptungen des Beklagten in der Revision den Antrag stellt, der Revision nicht Folge zu geben.
Ausgehend von den getroffenen Tatsachenfeststellungen sind aber die Urteile der Vorinstanzen frei von Rechtsirrtum:
Soweit eine Verzeihung im Sinne des § 56 EheG ein subjektiver innerer Vorgang ist, der nach freier richterlicher Beweiswürdigung festzustellen ist, liegt keine Rechtsfrage vor (RZ 1980/29). Soweit Verzeihung unabhängig von diesem inneren Vorgang auch aus der Gesamtheit des Verhaltens des verletzten Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten objektiv erschlossen werden kann (JBl 1962, 259), reichen die festgestellten Umstände nicht aus, um einen solchen Schluß zu erlauben. Ein nach Kenntnis schwerer Eheverfehlungen gestatteter geschlechtlicher Verkehr schließt das Scheidungsrecht nur aus, wenn der gekränkte Teil die Eheverfehlungen des anderen nicht mehr als solche betrachtet und vorbehaltlos bereit ist mit ihm die Ehe fortzusetzen (EFSlg 48.805 f). Im vorliegenden Fall war die Klägerin zu einem gelegentlichen Geschlechtsverkehr nur aus Angst vor weiteren Beschimpfungen und Mißhandlungen des Beklagten bereit und hat ihm innerlich keine Verzeihung gewährt. Dasselbe gilt für die von der Klägerin fortgesetzte Hausgemeinschaft und weitere Führung des Haushaltes. Nichts deutet darauf hin, daß dies nicht nur mangels anderer Alternativen - das Berufungsgericht wies mit Recht auf die fehlende Wohnmöglichkeit und die Notwendigkeit der Betreuung der ehelichen Kinder hin -, sondern freiwillig und in der Absicht die Verfehlungen des Beklagten zu verzeihen und die Ehe mit ihm fortzusetzen geschah. Die Einbringung der Scheidungsklage und deren Aufrechterhaltung sprechen ganz gegen eine solche Annahme. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
Anmerkung
E13166European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00590.87.0302.000Dokumentnummer
JJT_19880302_OGH0002_0030OB00590_8700000_000