Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Lothar T***, Baumeister, Am Rain 15, 6710 Nenzing, vertreten durch Dr. Michael K***, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Michael T***, Tischlermeister, Ignaz Greber-Straße 2, 6710 Nenzing, vertreten durch Dr. Reinhold Nachbaur, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Aufkündigung eines Mietverhältnis, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 3. November 1987, GZ 1 c R 166/87-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bludenz vom 21. Juli 1987, GZ C 179/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 (darin S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die prot. Firma A*** M*** G***. A***
vormals Josef S*** war Eigentümer der Liegenschaft EZ 30 KG Nenzing. Der Vater des Beklagten trat im Jahr 1982 an den mit ihm sehr gut bekannten Diplom-Volkswirt Norman A*** heran und fragte, ob in der Halle des Unternehmens Platz für die Einrichtung einer Tischlerei für den Beklagten sei. Wegen der ungünstigen Wirtschaftsprognosen des Unternehmens wurde daran gedacht, die Liegenschaft oder einen Teil des Areals zu verkaufen. Diplom-Volkswirt Normann A*** besprach sich mit seinen Geschwistern und wurde zur Vermietung an den Beklagten ermächtigt aber beauftragt, den Vertrag so zu gestalten, daß sich die Vermietung bei der Verwertung der Liegenschaft nicht belastend auswirke. Der Vater des Beklagten unterbreitete einen Vertragsentwurf. Diplom-Volkswirt Norman A*** erklärte dem Vertreter des Beklagten die Bedingung, daß für einen Erwerber bei Verkauf des Fabriksareals eine Kündigungsmöglichkeit gegeben sein müsse. Darauf ließ der Vater des Beklagten einen zweiten Vertragsentwurf erstellen, der im November 1982 von der Vermieterin und dem Beklagten unterschrieben wurde. Danach sollte das Mietverhältnis mit dem 1. Jänner 1983 beginnen und bis 31. Dezember 1992 dauern. Ein Rechtsnachfolger auf Vermieterseite könne den Vertrag übernehmen, aber auch unter Einhaltung einer einjährigen Frist kündigen, wenn keine Vertragsübernahme erfolge auch kein neuer Mietvertrag zustande komme. Mit dieser Vereinbarung in dem schriftlichen Mietvertrag sollte im Verkaufsfalle ein Erwerber wählen können, in den bestehenden Mietvertrag einzutreten, einen neuen Vertrag mit dem Beklagten zu schließen oder den Bestandvertrag aufzukündigen.
Im Jahr 1985 verschlechterte sich die Wirtschaftslage der Vermieterin. Über ihr Vermögen wurde der Konkurs eröffnet. Der Masseverwalter versuchte, die Liegenschaft als wesentlichen Bestandteil des Massevermögens durch freihändigen Verkauf zu verwerten und wies Kaufinteressenten auf die Mietverhältnisse mit dem Beklagten und Irma A*** hin. Der Kläger war am Ankauf der Liegenschaft interessiert. Auch der Beklagte dachte anfangs daran, mit dem Kläger gemeinsam das Areal zu erwerben, gab dem Kläger aber schließlich Bescheid, daß er nicht als Mitkäufer auftrete. Der Kläger schloß darauf mit dem Masseverwalter den Kaufvertrag vom 30. Dezember 1986/31. Dezember 1986, in welchem unter anderem festgehalten war, daß dem Käufer der Liegenschaft die beiden Bestandverhältnisse bekannt sind, er in diese eintritt und sie ohne Anrechnung auf den Kaufpreis übernimmt. Der Kläger erhielt vom Masseverwalter eine Kopie des mit dem Beklagten geschlossenen Mietvertrages. Der Masseverwalter und der Kläger wollten durch die Kaufvertragsbestimmung nur festhalten, daß der Käufer alle Rechte und Pflichten des Vermieters aus dem Mietvertrag übernimmt, aber weder die im Vertrag vereinbarte Kündigungsmöglichkeit ausschalten, noch den Kläger mehr binden, als es der Mietvertrag vorsah. Der Kläger hat auf das für den Fall des Verkaufes des Fabriksareals vorgesehene Kündigungsrecht nicht verzichtet. Er teilte dem Beklagten am 9. Jänner 1987 mit, daß er nun der neue Vermieter und bereit sei, einen neuen Mietvertrag zu schließen. Er wollte nach einem Brand den Standort des Gebäudes und die Einfahrt verändern. Es kam zu keiner Einigung.
Der Kläger kündigte dem Beklagten das Bestandverhältnis aus dem nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG schriftlich vereinbarten Kündigungsgrund der Veräußerung des Bestandobjektes gerichtlich auf. Der Beklagte wendete ein, der Kündigungsgrund liege nicht vor. Der Kläger habe kein Kündigungsrecht, weil er mit dem Kaufvertrag in das Mietverhältnis eingetreten sei.
Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichetete den Beklagten zur Räumung des Mietgegenstandes. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen und meinte rechtlich, der Kläger habe auf das Recht der Kündigung des Mietverhältnisses, das dem Vermieter für den Fall der (Einzel-) Rechtsnachfolge schriftlich im Mietvertrag eingeräumt wurde, um keinen Nachteil bei der Verwertung der Liegenschaft für den Vermieter zu schaffen, nicht verzichtet. Unter den gegebenen Verhältnissen handle es sich bei dem im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarten Umstand um einen solchen, der in bezug auf die Kündigung für den Vermieter als wichtig und bedeutsam anzusehen ist.
Das Berufungsgericht bestätigte und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,- nicht aber S 300.000,- übersteige und daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Nach den dem Abschluß des Mietvertrages vorangegangenen Besprechungen sei den Vertragsparteien klar gewesen, daß im Mietvertrag der schon damals in Erwägung gezogene Verkauf der Betriebsliegenschaft als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart werden sollte und daß darauf besonderer Wert gelegt wurde, daß sich die Vermietung auf die Verwertung des Areals nicht belastend auswirken sollte. Es sei daher auch im schriftlichen Mietvertrag die Veräußerung der Liegenschaft als Umstand für eine Kündigung vereinbart worden und es treffe auch zu, daß dieser Umstand für den Vermieter als wichtig und bedeutsam anzusehen sei. Schon zur Zeit des Abschlusses des Mietvertrages mit dem Beklagten seien Besprechungen über einen Verkauf einer Teilfläche des Unternehmensgeländes geführt worden. Der Beklagte sei auch damit einverstanden gewesen, daß der Rechtsnachfolger das Kündigungsrecht ausübe, wenn der vereinbarte Umstand eintritt. Schon deshalb habe der Kläger zunächst in den Vertrag eintreten müssen, um zur Kündigung berechtigt zu sein. Er habe sich im Kaufvertrag aber weder auf längere Mietdauer gebunden noch auf das Kündigungsrecht verzichtet. Zu der Rechtsfrage, ob den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG auch der Rechtsnachfolger geltend machen könne, fehle eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Der Beklagte beantragt in seiner Revision die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen und die Aufhebung der Aufkündigung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen, ihr aber jedenfalls nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht bezeichneten Grunde nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
Das Mietverhältnis an den dem Beklagten im November 1982 in Bestand gegebenen Geschäftsräumlichkeiten im Bereich des Fabriksareals unterliegt den Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG. Der Vermieter kann den Mietvertrag nur aus wichtigen Gründen kündigen. Als wichtiger Kündigungsgrund ist nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG der Eintritt eines im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarten Umstandes anzusehen, der in bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter als wichtig und bedeutsam anzusehen ist. Nach dem in Schriftform zustande gekommenen Mietvertrag vom November 1982 sollte der "Rechtsnachfolger des Vermieters" das Mietverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von einem Jahr kündigen können. Mit dieser Vereinbarung eines Kündigungsgrundes bei einer "Rechtsnachfolge" hatte der Beklagte die von der Vermieterin für eine Vermietung der Räumlichkeiten im Fabriksareal gesetzte Bedingung erfüllt, daß bei der wegen der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, die dann zur Insolvenz führte, erwogenen Verwertung der Liegenschaft durch ihre Veräußerung eine Belastung durch Fortdauer des Bestandverhältnisses nicht eintreten dürfe. Den Vorinstanzen ist beizupflichten, daß damit mit der zu fordernden Deutlichkeit schriftlich als Kündigungsgrund der Verkauf des Fabriksareals als für den Vermieter wichtiger und bedeutsamer Kündigungsgrund vereinbart wurde, der mit der Einzelrechtsnachfolge durch den Kläger eingetreten ist.
Der Oberste Gerichtshof hat in MietSlg 35.382/36 den Verkauf eines Hauses als Umstand anerkannt, der wirksam als wichtiger Kündigungsgrund vereinbart werden konnte. Der Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG entspricht weitgehend dem im § 19 Abs 6 Satz 2 MG geregelt gewesenen Fall. Die dazu in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze finden weiter Anwendung (vgl RdW 1986, 369). Der Kündigungsgrund ist gegeben, wenn eine bestimmt bezeichnete Tatsache eintritt, die für den Vermieter, seine nahen Angehörigen oder sein Unternehmen bedeutsam ist und die schon im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbart wurde (Würth in Rummel, ABGB, Rz 45 zu § 30 MRG; Derbolav in Korinek-Krejci, HBzMRG 450). Dem Erfordernis der Schriftform ist Genüge getan aber ebenso dem der Bestimmtheit, denn die "Rechtsnachfolge" sollte den Kündigungsgrund bilden und diese konnte, weil der Vermieter nicht eine natürliche Person sondern eine Handelsgesellschaft war, wohl nur durch einen Rechtsübergang im Eigentum der Liegenschaft durch deren Veräußerung eintreten. Um einen wichtigen Kündigungsgrund abzugeben, muß der Umstand aber auch noch objektiv für den Vermieter bedeutsam sein und den sonst im § 30 Abs 2 MRG angeführten Gründen zwar nicht gleich - dann würde es nicht des eigens bezeichneten Kündigungsgrundes bedürfen - aber nahe kommen (Würth aaO; MietSlg 33.396).
Die Kündigungsbeschränkungen des § 30 MRG können zwar nicht dadurch umgangen werden, daß im Mietvertrag schriftlich die Veräußerung der Liegenschaft als wichtiger Umstand für die Kündigung ohne besonderes Bedürfnis des Vermieters nach dieser Auflösungsmöglichkeit vereinbart wird. Die Voraussetzungen des § 30 Abs 2 Z 13 MRG sind aber etwa erfüllt, wenn ein in Erwägung gezogener Verkauf des Einfamilienhauses als Kündigungsgrund vereinbart wird, ebenso aber bei Vermietung eines Bestandgegenstandes in einem Fabriksareal, wenn schon dessen Veräußerung ernstlich in Betracht gezogen wird, weil in einem solchen Fall das besondere Anliegen des Vermieters anzuerkennen ist, daß der Bestandvertrag aufgelöst werden kann, wenn das Bestandverhältnis der Verwertung der Liegenschaft behindernd entgegensteht.
Daß in diesem Fall die Kündigung auch vom Rechtsnachfolger ausgesprochen werden kann, der sonst an den Mietvertrag nach § 2 Abs 1 MRG gebunden ist und der alle Rechte und Pflichten des Vermieters aus dem geschlossenen Vertrag übernimmt, also auch das Recht der Kündigung wegen Eintritts der als Kündigungsgrund im Mietvertrag schriftlich vereinbarten Tatsache, begegnet keinen Bedenken. Es wäre verfehlt, in diesem Fall anzunehmen, nur der erste Vermieter könne kündigen. Gerade der Rechtsnachfolger kann besser abwägen, ob er von dem mit dem Vertrag auf ihn übergegangenen Kündigungsrecht Gebrauch macht oder nicht.
Zutreffend haben die Vorinstanzen auch angenommen, daß sich aus der Kaufvereinbarung kein Ausschluß des Kündigungsrechtes ergibt. Der Kläger hat auch mit der Auflösung des Mietverhältnisses nicht ungebührlich lange zugewartet, sondern die gerichtliche Aufkündigung vorgenommen, als Bemühungen um einen neuen Vertrag keinen Erfolg hatten.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E13743European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00508.88.0302.000Dokumentnummer
JJT_19880302_OGH0002_0030OB00508_8800000_000