Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.März 1988 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann W*** wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts Wels als Schöffengerichts vom 10.November 1986, GZ. 16 Vr 555/86-64, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Text
Gründe:
Der am 18.September 1945 geborene Johann W*** wurde im zweiten Rechtsgang (erneut) des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 9. März 1986 in Edt bei Lambach außer dem Fall der Notzucht eine Person weiblichen Geschlechts, nämlich Jasmine K***, mit Gewalt gegen ihre Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich dadurch, daß er mit ihr gegen ihren Willen in ein abgelegenes Waldstück fuhr, ihr den Mund zuhielt, sich auf sie legte, sich dahin äußerte, es werde etwas passieren, wenn sie nicht pariere, ferner erklärte, daß ihr Schreien ohnedies nichts nütze, weil das Schreien niemand höre, ihr die Beine auseinanderdrückte und schließlich dadurch, daß er ihr beide Hände um den Hals legte und Würgebewegungen andeutete, zum außerehelichen Beischlaf genötigt.
Diesen Schuldspruch ficht er mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z. 1, 4, 5 und 9 lit. a StPO. an.
Rechtliche Beurteilung
Unter dem erstgenannten Nichtigkeitsgrund rügt der Angeklagte eine nicht gehörige Besetzung des Gerichts, ohne jedoch darzutun, inwiefern das Schöffengericht am 14.Oktober 1987 mangelhaft zusammengesetzt gewesen wäre. Auf Grund der Aufhebung des im ersten Rechtsgang am 10.November 1986 gefällten schöffengerichtlichen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung waren die Richter des Kreisgerichts Dr. W*** und Dr. H***, die an der ersten Hauptverhandlung teilgenommen hatten, gemäß § 68 Abs. 2 StPO. von der Durchführung der weiteren Hauptverhandlung und Entscheidung ausgeschlossen. Gemäß der Geschäftsverteilung des Kreisgerichts Wels war daher Dr. S*** nach Dr. W*** und Dr. H*** der zuständige Schöffengerichtsvorsitzende; in Anbetracht der Hv-Zahl 41/87 war wegen deren Endziffer 1 Mag. O*** der geschäftsordnungsgemäße Beisitzer.
Daß diese Geschäftsverteilung vom zuständigen Personalsenat beschlossen worden ist (§ 18 StPO.), wird von der Beschwerde nicht in Zweifel gezogen. Welche Erwägungen den Personalsenat bei seiner Entscheidung leiteten, ist, sofern ein formell einwandfreier Beschluß vorliegt (Mängel dieser Art werden nicht behauptet), im Instanzenzug nicht zu überprüfen (SSt. 41/71). Auch aus dem Hinweis auf eine fragliche Kundmachung der Geschäftsverteilung ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil selbst die Befassung eines anderen als des nach der Geschäftsverteilung berufenen Richters mit einer Rechtssache zu keiner Nichtigkeit nach Z. 1 führt (SSt. 41/71, dort Seite 287 oben).
Die Behauptung, der Verteidiger hätte weder die gesetzmäßige Erstellung der Schöffenlisten noch die richtige Bestellung der Schöffen überprüfen können, besagt nicht, daß die Laienrichter die Voraussetzungen ihres Amts nicht erfüllten oder daß an der Entscheidung eine zum Amt eines Schöffen nicht befähigte Person mitgewirkt hätte. Nur in einem solchen Fall wäre die relevierte Nichtigkeit gegeben (EvBl. 1964 Nr. 356).
Die Verfahrensrüge (Z. 4) bezieht sich auf den vom Verteidiger in der Hauptverhandlung am 14.Oktober 1987 gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugen Bianca W***, Maria E*** und Edeltraud W*** (S. 348 f., Band II), den das Schöffengericht mit Zwischenerkenntnis (§ 238 StPO.) in der Hauptverhandlung abwies, weil die Beweisthemen nicht das unmittelbare Tatgeschehen, sondern nicht entscheidungswesentliche Sachverhalte und Geschehnisse aus dem Vorleben der Jasmine K*** sowie des Rechtsmittelwerbers beträfen (S. 349 f., Band II). In den Urteilsgründen wird dies noch dahin ergänzt, daß zu den angeführten Beweisthemen andere taugliche Beweismittel zur Verfügung stünden, insbesondere die Beschuldigteneinvernahme (S. 419 Band II).
Johann W*** erblickt in der Ablehnung der Beweisanträge eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte; dies jedoch zu Unrecht, weil die unter Beweis gestellten Umstände weder für die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung sind. Sämtliche Themen der beschwerdegegenständlichen Anträge beziehen sich nicht auf den allein relevanten Umstand, ob der Geschlechtsverkehr zwischen dem Angeklagten und Jasmine K*** freiwillig stattgefunden hat oder ob die Zeugin durch Gewalt und Drohung zum Beischlaf genötigt wurde. Mangels Entscheidungswesentlichkeit der Beweisthemen verfielen die Anträge daher zu Recht der Ablehnung, sodaß es entbehrlich ist, auf die gerügte Begründung (insbesondere jene in der Urteilsausfertigung, welche der Beweiswürdigung unzulässigerweise vorgreift) des abweisenden Erkenntnisses einzugehen. Auch die behaupteten Begründungsmängel (Z. 5) haften dem Urteil nicht an. Sofern der Beschwerdeführer vermeint, auf Seite 10 des Urteils ( = S. 398, Band II) werde seine Verantwortung aktenwidrig wiedergegeben, weil er vorgebracht habe, das Mädchen hätte sich anfangs gesträubt (S. 301, Band II), das Wort "anfangs" sei aber im Urteil ausgelassen worden, übersieht er, daß die zitierte Urteilspassage nicht seine Einlassungen, sondern die Tatsachenfeststellungen des Gerichts betrifft, die mit dem Vorbringen des leugnenden Nichtigkeitswerbers nicht übereinstimmen. Im Zug der Beweiswürdigung (S. 413 Band II) wird im Urteil jedoch seine bezughabende Verantwortung vollständig, das heißt unter Zitierung des Worts "anfangs" wiedergegeben.
Wenn das Gericht der Verantwortung des Rechtsmittelwerbers zum Teil folgt, ihr zum Teil jedoch Glaubwürdigkeit versagt, liegt freie richterliche Beweiswürdigung vor, die der Anfechtung im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren entrückt ist. Die weiteren weitwendigen Beschwerdeausführungen zu diesem Nichtigkeitsgrund zeigen in Wahrheit keinen Begründungsmangel betreffend entscheidungswesentliche Tatsachen (§ 270 Abs. 2 Z. 4 und 5 StPO.) auf, sondern versuchen unter teils wörtlicher Wiedergabe verschiedener Aussagen der Zeugen Jasmine K***, Roland W***, Dr. Josef W*** und Elisabeth H*** die Annahme der Tatrichter, Johann Peter W*** habe die Zeugin K*** zum außerehelichen Beischlaf genötigt, in Zweifel zu ziehen und seiner leugnenden Verantwortung Glaubwürdigkeit zu verleihen. Solcherart wird aber der geltend gemachte formelle Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gebracht, sondern versucht, die Beweiswürdigung des Schöffengerichts anzufechten.
Die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a) macht Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite geltend, ohne jedoch aufzuzeigen, welche Feststellungen der Angeklagte vermißt. Die Behauptung aber, im Verfahren sei nicht erwiesen worden, daß der Beschwerdeführer sich innerlich entschieden habe, auch gegen den Widerstand des Mädchens mit ihm den Geschlechtsverkehr zu vollziehen, steht im Gegensatz zum tatsächlichen Urteilsinhalt (S. 398 unten, Band II). Indem die Rechtsrüge, deren gesetzmäßige Ausführung stets einen Vergleich des im Urteil festgestellten Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Strafgesetz erfordert, von der erwähnten Konstatierung abweicht, läßt auch sie eine gesetzmäßige Ausführung vermissen. Da die geltend gemachten formellen Nichtigkeitsgründe durch den Hinweis auf Umstände, die sie nach dem Gesetz gar nicht zu begründen vermögen, in Wahrheit nicht aufgezeigt werden (13 Os 53/85; 13 Os 20/87) und der materielle Nichtigkeitsgrund (Z. 9 lit. a) nicht prozeßordnungsgemäß dargestellt wird, war die Beschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Die Zuleitung der Akten zur Entscheidung über die Berufung an das Oberlandesgericht Linz beruht auf § 285 i StPO. i. d.F.d.StRÄG. 1987.
Anmerkung
E13463European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0130OS00007.88.0303.000Dokumentnummer
JJT_19880303_OGH0002_0130OS00007_8800000_000