TE OGH 1988/3/15 2Ob674/87

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Milorad S***, Automechaniker, 6020 Innsbruck, Kirchgasse 2, vertreten durch Dr.Dietrich Roschmann-Hörburg, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Hatidza M***, Schneiderin, 6020 Innsbruck, General-Eccherstraße 3, vertreten durch Dr.Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens GZ 13 C 1660/85 (Streitwert S 20.000,-- s.A.), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25.Juni 1987, GZ 1 a R 331/87-23, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11.März 1987, GZ 13 C 140/86-16, aufgehoben und die Wiederaufnahmsklage zurückgeweisen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 2.719,20 (darin keine Barauslagen und S 247,20 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Im Verfahren 13 C 1660/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck begehrte die nunmehrige Beklagte als seinerzeitige Klägerin (im folgenden kurz: Beklagte), den damaligen Beklagten und nunmehrigen Wiederaufnahmskläger (im folgenden kurz: Kläger) zur Bezahlung eines Betrages von S 20.000,-- aus der Zuzählung mehrerer Summen in dieser Gesamthöhe als Darlehen zu verurteilen. Der Kläger bestritt seinerzeit die Übergabe des Geldes und daher das Zustandekommen eines Darlehensvertrages. In der (letzten) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 19.November 1985 sagte der Zeuge Mihodrag M*** aus, der Kläger habe ihm gegenüber zugegeben, von der Beklagten einen Kredit in Höhe von insgesamt S 20.000,-- erhalten zu haben, welchen er binnen einem Monat zurückzahlen und dazu einen Kredit bei einem Bankinstitut aufnehmen müsse. Unter Stützung auf diese Zeugenaussage nahm das Bezirksgericht Innsbruck im Urteil vom 27. Dezember 1985, 13 C 1660/85-10, die Zuzählung der Darlehensvaluta als erwiesen an und verpflichtete den Beklagten zur kostenpflichtigen Leistung.

Rechtliche Beurteilung

Mit seiner am 4.April 1986 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger die Wiederaufnahme dieses Vorprozesses mit der Begründung, er habe zu den Osterfeiertagen 1986 von Dragisa Z*** erfahren, daß der Zeuge Mihodrag M*** die streitentscheidende Aussage im Vorverfahren lediglich aus Verärgerung gegenüber dem Kläger infolge eines gegen diesen verlorenen Rechtsstreites gemacht habe. Die unrichtige, mit den wahren Tatsachen nicht übereinstimmende Aussage des Mihodrag M*** sei bei einer Zusammenkunft zwischen der Beklagten, ihrem Lebensgefährten, dem zuletzt genannten Zeugen und dem Zeugen Dragisa Z*** so festgelegt worden. Daher sei der Kläger zur Beantragung der Wiederaufnahme des Vorprozesses, insbesondere aus dem Grund des § 530 Abs 1 Zl. 7 ZPO, hilfsweise aber gestützt auf die übrigen Bestimmungen des § 530 ZPO, berechtigt.

Die Beklagte bestritt, beantragte kostenpflichtige Klagsabweisung und wendete im wesentlichen ein, Mihodrag M*** habe niemals irgend jemandem gegenüber behauptet, eine falsche Zeugenaussage abgelegt zu haben. Er habe auch tatsächlich niemals wahrheitswidrig ausgesagt. Im übrigen sei die Wiederaufnahmsklage verfristet, zumal der Kläger bereits im Vorverfahren seine Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen M*** zum Ausdruck bringen hätte können.

Das gegen Mihodrag M*** bei der Staatsanwaltschaft

Innsbruck über Anzeige des Erstgerichtes zu 8 St 6327/86 des Verdachtes der falschen Zeugenaussage vor Gericht eingeleitete Verfahren wurde am 24.Juni 1986 wegen des vermutlich nicht zu erbringenden Tatnachweises zurückgelegt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging: Im Vorverfahren 13 C 1660/85 des Erstgerichtes wurde eine Vernehmung des Dragisa Z*** als Zeugen nicht angeboten und es wurde weder die Person noch eine Äußerung des vorgenannten Zeugen von irgendeiner der im Vorverfahren vernommenen Personen erwähnt. Sowohl der seinerzeitig im Verfahren 13 C 1660/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck Beklagte und nunmehrige Kläger als auch der Zeuge Mihodrag M*** wurden im genannten Verfahren am 19.November 1985 vernommen. Noch vor diesem Termin kam es zu einem Zusammentreffen des Zeugen Dragisa Z***, des Zeugen Mihodrag M***, der seinerzeitigen

Klägerin und nunmehr Beklagten sowie deren Lebensgefährten, dem Zeugen Stefan S*** in der Wohnung der Beklagten. Anläßlich dieses Treffens äußerte der Zeuge Mihodrag M***, er werde, um sich am Kläger zu rächen, gegen diesen vor Gericht aussagen und dabei eine falsche Aussage ablegen. Er bot der Beklagten an, für sie zu diesem Zwecke als Zeuge vor Gericht aufzutreten. Weiters äußerte der Zeuge Mihodrag M***, daß der wesentliche Inhalt seiner Aussage der sein sollte, er würde eine Kreditaufnahme des Klägers unter Vorlage bereits bei diesem Gespräch vorgewiesener Dokumente bestätigen. Dem Zeugen Dragisa Z*** ist nicht bekannt, ob die Beklagte dem Kläger jemals tatsächlich ein Darlehen zugezählt hat und ob sich die Mitteilung des Zeugen M***, er würde eine falsche Aussage gegen den Kläger ablegen, sich auf die von ihm ebenfalls zu bestätigende Kreditaufnahme bezog oder er in anderer Weise eine falsche Aussage leisten wollte. Unmittelbar darauf, noch vor der Vernehmung des Klägers sowie des Zeugen M*** im Vorverfahren teilte der Zeuge Dragisa Z*** dem Kläger mit, daß er anläßlich des vorgenannten Treffens erfahren habe, Mihodrag M*** beabsichtigte, vor Gericht als Zeuge eine falsche Aussage gegen den Kläger abzulegen. Daraufhin entgegnete der Kläger, diesfalls würde er den Zeugen M*** "wegen falscher Aussage verklagen". Ebenfalls noch vor der Aussage des Zeugen M*** im Vorverfahren sprach der Zeuge Mihodrag M*** den Zeugen Z*** und dessen Gattin einmal auf der Straße dahingehend an, er würde eine falsche Zeugenaussage zu Ungunsten des Klägers ablegen, um sich an diesem zu rächen.

Nach der Zeugenaussage des Mihodrag M*** im Vorverfahren haben dieser und der Zeuge Dragisa Z*** nicht mehr über die vom ersteren abgelegte Zeugenaussage gesprochen. Dragisa Z*** hat auch nachträglich nicht davon Kenntnis erlangt, ob Mihodrag M*** im Vorprozeß tatsächlich eine falsche Zeugenaussage abgelegt hat oder nicht.

Zur Rechtsfrage vertrat das Erstgericht die Auffassung, für das Vorliegen der Wiederaufnahmsgründe des § 530 Abs 1 Z 3 bis 6 ZPO hätte das Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben; die Wiederaufnahmsgründe nach § 530 Abs 1 Z 1 und 2 ZPO kämen mit Rücksicht auf die Einstellung des Strafverfahrens gegen Mihodrag M*** ebenfalls nicht in Betracht. Auch das Vorliegen des Wiederaufnahmsgrundes nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO sei zu verneinen, weil der nunmehr aufgebotene Zeuge Z*** bereits vor der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung im Vorprozeß (19.November 1985) dem Kläger gegenüber über das Treffen zwischen der Beklagten, ihrem Lebensgefährten, dem Zeugen M*** und ihm (Z***) selbst berichtet und Kenntnis davon verschafft habe, daß M*** eine wahrheitswidrige Zeugenaussage plane. Es sei dem Kläger daher schon im Vorverfahren die Möglichkeit offen gestanden, den Zeugen Z*** anzubieten. Das Unterlassen der Namhaftmachung dieses Zeugen sei ihm als Verschulden zuzurechnen. Im übrigen seien aber keine die Glaubwürdigkeit des seinerzeitigen Zeugen M*** in Zweifel ziehenden Umstände vorgebracht worden, so daß auch in dieser Hinsicht die Wiederaufnahmsklage unbegründet und daher gemäß § 530 Abs 2 ZPO abzuweisen gewesen sei.

Aus Anlaß der Berufung des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes auf und wies die Wiederaufnahmsklage zurück; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht erachtete die Berufungsgründe der unrichtigen Tatsachenfeststellung bzw. Beweiswürdigung nicht als gegeben und führte, ausgehend von den unbedenklichen Feststellungen des Erstgerichtes, zur Rechtsrüge aus, gemäß § 534 Abs 1 ZPO sei die Wiederaufnahmsklage binnen der Notfrist eines Monates zu erheben, wobei die Bestimmung des § 89 GOG gelte, es also genüge, wenn die Klage rechtzeitig zur Post gegeben werde. Die Frist beginne dabei mit dem Tag, von welchem an die Partei imstande war, die ihr bekannt gewordene Entscheidung oder die neuen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Nach den Ergebnissen der vom Erstgericht durchgeführten Vernehmung des Zeugen Dragisa Z*** (dem einzig geltend gemachten neuen Beweismittel) habe der Kläger aber schon vor der letzten Tagsatzung vom 19.November 1985 im Vorprozeß Kenntnis davon gehabt, daß an diesem Tag eine wahrheitswidrige Aussage des Zeugen Mihodrag M*** geplant war. Kenntnis von dem neuen Beweismittel, welches über dieses Ränkespiel Aufschluß geben sollte, habe der Kläger also schon vor Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß erlangt und nicht erst - wie er in der Wiederaufnahmsklage geltend mache - zu den Osterfeiertagen 1986. Die Wiederaufnahmsklage erweise sich sohin zunächst als verfristet (§ 534 ZPO). Es wäre nun dem Wiederaufnahmswerber oblegen, zu beweisen, daß er ohne sein Verschulden außerstande war, das neue Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung im Vorprozeß geltend zu machen. Unter einem Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO sei insbesondere die Vernachlässigung der im Prozeß erforderlichen Sorgfalt der Parteien zu verstehen. Beide Parteien seien nämlich nach Einleitung eines Rechtsstreites in gleicher Weise schon aufgrund der Regeln über die Behauptungs- und Beweislast dazu verpflichtet, zur Vollständigkeit des Verhandlungs- und Entscheidungsstoffes beizutragen. In der Unterlassung der Namhaftmachung oder Benütbarmachung entscheidungserheblicher Beweismittel, deren mögliche Bedeutung ohne weiteres erkennbar war, liege sohin ein Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO. Da der Wiederaufnahmsgrund des § 530 Abs 1 Zl. 7 ZPO lediglich auf Billigkeit beruhe, sei die Voraussetzung, daß der zu beseitigende Nachteil ohne Verschulden der Partei entstanden sei, streng zu beurteilen. Die Rechtssicherheit erfordere daher eine Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeit von Urteilen durch das außerordentliche Rechtsmittel der Wiederaufnahmsklage auf scharf begrenzte Einzelfälle. Nachdem im erstinstanzlichen Verfahren die Verfristung der Wiederaufnahmsklage hervorgekommen sei, habe der Wiederaufnahmswerber nicht einmal mehr versucht, den Beweis des mangelnden Verschuldens im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO anzutreten. Ein Verschulden liege nämlich jedenfalls dann vor, wenn eine Partei (wie der Kläger) im Hauptprozeß Zeugen anzuführen unterließ, von denen objektiv vorausgesetzt werden mußte, sohin auch der Wiederaufnahmswerber bei gehöriger Sorgfalt annehmen hätte müssen, daß ihnen die zu erweisenden Tatsachen (Nichtzuzählung eines Darlehens) bekannt sind. Jede Fehleinschätzung in dieser Richtung gehe daher voll zu Lasten des Wiederaufnahmswerbers. Es erweise sich sohin die Wiederaufnahmsklage zufolge Vorliegens eines im § 530 Abs 2 ZPO angeführten Grundes als unzulässig.

Das Fehlen von Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Wiederaufnahmsklage, und zwar sowohl betreffend die Rechtzeitigkeit ihrer Erhebung im Sinne des § 534 ZPO als auch wegen des Vorliegens eines im § 530 Abs 2 ZPO angeführten Grundes, sei an sich in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen, wobei die Klage auch noch in der mündlichen Verhandlung mit Beschluß zurückzuweisen sei (§ 543 ZPO). Es könne nun im vorliegenden Falle nicht gesagt werden, daß das Erstgericht sachlich die Voraussetzungen des § 543 ZPO bejaht und sich nur in der Entscheidungsform vergriffen habe; dann wären nämlich Rechtsmittel und Rechtsmittelgegenschrift als Rekurs und Rekursbeantwortung - § 521 a ZPO - zu behandeln und ihnen in nichtöffentlicher Sitzung keine Folge zu geben gewesen, weil eine verfehlte Entscheidungsform keinen vom Gesetz nicht eingeräumten Rechtsmittelzug zu eröffnen vermöge. Das Erstgericht habe vielmehr dem Inhalt seiner Entscheidung nach auch das Vorliegen anderer Wiederaufnahmsgründe im Sinne des § 530 Abs 1 ZPO geprüft und verneint. Es liege daher im Kern nur eine unrichtige Verneinung des Vorliegens der Voraussetzung des § 543 ZPO vor. Das Erstgericht habe daher - aus seiner Sicht - zu Recht die Wiederaufnahmsklage mit Urteil abgewiesen. In solchen Fällen sei aber das Rechtsmittel der Berufung zulässig. Da sich aber bei richtiger Betrachtungsweise ein Zurückweisungsgrund im Sinn des § 543 ZPO (Verschulden an der Verspätung) ergebe, sei die Wiederaufnahmsklage auch ohne diesbezügliche Rechtsmittelrüge oder einen diesbezüglichen Antrag mit Beschluß zurückzuweisen gewesen. Diese Entscheidung stelle im Kern einen Beschluß gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO dar. Die Bewertung des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschied und welche auch im Wiederaufnahmeverfahren vorzunehmen sei, richte sich nach der Bewertung des Streitgegenstandes im Hauptprozeß und betrage daher S 20.000,--. Der Wert des Streitgegenstandes übersteige daher S 15.000,--.

Gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Erstgerichtes aufzutragen. Die Beklagte beantragt in ihrer Rekursbeantwortung, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, weil konforme Beschlüsse der Vorinstanzen im Sinne des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO vorlägen, allenfalls dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Vorerst war die Zulässigkeit des Rekurses zu prüfen. Das Rechtsmittel ist entgegen der Auffassung der Rekursbeantwortung analog der Bestimmung des § 519 Z 2 ZPO zulässig. Die Vorschrift des § 528 Abs 1 Z 1 ZPO steht der Bejahung der Zulässigkeit deshalb nicht entgegen, weil es sich bei der erstgerichtlichen Entscheidung nicht etwa um eine bloß versehentlich in Urteilsform ergangene Zurückweisung der Wiederaufnahmsklage mangels eines gesetzlich zulässigen Anfechtungsgrundes handelt (vgl. EvBl 1957/223; JBl 1957, 270; EvBl 1973/164 u.a.). Das Erstgericht hat nämlich über das Nichtvorliegen der Wiederaufnahmsgründe, insbesondere jener nach § 530 Abs 1 Z 3 bis 6 ZPO, materiell entschieden, was in der Berufung nicht bekämpft wurde. Wurde jedoch vom Erstgericht die Wiederaufnahmsklage aus materiellen Gründen abgewiesen, ist aber das Berufungsgericht der Ansicht, daß eine Zurückweisung im Sinne des § 543 ZPO geboten sei, und weist es deshalb aus Anlaß der Berufung die Klage zurück, so liegen difforme Entscheidungen vor, weshalb diesfalls ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (Fasching IV, 559, 7 Ob 538/77 u.a.).

Der Rekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Der Kläger führt aus, das Berufungsgericht habe nicht berücksichtigt, daß der Zeuge Dragisa Z*** in der Streitverhandlung vom 27.Jänner 1987 deponiert hatte, erst an diesem Tage von einem zwischen den Streitteilen anhängigen Prozeß bezüglich eines Darlehens erfahren zu haben. In diesem Zusammenhang hätte das Berufungsgericht die widersprüchlichen Angaben des Zeugen Z*** - auch wenn dieser der "Kronzeuge" des Klägers ist - berücksichtigen müssen; es hätte die Aussage, nichts von einem Prozeß gewußt zu haben, in der Weise werten müssen, daß es unmöglich ist, ein Gespräch im Hinblick auf einen Prozeß zu führen, wenn von diesem Prozeß noch gar nichts bekannt sei. Wenn aber Z*** dem Kläger gegenüber die für die Prozeßführung erforderlichen Angaben nicht während des Laufes des Verfahrens 13 C 1660/85 des Bezirksgerichtes Innsbruck gemacht habe, sondern erst später, dann sei dies nicht dem Kläger als Verschulden zuzurechnen. Der Kläger habe zum damaligen Zeitpunkt nicht wissen können, was Z*** wissen würde oder nicht. Wenn aber schon Z*** sich selbst widerspreche und seine von ihm selbst unterfertigte Bestätigung in der Weise als unrichtig hinstelle, daß er die ursprüngliche Angabe, M*** hätte ausdrücklich gesagt, daß der Kläger von der Beklagten kein Darlehen erhalten hätte, entkräfte, dann seien auch seine sonstigen Angaben mit äußerster Vorsicht zu behandeln. Auch wenn somit objektiv eine Verfristung gegeben gewesen zu sein scheine, liege doch subjektiv für den Kläger, der ja nicht wissen konnte, was Z*** tatsächlich wisse, keine Verfristung vor. Das Berufungsgericht habe daher zu Unrecht die Wiederaufnahmsklage gemäß § 543 ZPO zurückgewiesen, es hätte vielmehr über die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 11. März 1987 entscheiden müssen.

Diese Ausführungen stellen sich lediglich als auch im Rekursverfahren unzulässiger (vgl. JBl 1959, 134 u.a.) Versuch der Bekämpfung der Beweiswürdigung des Erstgerichtes dar. Ausgehend von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen begegnet aber auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes keinen Bedenken.

Gemäß § 530 Abs 2 ZPO ist wegen des im § 530 Abs 1 Z 7 ZPO normierten Grundes die Wiederaufnahme nur dann zulässig, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der mündlichen Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Ein von Amts wegen zu beachtendes Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO liegt vor, wenn die Partei im Hauptprozeß Zeugen zu führen unterläßt, von denen sie voraussetzen mußte, daß ihnen die zu erweisenden Tatsachen bekannt sind (Fasching, Kommentar IV 518 f; 8 Ob 631/86 u.a.). Der Wiederaufnahmskläger ist dafür behauptungs- und beweispflichtig, daß er ohne sein Verschulden außerstande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel vor Schluß der Verhandlung, auf welche die Entscheidung erster Instanz erging, geltend zu machen. Kommt er seiner Behauptungspflicht nicht nach oder mißlingt ihm der Beweis, dann steht die Bestimmung des § 530 Abs 2 ZPO der Bewilligung der Wiederaufnahme entgegen (Fasching aaO 520; 8 Ob 558/82 uva). Mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen werden kann, hat das Berufungsgericht dargelegt, daß der Wiederaufnahmskläger, dem nach den Feststellungen des Erstgerichtes schon vor der letzten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung im Vorprozeß die Möglichkeit offengestanden wäre, den Zeugen Z*** zum Beweis dafür, daß der Zeuge M*** eine wahrheitswidrige Zeugenaussage zum Nachteil des Klägers beabsichtige, namhaft zu machen, dies unterlassen hat, was ihm als Verschulden im Sinne des § 530 Abs 2 ZPO anzulasten ist. Ohne Rechtsirrtum hat daher das Berufungsgericht die Wiederaufnahmsklage als unzulässig zurückgewiesen (vgl. Fasching aaO 557, derselbe in ZPR Rz 2093).

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E13504

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00674.87.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19880315_OGH0002_0020OB00674_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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