TE OGH 1988/3/15 5Ob558/87

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Veröffentlicht am 15.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Sven C***, Schüler, und

2. Tanja C***, Schülerin, beide Waldschmiedgasse 16,

D 8132 Tutzing, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Alfred Haslinger, DDr.Heinz Mück und Dr.Peter Wagner, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagten Parteien

1. Verlassenschaft nach dem am 22.Juli 1980 verstorbenen Robert C***, vertreten durch den erbserklärten Erben Günther C***, und

2. Günther C***, Kaufmann, Schlagenstraße 35, 4810 Gmunden, beide vertreten durch Dr.Erasmus SchneditzBolfras, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 801.508,66 sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6.Februar 1987, GZ 2 R 298/86-30, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 8.Juli 1986, GZ 4 Cg 132/85-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird soweit sie die gegen die erstbeklagte Partei erhobenen Ansprüche betrifft, zurückgewiesen.

Der Revision wird im übrigen nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 21.514,02 (darin S 1.737,64 Umsatzsteuer und S 2.400,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die Kinder des am 11.Juli 1973 vorverstorbenen Dipl.-Ing. Peter C***. Dieser und der Zweitbeklagte sind die Söhne des Robert C***, der am 22.Juli 1980 starb. Der Erblasser hinterließ auch noch seine Witwe Barbara C***, die aus dem wechselseitigen Testament vom 11.November 1973 zur Alleinerbin berufen war. Sie übertrug mit Notariatsakt vom 27.April 1982 dem Zweitbeklagten das ihr nach dem Erblasser angefallene Erbrecht mit allen Aktiven und Passiven der Verlassenschaft. Der Zweitbeklagte erklärte sich zum Nacherben mit der Rechtswohltat des Inventars zum Erben. Im Verlassenschaftsverfahren wurde das Inventar mit einer Überschuldung zugrunde gelegt.

Mit der am 15.Juli 1983 erhobenen Klage begehrt jeder der Enkel des Erblassers von der Verlassenschaft die Zahlung von S 1,-- und vom Zweitbeklagten S 400.753,33 sA bei sonstiger Exekution in dessen 94 %-Anteile an der H*** Nachf. C*** KG, die der Zweitbeklagte vom Erblasser geschenkt erhalten habe und deren Wert bei Ermittlung ihres Pflichtteiles (je 1/12) zu berücksichtigen sei. Der Wert der Gesellschaftsanteile betrage S 4,809.040,--.

Die beklagten Parteien beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Der Erblasser habe 1975 seine Kommanditanteile an den Zweitbeklagten abgegeben, um in dem vom ihm gegründeten Unternehmen eindeutige Mehrheitsverhältnisse zu schaffen, die Weiterführung der Gesellschaft zu ermöglichen und sich eine angemessene Altersversorgung durch Leibrente zu sichern. Die dem zweitbeklagten Sohn übergebenen Vermögenswerte hätten reines Risikokapital dargestellt, die Gegenleistung sei nicht unverhältnismäßig gering gewesen und selbst eine Schenkung sei bei der Pflichtteilserrechnung nicht anzurechnen, weil die Übertragung mehr als zwei Jahre vor dem Ableben des Erblassers stattfand und der Zweitbeklagte durch Pflichtteilsverzicht aus dem Kreis der Noterben ausgeschieden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen noch fest: An der Gesellschaft waren ursprünglich der Erblasser mit 94 % und seine beiden Söhne und seine Ehefrau mit je 2 % Gesellschaftsanteil beteiligt. Nach dem Ableben des Dipl.-Ing. Peter C*** am 11.Juli 1973 kamen dessen 2 %-Anteile an die Kläger. Der Erblasser übergab mit dem Notariatsakt vom 25. Jänner 1975 dem Zweitbeklagten, der sich zur Zahlung einer wertgesicherten monatlichen Leibrente von S 14.000,-- an seine Eltern verpflichtete und für sich und seine Nachkommen einen Verzicht auf den Pflichtteil erklärte, 92 % Gesellschaftsanteile mit Wirkung vom 1.März 1975 und die restlichen 2 % Gesellschaftsanteile unwiderruflich durch Schenkung auf den Todesfall. Die Absicht der Vertragsteile ging dahin, die Unternehmensanteile durch Kauf vom Erblasser an den Sohn zu übergeben. Die vereinbarte Rente wurde als angemessene Gegenleistung angesehen. Zur Zeit der Errichtung des Notariatsaktes betrugen die Verbindlichkeiten der Gesellschaft S 18,390.882,64, ihre Kreditmöglichkeiten waren zum äußersten ausgeschöpft. Der Zweitbeklagte hat bis Juli 1986 S 2,691.297,-- an Rente bezahlt. Der Wert des Unternehmensanteils zur Zeit der Übertragung lag aufgewertet auf 1980 bei S 4,700.000,--, der Wert des 2 %-Anteils betrug S 102.320,--. Das Erstgericht meinte in seiner rechtlichen Beurteilung, eine Schenkungsanrechnung nach § 785 Abs 1 ABGB finde nicht statt, weil die Übergabe der Gesellschaftanteile mehr als zwei Jahre vor dem Ableben des Erblassers erfolgte, der Zweitbeklagte auf seinen Pflichtteil verzichtet hatte und daher weder damals noch zum Zeitpunkt des Ablebens des Erblassers als pflichtteilsberechtigte Person im Sinne des § 785 ABGB anzusehen sei und weil es sich schließlich bei der Übertragung der Gesellschaftsanteile überhaupt nicht um eine Schenkung sondern um ein entgeltliches Rechtsgeschäft gehandelt habe. Das Berufungsgericht bestätigte. Es kam bei der Behandlung der Rechtsrüge zu dem Ergebnis, daß das Klagebegehren schon nach dem unstrittigen und unbekämpft festgestellten Sachverhalt scheitern müsse, ohne daß auf die Tatsachen- und Mängelrüge einzugehen wäre. Nach § 785 Abs 1 ABGB seien auf Verlangen eines pflichtteilsberechtigten Kindes oder des pflichtteilsberechtigten Ehegatten bei der Berechnung des Nachlasses Schenkungen des Erblassers in Anschlag zu bringen. Nach § 785 Abs 3 ABGB hätten jedoch Schenkungen unberücksichtigt zu bleiben, die früher als zwei Jahre vor dem Tod des Erblassers an nicht pflichtteilsberechtigte Personen gemacht wurden. Selbst wenn die Übertragung der Anteile an der Gesellschaft im Jahre 1975 eine Schenkung gewesen wäre, was die Kläger behauptet und die Beklagten bestritten hätten, sei der Vorgang nicht in Anschlag zu bringen. Der Zweitbeklagte sei seit seinem Pflichtteilsverzicht keine pflichtteilsberechtigte Person im Sinne des § 785 Abs 3 ABGB. Es sei in Lehre und Rechtsprechung überwiegend und gegen die Meinung von Kralik-Ehrenzweig, Erbrecht3 303 ff die Ansicht vorherrschend, daß § 785 ABGB die Gleichstellung aller Pflichtteilsberechtigten bezwecke und daher zur fristenlosen Anrechnung von Schenkungen nur Personen verhalten werden sollten, die selbst an der Verteilung des Nachlasses beteiligt sind. Es gelte die Frist von zwei Jahren vor dem Ableben des Erblassers daher nur dann nicht, wenn der Beschenkte im konkreten Fall Pflichtteilsberechtigter sei. Da der maßgebliche Zeitpunkt der Schenkung der des Verpflichtungsgeschäftes sei und in dem einen Notariatsakt zugleich dieses Geschäft und das Ausscheiden aus dem Kreis der konkret Pflichtteilsberechtigten beurkundet sei, habe der Zweitbeklagte weder damals noch beim Erbanfall diesem Personenkreis angehört. Es könne daher offen bleiben, ob es nur auf den Zeitpunkt des Erbanfalles oder auch nur auf den Zeitpunkt der Schenkung ankomme.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wendet sich die nach § 502 Abs 4 Z 2 ZPO zulässige Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragen die Abänderung in die Stattgebung ihrer Klagebegehren und hilfsweise die Aufhebung und Zurückverweisung der Rechtssache an eine der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung.

Die erstbeklagte Partei beantragt die Zurückweisung der Revision. Die zweitbeklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Revision gegen die erstbeklagte Partei richtet, ist sie nach § 502 Abs 2 Z 2 ZPO unzulässig.

Die Revision ist im übrigen nicht berechtigt.

Der Oberste Gerichtshof hält an seiner von der überwiegenden Lehre gebilligten Rechtsmeinung fest, daß der unbefristeten Anrechnung nach § 785 Abs 3 ABGB nur eine Person ausgesetzt ist, die im konkreten Fall Noterbe ist (SZ 47/76; 4 Ob 591/76 vom 16. November 1976). Nach der eingehenden Auseinandersetzung der Lehrmeinungen (Weiß in Klang3 III 916; Migsch in Floretta, Das neue Ehe- und Kindschaftsrecht, 59 f; Ostheim, Schwerpunkte der Familienrechtsreform, 68 f; Welser, Neue Rechenaufgaben vom Gesetzgeber, NZ 1978, 165; Welser in Rummel ABGB, Rz 17 zu § 785;

Koziol-Welser II7 352; Czermak, Zur unbefristeten Anrechnung der Schenkungen an einen Ehegatten nach § 785 ABGB, NZ 1984, 4 ff;

Ehrenzweig-Kralik, Erbrecht3 303 f; Welser, JBl 1985, 702) ist bei der Entscheidung des Meinungsstreites der Ansicht der Vorzug zu geben, daß nicht der Gedanke der "familia suspecta" als rechtspolitisch verständlicher Sinn der Vorschrift des § 785 Abs 3 ABGB den Ausschlag gibt, sondern im Widerstreit der Interessen der Ausgleichsgedanke (HHB 116) so starkes Gewicht hat, daß für die Anrechnungsverpflichtung die "konkrete Pflichtteilsberechtigung" beim Erbanfall, also zur Zeit des Todes des Erblassers zu fordern ist (Welser in FS Kralik, Zur Berücksichtigung von Schenkungen im Pflichtteilsrecht, 583 ff). Da feststeht, daß der Zweitbeklagte mit seinem Verzicht auf das Pflichtteilsrecht nach seinem Vater aus dem Kreis der Noterben ausgeschieden ist und beim Erbanfall jedenfalls nicht mehr zu den pflichtteilsberechtigten Personen im Sinne des konkreten Pflichtteilsanspruches gehörte, kommt ihm die Frist des § 785 Abs 3 ABGB zugute, die zwischen dem vom Kläger als Schenkung angesehenen Rechtsgeschäft und dem Todestag des Erblassers jedenfalls längst abgelaufen war. Der Fall des Eintrittes einer Erbunwürdigkeit und damit eine rechtsmißbräuchliche Inanspruchnahme der Vorschrift des § 785 Abs 3 ABGB liegt nicht vor. Das endgültige Ausscheiden aus dem Kreis der Noterben erfolfgte durch den Pflichtteilsverzicht zugleich mit dem Erwerb der Unternehmensanteile, doch kommt es nicht darauf an, ob bei der behaupteten Schenkung der Empfänger der Gesellschaftsanteile noch Noterbe war, weil dies allenfalls nur eine weitere Vorausetzung für die fristenlose Anrechnung bilden könnte (vgl. Welser in FS Kralik 590).

Der Revision ist daher nicht stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO sowie auf § 46 Abs 1 ZPO, wobei nach dem Verhältnis der Forderungen der Ersatzanspruch der erstbeklagten Partei zu vernachlässigen ist.

Anmerkung

E13791

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00558.87.0315.000

Dokumentnummer

JJT_19880315_OGH0002_0050OB00558_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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