TE OGH 1988/3/16 9ObA16/88

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Veröffentlicht am 16.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang W***, Angestellter, Moosburg, Tuderschitz 18/A, vertreten durch Dr. Gerd Paulsen und Dr. Herbert Felsberger, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei prot. Firma S*** 11, Inhaber KR Ing. Theodor N***, Kaufmann, Viktring, Adi-Dassler-Gasse 7, vertreten durch Dr. Wolfgang Gewolf, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 41.543,99 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Oktober 1987, GZ 7 Ra 1090/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 29. April 1987, GZ 32 Cga 40/87-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.829,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit 22. August 1983 bei der beklagten Partei als Bodenleger beschäftigt. Auf dieses Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für das Bauhilfsgewerbe anzuwenden, demzufolge das Arbeitsverhältnis beiderseits unter Einhaltung einer einwöchigen Kündigungsfrist gelöst werden kann und bei Arbeitgeberkündigung dem Arbeitnehmer in der Kündigungsfrist eine Arbeitsplatzsuchzeit von maximal 4 Stunden zu gewähren ist. Vom 4. August bis 19. August 1986 konsumierte der Kläger einen Urlaub. Am 13. August 1986 wurde ihm ein mit 12. August 1986 datiertes Schreiben der beklagten Partei zugestellt, in dem die Kündigung "wegen Arbeitsmangels" ausgesprochen wurde. Der Kläger erklärte sich nach der Rückkehr vom Urlaub am 20. August 1986 arbeitsbereit, doch verzichtete die beklagte Partei auf seine weitere Dienstleistung.

Der Kläger begehrt Abfertigung und Urlaubsentschädigung im Betrag von insgesamt 41.543,99 S sA, weil das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß erst zum 26. August 1986 hätte gekündigt werden können und dann mehr als 3 Jahren gedauert hätte.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Kündigung sei am 12. August 1986 ausgesprochen worden und das Arbeitsverhältnis hätte am 19. August 1986 geendet. Im übrigen sei die Kündigung mit verkürzter Kündigungsfrist anstelle einer gerechtfertigten Entlassung erfolgt. Der Kläger habe den Firmenwagen vor Urlaubsantritt verschmutzt, habe weisungswidrig die Arbeitsnachweise nicht täglich abgegeben und sich gegenüber Kunden des Beklagten "anstößig verhalten".

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses während des Urlaubes sei zwar nicht unwirksam gewesen, die Kündigungsfrist habe aber erst nach Beendigung des Urlaubes begonnen, sodaß das Arbeitsverhältnis nicht am 19. August, sondern erst am 26. August 1986 geendet habe. Abfertigung und Urlaubsentschädigung für das begonnene vierte Arbeitsjahr stünden daher zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Bei kurzer Kündigungsfrist solle dem Arbeitnehmer der Urlaub frei von Existenzsorge und Arbeitsplatzsuche zur Verfügung stehen. Eine Kündigung, deren einwöchige Kündigungsfrist auch nur teilweise in eine ebenfalls kurze Urlaubszeit zu liegen komme, sei hinsichtlich des Termines, zu dem sie ausgesprochen werde, zeitwidrig. Dies treffe im vorliegenden Fall zu. Durch die zeitwidrige Kündigung sei jedoch das Arbeitsverhältnis mit 19. August 1986 beendet worden und den Kläger habe nach diesem Tag keine Arbeitspflicht mehr getroffen. Wegen der Nichteinhaltung der Kündigungsvorschriften durch den Arbeitgeber stehe dem Kläger aber ein Schadenersatzanspruch analog § 1162 b ABGB auf dasjenige zu, was er im Fall der ordnungsgemäßen Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu erhalten gehabt hätte. Die Prüfung der Frage, ob ein Entlassungsgrund vorgelegen sei, erübrige sich, weil die beklagte Partei das Dienstverhältnis mit dem Kläger wegen Arbeitsmangels gekündigt habe und in diesem Fall ein Entlassungsgrund nicht "nachgeschoben" werden könne.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Kündigung war zunächst schon deshalb zeitwidrig, weil zwischen dem Zugang des Kündigungsschreibens und dem darin bezeichneten Termin nicht sieben Tage lagen. Allein aus dieser Zeitwidrigkeit könnte der Kläger nur Ansprüche ableiten, die ihm im Fall der termingemäßen Kündigung zum 20. August 1986 gebührt hätten. Damit wäre aber weder der Anspruch auf Abfertigung noch auf Urlaubsentschädigung entstanden, da ausgehend von einem zulässigen Kündigungstermin 20. August 1985 das 3. Dienstjahr nicht vollendet worden wäre.

Zeitwidrig war die Kündigung aber auch, weil sie während des Urlaubes des Klägers so ausgesprochen wurde, daß die Kündigungsfrist innerhalb des Urlaubes lag. Der Urlaubsanspruch wurzelt letztlich in der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Sein ursprünglicher Zweck bestand darin, durch die Freistellung von der Arbeitsleistung während eines längeren ("ununterbrochenen") Zeitraumes die Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers, d.h. seine körperliche Erholung zu ermöglichen. Der Urlaub dient darüber hinaus aber nicht bloß der körperlichen und geistigen Erholung des Arbeitnehmers im Sinn der Wiederherstellung seiner vollen Arbeitskraft; er bietet durch die zeitweilige Befreiung von der Arbeitsleistung auch besondere Möglichkeiten zur Persönlichkeitsentfaltung und damit zur beliebigen Gestaltung der Freizeit (so auch Strasser, ÖJZ 1948, 401; Spielbüchler, Arbeitsrecht I 2, 160; Klein-Martinek, Urlaubsrecht 37 f). Die Absicht des Gesetzgebers, dem Arbeitnehmer den Urlaub für diese Zwecke zu sichern, ergibt sich mehrfach aus dem Gesetz. Im § 4 Abs 1 UrlG wird im Zusammenhang mit der Vereinbarung des Zeitpunktes des Urlaubsantrittes die Erholungsmöglichkeit des Arbeitnehmers als besonderes Kriterium in den Vordergrund gestellt; gemäß § 5 Abs 2 unterbricht eine Erkrankung den Urlaub dann nicht, wenn sie die Folge einer dem Erholungszweck widersprechenden Erwerbstätigkeit ist; das Ablöseverbot des § 7 bringt die Absicht, den tatsächlichen Verbrauch des Urlaubes durch den Arbeitnehmer für Erholungszwecke sicherzustellen, deutlich zum Ausdruck. Diese Absicht ist auch die ratio der Bestimmungen des § 9 Abs 1 Z 3 und 4 UrlG.

Aus dem Urlaubsgesetz ergibt sich damit wesentlich deutlicher als aus jener Gesetzeslage, die die Grundlage für die Entscheidung Arb. 5.363 bildete, die Absicht des Gesetzgebers, dem Arbeitnehmer die Gestaltung des Urlaubes entsprechend dem Urlaubszweck zu sichern. Der Arbeitnehmer hat das Recht, den Urlaub zur ungestörten Erholung und zur beliebigen Gestaltung der Freizeit zu verwenden. Wurde eine Urlaubsvereinbarung getroffen, so gebietet es die dem Arbeitgeber obliegende Fürsorgepflicht, alles zu unterlassen, was den Zweck des vom Arbeitnehmer konsumierten Urlaubes beeinträchtigen könnte.

In der Revision werden verschiedene angenomme Sachverhalte erörtert, die sich vom vorliegenden Fall erheblich unterscheiden. Die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen können daher unerörtert bleiben. Im gegenständlichen Fall betrug die Kündigungsfrist eine Woche und die Kündigung wurde zu einem Termin ausgesprochen, der noch in den Urlaub fiel. Eine solche Kündigung steht mit dem Erholungszweck des Urlaubes in Widerspruch, da der Arbeitnehmer, der zur Erhaltung seiner Existenz auf seine Arbeitstätigkeit angewiesen ist, den Urlaub zur Arbeitssuche verwenden müßte, um nach Ende des Urlaubes über einen Arbeitsplatz zu verfügen. Die nach dem Kollektivvertrag zustehende Freizeit zur Arbeitssuche hatte der Kläger gar nicht zur Verfügung. Die von der beklagten Partei ausgesprochene Kündigung war daher zeitwidrig. Die zeitwidrige Kündigung löste, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, das Arbeitsverhältnis zum erklärten und nicht erst zum nächsten zulässigen Kündigungstermin auf

(JBl 1975, 437 = Arb. 9.259 = ZAS 1975, 223;

Arb. 10.409, 10.305 ua). Da der Ausspruch der zeitwidrigen Kündigung jedoch rechtswidrig war, traten die Rechtswirkungen des § 1162 b ABGB ein. Dies hat zur Folge, daß dem Kläger die ihm im Fall der termingemäßen Kündigung zustehenden Ansprüche gebühren. Die Frage, ob der Kläger Entlassungsgründe verwirklicht hat, kann unerörtert bleiben. Der bloße Eintritt eines Entlassungsgrundes bringt das Arbeitsverhältnis nicht zur Auflösung. Es bedarf vielmehr einer Willenserklärung, die deutlich und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise die Absicht, das Arbeitsverhältnis vorzeitig aus wichtigem Grund zur Auflösung zu bringen, zum Ausdruck bringt. Wohl müssen die konkreten wichtigen Gründe nicht bekanntgegeben werden, doch ist der allgemeine Hinweis erforderlich, daß sich der Erklärende auf das Lösungsrecht aus wichtigen Gründen stützt (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht2, 351 mwN). Einen solchen Hinweis hat die Erklärung der beklagten Partei nicht enthalten. Die Kündigung wurde vielmehr ausdrücklich und ausschließlich mit Arbeitsmangel begründet. Wird jedoch eine Kündigung ausgesprochen, so ist das Nachschieben von Entlassungsgründen nicht möglich, weil damit der grundsätzliche Inhalt der Erklärung verändert würde. Es ist dem Arbeitgeber nicht möglich, eine ausgesprochene Kündigung nachträglich in eine Entlassung zu ändern.

Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13377

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00016.88.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19880316_OGH0002_009OBA00016_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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