Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei mj. Karl P***, Schüler, Thaur, Vigilgasse 18, vertreten durch seine Eltern Johann P*** und Martha P***, ebendort, diese vertreten durch Dr. Josef Posch, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei R*** Ö***, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen S 1,736.434,79 samt Anhang, Rente und Feststellung (Gesamtstreitwert S 2,106.434,79) infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Mai 1987, GZ 6 R 354/86-11, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 17. Juli 1986, GZ 6 Cg 20/86-6, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 52.913,25 bestimmten Kosten der Rechtsmittelverfahren binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war Schüler der 2. Klasse der Hauptschule I Absam. Am 6. März 1984 fuhren der Kläger und 24 Mitschüler der 2. Klasse Hauptschule unter verantwortlicher Leitung des Hauptschullehrers Karl F*** mit einem Autobus des Reiseunternehmers Adolf M*** auf einen Schulschikurs nach Kaltenbach im Zillertal. Während der Fahrt entsann sich der gehbehinderte Mitschüler Bernhard G***, daß er seine Schiliftkarte zu Hause vergessen hatte. Der Autobus hielt deshalb auf der Dörfer Landesstraße in Thaur an der Kreuzung Essacher Weg-Ambros Ginerweg an. Der Kläger wollte für Bernhard G*** aus dessen Wohnung die Schiliftkarte holen. Als er unachtsam die Fahrbahn überquerte, wurde er von einem von Georg W*** gelenkten PKW erfaßt und schwerst verletzt.
Der Kläger begehrt aus dem Titel der Amtshaftung unter Berücksichtigung eines 50 %igen Mitverschuldens den Zuspruch von Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Behandlungskosten und Pflegeaufwand in der Höhe von S 1,736.434,79 samt Anhang, den Zuspruch einer Pflegerente von monatlich S 7.500,-- ab 15. September 1985 auf Lebenszeit und die Feststellung, daß die beklagte Partei dem Kläger für alle künftigen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 6. März 1984 zu 50 % zu haften habe. Am Zustandekommen des Unfalls treffe den Lehrer Karl F*** ein Verschulden. Es sei ihm als grobe Fahrlässigkeit anzulasten, daß der Autobus im Kreuzungsbereich Dörferstraße-Ambros Ginerweg-Essacher Weg angehalten habe. Es habe ihm klar sein müssen, daß das Anhalten an dieser Stelle zwecks Überquerens der Dörferstraße durch den Kläger besonders gefährlich sei, weil für den Kläger die Sicht auf die Fahrbahn durch den anhaltenden Omnibus total genommen gewesen sei und die Dörferstraße eine stark frequentierte Landesstraße sei. Es sei auch grob fahrlässig gewesen, daß er den Kläger beauftragt habe, für einen Mitschüler den Schulausweis abzuholen, und ihn zu besonderer Eile aufgefordert habe. Ein Entfall der Aufsichtspflicht während einer Schulveranstaltung sei nur für Schüler ab der
9. Schulstufe zulässig, wenn sie im Hinblick auf deren körperliche und geistige Reife entbehrlich sei. Der Kläger sei aber zur Zeit des Unfalls erst 11 1/2 Jahre alt gewesen, er habe sich in der
6. Schulstufe befunden. Karl F*** sei daher nicht berechtigt gewesen, den Kläger auch nur für kurze Zeit aus seiner Beaufsichtigung zu entlassen. Dadurch, daß er den Kläger aus dem Autobus habe aussteigen lassen, habe er sich der Beaufsichtigungsmöglichkeit begeben und den Kläger sich selbst überlassen. Es habe also Karl F*** die ihm obliegende Verpflichtung zur ununterbrochenen Beaufsichtigung des Klägers verletzt. Karl F*** habe zumindest mit dem Kläger aus dem Autobus aussteigen und diesen beim Überqueren der Dörferstraße begleiten müssen, um seiner Beaufsichtigungspflicht in diesem gefährlichen Straßenbereich nachzukommen. Das habe Karl F*** jedoch unterlassen; er habe auch sonst niemanden beauftragt, den Kläger zu begleiten. Die beklagte Partei wendete ein, Karl F*** treffe keine Verletzung der Aufsichtspflicht, ein gegen ihn eingeleitetes Strafverfahren sei eingestellt worden. Niemand habe annehmen können, daß sich der Kläger nicht verkehrsgerecht verhalten werde. Da es sich um einen Arbeitsunfall im Sinn des § 175 Abs 4 ASVG gehandelt habe, komme der beklagten Partei die im § 335 Abs 3 ASVG normierte Haftungsbeschränkung zugute.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der beklagten Partei komme nach § 335 Abs 3 ASVG die im § 333 Abs 1 ASVG für den Dienstgeber normierte Haftungsbeschränkung zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Aus der Fassung der Bestimmung des § 335 ASVG im Zusammenhang mit den Gesetzesmaterialien gehe hervor, daß für die Anwendung der §§ 333 ff ASVG als Dienstgeber nur der gesetzliche Schulerhalter zu gelten habe. Die in den Erläuterungen zum Ausdruck gebrachte Absicht des Gesetzgebers stehe einer ausdehnenden Auslegung entgegen. Dies bedeute, daß Amtshaftungsansprüche auf Ersatz von Personenschäden berechtigt sein können, wenn der hoheitliche Angelegenheiten vollziehende Rechtsträger nicht mit dem Schulerhalter ident sei. Bestimmungen, die eine Haftung beschränkten, seien grundsätzlich nicht ausdehnend auszulegen. Es bestehe deshalb auch kein Anlaß, eine planwidrige Unvollständigkeit des Gesetzes anzunehmen, die nach dem Grundsatz der Gleichbehandlung des Gleichartigen die Füllung einer vom Gesetzgeber nicht gewollten Gesetzeslücke notwendig machen würde; die Privilegierung durch § 335 Abs 3 ASVG solle nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nur dann eintreten, wenn Schulerhalter und Rechtsträger ident seien. Der beklagten Partei möge durchaus zugestanden werden, daß der Gesetzgeber die Auswirkungen seiner Regelung auf Amtshaftungsansprüche die sich auf ein schuldhaftes Fehlverhalten von Lehrern in Schulen stützten, deren Schulerhalter nicht der Bund sei, nicht voll bedacht habe. Damit könne aber der Inhalt und die Verbindlichkeit der getroffenen Regelung nicht in Frage gestellt werden. Da das Erstgericht von seiner vom Berufungsgericht nicht gebilligten Rechtsansicht ausgehend, jegliche Prüfung des Klagsanspruches auf seine materielle Berechtigung unterlassen und keine Beweise zu den maßgeblichen Tatsachenbehauptungen aufgenommen habe, sei dessen Urteil aufzuheben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der beklagten Partei ist berechtigt.
Das Schulunterrichtsgesetz und die in dessen Vollziehung getroffenen Maßnahmen werden den Schülern gegenüber vollzogen. Die Erteilung des Unterrichtes an öffentlichen Schulen gilt als an sich hoheitliche Tätigkeit. Lehrer sind bei Vollziehung des Schulunterrichtsgesetzes daher Organe im Sinne des § 1 Abs 2 AHG (SZ 57/17; SZ 51/2; Loebenstein-Kaniak AHG2 86). Nach Art. 14 Abs 1 B-VG ist die Gesetzgebung und die Vollziehung auf dem Gebiete des Schulwesens, von im vorliegenden Fall nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen, Bundessache. Schuldhaftes rechtswidriges Organverhalten ist daher dem Bund zuzurechnen. Nach § 13 SchUG ist die Ergänzung des lehrplanmäßigen Unterrichtes durch unmittelbaren und anschaulichen Kontakt zum wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Leben sowie durch die Förderung der musischen Anlagen der Schüler und die körperliche Ertüchtigung Aufgabe der Schulveranstaltungen. § 2 IV der auf Grund des § 13 SchUG erlassenen Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst vom 24. Juni 1974, BGBl. Nr. 369, über die Art, die Anzahl und die Durchführung von Schulveranstaltungen sind Schulschikurse Schulveranstaltungen nach § 13 SchUG. Nach Punkt 3 der Anlage C dieser Verordnung hat der Schulleiter einen anstaltseigenen, in persönlicher und fachlicher Hinsicht geeigneten Lehrer mit der Leitung des Schulschikurses zu beauftragen. Nach § 51 Abs 3 SchUG hat der Lehrer nach der jeweiligen vom Schulleiter zu treffenden (§ 56 Abs 3 SchUG) Diensteinteilung die Schüler bei allen Schulveranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulhauses zu beaufsichtigen, insoweit dies nach dem Alter und der geistigen Reife der Schüler erforderlich ist. Hiebei hat er insbesondere auf die körperliche Sicherheit und auf die Gesundheit der Schüler zu achten und Gefahren nach Kräften abzuwehren.
Durch die 32. ASVG-Novelle, BGBl. 1976/74, wurden Schüler und Studenten in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung einbezogen. Nach § 8 Abs 1 Z 3 lit h ASVG sind Schüler an Schulen im Sinne des Schulorganisationsgesetzes unfallversichert. Nach § 74 Abs 5 ASVG, § 39 a FamLAG wird der Aufwand der Unfallversicherung für Schüler und Studenten einerseits aus eigenen Mitteln der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt, andererseits aus dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen gedeckt. Nach § 175 Abs 5 Z 1 ASVG gelten in der Unfallversicherung der Schüler und Studenten auch Unfälle, die sich bei der Teilnahme an Schulveranstaltungen im Sinne der §§ 1 und 2 der Verordnung des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst BGBl. 1974 Nr. 369 ereignen, als Arbeitsunfälle. Nach § 335 Abs 3 ASVG steht für die Anwendung des § 333 ASVG der Träger der Einrichtung, in der die Ausbildung erfolgt, dem Dienstgeber gleich.
Von den Vorinstanzen wurde die Frage, ob der Bund, der auf Grund der funktionellen Zuordnung der hoheitlichen Tätigkeit für Amtshaftungsansprüche passiv legitimiert ist, auch dann einem Dienstgeber im Sinn des § 335 Abs 3 ASVG gleichgestellt ist, wenn er nicht gleichzeitig Schulerhalter ist, verschieden beantwortet. Was unter dem Träger der Einrichtung, in der die Ausbildung erfolgt, zu verstehen ist, wird im Gesetz nicht näher definiert. Übereinstimmung herrscht nur insoweit, daß, soll die Bestimmung überhaupt einen Anwendungsbereich haben (Koziol in ZAS 1985, 217), darunter auf jeden Fall der Schulerhalter fällt. Nach Art. 14 Abs 3 B-VG ist die Grundsatzgesetzgebung über die äußere Organisation (Organisationsformen, Errichtung, Erhaltung, Auflassung, Sprengel, Klassenschülerzahlen und Unterrichtszeit) der öffentlichen Pflichtschulen Bundessache, die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung aber Landessache. Nach Art. 14 Abs 6 B-VG sind öffentliche Schulen jene Schulen, die vom gesetzlichen Schulerhalter errichtet und erhalten werden. Gesetzlicher Schulerhalter ist der Bund, soweit die Gesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung von öffentlichen Schulen Bundessache ist. Gesetzlicher Schulerhalter ist hingegen das Land oder nach Maßgabe der landesgesetzlichen Vorschriften die Gemeinde oder ein Gemeindeverband, soweit die Gesetzgebung oder Ausführungsgesetzgebung und Vollziehung in den Angelegenheiten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung von öffentlichen Schulen Landessache ist. Nach § 1 des auf diese Kompetenzartikel gestützten Pflichtschulerhaltungsgesetzes 1955, BGBl. Nr. 163, sind unter anderem Hauptschulen öffentliche Pflichtschulen. Die Errichtung, Erhaltung und Auflassung der Pflichtschulen obliegt den gesetzlichen Schulerhaltern. Als gesetzliche Schulerhalter der öffentlichen Pflichtschulen sind das Land, die Gemeinden oder Gemeindeverbände zu bestimmen. Nach § 8 Abs 1 des Gesetzes haben für die Kosten der Errichtung, Erhaltung und Auflassung der öffentlichen Pflichtschulen die gesetzlichen Schulerhalter aufzukommen. Nach § 10 des Gesetzes ist unter Errichtung einer Schule ihre Gründung und die Festsetzung ihrer örtlichen Lage, unter Erhaltung einer Schule die Bereitstellung und Instandhaltung des Schulgebäudes und der übrigen Schulliegenschaften, deren Reinigung, Beleuchtung und Beheizung, die Anschaffung und Instandhaltung der Einrichtung und Lehrmittel, die Deckung des sonstigen Sachaufwandes sowie die Beistellung des zur Betreuung des Schulgebäudes und der übrigen Schulliegenschaften allenfalls erforderlichen Hilfspersonals (wie Schulwart, Reinigungspersonal, Heizer) zu verstehen. Entsprechende Ausführungsbestimmungen enthält das Tiroler Schulorganisationsgesetz 1979, LGBl. Nr. 52. Die Vorschriften über die Erhaltung der Pflichtschulen sollen demnach sicherstellen, daß Schulen, die primär zur Erfüllung der Schulpflicht vorgesehen sind, in ausreichender Zahl errichtet und zweckentsprechend erhalten werden. Dem Schulerhalter stehen auch die subjektiven, sich aus der Errichtung der Schulbaulichkeiten ergebenden Privatrechte zu (Walter-Mayer, Grundriß des besonderen Verwaltungsrechts2 140). Die Aufgaben des Schulerhalters sind also grundsätzlich mit den Mitteln der Privatwirtschaftsverwaltung zu erfüllen (JBl 1965, 157; Loebenstein-Kaniak aaO 279).
Weder der Wortlaut der Bestimmung des § 335 Abs 3 ASVG noch die sich aus den Materialien ergebende Absicht des historischen Gesetzgebers ergeben zwingend die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, nur der gesetzliche Schulerhalter von Pflichtschulen, nicht aber auch der Bund, der nach der funktionellen Zuordnung für das behauptete rechtswidrige und schuldhafte Verhalten des aufsichtspflichtigen Lehrers im Rahmen der Hoheitsverwaltung aus dem Titel der Amtshaftung zu haften hätte, könne den Haftungsausschluß nach § 335 Abs 3 ASVG für sich in Anspruch nehmen. Zunächst ist darauf zu verweisen, daß der Begriff "Träger der Einrichtung, in der die Ausbildung erfolgt", den § 335 Abs 3 ASVG verwendet, weder im Art. 14 B-VG noch in den Schulorganisationsgesetzen aufscheint, so daß kein zwingender Grund dafür besteht, ihn mit dem des Schulerhalters gleichzusetzen, wie es Krejci in Tomandl, System des österr. Sozialversicherungsrechtes 430, zu tun scheint. Der Begriff "Träger" wird im ASVG keineswegs nur im § 335 Abs 3 verwendet, sondern ganz allgemein. Es verwendet ihn insbesondere für die Träger der Kranken-, Unfalls- und Pensionsversicherung (§§ 23 bis 25) und meint damit alle Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, Leistungen der Sozialversicherung zu erbringen. In diesem Sinne ist § 335 Abs 3 ASVG dahin zu verstehen, daß er die Träger der Ausbildung meint, worunter dann nicht nur die Schulerhalter, sondern auch die Rechtsträger gemeint sind, in deren Vollzugsbereich Ausbildungsleistungen erbracht werden. Die Regierungsvorlage 181 BlgNR 14. GP 54 führte zwar an, daß die Haftungsbeschränkung für das Verhältnis Schüler und Studierende zu den gesetzlichen Schulerhaltern bzw. bei den Universitäten, die Anstalten des Bundes sind, gegenüber dem Bund entsprechend gilt; sie setzte aber fort, die Beschränkung der Haftpflicht solle auch im Verhältnis zwischen gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertretern des Unternehmers (Lehrer, Schulwarte) und den Lernenden gelten; und dann weiter wörtlich: "Mit dieser für das Verhältnis Lehrer-Schüler besonders wichtigen Haftungsbeschränkung soll eine Haftungsregelung übernommen werden, die sich im Betrieb im Verhältnis zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer gut bewährt hat." Gemäß § 333 Abs 1 ASVG haftet der Dienstgeber aber für Verletzungen aus einem Arbeitsunfall nur bei Vorsatz. Wenn für das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler das gleiche gelten soll, kann dies nur bedeuten, daß auch der Lehrer bzw., da der Lehrer in Vollziehung der Gesetze handelt, der an seine Stelle tretende Rechtsträger für Unfallverletzungen während der Ausbildung nur bei Vorsatz zu haften hat. Der erste Satz der Erläuterungen zur Regierungsvorlage des § 335 Abs 3 ASVG wurde zwar mißverständlich formuliert, aber bereits durch die folgenden Sätze korrigiert. Es würde einen dem Gesetz nicht zu unterstellenden Wertungswiderspruch darstellen, würde einem Schüler, der durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten eines Lehrers in Vollziehung der Gesetze am Vermögen oder an der Person geschädigt wurde, kein Schmerzengeld zustehen sollte, wenn gesetzlicher Schulerhalter und Rechtsträger ident sind, ein solcher Anspruch aber anzuerkennen wäre, wenn dies nicht der Fall ist.
Koziol in ZAS 1985, 217 f, der sich eingehend mit der Auslegung der Vorschrift des § 335 Abs 3 ASVG beschäftigt, kommt zwar bei einer ersten Sicht ungeachtet dessen, daß sich daraus für die Rechtsanwendung erstaunliche und eigenartige Ergebnisse zeigten, zur Ansicht, es spreche einiges für den Standpunkt, daß das Haftungsprivileg dem Bund nur zukomme, wenn er gleichzeitig Schulerhalter sei, so daß bei Divergenz gesetzlicher Schulerhalter und Rechtsträger nach dem Amtshaftungsgesetz bei Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen gegen den Bund jedenfalls auch Schmerzengeld begehrt werden könnte; er zieht dann aber in Betracht, daß dadurch die Lage jener Schüler, die Schulen besuchen, deren gesetzlicher Schulerhalter der Bund ist, wesentlich schlechter wäre, als für Schüler anderer Schulen, weil dem Bund als Träger der Einrichtung das Haftungsprivileg zukäme, sonst aber der Bund nach den allgemeinen Regeln für das Verhalten der Lehrer einzustehen hätte. Eine sachliche Begründung für eine solche unterschiedliche Behandlung der Schüler sei wohl kaum zu finden. Eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes läge vor. Dieser Argumentation, der sich der erkennende Senat anschließt, führt aber zwingend zu dem auch von Koziol aaO 217 (entgegen Vrba-Zechner, Komm. zum Amtshaftungsrecht 131 f) bejahten Ergebnis, der Haftungsausschluß des § 335 Abs 3 ASVG komme dem Rechtsträger Bund bei Geltendmachung eines Amtshaftungsanspruches auch dann zugute, wenn nicht er, sondern eine andere Körperschaft gesetzlicher Schulerhalter ist. Es kann aber auch den weiteren Ausführungen des Klägers in seiner Berufung, auf die das Berufungsgericht auf Grund seiner vom Obersten Gerichtshof nicht gebilligten Rechtsansicht nicht mehr eingehen mußte, nicht gefolgt werden. Wie der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung vom 20. Jänner 1988, 1 Ob 5/88, ausführte, sind auch Schmerzengeldansprüche nach § 333 ASVG ausgeschlossen. Zum Zeitpunkt der Erlassung der 32. ASVG-Novelle war es gesicherte Rechtsprechung, daß sich das Haftungsprivileg des Dienstgebers und der ihm nach § 333 Abs 4 ASVG gleichgestellten Personen auch auf Schmerzengeldansprüche des Versicherten bezieht (SZ 44/48 - verstärkter Senat gegen die von Steininger in Gschnitzer FS 399, 410 f geäußerten Bedenken; ZVR 1971/200; ZVR 1971/13; SZ 30/37; vgl. SZ 8/30). An dieser Rechtsprechung hielt der Oberste Gerichtshof auch in der Folge fest (EvBl 1979/102). Trug der Gesetzgeber aber nicht den von einem Teil der Lehre geäußerten Bedenken gegen die gänzliche Versagung des Ersatzes von Personenschäden, ausgenommen bei Vorsatz und bei Teilnahme am öffentlichen Verkehr Rechnung (vgl. SZ 44/48), dehnte er vielmehr in Kenntnis der dem Wortlaut entsprechenden Auslegung dieser Bestimmung durch die Rechtsprechung deren Geltungsbereich bei dem gemäß § 8 Abs 1 Z 3 lit h ASVG in der Unfallversicherung teilversicherten Schüler auf den Träger der Einrichtung, in der die Ausbildung erfolgt, mit dem ausdrücklichen Hinweis aus, die bisher nur zwischen Dienstgebern und deren gleichgestellten und Dienstnehmern bestehenden Haftungsausschlüsse hätten sich bewährt, entspricht es daher dem Willen des historischen Gesetzgebers, daß auch auf Schmerzengeld gerichtete Amtshaftungsansprüche (SZ 51/2) gegen den Rechtsträger ausgeschlossen sind. Es können dann aber auch die von der Lehre vorgetragenen Bedenken, daß dadurch dem Willen des Gesetzgebers, die Haftung des Schädigers solle durch das Dazwischentreten der Sozialversicherung weder vermindert noch vergrößert werden (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts3 154; Krejci in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 321 und 333 FN 8) nicht Rechnung getragen werde, nicht durchschlagen (vgl. auch Loebenstein-Kaniak aaO 159). Der erkennende Senat hegt auch keine Zweifel, daß die einfachgesetzliche Regelung der §§ 333, 335 Abs 3 ASVG Verfassungsbestimmungen nicht widersprechen. Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in seiner Entscheidung EvBl 1979/102 unter Hinweis auf die Vorentscheidungen SZ 44/48, EvBl 1960/186, Arb. 6681, SZ 30/37, ausgesprochen, daß die Haftungsbeschränkung des § 333 ASVG nicht als gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoßend verfassungswidrig sei, da die verfassungsmäßige Gewährleistung eines Rechtes nicht hindere, daß aus wichtigen sachlich gerechtfertigten Gründen einzelne Gruppen der Bevölkerung ungleich behandelt werden. Die sachlich gerechtfertigte Differenzierung wurde darin erblickt, daß die Schlechterstellung der Versicherten durch eine geringe Sozialrente im Vergleich zu dem nach bürgerlichem Recht zu leistenden vollen Schadenersatz durch die Vorteile aufgehoben wird, die sich daraus ergeben, daß der Sozialversicherte bei einem Arbeitsunfall die Entschädigung durch den Sozialversicherungsträger ohne Rücksicht auf die Verschuldensfrage erhält (EvBl 1960/186; Arb. 6681; SZ 30/37). Ziel der Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung und der Einbeziehung immer weiterer Personengruppen in diese war es, dem Arbeitnehmer (dem in der Unfallversicherung Einbezogenen) anstelle des Schadenersatzanspruches gegen den vielleicht nicht immer leistungsfähigen Schädiger einen Anspruch gegen die leistungsfähige Gesamtheit der Unternehmer zu geben. Es ist daher nur konsequent und entspricht dem vom sozialen Schutzzweck getragenen Gedanken der Unfallversicherung, daß das Gesetz mit den oben dargelegten Ausnahmen jeden Schadenersatzanspruch auf Ersatz von Personenschäden gegen Unternehmer und Gleichgestellte gar nicht zum Entstehen kommen läßt. Der Grund für die sachlich berechtigte Differenzierung liegt daher vornehmlich im sozialen Gesamtsystem, das einem gesetzlich Unfallversicherten unabhängig von den Fragen des eigenen Verschuldens oder Mitverschuldens und eines konkreten Verdienstentganges einen meist rasch durchsetzbaren Anspruch zuerkennt, weniger aber in der Ablöse der Unternehmerhaftung durch Bezahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung. Die Einbeziehung sozial schlechtergestellter Personengruppen in dieses Gesamtsystem ist dann aber unter Berücksichtigung des Gleichheitsgrundsatzes selbst dann gerechtfertigt, wenn die nach bürgerlichem Recht bestehende Haftpflicht nicht durch eigene Beiträge abgegolten wird (aM, aber ohne nähere Begründung Holzer in JBl 1982, 355). Daß die Abgeltung der bürgerlich-rechtlichen Haftung der Bezahlung von Beiträgen zur gesetzlichen Unfallversicherung einziges Merkmal für die sachliche Berechtigung des Wegfalles von sonst nach dem bürgerlichen Recht bestehenden Ansprüchen auf Ersatz von Personenschäden wäre, läßt sich aus dem prinzipiellen Grundgedanken der gesetzlichen Unfallversicherung nicht ableiten (vgl. bei ähnlicher Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland durch §§ 539 Abs 1 Z 14, 636 Abs 1 RVO den Beschluß des Bundesverfassungsgerichtes vom 7. November 1972, BVerfGE 34, 118, Spruch in dBGBl. I/1973, 128).
Dem Rekurs ist Folge zu geben, der angefochtene Beschluß ist dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14131European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00004.88.0316.000Dokumentnummer
JJT_19880316_OGH0002_0010OB00004_8800000_000