TE OGH 1988/3/16 9ObA41/88

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Veröffentlicht am 16.03.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Friedrich K***, Kaufmann, Wels, Birkenstraße 15, vertreten durch Dr. Johann K***, Sekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Aldo Frischenschlager, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Hans-Jürgen W***, Maschinenschlosser, Sipbachzell, Schnarrendorf 42, vertreten durch DDr. Manfred Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, wegen S 147.579 sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Dezember 1987, GZ 12 Ra 1112/87-19, womit der Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7. September 1987, GZ 26 Cga 45/87-15, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit S 6.224 (darin S 565 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Mit der Behauptung, er sei im Unternehmen des Beklagten vom 2. Juni 1986 bis zu seiner Entlassung am 24. August 1986 als Geschäftsführer beschäftigt gewesen, begehrt der Kläger S 147.579 netto sA an ausstehendem Entgelt und anteiligen Sonderzahlungen, Kündigungsentschädigung sowie Überstundenentlohnung. Der Beklagte wendete in der ersten zur mündlichen Streitverhandlung bestimmten Tagsatzung die sachliche Unzuständigkeit des Erstgerichtes als Arbeits- und Sozialgerichtes sowie die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts ein und beantragte im übrigen, die Klage abzuweisen. Zwischen den Parteien habe kein Arbeitsverhältnis bestanden; der Kläger sei vielmehr auf eigene Rechnung und in eigener Verantwortung selbständig im Lokal des Beklagten tätig geworden. Der Beklagte habe nunmehr seinen Wohnsitz in Vorarlberg.

Das Erstgericht schränkte das Verfahren vorerst auf die Prüfung der Frage der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit sowie der richtigen Gerichtsbesetzung ein. Nach Durchführung eines Beweisverfahrens wies es mit Beschluß vom 7. September 1987 die Unzuständigkeitseinreden ab und sprach aus, daß das Verfahren durch einen Senat im Sinne der §§ 11 Abs 1 und 12 Abs 1 ASGG fortzuführen sei. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Schon vor Übernahme des Lokals "P*** S***" fragte der Beklagte bei dem mit ihm befreundeten Kläger an, ob dieser allenfalls als Geschäftsführer bzw. Vertrauensperson für ihn arbeiten wolle. Da der Beklagte ständig auf Montage war, konnte er sich selbst nicht in der erforderlichen Weise um das Lokal kümmern. Der Kläger, der sich in der Branche auskannte, da er schon früher in dem Lokal gearbeitet hatte, erklärte sich Ende Mai 1986 mit einer solchen Tätigkeit einverstanden. Er war zu dieser Zeit arbeitslos, bezog Arbeitslosenentgelt sowie Notstandsunterstützung und hinsichtlich seines Privatvermögens lief ein Konkursverfahren. Der Beklagte überprüfte am 1. Juni 1986 gemeinsam mit dem Kläger und dessen Gattin den im Lokal vorhandenen Waren- und Getränkebestand und übergab dem Kläger einen Geldbetrag zum Ankauf von Waren (Sexartikeln) und Getränken. Am 2. Juni 1986 begann der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer. In der zweiten Junihälfte 1986 meldete der Beklagte den Strombezug und das Telefon für das Lokal auf seinen Namen um und schloß in der Folge rückwirkend mit 1. Juni 1986 einen Mietvertrag über die Räumlichkeiten der "P*** S***" ab.

Hinsichtlich der Öffnungszeiten des Lokals vereinbarten der Beklagte und der Kläger zunächst, daß die bisherigen Öffnungszeiten beibehalten würden. Der Kläger habe als Geschäftsführer während der Öffnungszeiten anwesend zu sein. Soweit er in dieser Zeit Einkäufe zu tätigen habe, sollte seine Gattin ihn im Lokal vertreten. Als der Beklagte erklärte, daß das Lokal auch an Samstagen offenzuhalten sei, kam der Kläger dieser Forderung nach. Davon gingen die Streitteile aber später wieder ab und der Kläger hielt im Einvernehmen mit dem Beklagten das Lokal während der Nachtzeit um 2 Stunden länger offen.

Im Verlaufe seiner Tätigkeit führte der Kläger den Einkauf seiner Waren und der Getränke im Namen der "P*** S***, Wels, Charwat-Straße" selbständig durch. Er kalkulierte die Verkaufspreise und trug diese ein. Aus den verbleibenden Einnahmen erhielt der Beklagte mehrmals einen Geldbetrag. Der Beklagte überließ es dem Kläger, bei Bedarf eine neue Arbeitskraft einzustellen, was der Kläger auch tat.

Im Sommer 1986 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien. Der Beklagte erklärte dem Kläger, daß er ihn hinauswerfen werde, wenn er mit den im Lokal beschäftigten Mädchen nicht humaner umgehe. Der Beklagte betonte dabei vor den versammelten Mitarbeiterinnen, daß der Kläger zwar als Geschäftsführer für ihn tätig sei, er jedoch selbst der oberste Chef sei und die letzte Entscheidungsgewalt in allen Fragen habe. Die Mädchen sollten, da er nur alle ein bis zwei Wochen in das Lokal kommen könne, sich in allen Angelegenheiten an den Kläger als Geschäftsführer wenden und allfällige verbleibende Differenzen mit ihm besprechen. In der Folge kam der Beklagte öfters in das Lokal, hielt mit dem Kläger Besprechungen ab und äußerte sich stets sehr zufrieden über dessen Tätigkeit.

Am 24. August 1986 teilte der Beklagte dem Kläger mit, daß er nunmehr in Herrn B*** einen neuen Geschäftsführer gefunden habe und der Kläger daher seine Tätigkeit sofort beenden könne. Zugleich forderte er den Kläger auf, ihm die Geschäftsschlüssel zu übergeben. Dieser Aufforderung kam der Kläger nach. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß es auf Grund dieses Sachverhalts nicht mehr ernsthaft strittig sein könne, daß der Kläger zumindest als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG angesehen werden müsse. Er sei für einen Auftraggeber für eine von vorneherein nicht begrenzte Dauer tätig geworden, er habe seine Arbeit im Lokal des Beklagten verrichtet, er sei zur persönlichen Anwesenheit während der Öffnungszeiten verpflichtet gewesen, er sei der Dispositions- und Weisungsbefugnis des Beklagten unterlegen und seine Arbeit sei fremdbestimmt gewesen, da dem Beklagten die Einkünfte aus der Verwertung der Arbeit im weiteren Sinn zugekommen seien. Auf die sozialversicherungs- und steuerrechtliche Behandlung des Rechtsverhältnisses der Parteien komme es nicht an. Das Verfahren betreffe sohin eine Arbeitsrechtssache gemäß § 50 Abs 1 Z 1 ASGG und es sei gemäß § 37 Abs 3 ASGG in der für Arbeitsrechtssachen vorgesehenen Besetzung fortzuführen. Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ergebe sich aus § 4 Abs 1 Z 1 lit a bis c ASGG.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und kam ebenfalls zu dem Ergebnis, daß für den Rechtsstreit gemäß § 50 iVm den §§ 3 ff ASGG die sachliche Zuständigkeit des Erstgerichtes als Arbeits- und Sozialgerichtes vorliege.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der als Rekurs bezeichnete Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß der Einrede der örtlichen und sachlichen Unzuständigkeit stattgegeben und die Klage zurückgewiesen werde; in eventu, der Einrede der unrichtigen Gerichtsbesetzung stattzugeben und das Verfahren vor dem Einzelrichter des Erstgerichtes fortzusetzen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte in seiner Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Was vorerst den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit des Erstgerichtes betrifft, ist davon auszugehen, daß der Beklagte sowohl im Verfahren vor dem Erstgericht (S 62), als auch in den Rechtsmittelschriften seinen Wohnsitz stets mit Sipbachzell, Schnarrendorf 42, angab und weder im Rekurs noch im Revisionsrekurs ausführte, woraus die örtliche Unzuständigkeit des Erstgerichts abzuleiten sei (§ 66 Abs 1 ZPO; Fasching ZPR Rz 228). Damit war aber die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht mehr Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens. Es ist daher weiter zu prüfen, ob der Zulässigkeit des Revisionsrekurses hinsichtlich der bestrittenen sachlichen Zuständigkeit die vom § 47 Abs 1 ASGG nicht umfaßte Rekursbeschränkung des § 45 JN entgegensteht (vgl. JBl 1986, 333; 1987, 792 ua). Diese Frage ist aus folgenden Erwägungen zu verneinen:

Wie das Erstgericht zutreffend erkannte, geht der vom Beklagten erhobene Einwand der sachlichen Unzuständigkeit schon deshalb ins Leere, weil sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichtshofes erster Instanz an sich unbestritten schon aus der Höhe des Streitwertes ergibt (§ 50 Abs 1 JN). Sachlich unzuständig wäre das Erstgericht als Arbeits- und Sozialgericht nur dann, wenn die anhängig gemachte Rechtssache keine Arbeits- und Sozialrechtssache ist und entweder vor ein Bezirksgericht oder vor ein anderes Landes- oder Kreisgericht gehört (Fasching ZPR Erg.Heft Rz 2255). Dem Unzuständigkeitseinwand des Beklagten kommt daher nur insoweit Beachtlichkeit zu, als mit ihm implicite auch ein Besetzungsmangel im Sinne des § 37 Abs 1 ASGG geltend gemacht wird. Nach dem ASGG ist nämlich in Arbeits- und Sozialrechtssachen die Anrufung oder das Tätigwerden eines unrichtigen Spruchkörpers desselben Gerichtes als eine gemäß § 477 Abs 1 Z 2 ZPO nichtige unrichtige Besetzung des Gerichtes anzusehen (Kuderna, ASGG § 37 Erl. 4; Feitzinger-Tades, ASGG § 37 Anm. 9). Insoweit richtet sich der Revisionsrekurs in Wahrheit gegen den Beschluß nach § 37 Abs 3 ASGG, der seinerseits keinen Anfechtungsbeschränkungen unterliegt.

Der Revisionsrekurs ist somit zulässig (§ 46 Abs 2 Z 2 ASGG; Kuderna, ASGG § 45 Erl. 10; § 46 Erl. 10 lit i); er ist aber nicht berechtigt.

Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß es zufolge des § 51 Abs 3 Z 2 ASGG für die Qualifikation einer bürgerlichen Rechtsstreitigkeit als Arbeitsrechtssache genügt, wenn auf Seiten des Klägers lediglich Arbeitnehmerähnlichkeit vorlag. Ob zwischen den Parteien ein Arbeitsvertrag im engeren Sinn abgeschlossen wurde, ist für die Frage der Gerichtsbesetzung ohne Belang. Soweit der Beklagte unterstellt, es seien überhaupt keine Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen worden, die Tätigkeit des Klägers habe sich auf bloße Freundschaftsdienste beschränkt, er habe nur gelegentlich und ohne Erwerbsabsicht mitgearbeitet und er sei zufolge des Bezuges von Arbeitslosenentgelt wirtschaftlich nicht unselbständig gewesen, geht er nicht von den getroffenen Feststellungen aus, die in ihrer Gesamtheit jedenfalls die Annahme, daß der Kläger eine arbeitnehmerähnliche Person war, rechtfertigen (vgl. Kuderna, ASGG § 51 Erl. 9 und 10 mwH). Daraus folgt die Richtigkeit der Entscheidung des Erstgerichtes, wonach das Verfahren in der Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht (§§ 11 Abs 1 und 12 Abs 1 ASGG) fortzuführen ist.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet. Da die Erhebung der Prozeßeinreden zumindest formell den Antrag auf Zurückweisung der Klage beinhaltete, ist es gemäß § 521 a Abs 1 Z 3 ZPO zu einem zweiseitigen Rekursverfahren gekommen (Fasching ZPR Rz 1966).

Anmerkung

E13653

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00041.88.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19880316_OGH0002_009OBA00041_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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