Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Siegfried K***, Angestellter, Eugendorf, Eugenbach, vertreten durch Dr. Hildegard Hinterhöller, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei V*** S*** reg.GenmbH, Salzburg, St. Julienstraße 12, vertreten durch Dr. Kurt Asamer und Dr. Christian Schubert, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 251.252 S brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 31. Juli 1987, GZ 12 Ra 1061/87-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 10. April 1987, GZ 40 Cga 26/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.063,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 823,95 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger trat im Jahre 1974 als Angestellter in die Dienste der Beklagten; für die Zeit ab März 1983 wurde er zum Leiter der Filiale Taxham bestellt. Am 12. März 1986 wurde der Kläger entlassen. Mit dem Vorbringen, die Entlassung sei nicht gerechtfertigt, begehrt der Kläger den der Höhe nach unbestrittenen Klagsbetrag, bestehend aus Kündigungsentschädigung, anteiligen Sonderzahlungen und Abfertigung.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei gerechtfertigt. Der Kläger habe den Erlös aus dem Verkauf einer Eigentumswohnung nicht zur Abdeckung eines von der Beklagten gewährten Kredites verwendet und diesbezüglich der Beklagten gegenüber unwahre Angaben gemacht. Außerdem habe eine Überprüfung der Agenden des Klägers nach seiner Entlassung ergeben, daß er in Verletzung seiner Befugnisse in 16 Fällen Kontoüberziehungen im Gesamtbetrag von 5,001.318,11 S gutgeheißen habe. Die Beklagte habe ihren Filialleitern wiederholt eingeschärft, daß sie sich strikt an die bestehenden Richtlinien und Weisungen zu halten haben. Der Kläger habe diese Richtlinien nicht befolgt; er habe die Kontoüberziehungen eigenmächtig und ohne Rückfrage bei Dr. W*** zugelassen und zwar allein im Falle des Kontos 004055562 im Ausmaß von 484.658 S. Der Kläger sei wiederholt, insbesondere aber mit Schreiben der Beklagten vom 12. Dezember 1985 und 30. Jänner 1986 wegen der von ihm zugelassenen Kontoüberziehungen verwarnt worden. Er habe zum 31. Dezember 1986 einen Wertberichtigungsbedarf in Höhe von 3,926.946,26 S verursacht, weil er Kredite ohne entsprechende Bonitätsprüfung entweder im Rahmen seines Pouvoirs oder unter Überschreitung seiner Anweisungsbefugnis zugezählt habe (AS 51/52).
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Filialleiter der Beklagten haben die Befugnis, in einem gewissen Rahmen Kredite zu vergeben. Bei Überschreitung dieses Rahmens waren die Filialleiter angewiesen, eine Beurteilung der Kreditwürdigkeit vorzunehmen, die in einer Bonitätsprüfung und in einer Anfrage beim Kreditschutzverband sowie in der Erfassung der Vermögensverhältnisse des Kreditwerbers bestehen sollte. Diese Urkunden waren vom jeweiligen Filialleiter mit einer Äußerung dem Vorstand vorzulegen. Da die starre Einhaltung dieser Kreditvergaberichtlinien einem raschen Geschäftsablauf nicht immer zuträglich war, bestand bei der Beklagten die Übung, daß sich die Filialleiter bei derartigen ihren Pouvoirrahmen überschreitenden Kreditanträgen direkt an die Leiter der Kreditabteilung Dr. W*** und Direktor N*** wandten und diese sodann - meist telefonisch - eine sogenannte Voranweisung gaben, die auf dem Kreditantrag vermerkt wurde. In der Kreditabteilung der Beklagten werden Überziehungslisten geführt, aus denen die täglichen Kontobewegungen ersichtlich sind. In Besprechungen wurden sodann den betreffenden Filialleitern seitens des Vorstandes oder der Kreditabteilung konkrete Aufträge zum Abbau der Überziehung der einzelnen Kreditkonten erteilt. Derartige Überziehungen gab es in sämtlichen Filialen der Beklagten. Auch der Kläger hatte sich nicht an die starren Kreditvergaberichtlinien gehalten und eher großzügig Überziehungen zugestimmt. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1985 und vom 30. Jänner 1986 wurde der Kläger aufgefordert, kurzfristig eine Regelung der überzogenen Konten herbeizuführen und gleichzeitig darauf zu achten, daß nicht laufend neue Überziehungen auftreten. Mit 31. Dezember 1986 wurden in der Filiale Taxham 24 Konten mit zusammen rund 4,000.000 S einzelwertberichtigt, weil diese Forderungen nach Ansicht des Vorstandes - eine Durchsicht der Zahlen durch einen Buchprüfer oder das Finanzamt ist noch nicht erfolgt - uneinbringlich waren. Nur zwei dieser Kontoüberziehungen waren vom Vorstand genehmigt; in den restlichen 22 Fällen hatte der Kläger seine Kompetenzen überschritten.
Im Jahre 1985 baute der Kläger in Eugendorf bei Salzburg ein Haus. Zur Finanzierung beantragte er am 18. September 1985 bei der Beklagten die Zuzählung eines Kredites von 1,7 Mio S. Im Kreditantrag bot der Kläger an, den Erlös aus dem Verkauf einer ihm gehörenden Eigentumswohnung bis 31. März 1986 dem Kreditkonto gutzubringen. Im Jänner 1986 verkaufte er diese Eigentumswohnung. Der Erlös wurde dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben, auf dem zum Zeitpunkt des Einganges der Zahlung ein Debet von 120.000 S aushaftete. Grundsätzlich ist es den Mitarbeitern der Beklagten verboten, ihre Gehalts- und Girokonten zu überziehen. Dem Kläger war von dem nach den internen Richtlinien der Beklagten hiezu allerdings nicht befugten Leiter der Kreditabteilung Dr. W*** gestattet worden, sein Gehaltskonto bis 100.000 S zu überziehen. Der Generaldirektor der Beklagten Dkfm. O*** hatte wegen des seiner Ansicht zu großen Bauvorhabens des Klägers Bedenken, daß dieser imstande sein werde, den ihm von der Beklagten eingeräumten Kredit vereinbarungsgemäß zu tilgen. Über seinen Auftrag wurde der Kläger daraufhin im Jänner oder Februar 1986 von Dr. W*** und Dr. S*** befragt, ob die Eigentumswohnung bereits verkauft und der Erlös zugezählt sei. Der Kläger antwortete darauf wahrheitswidrig, die Wohnung sei noch nicht verkauft bzw. der Verkaufserlös sei noch nicht eingelangt; er gab aber Dr. S*** den Namen der Wohnbaugesellschaft bekannt, die die Wohnung errichtet hatte. Auf Grund der daraufhin eingeholten Informationen wurde von der Beklagten festgestellt, daß die Wohnung bereits verkauft und der Erlös dem Girokonto des Klägers gutgeschrieben war. Daraufhin wurde der Kläger am 12. März 1986 von Generaldirektor Dkfm. O*** zu einer Aussprache gebeten. Bei diesem Gespräch wurden dem Kläger zunächst die zahlreichen nicht geregelten Überziehungen diverser Konten der von ihm geleiteten Bankfiliale vorgehalten; sodann wurde er gefragt, ob er seine Eigentumswohnung bereits verkauft habe. Der Kläger antwortete zunächst ausweichend, er werde bis 31. März die Sache regeln. Dkfm. O*** gab sich mit dieser Antwort nicht zufrieden, worauf der Kläger nach einigem Zögern zugab, daß er die Wohnung bereits verkauft habe. Die ausdrückliche Frage, ob der Kaufpreis bereits zugezählt sei, wurde vom Kläger verneint. Daraufhin hielt Dkfm. O*** dem Kläger die Information vor, daß der Kaufpreis bereits zugezählt sei, hielt ihm nochmals die Überziehungen in der Filiale Taxham vor und sprach schließlich die Entlassung des Klägers aus, weil eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit ihm nicht möglich sei.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Mißachtung der Kreditvergaberichtlinien als Entlassungsgrund verfristet sei, weil die Beklagte trotz der täglichen Kontrollmöglichkeit die Konsequenzen aus der Nichtbeachtung der vorangegangenen schriftlichen Ermahnungen erst am 12. März 1986 gezogen habe. Die unrichtige Angabe des Klägers im Zusammenhang mit der Abwicklung des Verkaufes seiner Eigentumswohnung sei im Hinblick auf sein vertragskonformes Verhalten nicht eine so schwere Verfehlung, daß Vertrauensunwürdigkeit vorliege.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und übernahm dessen Feststellungen. Es vertrat die Auffassung, der Entlassungstatbestand des § 27 Z 4 AngG sei nicht verwirklicht, weil die Beklagte das gegen die Kreditvergaberichtlinien verstoßende Verhalten bisher toleriert und auch in den beiden schriftlichen Beanstandungen dienstvertragliche Konsequenzen für den Fall der Beibehaltung der bisherigen Praxis nicht angedroht habe. Was den Verkauf der Eigentumswohnung betreffe, habe die Beklagte bis zur Entlassung des Klägers im Hinblick auf dessen vertragskonformes Verhalten keinen berechtigten Anlaß gehabt, Nachforschungen anzustellen. Die unwahre Angabe über den Erhalt des Verkaufserlöses sei daher nicht derart gravierend, daß sie eine Entlassung rechtfertigen könnte.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Soweit die Revisionswerberin detaillierte Feststellungen über die vom Kläger unter Überschreitung seiner Kompetenzen geduldeten Kontoüberziehungen vermißt, ist ihr zu entgegnen, daß sich die für das Vorliegen von Entlassungsgründen behauptungs- und beweispflichtige Beklagte mit dem pauschalen Vorbringen begnügte, eine Überprüfung der Agenden des Klägers nach seiner Entlassung habe ergeben, daß er in Verletzung seiner Anweisungsvollmacht in wenigstens 16 Fällen Kredite zugezählt bzw. Barauszahlungen und Kontoüberziehungen im Gesamtbetrag von 5,001.318,11 S gutgeheißen habe (AS 11). Die Kontoüberziehungen seien ohne Rückfrage bei Dr. W*** erfolgt und hätten im Falle des Kontos 004055562 484.658 S erreicht (AS 51). Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz hingegen keine Vorbringen über die Entwicklung der einzelnen Konten nach Zugang der Schreiben vom 12. Dezember 1985 und vom 30. Jänner 1986 erstattet, mit denen die Beklagte den Kläger aufgefordert hatte, kurzfristig eine Regelung der überzogenen Konten herbeizuführen und darauf zu achten, daß nicht laufend neue Überziehungen auftreten. Aus dem von der Beklagten allein behaupteten Umstand, daß bei Ausscheiden des Klägers gegen die Richtlinien der Beklagten verstoßende Kontoüberziehungen in beträchtlichem Ausmaß vorgelegen seien, kann angesichts der Duldung derartiger Überziehungen durch den Vorstand vor dem 12. Dezember 1985 eine beharrliche Weigerung, sich den Anordnungen des Arbeitsgebers zu fügen, nicht erschlossen werden, sondern lediglich, daß dem Kläger eine kurzfristige Rückführung der zuvor von der Beklagten geduldeten und für sie aus den täglich erstellten Überziehungslisten jederzeit ersichtlichen Kreditausweitungen nicht gelang. Ein schuldhaftes und pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 27 Z 4 AngG zweiter Tatbestand kann darin jedenfalls nicht erblickt werden (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht, 95). Hinsichtlich der unwahren Auskunft des Klägers über den Eingang des Erlöses aus dem Verkauf seiner Eigentumswohnung legt die Revisionswerberin ihren Rechtsausführungen nicht die Feststellungen der Vorinstanzen zugrunde, wonach der Kläger sich lediglich verpflichtet habe, bis 31. März 1986 den Erlös aus dem Verkauf seiner Eigentumswohnung seinem Kreditkonto bei der Beklagten gutschreiben zu lassen. Sie geht vielmehr von einer von den Vorinstanzen nicht festgestellten Zusage aus, den Verkaufserlös der Wohnung nach Eingang zur Kreditabdeckung zu verwenden. Da sich aber der Kläger nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen bis 12. März 1986 vertragskonform verhielt und die Beklagte zu diesem Zeitpunkt noch keinen vertraglichen Anspruch auf Kreditabdeckung aus dem Erlös der Eigentumswohnung hatte, begründet die unwahre Angabe über den Eingang des Verkaufserlöses, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, nicht den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 AngG dritter Tatbestand. Die Unwahrheit diente lediglich dem psychologisch verständlichen Verbergen einer Handlung, die zwar nicht gegen den Vertrag verstieß, von der der Kläger aber annahm, der Arbeitgeber werde sie nicht billigen. Die unrichtige Angabe konnte daher zwar zu einer Vertrauenseinbuße, nicht aber zur Vertrauensunwürdigkeit im Sinn der obzitierten Bestimmung des Angestelltengesetzes führen (ähnlich 4 Ob 51/83), sodaß die Entlassung ungerechtfertigt ist. Der Revision war sohin ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E13633European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00009.88.0316.000Dokumentnummer
JJT_19880316_OGH0002_009OBA00009_8800000_000