Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Raymund B***, Tischler, Klagenfurt, Khevenhüllerstraße 33, vertreten durch Dr. Hans Primus, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei F*** F.R.C. Möbelfabrik Gesellschaft m.b.H., Villach, Bichlweg 6, vertreten durch Dr. Edwin Kois, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen S 41.714,73 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25. Juni 1987, GZ 7 Ra 1037/87-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Villach vom 4. Dezember 1985, GZ 1 Cr 101/85-8 (33 Cga 1065/87 des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgerichtes), bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 257,25 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der in Klagenfurt wohnhafte Kläger war vom 16. Mai 1978 bis 22. Juli 1985 bei der beklagten Partei als Montagetischler beschäftigt. Der vereinbarte Arbeitsort war das Auslieferungslager der beklagten Partei in Klagenfurt. Auf dieses Dienstverhältnis fand der Kollektivvertrag für Handelsarbeiter Anwendung. Für die im Werk Villach in der Fertigung beschäftigten Tischler gilt der Kollektivvertrag für Industriearbeiter. Nach den genannten Kollektivverträgen sind Industriearbeiter finanziell schlechter gestellt als Handelsarbeiter.
Ende Juni 1985 gab es in der Produktion in Villach bei den Tischlern einen Engpaß, während in Klagenfurt die Auslieferung zurückging. Nachdem Direktor L*** mit dem Kläger und dessen Kollegen M*** darüber gesprochen hatte, wurden beide für eine Woche nach Villach abgestellt. Es kam dann wiederholt zur Verlängerung ihrer Tätigkeit in Villach. Der Kläger war vom 1. - 19. Juli 1985 im Produktionsbetrieb der beklagten Partei in Villach und zwar in der Einzelanfertigung tätig. Für diese Zeit wurde er als Handelsarbeiter entlohnt und finanziell nicht schlechter gestellt als in Klagenfurt. Die Anreise nach Villach, nicht jedoch die Rückreise nach Klagenfurt, wurde in die Dienstzeit eingerechnet. Die An- und Rückreise erfolgten mit firmeneigenem Kraftfahrzeug. In der dritten Woche brachten der Kläger und M*** ihren Unmut über die Verwendung in Villach zum Ausdruck. Am 19. Juli 1985 kam es neuerlich zu einer Aussprache mit Direktor L***. Dieser erklärte beiden Arbeitnehmern, daß ihre Tätigkeit in Villach beendet sei und sie ab Montag wieder in Klagenfurt tätig sein werden. Er redete ihnen auch zu, sich einen Austritt zu überlegen. Tatsächlich hatten der Kläger und M*** eine vom Betriebsratsobmann S*** entworfene schriftliche Austrittserklärung bereits am 18. Juli unterschrieben, die von S*** in Klagenfurt aufgegeben wurde. Der Kläger arbeitete noch am Montag in Klagenfurt, weil er die Austrittserklärung zum 23. Juli 1985 abgegeben hatte. Heinz W***, ein Angestellter der beklagten Partei, sprach am 22. Juli 1985 noch einmal mit dem Kläger und versuchte zu erreichen, daß dieser die Austrittserklärung zurücknehme. M*** nahm aus familiären Gründen die Austrittserklärung zurück. Er war dann während der Messe eine Woche in Klagenfurt beschäftigt, mußte aber danach wieder in Villach als Handelsarbeiter arbeiten. Er wurde deshalb nach Villach versetzt, weil das Lager in Klagenfurt aufgelöst wurde. Die Auslieferung erfolgt nun von Villach aus für ganz Kärnten. Wenn er nicht auswärts sondern in Villach im Geschäft arbeitet, kann er erst um 17 Uhr seine Arbeit beenden und muß dann noch nach Klagenfurt fahren. Als sich S*** bei W*** über die Weiterverwendung des Klägers und M*** erkundigte, wurde ihm erklärt, daß für beide im Handel kein Platz mehr sei. Die Auflösung des Auslieferungslagers in Klagenfurt geschah schon zu einem Zeitpunkt, als der Kläger und M*** in der Produktion in Villach tätig waren. Mit dem Schreiben vom 18. Juli, das der Beklagten am 22. Juli zukam, löste der Kläger sein Dienstverhältnis zum 23. Juli 1985 auf. Der Beklagte ist an qualifizierten Tischlern interessiert gewesen und hat auch nach dem Austritt des Klägers Montagetischler aufgenommen.
Der Kläger begehrt die Zahlung eines Betrages von S 41.714,73 netto sA und zwar S 33.249,99 an Abfertigung für drei Monate, S 5.298,07 an anteiligem Weihnachtsgeld und S 3.166,77 an Urlaubsentschädigung. Er brachte vor, er habe seine Zustimmung zur aushilfsweisen Verwendung im Werk Villach nur für eine Woche gegeben. Die Arbeit in Villach sei aber dann immer wieder verlängert worden. Der Geschäftsführer der Filiale in Klagenfurt, Günther N***, habe ihm und Dieter M*** Anfang Juli 1985
mitgeteilt, daß sie nach Villach versetzt worden seien. Anläßlich der immer wieder erfolgten Verlängerung der Zuteilung habe er auf eine Erledigung der Sache gedrängt, jedoch nichts erreicht. Er sei daher am 23. Juli 1985 berechtigt vorzeitig ausgetreten. Die Beklagte bestritt das Klagebegehren nur dem Grunde nach. Mit dem Kläger und Dieter M*** sei vereinbart worden, daß sie vorerst für eine Woche in der Produktion in Villach arbeiten sollten. Nach Ablauf dieser Woche habe sich gezeigt, daß eine zweite und gegebenenfalls noch eine dritte Woche notwendig sein werden. Damit seien beide ausdrücklich einverstanden gewesen. Bei der Vorsprache am 19. Juli sei dem Kläger vom Geschäftsführer der beklagten Partei, Direktor L***, mitgeteilt worden, daß er ab 22. Juli wieder wie bisher in Klagenfurt in der Montage weiterzuarbeiten habe. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger sei über den ursprünglich vereinbarten Zeitraum hinaus im Werk Villach als Tischler beschäftigt worden und habe deshalb zu Recht befürchten müssen, daß in weiterer Folge eine Schlechterstellung für ihn eintreten werde. Gegen die Erklärung des Direktor L***, er und M*** werden ab 22. Juli 1985 wieder in Klagenfurt verwendet werden, habe der Kläger begründete Bedenken gehabt, welche sich durch die spätere Versetzung M*** nach Villach als richtig herausgestellt haben. Der Kläger sei daher zu Recht ausgetreten. Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Wohl habe Direktor L*** erklärt, daß die Tätigkeit des Klägers in Villach beendet sei und er wieder in Klagenfurt zu arbeiten habe, doch habe es sich dabei tatsächlich nur um einen Einsatz auf der Messe gehandelt. Direktor L*** habe dabei verschwiegen, daß das Auslieferungslager in Klagenfurt bereits aufgelassen gewesen sei und als Arbeitsort nur mehr Villach in Frage komme. Die beklagte Partei wäre daher verpflichtet gewesen, dem Kläger dies offenzulegen sowie bekanntzugeben, welcher Kollektivvertrag für ihn Anwendung zu finden habe. Außerdem wäre für die faktisch vollzogene Versetzung die Zustimmung des Betriebsrates gem. § 101 ArbVG einzuholen gewesen. Die Vorgangsweise der beklagten Partei habe eine wesentliche, den Arbeitsort betreffende Vertragsbestimmung verletzt. Die von der beklagten Partei einseitig angestrebte Versetzung des Klägers nach Villach habe das zumutbare Maß deshalb überschritten, weil der Kläger die tägliche Anreise in Kauf hätte nehmen müssen, wobei die Rückreise nicht in die Arbeitszeit eingerechnet worden sei. Dazu komme noch, daß der Kläger habe befürchten müssen, weiterhin in der Produktion eingesetzt zu werden, zumal der Angestellte W*** zum Betriebsratsobmann S*** erklärt habe, für den Kläger sei im Handel kein Platz mehr. Die Austrittserklärung des Klägers sei daher zu Recht erfolgt. Die Rechtsansicht der beklagten Partei, der Kläger habe sein Austrittsrecht verwirkt, weil er den Austritt nicht bereits anläßlich der Aussprache mit der Geschäftsleitung erklärt und am 22. Juli 1985 noch gearbeitet habe, sei verfehlt, weil die Vertragsverletzung der beklagten Partei über den Zeitpunkt der Aussprache angedauert habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Klageabweisung abzuändern.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Parteien stellten sowohl im Verfahren erster Instanz (Aktenseite 14) wie auch im Berufungsverfahren (Aktenseite 80) außer Streit, daß vereinbarter Arbeitsort das Auslieferungslager der beklagten Partei in Klagenfurt gewesen sei. Gem. § 266 ZPO war diese Frage nicht mehr beweisbedürftig und das Berufungsgericht konnte diese Tatsache seiner Entscheidung zugrunde legen. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.
Soweit der Revisionswerber sich auf Details der Umstrukturierung des Betriebes der beklagten Partei insbesonders die Organisationsänderungen in Klagenfurt beruft und darzutun versucht, daß tatsächlich eine Auflösung des Lagers in Klagenfurt nicht erfolgt sei, macht er zum Teil Neuerungen geltend, zum Teil wird damit in ebenso unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils bekämpft. Ein Eingehen auf diese Ausführungen ist dem Revisionsgericht verwehrt.
Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet. Auszugehen ist davon, daß die Auflösung des Möbellagers in Klagenfurt, in dem der Kläger beschäftigt war, in der Zeit erfolgte, während der der Kläger in Villach tätig war. Die Auslieferung, die bis dahin von Klagenfurt aus durchgeführt wurde, erfolgt nunmehr für das ganze Bundesland Kärnten von Villach aus. Aus diesem Grund wurde der Kläger auch nach Villach versetzt.
Eine Erörterung der von der Revision im Zusammenhang mit § 101 ArbVG aufgeworfenen Fragen ist entbehrlich. Im Rahmen einer vertragsrechtlichen Betrachtung hat man Versetzungen, die auf eine Änderung des Arbeitsvertrages hinauslaufen (vertragsändernde Versetzungen), von jenen zu unterscheiden, die sich im Rahmen des ursprünglich vereinbarten Vertrages halten (direktoriale Versetzungen). In dem einen Fall (vertragsändernde Versetzung) bedarf es zur vertraglichen Rechtswirksamkeit einer auf der Willensübereinstimmung beider Vertragsparteien beruhenden Vertragsänderung, in dem anderen (direktoriale Versetzung) ist eine Weisung des Arbeitgebers - vertragsrechtlich gesehen - als Rechtsgrundlage ausreichend. Eine Versetzungsweisung des Arbeitgebers, die der Sache nach auf eine vertragsändernde Versetzung abzielt, ist grundsätzlich rechtswidrig, es sei denn, es läge ein Sachverhalt vor, der die Treuepflicht des Arbeitnehmers auslöst (Floretta-Strasser ArbVG-Handkommentar, 590). Ein solcher Notfall liegt aber hier nicht vor (die Auflösung des Klagenfurter Auslieferungslagers ist kein derartiger Notfall, zumal eine zeitliche Befristung nicht bestanden hat). Soweit die Revisionswerberin ins Treffen führt, daß § 101 ArbVG die Versetzung grundsätzlich für zulässig erachte, übersieht sie, daß die Dienstleistung im Auslieferungslager Klagenfurt Gegenstand des Dienstvertrages des Klägers war. Die Versetzung nach Villach war daher durch den Dienstvertrag nicht gedeckt und war ein einseitiger Eingriff der beklagten Partei in diesen Dienstvertrag. Mit dieser Vertragsverletzung war für den Kläger auch eine bedeutende Erschwernis verbunden, weil er von seinem Wohnort in Klagenfurt täglich eine beträchtliche Anreise in Kauf nehmen mußte, wobei nur ein Teil der hiefür aufgewendeten Zeit (Hinfahrt) in die Arbeitszeit eingerechnet wurde. Da das Auslieferungslager Klagenfurt mittlerweile aufgelöst worden war und die Auslieferung, mit der der Kläger befaßt war, zentral von Villach aus erfolgte, muß davon ausgegangen werden, daß abweichend von der vom Geschäftsführer in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärung diese Maßnahme auf Dauer und nicht bloß befristet geplant war, wofür auch die Tatsache spricht, daß der Arbeitskollege M*** seither ständig in Villach beschäftigt ist. Dieser einseitige Eingriff der beklagten Partei in den zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Dienstvertrag berechtigte den Kläger zum vorzeitigen Austritt. Nicht beigetreten werden kann der Meinung der Revisionswerberin, daß der Kläger die Versetzung jedenfalls für einen Zeitraum von 13 Wochen hätte in Kauf nehmen müssen. Zum einen findet § 101 ArbVG, aus welcher Bestimmung die beklagte Partei ihren Rechtsstandpunkt abzuleiten versucht, im Hinblick darauf, daß es sich im vorliegenden Fall um eine vertragsändernde Versetzung handelt und der Kläger dieser Versetzung nicht zugestimmt hat, keine Anwendung und zum anderen kann aus dieser Norm nur abgeleitet werden, daß eine Versetzung im Sinn des § 101 ArbVG dann vorliegt, wenn eine Änderung der Verwendung von vornherein nur für einen fest bestimmten, 13 Wochen nicht übersteigenden Zeitraum erfolgt (Strasser in ArbVG-Handkommentar, 590 f). Die Ansicht, daß Konsequenzen aus einer auf Dauer verfügten unzulässigen Versetzung erst nach Ablauf von 13 Wochen gezogen werden könnten, läßt sich aus dieser Bestimmung nicht ableiten. Dafür, daß der Kläger bei der Aussprache vom 19. Juli 1985 seinen vorzeitigen Austritt erklärt hätte, findet sich in den Feststellungen kein Anhaltspunkt. Die von der beklagten Partei vertretene Ansicht, der Kläger habe durch Fortsetzung seiner Arbeit nach Erklärung seines Austrittes zum Ausdruck gebracht, daß für ihn ein Austrittsgrund nicht vorliege, entbehrt daher jeder Grundlage. Die Austrittserklärung ist der beklagten Partei am 22. Juli 1985 zugegangen und mit diesem Tag hat der Kläger seine Arbeitstätigkeit eingestellt. Auch der Ansicht, daß die Austrittserklärung verspätet gewesen sei, kann nicht beigetreten werden. Der Kläger hat anläßlich der Aussprache vom 19. Juli 1985 die Verweigerung der Zustimmung zu der erfolgten Versetzung klar zum Ausdruck gebracht. Die beklagte Partei hat diesen Einwänden nicht Rechnung getragen. Die Austrittserklärung wurde an dem Tag zur Post gegeben, an dem die Aussprache mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei stattgefunden hatte. Daß der Kläger bis zum Einlangen der Erklärung bei der beklagten Partei für einen Tag seine Arbeitstätigkeit fortsetzte, hat die Wirksamkeit dieser Erklärung nicht berührt. Der Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E13643European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00034.88.0316.000Dokumentnummer
JJT_19880316_OGH0002_009OBA00034_8800000_000