TE OGH 1988/3/16 9ObA22/88

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Veröffentlicht am 16.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dkfm. Mag. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Herbert S***, Bankangestellter, Niklasdorf 187, vertreten durch Dr. Robert Obermann, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wider die beklagte Partei R*** N*** reg.GenmbH,

Niklasdorf 104, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 61.544,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Oktober 1987, GZ 8 Ra 1101/87-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2. April 1987, GZ 22 Cga 5/87-21, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 4. September 1981 bis 30. Oktober 1985 bei der beklagten Partei als Angestellter mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt S 12.358,-- beschäftigt. Nach einer Einschulung übernahm er im ersten Halbjahr 1982 vom Prokuristen Wolfgang S*** die Haupt- und Valutenkasse. Der Kläger war hauptverantwortlich für den Ankauf von Valuten. Vor Übernahme der Hauptkasse wurde ihm die allgemeine Dienstanweisung, welche vom Geschäftsleiter Wolfgang F*** verfaßt worden war und in 16 Punkten die Pflichten der Mitarbeiter festlegt, zur Kenntnis gebracht und mit seiner Paraphe versehen. Dem Kläger wurde eine Kopie ausgefolgt. Unter Punkt 6.7 ist festgelegt, daß Sonderkonditionen im Valutengeschäft vom Geschäftsführer bzw. vom Schalterleiter anzuweisen sind. Seit Anfang 1983 hat der Kläger Valutenankäufe von Kunden zum Ankaufskurs vorgenommen, diese Käufe storniert, die Valuten selbst übernommen und den Abgang durch Umbuchung von seinem Girokonto abgedeckt. Die Vorgangsweise beim Valutenankauf war so, daß ein Kunde, der Valuten verkaufen wollte, zum Kläger kam, dieser einen Beleg erstellte, welcher im Terminal registriert wurde. Nach Übergabe der Valuten erhielt der Kunde den entsprechenden Schillingbetrag aus der Hauptkasse ausgezahlt; die Valuten waren in die Valutenkasse zu geben. Beabsichtigte der Kläger, die Valuten für sich zu erwerben, dann legte er den Beleg beiseite und stornierte die Buchung am Terminal. Die Rückseite des Beleges wurde gekreuzt (Stornobuchung). Dadurch waren die gekauften Valuten in der Valutenkasse zuviel, während in der Hauptkasse der entsprechende Schillingbetrag fehlte. Dieser Fehlbetrag wurde durch Ausbuchung vom Girokonto des Klägers ausgeglichen. Diese Stornos wurden vom Kläger entweder während der Mittagspause oder am Abend nach Dienstschluß durchgeführt.

Zu Zeiten der Geschäftsleitung unter Tina S***, der Vorgängerin des jetzigen Geschäftsleiters Wolfgang F***, der diese im September 1980 ablöste, war es den Angestellten der beklagten Partei möglich und erlaubt, Valuten zum Ankaufskurs für eigene Zwecke zu erwerben. Hiezu wurden nach Rücksprache mit der Geschäftsleitung von Kunden Valuten angekauft, die diesbezüglichen Ankäufe storniert und von den jeweiligen Angestellten zum Ankaufskurs übernommen. Nach Übernahme der Geschäftsleitung durch Wolfgang F*** im September 1980 war dieser bestrebt, diese Art des Valutenankaufes durch Angestellte abzustellen. In einer Besprechung der Mitarbeiter wurde diesen zur Kenntnis gebracht, daß die von der Geschäftsleiterin S*** erlaubte Vorgangsweise des Valutenankaufes zum Ankaufskurs von der neuen Geschäftsleitung nicht geduldet werde. Den Angestellten sollte in Hinkunft nur mehr die Sonderkondition des Mittelkurses eingeräumt werden. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch nicht bei der beklagten Partei beschäftigt.

Im Jahr 1983 führte der Kläger 14 derartige Valutenankäufe zum Ankaufskurs durch, im Jahre 1984 33 und 1985 13 Valutenankäufe. Insgesamt erwarb er 3,803.500 Lire, 36.720 Dinar, 1881 DM und 100 US-Dollar. Der dadurch entgangene Gewinn der beklagten Partei betrug insgesamt S 3.960,20, wobei diese Spanne sich beim Vergleich zwischen Ankaufskurs und Mittelkurs ergibt. Die erworbenen Valuten verwendete der Kläger zum größten Teil für sich selbst. Geringe Beträge gab er seiner Schwester, seiner Verlobten sowie seinem Vater. Seit der Übernahme der Geschäftsführung durch Wolfgang F*** durften Sonderkonditionen an Angestellte oder Kunden nur nach Rücksprache mit der Geschäftleitung und Gegenzeichnung gewährt werden. Angestellte konnten unter denselben Voraussetzungen Valuten zum sogenannten Mittelkurs erwerben. In der Zeit seiner Tätigkeit hat der Kläger auch wiederholt ohne Rücksprache mit der Geschäftsleitung Kunden Sonderkonditionen eingeräumt. Am Anfang seiner Tätigkeit ließ sich der Kläger Sonderkonditionen für gute Kunden von der Geschäftsleitung immer bestätigen; später fühlte er sich etabliert und holte die Genehmigung erst nachträglich ein, dies aber nur dann, wenn die Geschäftsleitung nicht zugegen war. Es ist auch vorgekommen, daß die Genehmigung nachträglich nicht eingeholt wurde. Am 16. November 1984 erstand der Kläger 90.000 Dinar zur Sonderkondition des Mittelkurses für sich, für seine Schwester und seinen Vater ohne Rücksprache mit der Geschäftsleitung und ohne auf den Beleg die Namen der Personen, denen diese Sonderkonditionen eingeräumt wurden, zu vermerken. Ende Mai, Anfang Juni 1985 fragte Gerald S***, der zweite Geschäftsführer der beklagten Partei, den Kläger, ob es bei der beklagten Partei üblich sei, Valuten zum Ankaufskurs zu erwerben. Der Kläger antwortete darauf "sicher nicht". Im Mai 1985 wurde der Kläger von S*** über den Beleg betreffend den Ankauf von 90.000 Dinar befragt, der keinen Namen enthielt. Der Kläger erklärte, er könne sich nicht erinnern, wer diese Valuten gekauft habe. Als er von S*** darauf hingewiesen wurde, daß ein Ankauf von Dinar im November eher ungewöhnlich sei, nannte der Kläger einen bestimmten Kunden als Käufer und schrieb dessen Namen auf den Beleg. Erst im Zuge einer später durchgeführten Revision stellte sich heraus, daß dieser Dinar-Betrag vom Kläger, seinem Vater und seiner Schwester erworben worden war. Am 11. Juni 1985 fand eine Angestelltenbesprechung bei der beklagten Partei statt, an welcher von der Geschäftsleitung Gerald S***, der Prokurist Wolfgang S***, die Angestellten B***, R*** und B*** sowie der Kläger teilnahmen. Dabei wurde unter anderem besprochen, daß beim Dinarkonto Verluste aufgetreten seien und daß bei der Vergabe von Sonderkonditionen im Valutenbereich unbedingt die Zustimmung der Geschäftsleitung und eine Gegenzeichnung einzuholen sei. Vor dieser Sitzung hatte bereits eine Revision ergeben, daß vom Kläger Sonderkonditionen an Kunden gewährt wurden, ohne Rücksprache mit der Geschäftsleitung zu halten und ohne den Namen der Kunden auf dem Beleg zu vermerken. Für den Geschäftsleiter Wolfgang F*** war diese Vorgangsweise des Klägers eine Schlamperei, die durch die Besprechung vom 11. Juni 1985 abgestellt werden sollte. Auch nach dieser Dienstbesprechung hat der Kläger Valuten zum Ankaufskurs erworben, und zwar am 20. Juli 1985

20.200 Dinar zum Kaufpreis von S 1.262,-- für seine Schwester Johanna M*** und am 14. August 1985 220.000 Lire. Im Juli erwarb der Kläger für die im Sekretariat der beklagten Partei tätige Angestellte Doris B*** 200 DM zum Ankaufskurs und 800 DM zum Mittelkurs, nachdem ihn diese um Besorgung von 1000 DM zu einem "möglichst guten Kurs" ersucht hatte. Im Sommer 1985 ersuchte Wolfgang S*** den Kläger, ihm US-Dollar zum Mittelkurs zu besorgen. Am 10. Juli 1985 kaufte der Kläger 111 US-Dollar zum Ankaufskurs von einem Kunden ein, stornierte den Ankauf, belastete das Konto S*** mit dem Ankaufskurs und übergab diesem die Valuten. Im Sommer 1985 fand der Geschäftsleiter Gerald S***, der einen Beleg suchte, an einem Buchungstag mehrere Stornos. Er setzte den Raiffeisenverband von dieser Sachlage in Kenntnis. Als festgestellt wurde, daß den Stornos Abbuchungen vom Konto des Klägers gegenüberstanden, verlangte S*** vom Kläger am 16. August 1985 eine Aufstellung über dessen Stornos. Daraufhin übergab der Kläger eine solche Aufstellung betreffend das Jahr 1985 und erklärte auf Befragen, daß es sonst keine gebe. Auf die Frage des Geschäftsführers S*** nach den Jahren 1983 und 1984 erklärte der Kläger, daß er nur im Jahre 1985 solche Stornos durchgeführt habe. Die Geschäftsleiter S*** und F*** beschlossen hierauf, eine Revision zur Feststellung des Ausmaßes der Valutenankäufe des Klägers durch den Raiffeisenverband in die Wege zu leiten. Diese Revision fand in der Zeit vom 7. Oktober 1985 bis 15. November 1985 statt.

Der Kläger ging in der Zeit vom 19. August bis 4. September 1985 auf Urlaub, arbeitete anschließend bis 20. September 1985 und besuchte in der Zeit vom 23. September bis 18. Oktober 1985 einen Grundschulungskurs der Organisation der beklagten Partei. Am 21. Oktober 1985 nahm er seine Tätigkeit bei der beklagten Partei wieder auf. Am 22. Oktober 1985 fand eine Besprechung über die Revision statt, an der die Geschäftsleiter F*** und S***, der Prokurist S***, der Revisor L*** und der Kläger teilnahmen. Dem Kläger wurde das Ergebnis der Revision mitgeteilt und ihm eine Ertragsschmälerung für die beklagte Partei, die Beibehaltung seiner Vorgangsweise trotz mehrerer Dienstanweisungen über die Valutenabrechnung und Valutenansammlung während des ganzen Jahres und nicht nur zur Urlaubszeit vorgeworfen und bezweifelt, daß die Valuten im Betrag von ca. S 75.000,-- in den letzten 3 Jahren nur für den eigenen Bedarf ausgegeben worden seien. Der Kläger gab dazu an, diesen Abrechnungsmodus von seinem Vorgänger Wolfgang S*** übernommen zu haben und sich keine Gedanken über die Ordnungsmäßigkeit gemacht zu haben. Er habe sich nur billige Valuten für den Eigenbedarf beschaffen wollen. Am 23. Oktober 1985 fand eine Besprechung zwischen der Geschäftsleitung der beklagten Partei, dem Vater des Klägers und Obmann der beklagten Partei Ludwig S***, dem Prokuristen S***, dem Kläger sowie den Revisoren L*** und B*** statt, wobei der Revisor B*** darauf verwies, daß die festgestellten Vorfälle von ihm genau geprüft würden. Am 24. Oktober 1985 erfolgte über Anraten des Revisors B*** die vorläufige Suspendierung des Klägers durch Wolfgang F*** mit der Begründung, daß dieser sich der Untreue schuldig gemacht habe. Am 30. Oktober 1985 erfolgte die nächste Besprechung bei der beklagten Partei unter Anwesenheit des Obmannes Ludwig S***, von Vorstandsmitgliedern, des Aufsichtsratsvorsitzenden T***, des Revisors L*** und der Geschäftsleitung. Der Revisor verwies auf eine vorliegende Empfehlung des Raiffeisenverbandes, sich vom Kläger zu trennen. Nach Beiziehung des Klägers und einer fruchtlosen Diskussion wurde dem Kläger die einvernehmliche Lösung angeboten, welche aber aufgrund des gleichzeitig zu vereinbarenden Verzichtes auf verschiedene Ansprüche von ihm abgelehnt wurde. Wolfgang F*** sprach daraufhin die fristlose Entlassung aus.

Der Kläger begehrt mit der Behauptung, die Entlassung sei ungerechtfertigt, eine Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlung sowie eine Abfertigung in der Höhe von zwei Monatsentgelten, somit einen der Höhe nach unbestrittenen Gesamtbetrag von S 61.544,--. Die Tatsache, daß der Kläger, der als Hauptkassier beschäftigt gewesen sei, Valuten für private Zwecke angekauft habe, sei den Vorgesetzten des Klägers Jahre hindurch bekannt gewesen und sei toleriert worden. Der Kläger habe diese Praxis von seinem Vorgänger übernommen; eine Schädigung der beklagten Partei sei dadurch in einem nennenswerten Ausmaß nicht eingetreten. Überdies sei die Entlassung verspätet ausgesprochen worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger habe als Hauptkassier Valuten von Kunden zum Ankaufskurs erworben, habe diesen Ankauf verbucht, später wieder storniert, die Valuten für sich oder Dritte zum Ankaufskurs gekauft und die Kassendifferenz durch Überweisungen von seinem Konto ausgeglichen. Dadurch sei die beklagte Partei um die Kursdifferenz zwischen Ankaufs- und Mittelkurs geschädigt worden. Diese Vorgangsweise widerspreche der "Allgemeinen Dienstanweisung" und auch einer Weisung der Geschäftsleitung vom 11. Juni 1985, wonach Sonderkonditionen nur mit Zustimmung der Geschäftsleitung zu gewähren seien. Bei der Einräumung einer Sonderkondition beim Verkauf von 90.000 Dinar habe der Kläger fälschlich den Namen eines Kunden genannt, obwohl er diese Valuten für sich, seine Schwester und seinen Vater erworben habe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Der Kläger habe im wesentlichen für den eigenen Gebrauch Valuten zum Ankaufskurs erworben. Diese Praxis habe er aber von seinem Vorgänger und unmittelbaren Vorgesetzten übernommen und sei von der vorangegangenen Geschäftsleitung gestattet worden. Da der Kläger diese Ankäufe drei Jahre lang jederzeit nachvollziehbar vorgenommen habe, müßten sie auch den Vorgesetzten des Klägers bekannt gewesen sein. Es liege daher kein so schweres Vergehen des Klägers vor, daß die Entlassung gerechtfertigt wäre.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei Folge. Nach Beweiswiederholung stellte es den eingangs dargestellten Sachverhalt fest. Rechtlich führte es aus, daß der Stellung des Klägers bei der beklagten Partei als Kassier der Haupt- und Valutenkassa sehr wesentliche Bedeutung zugekommen sei. Er habe damit eine Vertrauensstelle bekleidet, sei für die Verwaltung der Kasse verantwortlich gewesen und habe selbständig Geschäfte zum Nachteil der beklagten Partei abschließen können, ohne daß diese Geschäfte der Geschäftsleitung bekannt gewesen wären. An die Beurteilung seines Verhaltens seien daher strenge Anforderungen zu stellen. Wesentlich sei auch das Verhalten des Klägers nach der Besprechung vom 11. Juni 1985, in der den Bediensteten aufgetragen wurde, Sonderkonditionen nur mehr mit Zustimmung der Geschäftsleitung und unter Gegenzeichnung zu gewähren. Ungeachtet dieser Weisung habe der Kläger auch nach diesem Zeitpunkt noch in mehreren Fällen Valuten zum Nachteil der beklagten Partei gekauft und verkauft und habe damit deren Verlust vergrößert. Sein Verhalten rechtfertige die Entlassung. Der beklagten Partei falle auch keine relevante Verzögerung beim Ausspruch der Entlassung zur Last. Im Hinblick auf die Schwierigkeit der genauen Untersuchungen und des Umfanges der Verfehlung sei die Entlassung rechtzeitig ausgesprochen worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Das Protokoll über die Angestelltenbesprechung vom 11. Juni 1985 gibt die Vorgänge bei dieser Besprechung nur in verkürzter Form, teilweise nur schlagwortartig wieder. Der Inhalt dieses Protokolles ist jedoch im Zusammenhang mit der Dienstanweisung zu sehen. Gemäß Punkt 6.7 der Dienstanweisung sind Sonderkonditionen im Valutengeschäft vom Geschäftsführer bzw. Schalterleiter anzuweisen. Aus dieser Fassung ergibt sich entsprechend der im Bankbereich üblichen Vorgangsweise klar, daß eine Gegenzeichnung erforderlich ist, zumal Anweisungen grundsätzlich in schriftlicher Form erfolgen. Im Zusammenhang mit dieser Dienstanweisung, die dem Kläger auch zur Kenntnis gebracht worden war, kann der Inhalt des Protokolles nur dahin verstanden werden, daß bei Einräumung von Sonderkonditionen im Valutengeschäft die Zustimmung der Geschäftsleitung in Form einer Gegenzeichnung einzuholen ist.

Als aktenwidrig rügt der Kläger weiters die Feststellung, daß im Sommer 1985 an einem Buchungstag 20 Stornierungen aufgefunden worden seien. Diese Feststellung gründet sich auf die Aussage des Zeugen S***; damit wurde lediglich zum Ausdruck gebracht, daß an einem Tag Stornierungen in dieser Zahl erfolgten, nicht jedoch, daß im selben Umfang auch Valutenankäufe durch den Kläger stattfanden. Im übrigen kommt dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zu. Daß der Kläger tatsächlich in den Jahren 1983 14, 1984 33 und 1985 13 Valutenankäufe zum Ankaufskurs auf die beschriebene Art vornahm, zieht auch die Revision nicht in Zweifel. Auf diese Feststellung ist jedoch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes gegründet. Eine Aktenwidrigkeit liegt daher auch hier nicht vor. Ein wesentlicher Teil der Revision ist eine Bekämpfung der Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht hat die dieser Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen aufgrund der Ergebnisse einer Beweiswiederholung getroffen. Die Tatsachenfeststellungen können im Revisionsverfahren nur im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit ihres Zustandekommens, nicht aber auf die Richtigkeit des richterlichen Taturteiles überprüft werden (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1910). Der Oberste Gerichtshof ist keine Tatsacheninstanz. Auf diese Ausführungen ist daher nicht weiter einzugehen.

Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Zunächst vertritt der Revisionswerber die Ansicht, daß das festgestellte Verhalten seine Entlassung nicht rechtfertige. Dieser Auffassung kann aber nicht beigetreten werden. Wenn der Kläger auch keine leitende Stellung bekleidete, so war er als Kassier in einer besonderen Vertrauensposition tätig. Die festgestellten Stornierungen und Umbuchungen waren ihm nur aufgrund seiner dienstlichen Stellung möglich und die Einhaltung der Dienstvorschriften durch ihn war nicht leicht überprüfbar. Daß mit seiner Vorgangsweise ein Schaden für die beklagte Partei verbunden war, ist unbestritten. Der Revisionswerber gesteht in diesem Zusammenhang selbst zu, daß damit der beklagten Partei die Differenz zwischen dem Ankaufskurs und dem Mittelkurs entgangen ist. Daß diese Differenz keinen übermäßig hohen Betrag erreichte, ist rechtlich nicht entscheidend. Der Kläger hat jedenfalls durch diese Vorgangsweise die ihm eingeräumte Vertrauensstellung mißbraucht, um sich selbst zu Lasten der beklagten Partei einen finanziellen Vorteil zu verschaffen. Daß diese Vorgangsweise gegen seine Dienstpflichten verstieß, war dem Kläger aufgrund der Dienstanweisung, die er zur Kenntnis genommen hatte, bekannt. Mag auch die Frage der Sonderkonditionen im Valutengeschäft nicht im Mittelpunkt der Angestelltenbesprechung vom 11. Juni 1985 gestanden sein, so kam sie doch dort ausdrücklich zur Sprache und es erging eine dem Inhalt der allgemeinen Dienstanweisung entsprechende Weisung. Ungeachtet dieser wiederholten Weisung hat der Kläger seinen Verpflichtungen zuwidergehandelt und auch nach diesem Zeitpunkt durch Stornierung von Valutenankäufen und Umbuchungen von seinem Konto Valuten zum Ankaufskurs erworben. Durch das weisungswidrige Verhalten hat er Handlungen begangen, die ihn des Vertrauens des Dienstgebers unwürdig machten und damit den Entlassungstatbestand des § 27 Z 1 AngG erfüllten.

Auch dem Einwand, die Entlassung sei verspätet erfolgt, kann nicht gefolgt werden. Eine Vorschrift über die unverzügliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch vorzeitige Auflösung bei Vorliegen eines wichtigen Grundes enthält das Gesetz nicht, doch ist die unverzügliche Geltendmachung ein von der Rechtsprechung und von der Arbeitsrechtslehre allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz. Dieser Grundsatz darf jedoch nicht überspitzt werden und bedarf einer verständnisvollen Anwendung, wenn er nicht mit den Erfordernissen des Wirtschaftslebens und den Betriebserfordernissen in Widerspruch geraten will. Die Rechtsprechung billigt dem Arbeitgeber zwischen dem Bekanntwerden des die Auflösung des Arbeitsverhältnisses legitimierenden Grundes und dessen Erklärung eine Überlegungsfrist zu. Dies gilt vor allem dann, wenn ein undurchsichtiger zweifelhafter Sachverhalt vorliegt, der vorerst geklärt werden muß. Kann dieser mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zunächst nicht aufgeklärt werden, so ist demjenigen, der die vorzeitige Lösung auszusprechen berechtigt ist, das Recht zuzubilligen, bis zur einwandfreien Klärung aller wesentlichen Umstände in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht mit dem Ausspruch seiner Lösungserklärung zuzuwarten. Ob eine solche Vakanz toleriert werden soll und welcher Zeitraum als angemessen anzusehen ist, ist aufgrund der Umstände des Einzelfalles zu beurteilen (Martinek-Schwarz, Angestelltengesetz6 544 f).

Vor Antritt seines Urlaubes übergab der Kläger am 16. August 1985 eine Aufstellung über seine Stornos und stellte weitere Vorgänge dieser Art in Abrede. Die Aufstellung war jedoch nicht vollständig, da sie lediglich Valutenkäufe des Jahres 1985 umfaßte; ein wesentlicher Teil der Geschäftsvorfälle dieser Art lag jedoch in den davor liegenden Jahren. Dies war den Geschäftsführern der beklagten Partei nicht bekannt und im Hinblick auf die Schwierigkeiten und den Umfang der erforderlichen Überprüfung auch nicht leicht festzustellen. Es muß der beklagten Partei jedoch eine genaue Klärung des Verhaltens des Klägers vor der Entscheidung über eine Beendigung des Dienstverhältnisses zugestanden werden. Zur Überprüfung wurde umgehend eine Revision durch den Raiffeisenverband veranlaßt, die am 7. Oktober 1985 begann. Daß aufgrund dieser Überprüfung der Umfang der pflichtwidrigen Handlungen des Klägers den Geschäftsführern vor dem 22. Oktober 1985 bekannt gewesen wäre, läßt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Vielmehr ergibt sich daraus, daß der Revisor erklärte, die festgestellten Vorfälle würden genau überprüft, daß die Revision noch nicht zur Gänze abgeschlossen war. An diesem Tag wie auch am folgenden fanden Besprechungen mit dem Kläger statt, am 24. Oktober 1985 wurde die Suspendierung und am 30. Oktober 1985 die Entlassung ausgesprochen.

Grundgedanke des Prinzips, daß der Arbeitgeber von seinem Entlassungsrecht unverzüglich Gebrauch machen muß, ist, daß der betreffende Arbeitnehmer sich möglichst bald über die Rechtsfolgen im klaren sein soll (Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2, 225). Trotz der Verpflichtung zur unverzüglichen Geltendmachung steht dem Dienstgeber jedoch eine kurze Überlegungsfrist zu. Im Hinblick auf die am 24. Oktober 1985 ausgesprochene Suspendierung konnte der Kläger nicht mehr im Zweifel darüber sein, daß die beklagte Partei ernstliche Konsequenzen ins Auge faßte, da bereits im Ausspruch der Suspendierung der Standpunkt der beklagten Partei, daß sie die weitere Tätigkeit des Klägers für unzumutbar erachte, zum Ausdruck kam. Die Suspendierung selbst stand jedoch in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Aufdeckung zumindest der wesentlichen Teile der Malversationen des Klägers. Die Entlassungserklärung wurde daher rechtzeitig abgegeben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13635

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00022.88.0316.000

Dokumentnummer

JJT_19880316_OGH0002_009OBA00022_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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