Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Brigitte B***, Angestellte, Graz, Lindenhofweg 17, vertreten durch Dr. Josef List, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Firma L*** Leder- und Textilhandelsgesellschaft mbH, Graz, Tummelplatz 15, vertreten durch Dr. Karl Krawagna und Dr. Walter Wolf, Rechtsanwälte in Bruck an der Mur, wegen 168.623,38 S brutto sA und Feststellung (Interesse 20.000 S), infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Oktober 1987, GZ 7 Ra 1093,1094/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 20. Mai 1987, GZ 34 Cga 15,1014/87-11, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.263,14 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 205,74 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1. Juni 1986 mit einem Bruttogehalt von 17.250 S monatlich als Angestellte beschäftigt. Die Klägerin begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses über den 31. August 1986 hinaus sowie an Gehaltszahlungen für Juni 1986 bis Februar 1987 unter Berücksichtigung eines erhaltenen Nettobetrages von 11.000 S insgesamt 168.623,38 S brutto sA. Die Beklagte habe das unbefristete Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26. August 1986 mit der unrichtigen Behauptung zu lösen versucht, es sei mit der Klägerin eine Probezeit bis 31. August 1986 vereinbart worden; sie habe in der Folge den Standpunkt vertreten, das Arbeitsverhältnis sei mit diesem Termin befristet gewesen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Mit der Klägerin sei ein bis 31. August 1986 befristetes Arbeitsverhältnis vereinbart worden; im übrigen habe die Klägerin am 29. August 1986 die Geschäftsschlüssel zurückgegeben und damit schlüssig ihr Einverständnis mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses zum 31. August 1986 zum Ausdruck gebracht. Die einvernehmliche Lösung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin sei überdies in einer Besprechung im August 1986 vereinbart worden. Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren mit einem Betrag von insgesamt 176.065 S brutto abzüglich 11.000 S netto sA sowie dem Feststellungsbegehren statt und wies das Mehrbegehren von 3.558,38 S brutto sA ab.
Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die Klägerin ist mit 20 % an der beklagten Gesellschaft mbH beteiligt. Im Zuge der Gründung der Beklagten wurde vereinbart, daß die Klägerin ab 1. Juni 1986 in der Lederboutique der Beklagten beschäftigt werde. Ein Endtermin für dieses Arbeitsverhältnis wurde nicht vereinbart. Bei ihrer Tätigkeit wurde die Klägerin vereinbarungsgemäß von ihrer Tochter Caroline unterstützt bzw. vertreten. Am 22. August 1986 kam es zwischen dem Gatten der Klägerin, dem Geschäftsführer der Beklagten Albert H***, ferner dem Prokuristen Anton P***, Anna H*** (der Mutter des Albert H***) und Dr. Josef L***, der damals nur den Gatten der Klägerin vertrat, zu einer Aussprache. Gegenstand dieses Gespräches war die Organisation von Umbauarbeiten für die Beklagte durch Albert H***. Bei der Überprüfung der Rechnungen blieb noch ein Betrag von 250.000 S offen. Auf Grund des mangelnden gegenseitigen Vertrauens machte Dr. L*** den Vorschlag, "auseinanderzugehen", wobei sich die Klägerin die Gesellschaftsanteile zum Nominalwert ablösen lassen sollte. Zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses der Klägerin kam es bei dieser Besprechung nicht. Am 29. August 1986 war die Tochter der Klägerin, Caroline B***, allein im Geschäft. Am Nachmittag kam Albert H***, um Inventur zu machen. Um 18.00 Uhr verlangte er den Geschäftsschlüssel, weil er die Inventur allein weitermachen wollte. Er sagte zu Caroline B***, er werde das Geschäft zusperren, ihre Mutter brauche nicht mehr zu kommen. Die Klägerin hat für ihre Tätigkeit lediglich eine Akontozahlung von 11.000 S erhalten. Im Laufe des August 1986 hatte Anna H*** die Klägerin öfters angerufen und erklärt, daß es so nicht weitergehen könne; man könne das Geschäft nicht offen lassen, damit die Klägerin ihr Gehalt bekomme. Mit Schreiben vom 26. August 1986, welches der Klägerin am 1. September 1986 zukam, teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß per 31. August 1986 die Probezeit ende; die Beklagte sei auf Grund der Umsatzzahlen gezwungen, das Arbeitsverhältnis per 31. August 1986 aufzulösen. Mit Schreiben vom 4. September 1986 erklärte die Klägerin ihre Arbeitsbereitschaft und nahm die Kündigung nur mit 31. Dezember 1986 zur Kenntnis, hielt diesen Vorschlag in der Folge aber nicht mehr aufrecht, weil die Beklagte nunmehr ein bis 31. August 1986 befristetes Arbeitsverhältnis behauptete.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung eine ordnungsgemäße Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist nicht erfolgt sei, so daß das Arbeitsverhältnis aufrecht bestehe.
Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in teilweiser Stattgebung der Berufung der Beklagten dahin ab, daß dem Klagebegehren mit nur 129.875 S brutto sA stattgegeben, das Mehrbegehren auf Zahlung von 38.748,38 S brutto sA und das Feststellungsbegehren hingegen abgewiesen wurden. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und ging rechtlich davon aus, daß die Beklagte ihren Willen, das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1986 aufzulösen, unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht habe. Durch diese frist- und terminwidrige Auflösungserklärung sei das Arbeitsverhältnis zu diesem erklärten Zeitpunkt beendet worden; die Klägerin habe aber analog dem § 29 AngG den Anspruch auf das Entgelt für den Zeitraum bis 31. Dezember 1986 behalten.
Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien. Die Klägerin macht als Revisionsgründe Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer vollen Klagestattgebung; die Beklagte führt als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung an und beantragt die Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klageabweisung. Von beiden Parteien wird hilfsweise ein Aufhebungsantrag gestellt.
Beide Parteien beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor. Mit der Vorlage des Kündigungsschreibens vom 27. Juli 1987 im Rahmen der Berufungsbeantwortung machte die im gesamten Verfahren anwaltlich vertretene Klägerin nämlich eine erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingetretene Tatsache geltend, deren Berücksichtigung dem Berufungsgericht gemäß § 63 Abs 1 ASGG iVm § 482 ZPO verwehrt war.
Zu Unrecht wendet sich die Klägerin auch gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.
Die Erklärung, ein Probearbeitsverhältnis zu lösen, die der Gegenseite erst nach Ablauf der zulässig bedungenen Probezeit zugeht, ist je nach den Umständen als Entlassung oder als Kündigung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Arbeitsverhältnisses anzusehen (vgl. Martinek-Schwarz Angestelltengesetz6 361 mwN). Gleiches muß für die Lösungserklärung dann gelten, wenn ein Probearbeitsverhältnis überhaupt nicht vereinbart wurde. Mit der rechtswidrigen Erklärung, das Probearbeitsverhältnis zum 31. August 1986 aufzulösen, hat die Beklagte, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die im § 29 AngG genannten Rechtsfolgen ausgelöst, die mit einer ungerechtfertigten Entlassung verbunden sind. Das Arbeitsverhältnis wurde daher zum 31. August 1986 zur Auflösung gebracht, doch behielt die Klägerin ihren Anspruch auf Entgelt für den Zeitraum, der bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des ohne Vereinbarung eines bestimmten Endtermines und damit auf unbestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnisses durch eine frist- und termingerechte Kündigung hätte verstreichen müssen (vgl. Arb. 10.305 = SZ 56/176 = JBl. 1985, 120 = RdW 1984, 149; Arb. 10.405 = RdW 1985, 349; Arb. 10.409 = JBl. 1986, 64; RdW 1987, 96 sowie Martinek-Schwarz aaO 401 f mwH). Die Beklagte bekämpft hingegen mit ihren Revisionsausführungen ausschließlich die im Revisionsverfahren nicht angreifbare Beweiswürdigung des Erstgerichtes, indem sie ein Vollmachtsverhältnis zwischen der Klägerin und Dr. L*** schon am 22. August 1986 unterstellt, ferner ein Einverständnis der Klägerin bzw. ihres Gatten mit der einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses anläßlich eines Telefonats bzw. einer Besprechung vom 26. August 1986 annimmt und schließlich davon ausgeht, ein auf 3 Monate befristetes Probedienstverhältnis sei vereinbart worden.
Beiden Revisionen war daher ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO.
Anmerkung
E13647European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00014.88.0316.000Dokumentnummer
JJT_19880316_OGH0002_009OBA00014_8800000_000