Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dkfm. Reinhard Keibl und Alfred Klair als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helga W***, Angestellte, Wien 20., Klosterneuburgerstraße 127/32, vertreten durch Dr. Georg Josef Reich, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei C*** Vertriebsgesellschaft mbH, Hallein, Bruderlochweg 5, vertreten durch Dr. Erich Zeiner, Dr. Hans Georg Zeiner und Dr. Norbert Pirker, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 166.387 brutto abzüglich S 31.808,57 netto sA und Ausstellung eines Dienstzeugnisses (Streitwert S 2.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 12. November 1987, GZ 34 Ra 22/87-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 25. Juli 1985, GZ 7 Cr 147/84-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 5.657,85 (darin S 514,35 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, weil es auf die Frage, ob die Klägerin an den Vortagen noch weitere Kunden besucht und ob sie jahrelang anstandslos gearbeitet hatte, aus rechtlichen Erwägungen nicht ankommt.
Im übrigen ist die Begründung des Berufungsgerichtes hinsichtlich des streitentscheidenden Umstandes, ob die Klägerin frei von Willensmängeln und insbesondere ohne rechtswidrigen Druck kündigte, zutreffend. Es reicht daher aus, auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG). Ergänzend ist auszuführen, daß die Revisionswerberin nicht von den Feststellungen ausgeht, soweit sie unterstellt, beiden Parteien sei bekannt gewesen, daß sie keine Kündigungserklärung abgeben habe wollen. Das Erstgericht hielt vielmehr ausdrücklich fest, daß sich das Gespräch der Klägerin mit dem Geschäftsführer der Beklagten in einer eher ruhigen Atmosphäre abgespielt und die Klägerin nach einer kurzen Überlegungszeit das vorbereitete Kündigungsschreiben (Beilage 4) unterfertigt habe. Sie sei dabei in ihrer Willensbildung nicht eingeschränkt gewesen und es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, daß sie über den Inhalt des Kündigungsschreibens nicht voll im klaren gewesen sei oder daß sie über die Folgen der Auflösung des Arbeitsverhältnisses einem Irrtum unterlegen wäre.
Eine mit Willensmängeln behaftete Kündigung kann zwar nicht ohne weiteres widerrufen, jedoch wie jedes andere Rechtsgeschäft nach den allgemeinen Regeln angefochten werden (Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser ArbR2 I 191; vgl. auch Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches ArbR I 171 f; Arb. 8.669, 10.155 mwH). Nach den maßgeblichen Feststellungen konnte die Klägerin aber nicht nachweisen, daß ihr bei Abgabe ihrer Unterschrift zur Kündigungserklärung ein Geschäftsirrtum im Sinne des § 871 ABGB unterlaufen wäre. Auch der weitere Einwand der Klägerin, es hätte ihr vom Geschäftsführer der Beklagten gar nicht gesagt werden dürfen, daß ein Entlassungsgrund vorliege, weil sie dadurch in Irrtum geführt worden sei, verläßt den Boden der Feststellungen. Die Klägerin täuschte nämlich durch ihre falschen Besuchs- und Reiseberichte unbestritten für zwei Tage Tätigkeiten vor, die sie an diesen Tagen tatsächlich nicht erbracht hatte. Die internen Erhebungen des Geschäftsführer der Beklagten ergaben, daß die Klägerin in der fraglichen Zeit trotz Verrechnung der Reisespesen keine Kundenbesuche durchgeführt hatte. Da der Geschäftsführer der Beklagten dadurch begründet zur Annahme gelangte, die Klägerin habe einen Entlassungsgrund gesetzt (vgl. Kuderna, Entlassungsrecht 88 f; RdW 1986, 250; 14 Ob A 65/87), stand es ihm auch zu, vor dem Ausspruch der Entlassung ein Gespräch mit der Klägerin darüber herbeizuführen, ob sie sich tatsächlich eines pflichtwidrigen Verhaltens schuldig gemacht habe (vgl. Arb. 9.906). Soweit der Geschäftsführer der Beklagten ihr gegenüber die Ansicht vertrat, es liege ein Entlassungsgrund vor, kann ihm eine rechtswidrige Druckausübung schon deshalb nicht angelastet werden, weil er mit der Entlassung der Klägerin nur von einem gesetzlich eingeräumten Recht Gebrauch gemacht hätte (4 Ob 105/82). Wenn die Klägerin daher, um dem Risiko einer gerechtfertigten Entlassung zu entgehen, selbst kündigte, kann sie nicht mit Erfolg einwenden, sie sei dazu durch rechtswidrigen Druck veranlaßt worden. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E13636European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00053.88.0316.000Dokumentnummer
JJT_19880316_OGH0002_009OBA00053_8800000_000