TE OGH 1988/3/22 10ObS67/88

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Veröffentlicht am 22.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Franz Zörner und Kurt Wuchterl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Brigitte H***, Pensionistin, 4311 Schwertberg, Brucknerweg 6, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A*** (Landesstelle Linz), 1092

Wien, Roßauer Lände 3, vertreten durch Dr.Kurt Scheffenegger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Dezember 1987, GZ. 12 Rs 1151/87-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 7.September 1987, GZ. 12 Cgs 193/87-16, teilweise bestätigt und abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Nach den wesentlichen erstgerichtlichen Feststellungen leidet die am 24.6.1960 geborene Klägerin seit dem 18.Lebensjahr an Schizophrenie, weshalb sie von September 1978 bis August 1986 13mal in stationärer Pflege des Wagner-Jauregg-Krankenhauses war. Seither lebt sie in der geschützten Atmosphäre des Elternhauses, wo sie von den Eltern in den täglichen Belangen angehalten und geführt wird. Wäre sie in einer eigenen Wohnung auf sich gestellt, würde sie innerhalb kürzester Zeit überfordert sein und psychisch dekompensieren. Sie braucht das geschützte häusliche Milieu daher, um vor Rückfällen gesichert zu sein. Die Klägerin wäre zwar grundsätzlich in der Lage, die dauernd wiederkehrenden lebensnotwendigen Verrichtungen selbst auszuführen, muß aber dazu angehalten und angeleitet werden. Insbesondere muß die dreimal täglich notwendige Einnahme eines bestimmten lebenswichtigen Medikamentes kontrolliert werden. Weiters ist es nötig, sie zur täglichen Körperpflege anzuhalten und zu den erforderlichen Hausarbeiten anzuleiten. Während eines Krankheitsschubes bedarf sie der stationären Pflege in einem Krankenhaus, sie ist aber auch zwischen den Schüben kritik- und antriebslos, weshalb sie auch daheim zwar nicht rund um die Uhr, wohl aber für die Überwachung der regelmäßigen Medikamenteneinnahme und zur Anleitung bei der Körperpflege und bei den Hausarbeiten eine Aufsichtsperson benötigt. Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung eines Hilflosenzuschusses (zur ab 1.8.1986 gewährten Invaliditätspension von 2.881 S) ab 4.7.1986 gerichtete Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß die Klägerin keiner Wartung undnicht ständig der Hilfe bedürfe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin größtenteils Folge, erkannte das Klagebegehren ab 1.8.1986 als dem Grunde nach zu Recht bestehend und trug der beklagten Partei auf, der Klägerin ab 1.8.1986 eine vorläufige Zahlung von monatlich 2.345 S zu erbringen. Die Klägerin brauche den intensiven Kontakt zu einer Pflegeperson und die gänzliche Einordnung in ein geschütztes häusliches Milieu. Sie bedürfe daher ständiger Wartung und sei deshalb hilflos im Sinne des § 105 a ASVG.

Dagegen richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit den Anträgen, das angefochtene Urteil durch gänzliche Abweisung des Klagebegehrens abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.

Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin verweist zutreffend auf die ständige Rechtsprechung des erkennenden Senates (siehe zB JBl 1988, 64), daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur angenommen werden kann, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Leistungsbeziehers üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind wie der begehrte Zuschuß.

Dies trifft aber hier zu. Die Klägerin ist nach den rechtlich zu beurteilenden Feststellungen auch zwischen den Krankheitsschüben so antriebslos, daß sie zwar nicht rund um die Uhr, aber für die Überwachung der täglich dreimal nötigen Medikamenteneinnahme und zur Anleitung bei der Körperpflege und bei den Hausarbeiten, also praktisch zu allen lebensnotwendigen Verrichtungen, einer Pflegeperson bedarf.

Unter diesen Umständen kann kein Zweifel daran bestehen, daß die Klägerin für diese notwendigen Pflegeleistungen im Monatsdurchschnitt mehr als 2.735 S (monatlicher Durchschnitt des ihr im Jahre 1986 zustehenden Hilflosenzuschusses), das sind pro Tag rund 90 S, aufwenden müßte. Daß die Kosten der ständigen Wartung derzeit geringer sein werden, weil die Pflegepersonen, bei denen es sich um die Eltern der Klägerin handelt, für die Pflegeleistungen wahrscheinlich weniger oder nichts verlangen werden, ändert nichts daran, daß die Hilflosigkeit das im § 105 a Abs 1 ASVG umschriebene Ausmaß erreicht. Der Umstand, daß Angehörige zur Betreuung vorhanden sind, ist nämlich für den Anspruch auf Hilflosenzuschuß ohne Bedeutung (so die schon zitierte ständige Rechtsprechung und Tomandl, Der sozialversicherungsrechtliche Schutz bei Hilflosigkeit in Die Minderung der Leistungsfähigkeit im Recht der Sozialversicherung 109 (131) mwN).

Der gegen die im Ergebnis richtige Berufungsentscheidung gerichteten Revision war daher nicht Folge zu geben.

Anmerkung

E13672

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00067.88.0322.000

Dokumentnummer

JJT_19880322_OGH0002_010OBS00067_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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