Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Kurt Wuchterl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Rosa P***, Angestellte, 4040 Linz, Altlichtenberg 57, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei O***
G***, 4010 Linz, Gruberstraße 77, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Krankengeld, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 5. Oktober 1987, GZ 13 Rs 1061/87-39, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 3. April 1987, GZ 13 Cgs 1/87-30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erlitt am 16. November 1984 einen Verkehrsunfall. Die beklagte Partei bezahlte ihr wegen der Folgen dieses Verkehrsunfalles bis 5. August 1985 Krankengeld.
Die Klägerin begehrte zuletzt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr das Krankengeld im gesetzlichen Ausmaß für die Zeit vom 5. August bis 4. September 1985 und ab 27. Oktober 1985 zu bezahlen. Die Unterbrechung des Zeitraums, für den Krankengeld begehrt wird, geht offensichtlich darauf zurück, daß die Klägerin in der entsprechenden Zeit Arbeitsentgelt erhielt (vgl. das Vorbringen der beklagten Partei in der Klagebeantwortung).
Im Laufe des Verfahrens kam hervor, daß die Klägerin wegen des Verkehrsunfalls an Harninkontinenz leiden könnte. Die Klägerin gab hiezu in der mündlichen Verhandlung auf "informatives Befragen" durch das Erstgericht an, daß ihr Blasenleiden laut Auskunft der sie behandelnden Ärzte irreparabel sei. Eine Behandlung werde nicht möglich sein. Eine Operation komme nicht in Betracht, weil das Risiko einer vollständigen Lähmung bestehe. Sie müsse ständig Windeln tragen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Klägerin erlitt bei dem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. Am 5. August 1985 waren bei der Klägerin wegen des Unfalls noch eine Syringomyelie, degenerative Veränderungen an der Halswirbelsäule, die gelegentlich zu Schmerzzuständen im Nackenbereich führen, und psychische Veränderungen vorhanden. Während die Syringomyelie und die psychischen Veränderungen keiner Behandlung bedurften, war wegen der Nackenschmerzen eine Physikotherapie notwendig, die ohne Gefahr einer Verschlechterung neben der beruflichen Tätigkeit der Klägerin hätte durchgeführt werden können. Die Klägerin, die als Hilfskraft in einem Zahnambulatorium tätig war, hätte diese Tätigkeit ab 5. August 1985 ohne Gefahr einer Verschlechterung der Beschwerden oder für den Erfolg der Physikotherapie wieder ausüben können.
Die Klägerin hat als Folge des Unfalls außerdem Blasenbeschwerden in Form einer Streß-Inkontinenz mit deutlicher Urge-Komponente. Sie muß ständig Windeln tragen. Eine Behandlung ist nicht möglich, das Blasenleiden ist irreparabel. Insbesondere kommt eine Operation wegen des damit verbundenen Risikos einer vollständigen Lähmung nicht in Betracht.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt dahin, daß zwar bei der Klägerin zum 5. August 1985 und auch nachher eine Krankheit vorgelegen sei. Trotzdem habe sie aber keinen Anspruch auf Krankengeld, weil die Notwendigkeit der Krankenbehandlung auf ein die Arbeitsfähigkeit nicht mehr beeinträchtigendes Maß herabgesunken gewesen sei. Sie hätte ihre frühere berufliche Tätigkeit wieder ausüben können. Die Krankenbehandlung wäre neben dieser Tätigkeit möglich gewesen. Das Blasenleiden begründe keinen Anspruch auf Krankengeld, weil es unbehebbar sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge. Es war der Meinung, daß zur Frage, ob das Blasenleiden der Klägerin mit Erfolg behandelt werden könne, keine Beweise hätten aufgenommen werden müssen. Die Klägerin, die im Verfahren vor dem Erstgericht qualifiziert im Sinn des § 40 Abs 1 ASGG vertreten gewesen sei, habe dadurch, daß sie bei der informativen Befragung angegeben habe, ihr Blasenleiden sei laut ärztlicher Auskunft irreparabel und unbehebbar, gemäß § 87 Abs 3 ASGG iVm den §§ 366 und 267 ZPO zulässigerweise eine entscheidungswesentliche Tatsache zugestanden und daher der Notwendigkeit einer Beweisführung entzogen. Der Verfahrensmangel, den die Klägerin darin erblicke, daß das Erstgericht zur Frage, ob ihr Blasenleiden behandelbar sei, nicht (von Amts wegen) ein urologisches bzw. gynäkologisches Fachgutachten eingeholt habe, liege daher nicht vor. Die Rechtsrüge sei nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil sie nicht von dem von der Klägerin wirksam zugestandenen Sachverhalt ausgehe.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und des Verfahrens erster Instanz mit dem Antrag, es aufzuheben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und zur neuerlichen Entscheidung an die Unterinstanzen zurückzuverweisen oder es allenfalls aufzuheben und das Ersturteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin macht als Verfahrensmangel ausschließlich geltend, daß zu ihrem Blasenleiden ein fachärztliches Gutachten hätte eingeholt werden müssen. Dies hat sie schon als Mangel des Verfahrens erster Instanz zum Gegenstand ihrer Berufung gemacht. Das Berufungsgericht kam zur Ansicht, daß der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliege.
Es ist ständige Rechtsprechung, daß ein Mangel des Verfahrens erster Instanz, dessen Vorliegen vom Berufungsgericht verneint wurde, mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden kann (ÖBl 1984, 109; EFSlg. 49.387 ua). Dies gilt auch in Sozialrechtssachen (JBl 1988, 196 uva). Da sich die Revision in der Behauptung eines vom Berufungsgericht schon verneinten Mangels des Verfahrens erster Instanz erschöpft, kann ihr ein Erfolg nicht beschieden sein.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E13878European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00161.87.0322.000Dokumentnummer
JJT_19880322_OGH0002_010OBS00161_8700000_000