Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Franz Zörner und Kurt Wuchterl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. Kurt R***, Richter, 8010 Graz, Steyrergasse 25 a/8/48, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei V*** Ö*** B*** (BVA), 1081 Wien,
Josefstädter Straße 80, vertreten durch Dr. Hans Houska, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung als Dienstunfall, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Dezember 1987, GZ 8 Rs 1107/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18. Mai 1987, GZ 32 Cgs 1006/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 14. Jänner 1986 trat der Kläger, ein Richter des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, nach Beendigung seines Dienstes gegen 16.45 Uhr von seiner Dienststätte in der Conrad v. Hötzendorf-Straße den Heimweg an. Er ging auf der genannten Straße stadteinwärts, bog aber nicht in die erste Seitengasse, die Steyrergasse, in der er wohnt, ein, sondern ging auf der Conrad v. Hötzendorf-Straße bis zur nächsten Seitengasse, der Brockmanngasse, die etwa 80 m weiter stadtwärts liegt als die Steyrergasse. Im Postamt in der Brockmanngasse gab er Privatbriefe auf und zahlte einen Geldbetrag ein. Als er nach dem Verlassen des Postamtes im Bereich der Brockmanngasse die Conrad v. Hötzendorf-Straße überquerte, wurde er von einem PKW niedergestoßen und schwer verletzt.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 1986 sprach die beklagte Partei aus, daß der Vorfall vom 14. Jänner 1986 nicht als Dienstunfall nach § 90 B-KUVG anerkannt werde und daß Leistungen nach den §§ 88 ff dieses Gesetzes nicht gewährt würden.
Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, daß der Vorfall vom 14. Jänner 1986 ein Dienstunfall sei und die Verurteilung der beklagten Partei, ihm für die Folgen seines Dienstunfalles ab 14. April 1986 eine Versehrtenrente im Ausmaß von 100 v.H. der Vollrente zu leisten. In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung am 18. Mai 1987 schränkte der Kläger seine Klage um das Leistungsbegehren auf das Feststellungsbegehren ein.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß sich der Unfall nicht auf dem Heimweg, sondern auf einem nicht versicherten Umweg ereignet habe.
Das Berufungsgericht gab der wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge und begründete dies damit, daß der Gang zum Postamt keine Variante des Heimweges, sondern ein ausschließlich im eigenwirtschaftlichen Interesse unternommener Umweg gewesen sei, auf dem der Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit aufgehoben gewesen sei. Diese Besorgung habe auch das Unfallsrisiko erhöht, weil auf dem Hin- und Rückweg jeweils die stark frequentierte, durch den selbständigen Gleiskörper der Straßenbahn auch unübersichtliche Conrad v. Hötzendorf-Straße zu überqueren gewesen sei. Es sei richtig, daß kurzdauernde eigenwirtschaftliche Tätigkeiten den Zusammenhang zwischen Betriebstätigkeit und Weg nicht endgültig lösten, so daß nach der Unterbrechung der restliche Weg wiederum versichert sei. Damit sei jedoch für den Kläger nichts gewonnen, weil sich der Unfall ereignet habe, bevor er den üblichen Heimweg wieder erreicht habe.
Das Berufungsgericht sprach unter Berufung auf § 46 Abs 2 Z 2 ASGG aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 30.000,- S übersteigt.
Dagegen richtet sich die Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache - diesem Revisionsgrund sind auch die als "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" geltend gemachten Feststellungsmängel zuzuordnen - mit den Anträgen, eine Verhandlung über die Revision anzuberaumen und das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern, allenfalls aufzuheben. Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Dienstunfälle sind Unfälle, die sich im örtlichen, zeitlichen und ursächlichen Zusammenhang mit dem die Versicherung begründenden Dienstverhältnis oder mit der die Versicherung begründenden Funktion ereignen (§ 90 Abs 1 B-KUVG). Dienstunfälle sind auch Unfälle, die sich ereignen: auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg zur oder von der Dienststätte (Abs 2 Z 1 der zit. Gesetzesstelle); ...; auf einem mit der unbaren Überweisung des Entgelts zusammenhängenden Weg von der Dienststätte oder der Wohnung zu einem Geldinstitut zum Zweck der Behebung des Entgelts und anschließend auf dem Weg zurück zur Dienststätte oder zur Wohnung (Abs 2 Z 7 leg. cit.); ..
Bereits aus der wiedergegebenen Gesetzesstelle ergibt sich unzweifelhaft, daß sich der Unfall des Klägers vom 14. Jänner 1986 nicht auf einem mit dem Dienstverhältnis zusammenhängenden Weg von seiner Dienststätte zu seiner Wohnung ereignete, sondern auf einem mit dem Dienstverhältnis nicht zusammenhängenden Abstecher - in der deutschen Lehre und Rechtsprechung als "Abweg" bezeichnet - vom Heimweg zu einem Postamt zum ausschließlich privaten Zweck der Briefaufgabe und der Einzahlung eines Geldbetrages bzw. auf dem Weg vom Postamt zurück zum üblichen Heimweg.
Die Revisionsausführungen verkennen, daß der Weg von der Dienststätte zur Wohnung nach dem Überqueren der Kreuzung der Conrad
v. Hötzendorf-Straße mit der Steyrergasse unterbrochen und sodann ein Weg eingeschoben wurde, der nicht die Wohnung des Klägers, sondern ein Postamt zum Ziel hatte, und sodann nicht mehr von der Dienststätte, sondern von diesem Postamt dorthin zurückführen sollte, wo der von der Dienststätte angetretene Heimweg unterbrochen wurde. Daß Briefaufgabe und Geldeinzahlung auf dem Postamt ausschließlich private Besorgungen waren, wurde vom Berufungsgericht ebenso zutreffend ausgeführt wie, daß sich der Unfall ereignete, bevor der Kläger dorthin zurückgelangt war, wo er den von seiner Dienststätte angetretenen Heimweg unterbrochen hatte. Der Unfall ereignete sich daher während einer ausschließlich privaten Verrichtungen dienenden, nicht unerheblich und daher nicht versicherten Unterbrechung des Heimweges. Ob ab dem Erreichen der Kreuzung der Conrad v. Hötzendorf-Straße mit der Steyrergasse die Unterbrechung aufgehoben und der weitere Heimweg wieder versichert gewesen wäre, war daher nicht mehr zu prüfen.
Diese Auslegung ist auch deshalb geboten, weil die taxaktive Regelung des § 90 Abs 2 B-KUVG einer ausdehnenden Auslegung entgegensteht.
Auf die Revisionsausführungen, die sich mit dem Unfallversicherungsschutz von Personen beschäftigen, die den Weg zur oder von der Dienststelle mit einem Kraftfahrzeug zurücklegen, ist nur zu erwidern, daß der Kläger am Unfallstag zu Fuß unterwegs war. Der ausreichend festgestellte Sachverhalt wurde daher vom Berufungsgericht rechtlich zutreffend beurteilt, weshalb der Revision nicht Folge zu geben war.
Die vom Revisionswerber beantragte mündliche Verhandlung erschien dem Revisionsgericht nicht erforderlich, weshalb über die Revision nicht in öffentlicher Sitzung ohne vorhergehende mündliche Verhandlung zu entscheiden war (§ 509 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
Anmerkung
E13673European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00066.88.0322.000Dokumentnummer
JJT_19880322_OGH0002_010OBS00066_8800000_000