TE OGH 1988/3/23 3Ob598/87

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Veröffentlicht am 23.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Kellner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Alois B***, Landwirt, Sierning, Scharmühlstraße 2, vertreten durch Dr. Josef Lechner, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagten Parteien 1) Reinhard A***, Angestellter, Steyr, Schuhmeierstraße 5, 2) Josef B***, Kaufmann, Steyr, Krakowitzerstraße 6, und 3) M*** Versicherungsgesellschaft, Wien 1., Concordiaplatz 2, alle vertreten durch Dr. Walter Lanner, Rechtsanwalt in Steyr, wegen 1,713.208,17 S s.A. und Zahlung einer Rente von monatlich 45.205,06 S infolge Rekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11.November 1987, GZ 4 R 250/87-52, womit die Berufung der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Kreisgericchtes Steyr vom 17.Juni 1987, GZ 1 Cg 14/83-45, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird ersatzlos aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rekurses sind als weitere Kosten des Berufungsverfahrens zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit Teilurteil vom 17.Juni 1987 verurteilte das Erstgericht die beklagten Parteien unter anderem zur Zahlung von 1,049.899,26 S s.A. Den Entscheidungsgründen ist zu entnehmen, daß dieser Betrag die Summe eines Schmerzengeldbetrages von 270.000 S, eines Betrages für diverse Schäden von 70.746,48 S und eines Verdienstentganges von 709.252,78 S darstellt (Zusammenstellung in S 37 des Teilurteils). An früherer Stelle konnte den Entscheidungsgründen entnommen werden, daß dieser Betrag zwar den Verdienstentgang des Klägers darstelle, daß aber hievon die Leistungen des Sozialversicherers von 87.710,40 S und 60.141,61 S abzuziehen seien, sodaß aus diesem Titel ein Direktanspruch des Klägers von 561.400,77 S bestehe (S 36 des Teilurteiles). - Dieses Teilurteil wurde dem Beklagtenvertreter am 26. Juni 1987 zugestellt.

Mit Beschluß vom 3.August 1987 berichtigte das Erstgericht den Spruch des Teilurteiles dahin, daß die beklagten Parteien nur zur Zahlung von 902.047,25 S samt Anhang verurteilt werden, und in den Gründen S 37 dahin, daß der Verdienstentgang nicht 709.252,78 S sondern 561.400,77 S und der Gesamtschade daher nicht 1,049.899,26 S sondern 902.047,25 S betrage. - Der Berichtigungsbeschluß wurde dem Beklagtenvertreter am 18.August 1987 zugestellt. - Zugleich mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses wurde der Beklagtenvertreter aufgefordert, die Urteilsausfertigung zur Berichtigung vorzulegen. - Der Beklagtenvertreter kam diesem Auftrag nach. Eine berichtigte Ausfertigung des Teilurteiles wurde ihm am 2. September 1987 zugestellt.

Das Berufungsgericht wies die am 30.September 1987 überreichte Berufung der beklagten Parteien als verspätet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Berufungsfrist durch den Berichtigungsvorgang nicht verlängert worden sei, also der letzte Tag der Berufungsfrist der 4. September 1987 gewesen sei. Selbst wenn man davon ausginge, daß die Berufungsfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen angefangen habe, sei die Berufung verspätet.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den Zurückweisungsbeschluß erhobene Rekurs der beklagten Parteien ist berechtigt.

Im Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteiles auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Im Spruch 8 neu (SZ 2/145) wurde ausgesprochen, daß im Fall einer Urteilsberichtigung die von der Zustellung des Urteiles abhängigen Rechtsmittelfristen erst durch die Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung in Gang gesetzt werden. Dieser Grundsatz wurde in der Folge dahin eingeschränkt, daß die Entscheidungsberichtigung dann keinen neuen Fristenlauf auslöse, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohe die Berichtigung keinen Zweifel am wirklichen Inhalt des richterlichen Willens haben konnte und die Berichtigung zu dessen Klärung nichts beitragen kann (SZ 27/219 ua).

Es ist richtig, daß in einigen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes zum Ausdruck kommt, ein solcher Fall sei dann gegeben, wenn dem Rechtsmittelwerber während des Laufes der Berufungsfrist mit einem Berichtigungsbeschluß der wahre Entscheidungswille mitgeteilt werde, weil dann alle möglichen Zweifel behoben seien (RZ 1983/5, 4 Ob 55/82). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung aber nicht an. Entweder der Inhalt des Urteiles ist trotz eines vorhandenen Schreibfehlers oder dergleichen von Anfang an völlig klar, dann ist zwar eine Berichtigung nicht unzulässig, aber sie ist dann, aber nur dann, ohne Einfluß auf die Rechtmittelfristen. Oder der wirkliche Inhalt des Urteiles ist nicht klar, dann beginnt die Berufungsfrist erst nach der Zustellung des berichtigten Urteiles zu laufen. Erst mit der Zustellung der berichtigten Entscheidung erfahren die Parteien, daß der Berichtigungsbeschluß in Rechtskraft erwachsen ist. Für Zweifelsfälle genügt daher die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses noch nicht, um die erwähnte Einschränkung der Grundsätze des Spruches 8 neu anzunehmen. Eine dritte Gruppe von Fällen zu schaffen, in denen zwar von Anfang an Zweifel bestanden, diese aber schon durch die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses behoben wurden, ist nicht zielführend. Mit Recht verweist Fasching (Lehr- und Handbuch Rz 1567) darauf, daß eine zu weitgehende Differenzierung von den Parteien im Einzelfall hellseherische Fähigkeiten erfordern würde und der Rechtssicherheit nicht dienlich sein kann.

Im vorliegenden Fall konnte die unberichtigte Urteilsausfertigung immerhin auch so verstanden werden, daß dem Kläger im Rahmen seines Begehrens auf Ersatz des Verdienstentganges nicht nur der sogenannte "Direktanspruch" zuzusprechen sei. Ein völlig zweifelsfreier Entscheidungswille im Sinne der obigen Ausführungen lag also nicht vor. Das Berichtigungsverfahren löste damit einen neuen Lauf der Berufungsfrist aus, und zwar mit der Zustellung des berichtigten Urteiles, sodaß die Berufung der beklagten Parteien rechtzeitig ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 52 Abs. 1 ZPO.

Anmerkung

E13754

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0030OB00598.87.0323.000

Dokumentnummer

JJT_19880323_OGH0002_0030OB00598_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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