TE OGH 1988/3/24 7Ob9/88

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Veröffentlicht am 24.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Max B*** & Co., Innsbruck, Franz-Fischerstraße 26, vertreten durch DDr. Armin Santner und Dr. Peter Lechner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B***,

Landesdirektion Tirol, Innsbruck, Bozenerplatz 7, vertreten durch Dr. Herbert Hillebrandt und Dr. Walter Heel, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 380.730,30 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 25. November 1987, GZ 3 R 324/87-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 31. Juli 1987, GZ 10 Cg 128/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der Klägerin die mit S 13.036,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.185,15 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist bei der Beklagten mit ihrem Installationsbetrieb betriebshaftpflichtversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 1963) zugrunde. Nach Art. 1 Abs. 1 dieser Versicherungsbedingungen gewährt der Versicherer Versicherungsschutz, falls der Versicherungsnehmer wegen eines Ereignisses, das seinen in der Polizze angegebenen Eigenschaften, Tätigkeiten oder Rechtsverhältnissen (versichertes Risiko) entspringt und einen Personenschaden oder eine Sachbeschädigung zur Folge hat (Schadensereignis), aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes von einem Dritten als schadenersatzpflichtig in Anspruch genommen wird. Unter Sachbeschädigung ist hiebei die Beschädigung oder Vernichtung körperlicher Sachen zu verstehen. Nach Art. 5 II c AHVB 1963 fallen unter die Versicherung nicht Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel. Der Kläger hatte auftragsgemäß in einem Wohnhaus in Igls die gesamten Heizungs-, Lüftungs- und Sanitärinstallationen durchzuführen. Die Leistungen erfaßten auch die Lieferung und den Einbau eines Boilers. Nach Beendigung der Arbeiten der Klägerin trat im Frühjahr 1983 eine erhebliche Durchfeuchtung der Bodenkonstruktion des Kellers und der Wände des Wohnhauses auf. Es war von vornherein klar, daß die Ursache dieser Durchfeuchtung entweder in einer undichten Stelle der Sperrbetonwanne oder in einer Undichtheit der von der Klägerin errichteten Installationen liegen mußte. Wegen der mit einer Überprüfung der Sperrbetonwanne verbundenen hohen Kosten wurde die Klägerin zunächst beauftragt, die von ihr erstellten Installationen auf Dichtheit zu überprüfen, um ausschließen zu können, daß die Ursache der Durchfeuchtung im Installationssystem liege. Die Klägerin führte diese Überprüfung durch und erklärte die Installationen für dicht. Bei der Überprüfung des Boilers ging man jedoch unfachmännisch vor, weshalb nicht erkannt wurde, daß die Ursache der Durchfeuchtung in diesem Gerät lag. Infolge der Erklärung der Klägerin, die Installationen seien dicht, wurde die Ursache der Durchfeuchtung in der Sperrbetonwanne gesucht, jedoch nicht gefunden. Die wirkliche Ursache wurde erst durch einen in der Folge beigezogenen Sachverständigen in dem von der Klägerin unsachgerecht und sorglos überprüften Boiler gefunden. Wegen des oben geschilderten Sachverhaltes nahmen die Eigentümer des Hauses die Klägerin zu 14 Cg 137/84 des Landesgerichtes Innsbruck wegen Schadenersatzes in Anspruch. Die Klägerin wurde schuldig erkannt, den dortigen Klägern S 196.237,73 samt 6 % Zinsen seit 18. Jänner 1984 sowie S 39.954,62 an Kosten zu zahlen. Hiebei vertrat das Gericht die Rechtsansicht, die Klägerin habe bei der sorglosen Überprüfung des Boilers schuldhaft gehandelt, weshalb sie aus dem Titel des Schadenersatzes die Folgeschäden zu ersetzen habe. Am 9. März 1987 zahlte die Klägerin an die Hauseigentümer S 236.192,35 und am 25. März 1987 weitere S 42.226,-- an Zinsen. In diesem Verfahren sind ihr richtig und tarifmäßig verzeichnete Kosten in der Höhe von S 107.697,97 erwachsen. Auch diese Kosten hat die Klägerin gezahlt. Sie verlangt S 380.730,-- s.A. von der Beklagten aufgrund der bestehenden Haftpflichtversicherung.

Die Beklagte lehnte Zahlung mit der Begründung ab, es handle sich um einen durch die Versicherung nicht gedeckten Nachbesserungsschaden. Dieser Schaden sei ein reiner Vermögensschaden.

Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren mit Ausnahme eines nicht mehr strittigen Zinsenmehrbegehrens stattgegeben. Sie beurteilten den von der Klägerin ersetzten Schaden als Sachschaden im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AHVB 1963 und führten aus, die Klägerin hätte wegen eines Mängelfolgeschadens zahlen müssen. Hiebei handle es sich, ungeachtet der Nennung eines solchen Schadens im § 932 ABGB, nicht um einen Gewährleistungs- sondern um einen Schadenersatzanspruch. Schadenersatzansprüche seien aber von der Haftpflichtversicherung zu decken.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Im zivilgerichtlichen Verfahren gilt der sogenannte Verhandlungsgrundsatz. In derartigen Verfahren obliegt es den Parteien, die zur Anwendung einer Rechtsnorm erforderlichen Tatsachenbehauptungen aufzustellen (Fasching Zivilprozeßrecht Rz 874). Ein Verstoß gegen diese Behauptungslast führt in derartigen Verfahren zur Abweisung des Sachantrages (Fasching aaO, 877). Nur im Rahmen der aufgestellten Behauptungen hat das Rechtsmittelgericht, wenn eine Rechtsrüge erhoben worden ist, den festgestellten Sachverhalt nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Es ist aber weder seine, noch Aufgabe des Erstgerichtes, von Amts wegen Feststellungen in einer Richtung zu treffen, die durch das Parteienvorbringen nicht aufgezeigt wurde. Vor allem muß es einer Partei überlassen bleiben, jene Umstände aufzuzeigen, aus denen sie einen Anspruch oder die Vernichtung eines behaupteten Anspruches ableiten will. Insbesondere ist es Sache eines Versicherers, der aus einem Versicherungsvertrag in Anspruch genommen wird, jene Umstände klar darzulegen, die das Nichtbestehen oder die Vernichtung eines Versicherungsanspruches begründen sollen. Wenn daher der Versicherer in einem Deckungsprozeß für seine Bestreitung des behaupteten Deckungsanspruches nur ganz bestimmte Ausschlußtatbestände aus Versicherungsbedingungen anführt, so ist das Gericht weder verpflichtet noch berechtigt, den geltend gemachten Deckungsanspruch aus anderen Gründen abzuweisen.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte lediglich eingewendet, es liege kein Sachschaden im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AHVB 1963 vor. Die Klägerin habe außerdem nicht für Schadenersatz einstehen, sondern Gewähr leisten müssen.

Was die Frage des Begriffes des "Sachschadens" im Sinne des Art. 1 Abs. 1 AHVB 1963 anlangt, so haben die Vorinstanzen richtig ausgeführt, daß unter diesen Begriff sämtliche Folgen, die aus der Beschädigung oder Zerstörung einer Sache herrühren, also auch die sogenannten "unechten" Vermögensschäden, die als Folge einer Sachbeschädigung auftreten, fallen (Bruck-Möller-Johannsen VVG8 IV, 333). Es genügt die mittelbare Urheberschaft für die Herbeiführung des Schadens. Ein reiner Vermögensschaden wäre nur dann gegeben, wenn der geltend gemachte Anspruch nicht kausal auf eine Sachbeschädigung (oder einen Personenschaden) zurückzuführen ist. Die von der Beklagten vorgenommene Auslegung des Sachschadenbegriffes würde zu einer derart weitgehenden Einschränkung des Versicherungsschutzes führen, daß sie Haftpflichtversicherungen nahezu wertlos machen würde. Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Klägerin zum Ersatz von Schäden verurteilt worden ist, die als Folge ihrer Sorglosigkeit die Substanz fremden Vermögens wesentlich beeinträchtigt haben. Derartige Schäden fallen nach der oben dargelegten Definition unter den Begriff der Sachschäden.

Richtig ist, daß für reine Gewährleistungsansprüche kein Versicherungsschutz besteht. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten handelt es sich jedoch bei den im letzten Satz des § 932 ABGB genannten Ansprüchen nicht um Gewährleistungsansprüche, sondern um Schadenersatzansprüche. Daß die Bestimmung des § 932 ABGB infolge der Verweisung des § 1167 ABGB auch für Werkverträge gilt, ist allgemein anerkannt (Reischauer in Rummel, Rz 1 zu § 1167).

§ 932 ABGB will nur einen sich bereits aus den allgemeinen Regeln des § 1295 ABGB ergebenden und an die allgemeinen Voraussetzungen einer Schadenersatzpflicht gebundenen Schadenersatzanspruch - neben den Gewährleistungsansprüchen - vorbehalten (Gschnitzer in Klang2 IV/1, 545). Demnach handelt es sich bei derartigen Ansprüchen nicht um Gewährleistungsansprüche (SZ 28/233, JBl. 1948, 346 u.a.). Ausgeschlossen von der Versicherung sollen eben nur Erfüllungsansprüche oder Ansprüche auf Erfüllungssurrogate sein. Derartige Ansprüche sind die Ansprüche auf die Kosten der Mängelbehebung. Dazu gehören darüber hinausgehende Schäden nur dann, wenn sie zwangsläufig mit der Verbesserung verbunden sind (Bruck-Möller-Johannsen aaO, 332). Im übrigen wird in der Bundesrepublik Deutschland bei im wesentlichen gleicher Rechtslage die treffende Unterscheidung zwischen einer Änderung des Wesens der Sache bedingenden Eigenschaften durch Einwirkung auf ihre Substanz einerseits und mangelhafter Herstellung andererseits unterschieden. Bei letzterer wird nicht der vorhandene Wert verringert, sondern ein für die Zukunft erwarteter Wert nicht in ausbedungenem Maße hergestellt (Wussow AHB7, 84, Prölss-Martin VVG24, 937 f ua). Die Schäden, die die Klägerin ersetzen mußte, waren nicht zwangsläufig mit der Verbesserung des von ihr hergestellten Werkes verbunden. Sie betrafen auch nicht das von ihr hergestellte Werk, sondern andere Vermögenswerte dritter Personen. Demnach wurde die Klägerin auch nicht aus dem Titel der Gewährleistung, sondern aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung der durch ihre Sorglosigkeit entstandenen Schäden verurteilt. Daraus ergibt sich aber, daß bezüglich des geltend gemachten Anspruches der Risikoausschluß des Art. 5 II c AHVB 1963 nicht gegeben ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14248

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00009.88.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19880324_OGH0002_0070OB00009_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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