TE OGH 1988/3/24 7Ob8/88

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Veröffentlicht am 24.03.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann W***, Angestellter, Salzburg, Linzer Bundesstraße 92, vertreten durch Dr. Friedrich Lorenz und Dr. Peter H. Bönsch, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei M*** Wechselseitige Versicherungsanstalt, Graz, Neutorgasse 57, vertreten durch Dr. Ilse Großauer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 81.000,-- s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 19. November 1987, GZ 6 R 205/87-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 24. Juni 1987, GZ 17 Cg 377/85-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Anton W***, der Vater des Klägers, hat bei der Beklagten eine Krankenversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Krankheitskosten und Krankenhaustaggeldversicherung (AVB) zugrunde liegen. Der Kläger ist in dieser Versicherung mitversichert.

Nach § 5 Abs. 10 der AVB wird ein Krankenhaustagegeld (Krankenhausersatztagegeld) in Anstalten oder Abteilungen von Anstalten für Lungen- und TBC-Kranke nur für Aufenthalte geleistet, wenn der Aufenthalt im Anschluß an eine stationäre Heilbehandlung erfolgt und der Versicherer die Leistung vor Beginn schriftlich zugesagt hat.

Der Kläger hat sich in der Zeit vom 15. April 1985 bis 28. Juni 1985 als Patient in der Lungenstation der Zweiten medizinischen Abteilung und Lungenabteilung der Allgemeinen öffentlichen Krankenanstalt in Salzburg aufgehalten. Falls dieser Aufenthalt die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung eines Krankenhaustagegeldes begründen würde, steht die Höhe dieses Anspruches mit S 81.000,-- außer Streit.

Die Beklagte verweigert unter Hinweis auf § 5 Abs. 10 der AVB die Zahlung des begehrten Betrages von S 81.000,-- s.A. Im übrigen bestreitet sie die aktive Klagslegitimation mit der Behauptung, Versicherungsnehmer sei nicht der Kläger, sondern sein Vater. Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben. Sie stellten fest, daß es sich bei der Allgemeinen öffentlichen Landeskrankenanstalt in Salzburg nicht um eine Anstalt für Lungen- und TBC-Kranke handelt. Rechtlich führten sie aus, der Risikoausschluß gelte nur für Anstalten der letztgenannten Art. Zu der aktiven Klagslegitimation vertrat das Berufungsgericht die Rechtsansicht, der Kläger sei Begünstigter einer Versicherung für fremde Rechnung, weshalb er zur Geltendmachung der Versicherungsleistung dann legitimiert sei, wenn ihm der Versicherungsschein ausgehändigt worden ist. Davon müsse ausgegangen werden, weil er in diesem Verfahren den Versicherungsschein vorgelegt hat.

Das Berufungsgericht hat die Revision für zulässig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß es sich bei der strittigen Versicherung um eine vom Vater des Klägers teils für eigene, teils für fremde Rechnung abgeschlossene Familienversicherung handelt. Versicherungsnehmer ist der Vater des Klägers, während dieser selbst Versicherter ist. Bei der Versicherung auf fremde Rechnung stehen alle Rechte aus dem Versicherungsvertrag dem Versicherten zu (§ 75 Abs. 1 VersVG). Der Versicherte kann allerdings über seine Rechte ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nur verfügen und diese gerichtlich geltend machen, wenn er im Besitz des Versicherungsscheines (Versicherungspolizze) ist (§ 75 Abs. 2 VersVG). Hier hat der Kläger die in seinem Besitz befindliche Versicherungspolizze vorgelegt. Demnach ist seine Aktivlegitimation zu bejahen (SZ 52/65). Richtig ist, daß es sich bei der Bestimmung des § 75 VersVG um nachgiebiges Recht handelt und daher in Versicherungsbedingungen abweichende Bestimmungen über die Legitimation eines vom Versicherungsnehmer verschiedenen begünstigten Versicherten enthalten sein können. Werden solche Versicherungsbedingungen dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegt, so schließt dies, abweichend von § 75 VersVG, die Legitimation des Versicherten, der nicht Versicherungsnehmer ist, zur Geltendmachung von Leistungen aus dem Versicherungsvertrag aus.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte im gesamten erstgerichtlichen Verfahren nicht behauptet, daß bezüglich der Legitimationsfrage vom Versicherungsvertragsgesetz abweichende Vereinbarungen zwischen den Partnern des Versicherungsvertrages getroffen worden wären. Auch die vorgelegten Versicherungsbedingungen enthalten diesbezüglich nichts. Mit Recht ist daher das Berufungsgericht schon aufgrund der Bestimmung des § 75 VersVG von der Aktivlegitimation des Klägers ausgegangen. Richtig hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß der rein theoretischen Streitfrage, ob allgemeine Versicherungsbedingungen wie Gesetze oder nach den §§ 914 ff ABGB auszulegen sind, hier keine entscheidende Bedeutung zukommt. In beiden Fällen gelangt man nämlich zu dem Ergebnis, daß solche Bedingungen so auszulegen sind, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen aus dem angesprochenen Adressatenkreis erschließen. Versicherungsbedingungen sind, wenn sie nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen (EvBl. 1982/94, 7 Ob 522, 523/87 ua). Infolge Fehlens mündlicher Erörterungen bei den Vertragsverhandlungen ist von den vorgelegten Urkunden auszugehen. Allfällige unklare Ausdrücke in den vorgelegten Vertragsbedingungen gehen zu Lasten der Partei, von der die diesbezüglichen Urkunden und Formulierungen stammen (7 Ob 522, 523/87), im vorliegenden Fall also zu Lasten der Beklagten.

Betrachtet man den Wortlaut des § 5 Abs. 10 der AVB, so ist es zweifelsohne richtig, daß maßgebend für die Beurteilung der Frage des herangezogenen Risikoausschlusses nicht die Art der Krankheit, sondern lediglich die Art der Anstalt ist, in der die Krankheit behandelt wurde (VersR 1985, 74, 7 Ob 52/86). Weiter ergibt sich, aus der vorgenannten Bestimmung, daß Krankenhaustagegeld nur dann nicht geleistet wird, wenn die Behandlung in Anstalten oder Abteilungen von Anstalten für Lungen- und TBC-Kranke erfolgte. Ein unbefangener Leser der vorgenannten Bestimmung kann dies nur dahin verstehen, daß der Begriff "Anstalten für Lungen- und TBC-Kranke" grundsätzlich die Art der Anstalten angibt, für die der Risikoausschluß gilt, während sich die vorangegangenen Worte "Abteilungen von Anstalten" nur auf diese Art von Anstalten beziehen. Auch der auf der Hand liegende Sinn des Risikoausschlusses spricht für die von den Vorinstanzen gewählte Auslegung des § 5 Abs. 10 AVB. Der Versicherer will das Risiko für die Aufnahme in Anstalten bestimmter Art deshalb nicht tragen, weil die Aufenthalte in derartigen Anstalten in der Regel von weit überdurchschnittlicher Dauer sind. Demgemäß macht er Versicherungsleistungen von einer vorherigen Zusage abhängig. Für den Versicherten ist es aufgrund einer derartigen Formulierung der Versicherungsbedingungen klar, daß er mit Versicherungsschutz nicht unbedingt rechnen kann, wenn er sich in ganz bestimmte Anstalten begibt. Er kann daher vorher entsprechende Überlegungen anstellen und die erforderlichen Maßnahmen treffen. Begibt er sich dagegen in eine allgemeine Krankenanstalt, so ist es oft dem Zufall überlassen, in welcher Abteilung er behandelt wird. Vor allem wird ihm bei der Aufnahme in die Anstalt oft gar nicht die Art seiner Erkrankung bekannt sein, weshalb er nicht weiß, welche Abteilung der allgemeinen Krankenanstalt letzten Endes seine Betreuung und Behandlung übernehmen wird. Oft stellt es sich erst im Zuge länger dauernder Untersuchungen heraus, auf welche Weise die medizinische Versorgung zu erfolgen hat, wobei die Verlegung von einer Abteilung in eine andere nicht immer eine präzise Folge der medizinischen Diagnose sein muß. Würde man demnach der Auslegung der Beklagten folgen, so wäre der Anspruch des Versicherten auf Krankenhaustagegeld häufig zufälligen Umständen überlassen, auf die der Versicherte keinen Einfluß hat. Vielfach wird er gar nicht die Möglichkeit haben, im richtigen Moment zu beurteilen, ob er gegen den Versicherer einen Leistungsanspruch hat oder nicht. Nur eine klare Abgrenzung zwischen Anstalten für Lungen- und TBC-Kranke einerseits und anderen Anstalten andererseits kann für den Versicherten eindeutig Klarheit schaffen. Daß die Versicherungsbedingungen hier auch von Abteilungen sprechen, ist darauf zurückzuführen, daß Anstalten für Lungen- und TBC-Kranke nicht zur Gänze Krankenanstalten im Sinne des § 5 Abs. 8 AVB sein müssen. Vielfach handelt es sich hiebei um Anstalten, die weitgehend nur einer Rehabilitation dienen. Für akute Erkrankungen haben solche Anstalten aber eigene medizinische Abteilungen, die Heilbehandlungen im Sinne der AVB vornehmen. Der Wortlaut der AVB soll sicherstellen, daß der Risikoausschluß nicht nur für Anstalten für Lungen- und TBC-Kranke gilt, die zur Gänze der Heilbehandlung dienen, sondern auch für solche Anstalten, die zum Zwecke der Heilbehandlung nur einzelne Abteilungen haben. Da demnach feststeht, daß der stationäre Aufenthalt des Klägers in einer Anstalt stattgefunden hat, die nicht eine solche für Lungen- und TBC-Kranke ist, erweist sich sein Anspruch auf Krankenhaustagegeld als gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E14246

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00008.88.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19880324_OGH0002_0070OB00008_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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