TE OGH 1988/3/24 7Ob11/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.03.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto L***, Geschäftsmann, Neumarkt 92, vertreten durch Dr. Manfred Luger, Rechtsanwalt in Freistadt, wider die beklagte Partei C*** Versicherungs-Aktiengesellschaft, Wien 1., Börsegasse 14, vertreten durch Dr. Johannes Nino Haerdtl, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 17.000,-- s.A. infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. September 1987, GZ 11 R 137/87-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 9. Februar 1987, GZ 34 Cg 270/85-15, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 8.501,-- bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten S 1.538,-- Barauslagen und S 633,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat mit der beklagten Partei eine Maschinenbruchversicherung abgeschlossen, die die gesamte technische Betriebseinrichtung seines Betriebes, darunter eine EDV-Anlage, umfaßt. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Maschinen, maschinellen Einrichtungen und Apparaten (AMB - Maschinenbruchversicherung) zugrunde. Nach Art. 6 Abs. 2 lit. b dieser Bedingungen erfolgt die Ersatzleistung bei völliger Zerstörung einer versicherten Sache nach dem Wert, den sie einschließlich der Kosten für Fracht (exkl. Luftfracht), Zoll und Montage unmittelbar vor dem Schaden hatte (Zeitwert). Der Versicherungsnehmer hat die noch irgendwie verwertbaren Teile mit ihrem Schätzwert in Zahlung zu nehmen. Eine Sache gilt als völlig zerstört, wenn die Reparaturkosten deren Zeitwert am Schadentag erreichen oder übersteigen.

Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, daß am Plattenlaufwerk der EDV-Anlage des Klägers ein unter das versicherte Risiko fallender Schaden auftrat. Strittig ist nur noch die Höhe der Ersatzleistung des Versicherers. Gegen das auf Bezahlung von S 35.000,-- s.A. gerichtete Klagebegehren wendete die beklagte Partei unter anderem ein, daß eine völlige Zerstörung der versicherten Sache im Sinne des Art. 6 Abs. 2 lit. b der AMB vorliege, weil die Reparaturkosten den nur mehr mit S 3.000,-- anzunehmenden Zeitwert überstiegen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 8.800,-- s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 26.200,-- s.A. ab. Nach seinen Feststellungen käme eine Fehlerbehebung am Corvinus Winchester Plattenlaufwerk der EDV-Anlage des Klägers einer Generalreparatur der EDV-Anlage gleich, die einen Kostenaufwand von S 60.000,-- erfordern würde. Dies wäre unwirtschaftlich, weil ein Tauschlaufwerk nach neuerer Technologie bereits um S 43.200,-- zu haben ist. Der Kläger entschloß sich auch zum Austausch des Laufwerkes, wobei die Firma E***lektronik bereit war, ihm im Kulanzweg anstelle von S 43.200,--zuzüglich zweier Reparaturrechnungen für das alte Laufwerk von S 6.336,-- und S 8.092,-- einen Sondertauschpreis von S 48.000,-- zu verrechnen.

Die Lebensdauer eines Corvinus Winchester Plattenlaufwerkes beträgt ca. 7 Jahre. Unter Zugrundelegung einer 7jährigen Nutzungsdauer war der Zeitwert 3/7 vom Listenpreis von S 142.000,--, somit S 52.500,-- ohne Umsatzsteuer. Im Zeitpunkt des Schadenseintrittes war die Technologie des gegenständlichen Gerätes bereits veraltet. Der Verkaufswert an einen Händler, unter der Voraussetzung, daß sich überhaupt einer findet, der es kauft, hätte S 5.000,-- bis S 6.000,-- betragen. Eine allfällige Verkaufsspanne ist mit 30 bis 35 % anzusetzen. Ein Wiederbeschaffungswert ist nicht feststellbar, da zum Zeitpunkt des Schadenseintrittes eine Wiederbeschaffung des Gerätes durch die Firma E***lektronik nicht mehr möglich war. Zu berücksichtigen ist, daß im Jahre 1984 anstelle der 8-Zoll-Technologie die 5 1/4-Zoll-Technologie im Rahmen der sogenannten Winchester-Laufwerke zur Anwendung gebracht wurde. Das beschädigte Gerät hatte keinen Restwert.

Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei als Zeitwert im Sinne des Art. 6 Abs. 2 lit. b der AMB der Wiederbeschaffungswert bei einem seriösen Händler anzusehen. Bei einem Verkaufspreis von S 5.500,-- ergebe sich unter Berücksichtigung einer 33 %igen Händlerspanne ein Zeitwert von rund S 8.800,--.

Das Berufungsgericht änderte das nur in seinem abweisenden Teil angefochtene Ersturteil dahin ab, daß es dem Kläger insgesamt S 25.800,-- s.A. zuerkannte und das Mehrbegehren von S 9.200,-- abwies. Das Berufungsgericht erklärte die Revision für nicht zulässig.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes sei unter Zeitwert im Sinne der obgenannten Ersatzleistungsklausel der Versicherungsbedingungen der gemeine Wert zu verstehen. Dieser könne der Austauschwert, der Ertragswert oder der Herstellungswert sein. Habe die Sache keinen Verkehrswert - dieser Fall liege hier vor, weil das Gerät nicht mehr beschafft werden könne - so könne der gemeine Wert nur nach den Herstellungskosten ermittelt werden. Die Herstellungskosten seien dabei nach den im Zeitpunkt der Schädigung erforderlichen Mitteln festzulegen. Da die Sache jedoch der Abnützung unterliege, müsse berücksichtigt werden, daß sie von Jahr zu Jahr an Wert verliere. Von den Herstellungskosten müsse daher ein Betrag abgezogen werden, der dem Verhältnis zwischen der Lebensdauer der Sache und ihrem Alter entspräche. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei gemäß § 273 ZPO der Wert des Laufwerkes mit S 25.800,-- einschließlich Umsatzsteuer festzusetzen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, weil zur Auslegung des Begriffes Zeitwert im Sinne des Art. 6 der AMB und dessen Berechnung eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt. Die Revision ist auch berechtigt.

Voranzustellen ist, daß es sich bei dem Begriff Zeitwert der AMB um einen versicherungsrechtlichen und keinen schadenersatzrechtlichen Begriff handelt, was offensichtlich vom Berufungsgericht nicht hinreichend beachtet wurde. Als Zeitwert ist in der Sachversicherung - im Gegensatz zum Neuwert - der Wert zu verstehen, der sich aus dem gegenwärtigen Zustand der versicherten Sache entsprechend ihrem Alter und ihrer Abnützung ergibt (Bruck-Möller, VVG8 II 229; Martin, Sachversicherungsrecht2 Qu III 38). Dieser Wert kann auf verschiedene Weise bestimmt werden, z. B. anhand des gemeinen Wertes im Sinne des Verkehrswertes (Bruck-Möller aaO). Grundlage für die Wertbestimmung sind die Art der Versicherung und die Versicherungsbedingungen. Im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Maschinenbruchversicherung, deren Zweck es ist, dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz gegen unvorhergesehene und plötzlich eintretende Beschädigungen oder Zerstörungen der versicherten Sache durch die in Art. 2 Abs. 1 AMB näher bestimmten Umstände wie etwa Bedienungsfehler, unmittelbare Einwirkungen elektrischer Energie, Konstruktions-, Material- oder Herstellungsfehler und dgl. zu gewähren. Demgemäß erfolgt die Ersatzleistung gemäß Art. 6 AMB grundsätzlich durch Ersatz der Reparaturkosten der beschädigten Sache. Nur im Falle der völligen Zerstörung erfolgt die Ersatzleistung nach dem Zeitwert. Gleiches gilt, wenn, wie hier, die Reparaturkosten den Zeitwert übersteigen. Das Versicherungsbedürfnis in der Maschinenbruchversicherung ist somit ähnlich dem der Kraftfahrzeugversicherung, in der der gemeine Wert im Sinne des Verkehrswertes als Zeitwert bezeichnet wird und für die Entschädigungshöhe maßgebend ist (vgl. Martin aaO Qu III 4). Diese Ähnlichkeit rechtfertigt es, auch in der Maschinenbruchversicherung als Zeitwert den Verkehrswert (Ankaufs- oder Verkaufswert) zu verstehen. Unmaßgeblich sind daher der Buchwert oder die Herstellungskosten. Zutreffend weist die Revisionswerberin darauf hin, daß es sich bei dem vom Erstgericht festgestellten Wert von S 52.500,-- um den Buchwert handelt. Unerörtert bleiben kann der Fall, daß die versicherte Sache keinen Verkehrswert mehr hat, d.h. völlig entwertet ist. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes liegt dieser Fall nicht vor. Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, die nach § 498 Abs. 1 ZPO der Entscheidung zugrundezulegen waren, hatte nämlich das Plattenlaufwerk noch einen Verkehrswert und das Erstgericht hat diesen auch festgestellt. Da eine Neuwertversicherung nicht vorliegt - Art. 3 der AMB ist nur als Festlegung des möglichen Höchstschadens durch den Neuwert und als Grundlage der Prämienberechnung zu verstehen (vgl. Martin aaO Qu I 1) - hat das Erstgericht zu Recht dem Kläger nur den Verkehrswert des Plattenlaufwerkes zugesprochen.

Demgemäß ist der Revision Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13831

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00011.88.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19880324_OGH0002_0070OB00011_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten