Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Jensik, Dr. Zehetner, Dr. Klinger und Dr. Schwarz als Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Siegried L***, Landarbeiter, St. Johann im Pongau, Vorderreinbach 43, vertreten durch Dr. Friedrich Meyer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider den Antragsgegner Ing. Thomas B***, Kaufmann, St. Johann im Pongau, Reinbach 70, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayr, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung eines Landpachtvertrages, in eventu Verlängerung eines Landpachtvertrages infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 21. Jänner 1988, GZ 33 R 649/87-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Johann im Pongau vom 2. November 1987, GZ Psch 1/86-10, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Antragsgegner ist grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft EZ 62 und 110 je KG Reinbach (Vorderreinbachgut), die er von der Mutter des Antragstellers, Theresia L***, erstanden hat.
Am 9. Dezember 1986 stellte Siegfried L*** den (Haupt-)Antrag festzustellen, daß die vom Antragsgegner mit Schreiben vom 24. November 1986 ausgesprochene und ihm am 25. November 1986 zugekommene außergerichtliche Aufkündigung des am 1. Juli 1981 zwischen ihm und seiner Mutter abgeschlossenen Pachtvertrages über die vorgenannten Liegenschaften zum 30. November 1987 rechtsunwirksam sei, weil diese Aufkündigung rechtsgültigen Vereinbarungen zwischen dem Antragsgegner und der Mutter des Antragstellers bzw. dessen Familie widerspreche und überdies nach dem Pachtvertrag unter Einhaltung einer 6-monatigen Frist jeweils zum Pachtjahresende (30. Juni) erfolgen müßte. In eventu beantragte der Antragsteller eine Verlängerung des Pachtvertrages um 2 Jahre, welches Begehren er in der Tagsatzung vom 23. Oktober 1987 um ein weiteres Jahr ausdehnte.
Der Antragsgegner ließ den zunächst erhobenen Einwand, es liege in Wirklichkeit überhaupt kein Pachtverhältnis vor, mit Wirkung für das gegenständliche Verfahren fallen und sprach sich im übrigen sowohl gegen die beantragte Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung des Pachtvertrages als auch gegen die in eventu beantragte Verlängerung des Pachtvertrages aus.
Das Erstgericht gab dem Hauptantrag statt. Es führte aus:
Punkt 1 des zwischen Theresia L*** und dem Antragsteller am 1. Juli 1981 abgeschlossenen Pachtvertrages lautet: "Das Pachtverhältnis beginnt am 1. Juli 1981 und wird auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Es haben daher beide Vertragsteile die Möglichkeit, diesen Vertrag jährlich unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist mit Wirksamkeit zu Pachtjahresende aufzulösen. Das Pachtjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni des darauffolgenden Jahres."
Der Antragsgegner hätte das Pachtverhältnis daher zum 30. Juni (Ende des Pachtjahres) aufkündigen müssen; die Wahl eines von der Vereinbarung abweichenden Kündigungstermins sei unzulässig (MietSlg. 15.644 ua). Den (Eventual-)Antrag auf Verlängerung des Landpachtvertrages um 2 Jahre habe der Antragsteller innerhalb der vierzehntägigen Frist des § 10 Abs 1 Z 1 LPG, also rechtzeitig, gestellt (hingegen sei die Ausdehnung auf 3 Jahr verfristet), sodaß auch der (Haupt-)Antrag auf Rechtsunwirksamerklärung der außergerichtlichen Aufkündigung rechtzeitig gestellt worden sei. Auch im Verfahren nach dem Landpachtgesetz müßten Vorfragen beantwortet werden. Bei Bejahung der Rechtswirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung (die seit der Zivilverfahrensnovelle 1983 nur noch eine privatrechtliche Gestaltungserklärung sei) wäre hierüber in den Gründen der Entscheidung über den Verlängerungsantrag abzusprechen gewesen. Da zwischen den Beteiligten weder ein Räumungsprozeß noch ein Kündigungsprozeß, sondern lediglich ein Exszindierungsprozeß anhängig sei, müsse bei Verneinung der Rechtswirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung notwendigerweise hierüber im Außerstreitverfahren spruchmäßig entschieden werden. Wollte man in einem solchen Fall den außerstreitigen Rechtsweg für unzulässig ansehen, bliebe dem Antragsteller nur die Einbringung einer negativen Feststellungsklage übrig; die einzelnen Anträge des Antragstellers würden dann auf zwei verschiedene Verfahren aufgesplittert werden, ohne daß das außerstreitige Verfahren unterbrochen werden könnte; ein Innehalten wäre allerdings nicht ausgeschlossen.
Das vom Antragsgegner angerufene Rekursgericht hob den erstgerichtlichen Beschluß auf, wies den Hauptantrag des Antragstellers zurück und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000,- S übersteigt. Es führte aus:
Durch Art. IV Z 123 Zivilverfahrensnovelle 1983 sei zwar das Institut der außergerichtlichen Aufkündigung abgeschafft worden (vgl Würth in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 10 LPG), was im konkreten Fall in formellrechtlicher Hinsicht von Bedeutung sei. In materiellrechtlicher Hinsicht habe sich aber an den Wirkungen der außergerichtlichen Aufkündigung durch diese Gesetzesnovellierung nichts geändert, sodaß ein Landpachtverhältnis materiellrechtlich durch eine entsprechende Erklärung des Verpächters aufgelöst werden könne (MietSlg. 38.613/62).
Unabhängig davon, ob die materiellrechtliche Wirkung der außergerichtlichen Aufkündigung die Frist für einen Antrag auf Verlängerung der Pachtdauer in Lauf setze, sei der vom Antragsteller hilfsweise gestellte Antrag jedenfalls rechtzeitig, da der Antrag "spätestens" innerhalb der genannten Frist nach § 10 LPG gestellt werden müsse, eine frühere Antragstellung daher nicht unzulässig erscheine. Damit liege jedenfalls ein rechtswirksamer Antrag auf Verlängerung der Pachtdauer vor. Die Voraussetzungen für ein Verfahren nach dem Landpachtgesetz seien daher gegeben. Abgesehen davon, daß über Einwendungen gegen eine außergerichtliche Aufkündigung auch nach der Rechtslage vor der Zivilverfahrensnovelle 1983 im streitigen Zivilverfahren zu entscheiden gewesen sei (§§ 565 f ZPO), sei seit der genannten Gesetzesnovellierung nach Aufhebung der entsprechenden Verfahrensbestimmungen keine Möglichkeit mehr gegeben, in einem eigenen Verfahren über die Rechtswirksamkeit dieser außergerichtlichen Aufkündigung mit bindender Wirkung abzusprechen. Das außerstreitige Verfahren greife nur dann Platz, wenn es das Gesetz anordne (EvBl 1982/61). Da es an einer solchen gesetzlichen Anordnung fehle, könne im außerstreitigen Verfahren hierüber nicht erkannt werden. Der Außerstreitrichter habe überhaupt seine Unzuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen, auch im Rechtsmittelverfahren (EvBl 1959/381). Die Unzulässigkeit des Rechtsweges zur Entscheidung über die Rechtswirksamkeit einer außergerichtlichen Aufkündigung sei daher von Amts wegen in jedem Verfahrensstand zu prüfen und bei Fehlen dieser Zulässigkeit auch noch im Rechtsmittelverfahren wahrzunehmen (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 101, 113). Da das bisherige Verfahren zumindest auch über den zulässigen Antrag auf Pachtvertragsverlängerung nach dem Landpachtgesetz geführt worden sei, habe eine Aufhebung von Verfahrensabschnitten wegen Nichtigkeit nicht Platz zu greifen gehabt.
Da es grundsätzlich im Rekursverfahren kein Verbot der Schlechterstellung des Rekurswerbers (Verbot der reformatio in peius) gebe, sei nicht weiter zu prüfen, ob die Zurückweisung des unzulässigen Antrages durch den Antrag des Rekurswerbers gedeckt sei (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 2013 mwN).
Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes könne über die materiellrechtliche Vorfrage der Rechtswirksamkeit einer Aufkündigung im Verfahren über eine Verlängerung der Pachtdauer auch nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen spruchmäßig abgesprochen werden, da die gesetzliche Voraussetzungen für eine derartige spruchmäßige Entscheidung fehlten. Da im vorliegenden Fall auch eine Verlängerung der Vertragsdauer Gegenstand des anhängigen Verfahrens und in dem in den §§ 13 bis 15 LPG statuierten System wechselseitiger Unterbrechungen von Zivilprozessen wegen Beendigung des Pachtvertrages und Räumung des Pachtgegenstandes (einschließlich Übergabsauftrag, ja sogar des Exekutionsverfahrens) dem Verfahren nach dem Landpachtgesetz der Vorrang eingeräumt sei (Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 13 LPG), sei über die materiellrechtliche Wirkung der außergerichtlichen Aufkündigung nur als materiellrechtliche Voraussetzung des geltend gemachten Anspruches abzusprechen, ohne daß darüber in einem gesonderten Beschluß des außerstreitigen Verfahrens abgesprochen werden könnte. Im übrigen sei davon auszugehen, daß der Ersteher mit der Verbücherung seines Eigentums in den Bestandvertrag eintrete und dadurch zur Kündigung desselben legitimiert werde (GMA ABGB32 § 1120/11), wobei der Ersteher an die vereinbarte Kündigungsfrist nicht gebunden sei (GMA ABGB32 § 1120/19 bis 21, § 1121/2). Da in formellrechtlicher Hinsicht über die Rechtswirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung kein Verfahren abzuführen sei und die materiellrechtlichen Wirkungen der Aufkündigung als Voraussetzungen für eine Entscheidung über den Antrag nach dem Landpachtgesetz auf Verlängerung der Pachtdauer zu prüfen seien, werde über diesen Antrag das Erstgericht nach Abschluß des Verfahrens zu entscheiden haben. Die genannte materiellrechtliche Beurteilung habe in der Entscheidung über den zulässigerweise gestellten Rechtsschutzantrag auf Pachtdauerverlängerung zu erfolgen. Wegen des Vorranges des Verfahrens nach dem Landpachtgesetz vor einem Rechtsstreit wegen Kündigung oder Beendigung des Landpachtvertrages, Übergabe oder Räumung des Pachtgegenstandes (§§ 13, 15 LPG) seien die aktenkundig anhängigen Verfahren für den Fortgang des Verfahrens über die Verlängerung der Dauer des Pachtvertrages ohne rechtliche Bedeutung, weshalb das Erstgericht das gegenständliche Verfahren fortzusetzen haben werde. Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zwar zulässig, aber nicht berechtigt. Der Antragsteller macht zusammengefaßt geltend, daß der Außerstreitrichter im gegenständlichen Fall nicht über den Verlängerungsantrag entscheiden könne, sondern durch einen das Verfahren beendenden Beschluß auszusprechen habe, daß die Voraussetzungen für diesen Verlängerungsantrag, nämlich eine rechtswirksame Aufkündigung des Pachtvertrages, nicht vorlägen. Dabei sei zu beachten, daß er (Antragsteller) neben dem verfehlten Kündigungstermin auch eine die Aufkündigung des Vertrages ausschließende vertragliche Vereinbarung eingewendet habe. Sollte man zu dem Ergebnis kommen, daß ein Beweisverfahren über diese vertragliche Vereinbarung den Rahmen und die Möglichkeiten eines Außerstreitverfahrens sprenge, dann müßte die Entscheidung darüber auf den Rechtsweg verwiesen und das gegenständliche Verfahren bis zur Erledigung des Rechtsstreites ausgesetzt werden. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Das in § 12 LPG BGBl. 1969/451 geregelte außerstreitige Verfahren ist zur Entscheidung über Anträge nach diesem Bundesgesetz vorgesehen, also zur Entscheidung über Anträge auf Verlängerung der Dauer von Landpachtverträgen (§§ 6 ff LPG) und über Anträge auf Minderung oder Erhöhung des Pachtzinses (§ 11 LPG). Die Verfahrensvorschriften trennen das rechtsgestaltende Außerstreitverfahren von allenfalls (nach den Bestimmungen der ZPO) abzuführenden Rechtsstreiten wegen Kündigung oder Beendigung des Landpachtvertrages, Übergabe oder Räumung des Pachtgegenstandes (RV zum LPG, 1216 BlgNR, 11. GP, 11, EB zu §§ 13 bis 15; Ryschawy, ImmZ 1970, 299; Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 und 2 vor § 1 LPG; Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 2136). Das Rekursgericht hat daher richtig erkannt, daß die Rechtswirksamkeit einer außergerichtlichen Aufkündigung des Landpachtvertrages im außerstreitigen Verfahren nach dem Landpachtgesetz nicht spruchmäßig festgestellt, sondern nur als Vorfrage, als eine der materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Stattgebung eines Verlängerungsantrages, beurteilt werden kann (vgl MietSlg. 34.522/16 aE). Eine Verweisung auf den Rechtsweg findet gemäß § 12 Z 5 LPG nicht statt; der Sachverhalt ist nötigenfalls in mündlicher Verhandlung unter Anwendung der Bestimmungen der ZPO über die Aufnahme von Beweisen zu klären (§ 12 Z 1 und 2 LPG). Im Falle der Rechtsunwirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung vom 24. November 1986 wird der Verlängerungsantrag abzuweisen sein.
Was nun den im gegenständlichen Fall einzuhaltenden Kündigungstermin betrifft, so ist es zwar richtig, daß vertragliche Termine den gesetzlichen im allgemeinen vorgehen
(§ 560 Abs 1 Z 1 ZPO; Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 und 20 zu § 1116) und der Aufkündigende von der Vereinbarung abweichende, wenn auch für den Aufgekündigten scheinbar günstigere Kündigungstermine nicht wählen darf (Würth aaO Rz 18 zu § 1116; MietSlg. 28.614 mwN). Eine Ausnahme hievon besteht aber in den Fällen der Kündigung aus besonderem Anlaß, wozu auch die Aufkündigung eines Bestandvertrages durch den Ersteher gehört; in diesen Fällen kann (außerhalb des Bereiches der vollen Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes bei nicht verbücherten Bestandverträgen) die Aufkündigung ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer, einen allgemeinen oder besonderen Kündigungsverzicht oder die vereinbarte (längere) Kündigungsfrist oder den vereinbarten Termin zu den gesetzlichen Terminen unter Einhaltung der gesetzlichen (oder kürzeren vertraglichen) Frist wirksam erfolgen (Würth aaO Rz 20 und 23 zu § 1116, Rz 5 zu § 1120, Rz 1 zu § 1121 je mwN). Der gegenständlichen Aufkündigung vom 24. November 1986 zum 30. November 1987 kann daher im Hinblick auf § 560 Abs 1 Z 2 lit a bzw. b ZPO die Rechtswirksamkeit nicht schon wegen eines verfehlten Kündigungstermins abgesprochen werden. Der Auftrag des Rekursgerichtes an das Erstgericht, das Verfahren über den Verlängerungsantrag fortzusetzen, ist deshalb berechtigt, weil es zunächst an den erforderlichen Feststellungen fehlt, um beurteilen zu können, ob der Rechtswirksamkeit der Aufkündigung die vom Antragsteller behaupteten vertraglichen Vereinbarungen (zwischen ihm und dem Antragsgegner) entgegenstehen. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren die Rechtswirksamkeit der Aufkündigung herausstellen, werden die zur Entscheidung über den Verlängerungsantrag sonst noch erforderlichen Sachverhaltsgrundlagen zu schaffen sein.
Es war demnach dem Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen.
Anmerkung
E13792European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0050OB00525.88.0405.000Dokumentnummer
JJT_19880405_OGH0002_0050OB00525_8800000_000