Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Paul V***, Zahntechniker, Jahnstraße 6, 6890 Lustenau, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagten Parteien 1) Siegfried B***, Staplerfahrer, Eichenweg 16, 6973 Höchst, und 2) Albert B***, Schlosser, Dammgasse 9, 6973 Höchst, beide vertreten durch Dr. Klaus Grubhofer, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen S 630.000,-- und Feststellung (S 30.000,--), Revisionsstreitwert S 320.833,32, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 15. April 1987, GZ 3 R 81/87-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 1. Dezember 1986, GZ 4 Cg 1266/85-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 12.467,23 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 1.133,38, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 29. August 1981 ereignete sich auf der Bundesstraße B 200 im Gemeindegebiet von Andelsbuch - Bersbuch im Bereich der Sporenegg-Brücke (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Radfahrer und die beiden Beklagten als Fußgänger beteiligt waren. Als die beiden Beklagten versuchten, den Kläger und dessen gleichfalls auf einem Fahrrad fahrenden Bruder Franz V*** anzuhalten, stieß der Kläger mit dem Erstbeklagten zusammen, kam mit seinem Fahrrad zu Sturz und wurde schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurden die beiden Beklagten mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Bezau vom 3. Mai 1982, U 513/81-14, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Es wurde ihnen zur Last gelegt, dadurch, daß sie versuchten, die beiden Fahrradfahrer Franz und Paul V*** anzuhalten und deshalb mitten in die Fahrbahn traten und den Radfahrern den Weg versperrten, den Kläger fahrlässig am Körper verletzt zu haben.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (ON 17 S 111) die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 630.000,-- sA (Schmerzengeld, Pflegekosten, Verdienstentgang, Sachaufwand und Heilbehandlungskosten unter Berücksichtigung bereits geleisteter Teilzahlungen von S 110.000,--); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für künftige Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Der Höhe nach ist das Klagebegehren nicht mehr strittig; auch das Feststellungsinteresse des Klägers ist unbestritten.
Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß die Beklagten das Alleinverschulden an diesem Unfall treffe. Der Kläger und sein Bruder seien auf ihren Fahrrädern nebeneinander auf der Bundesstraße talauswärts gefahren. Der Zweitbeklagte habe mit dem von ihm gelenkten PKW, in dem auch sein Bruder, der Erstbeklagte, und die Eltern der beiden Beklagten mitgefahren seien, zu den beiden Radfahrern aufgeschlossen. Weil der Kläger oder sein Bruder auf Hupzeichen des Zweitbeklagten nicht sofort reagiert hätten, seien der Erst- und der Zweitbeklagte offensichtlich in Zorn geraten und hätten den Kläger und seinen Bruder anhalten wollen, was ihnen jedoch zunächst nicht gelungen sei. Hiedurch noch mehr in Wut geraten, habe der Zweitbeklagte den Kläger und seinen Bruder überholt und sein Fahrzeug in größerer Entfernung an den rechten Fahrbahnrand gelenkt. Die beiden Beklagten seien aus dem Fahrzeug ausgestiegen und hätten sich auf der Fahrbahn aufgestellt, und zwar der Erstbeklagte in der Fahrbahnmitte und der Zweitbeklagte etwa in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte. Sie hätten beabsichtigt, dem Kläger und seinem Bruder einen Denkzettel zu verpassen und sie zu verletzen. Der Kläger und sein Bruder hätten sich etwa auf gleicher Höhe den Beklagten genähert, wobei der Bruder des Kläger etwas schneller vorangekommen sei. Der Bruder des Klägers sei rechts von diesem auf den Zweitbeklagten zugefahren. Dieser sei zur Fahrbahnmitte zu ausgewichen. Dem Bruder des Klägers sei es daher gelungen, am Zweitbeklagten vorbeizukommen, ohne vom Fahrrad gerissen zu werden. Sodann hätten die beiden Beklagten versucht, zumindest den Kläger zu verletzen. Der Kläger habe links an dem in der Fahrbahnmitte stehenden Erstbeklagten vorbeifahren wollen. Dies habe der Erstbeklagte erkannt. Er habe in der Folge den Kläger von seinem Fahrrad gerissen, wobei er vom Zweitbeklagten unterstützt worden sei. Der Kläger sei dabei zu Sturz gekommen und schwer verletzt worden.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, daß sie zwar ein mit einem Viertel zu bewertendes Verschulden an diesem Unfall des Klägers treffe, daß dieser aber ein mit drei Vierteln zu bewertendes Mitverschulden zu vertreten habe. Nachdem der Zweitbeklagte die beiden nebeneinander fahrenden Radfahrer durch Hupen auf das von ihm beabsichtigte Überholmanöver aufmerksam gemacht habe, hätten die beiden Radfahrer begonnen, "zick-zack" zu fahren und hätten den Insassen des vom Zweitbeklagten gelenkten PKW die Fäuste gezeigt. Als der Zweitbeklagte dennoch zum Überholen angesetzt habe, habe einer der Radfahrer gegen das Auto gespuckt. Die Beklagten hätten hierauf beschlossen, die Radfahrer zur Rede zu stellen und zur Anzeige zu bringen. Der Zweitbeklagte sei etwa 500 m weitergefahren und habe dann das Fahrzeug abgestellt. Zusammen mit dem Erstbeklagten habe er sich auf die (in Fahrtrichtung der Radfahrer gesehen) rechte Fahrbahnhälfte gestellt. Von einer Verletzungsabsicht der Beklagten gegenüber dem Kläger bzw dessen Bruder sei zu keiner Zeit die Rede gewesen. Der Kläger und sein Bruder seien zunächst in gemächlichem Tempo herangekommen. Im unmittelbaren Begegnungsbereich hätten sie jedoch plötzlich sprintartig in die Pedale getreten und seien direkt auf die Beklagten zugefahren. Um der drohenden Kollision zu entgehen, seien die Beklagten zur Fahrbahmitte hin ausgewichen. Dabei sei der Kläger mit dem Erstbeklagten zusammengestoßen. Die eigentliche Gefahrenlage habe somit der Kläger nahezu ausschließlich selbst zu verantworten. Das Erstgericht verurteilte die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 383.333,32 sA und gab dem Feststellungsbegehren des Klägers in Ansehung von zwei Dritteln seiner künftigen Unfallschäden statt; das auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 246.666,68 sA gerichtete Leistungsmehrbegehren und das Feststellungsmehrbegehren wies es ab.
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Der Zweitbeklagte fuhr am 29. August 1981 gegen 14.20 Uhr bei sonnigem Wetter und trockener Fahrbahn mit einem PKW auf der Bundesstraße B 200 im Gemeindegebiet von Andelsbuch-Bersbuch talauswärts. Am Fahrzeug war ein Pferdewagen angehängt. Rechts vorne saß Siegfried B*** sen, der Vater der Beklagten; rückwärts im Wagen befanden sich der Erstbeklagte und die Mutter der Beklagten. Wegen der großen Hitze waren die Seitenfenster des PKW teilweise geöffnet. Als der Zweitbeklagte mit dem PKW auf zwei in gleicher Richtung fahrende Radfahrer aufschloß - es handelte sich um den Kläger und seinen Bruder Franz V*** -, konnte er die nebeneinander fahrenden Radfahrer zunächst nicht überholen und gab deswegen Hupzeichen. Daraufhin begannen die beiden Radfahrer, "zick-zack" zu fahren; einer der beiden zeigte den PKW-Insassen überdies die Faust. Der Zweitbeklagte lenkte sein Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite der Bundesstraße und trachtete, die Radfahrer auf dieser Seite zu überholen. Dabei wurde der PKW von einem der Radfahrer bespuckt. Der Zweitbeklagte wollte den PKW nach dem Überholvorgang anhalten, um die Radfahrer zur Rede zu stellen und sie anzuzeigen. Als er die Geschwindigkeit des Fahrzeuges verminderte, schlossen die Radfahrer auf und überholten den PKW rechts und links. Dabei spuckten sie abermals gegen das Fahrzeug. Einer der beiden traf dabei durch ein offenes Seitenfenster auch in den Innenraum des PKW; der Erstbeklagte und die Mutter der Beklagten wurden vom Speichel dieses Radfahrers getroffen. Die Beklagten beschlossen daraufhin, die Radfahrer nochmals zu überholen und sie weiter vorne anzuhalten, zur Rede zu stellen und zur Anzeige zu bringen. Der Zweitbeklagte beschleunigte den PKW, überholte die Radfahrer nochmals und hielt das Fahrzeug im Bereich der Sporenegg-Brücke außerhalb der Fahrbahn der Bundesstraße bei der alten Zufahrt nach Bezau an. Die beiden Beklagten und ihr Vater Siegfried B*** sen stiegen aus. Die beiden Beklagten stellten sich auf die Fahrbahn, und zwar - in Fahrtrichtung der Radfahrer gesehen - auf die rechte Fahrbahnhälfte der Bundesstraße. Während der Zweitbeklagte eher gegen den Fahrbahnrand zu stand, nahm der Erstbeklagte etwa in der Mitte der rechten Fahrbahnhälfte Aufstellung. Die Beklagten wollten die Radfahrer anhalten und zur Anzeige bringen. Es lag nicht in ihrer Absicht, den beiden Radfahrern Verletzungen zuzufügen. Der sich außerhalb der Fahrbahn aufhaltende Siegfried B*** sen versuchte, seine Söhne von ihrem Vorhaben abzuhalten und sie von der Fahrbahn wegzubringen. Die Beklagten blieben jedoch stehen, wobei ihr Gesicht den sich nähernden Radfahrern zugewandt war. Der Kläger und Franz V*** nahmen die auf ihrer Fahrbahnhälfte stehenden Beklagten wahr und gelangten zur Überzeugung, daß sie wegen ihres vorangegangenen Verhaltens (Bespucken des PKWs) angehalten werden sollten. Sie beabsichtigten, nicht stehenzubleiben, sondern zu beschleunigen und damit zu versuchen, an den auf der Fahrbahn stehenden Beklagten vorbeizukommen. Zu diesem Zweck erhöhten sie "im Bereich der unmittelbaren Annäherung an die Beklagten" ihre Geschwindigkeit. Für die Beklagten entstand dadurch der Anschein, als ob die beiden Radfahrer aus dem Sattel aufstiegen, in die Pedale träten und direkt auf sie zuhielten. Der Zweitbeklagte wich deshalb - in seiner Blickrichtung gesehen - nach rechts gegen die Fahrbahnmitte zu aus, während der auf ihn zufahrende Franz V*** zum Fahrbahnrand auswich und entlang des Fahrbahnrandes am Zweitbeklagten vorbeifuhr. Auf diese Weise berührten sich Franz V*** und der Zweitbeklagte nicht. Der Erstbeklagte wich dem nach seinem Eindruck auf ihn zufahrende Kläger ebenfalls nach rechts gegen die Fahrbahnmitte hin aus. Da auch der Kläger im letzten Moment den Versuch unternahm, gegen die Fahrbahnmitte hin am Erstbeklagten vorbeizufahren, kam es zu einer Berührung zwischen dem Erstbeklagten und dem Körper des Klägers bzw. dessen Fahrrad. Der genaue Ablauf der im Zuge der beiderseitigen Ausweichbewegungen erfolgten Berührung läßt sich nicht feststellen. Jedenfalls wollten die beiden Radfahrer an den auf der Fahrbahn postierten Beklagten vorbeifahren und ihnen entkommen. Dies war auch der Grund für die Erhöhung ihrer Fahrgeschwindigkeit. Der Kläger stürzte nach der Berührung mit dem Erstbeklagten und blieb bewegungslos auf der Fahrbahn liegen. Er erlitt mehrere Abschürfungen und einen Schädelbasisbruch mit ausgedehnter Hirblutung rechts und nachträglichen Lähmungserscheinungen. Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, die Bindungswirkung des gegen die beiden Beklagten ergangenen strafgerichtlichen Urteiles im Sinne des § 268 ZPO erstrecke sich unter anderem darauf, ob eine strafbare Handlung einer bestimmten Person zuzurechnen sei und ein Kausalzusammenhang zwischen der strafbaren Handlung und dem zugefügten Schaden vorliege. Es stelle ein nach § 1304 ABGB zu berücksichtigendes Mitverschulden des Geschädigten dar, wenn ein zum Schaden führender Angriff durch ihn provoziert worden sei. Der Kläger habe zusammen mit seinem Bruder zunächst durch das Nebeneinanderfahren gegen eine Schutznorm verstoßen und das vom Zweitbeklagten beabsichtigte Überholmanöver erschwert; nach dem Hupzeichen hätten der Kläger und sein Bruder sogar begonnen, "zick-zack" zu fahren, um das Überholen noch mehr zu erschweren. Schließlich habe ein Radfahrer gegen den überholenden PKW gespuckt. Als der PKW langsamer geworden sei und die Radfahrer links und rechts an ihm vorbeigefahren seien, hätten sogar beide gegen den PKW gespuckt. Dieses Verhalten des Klägers und seines Bruders sei in erheblichem Ausmaß provokant gewesen. Eine weitere dem Kläger zuzurechnende Schuldkomponente ergebe sich daraus, daß er zusammen mit seinem Bruder bei der Annäherung an die auf der Fahrbahn stehenden Beklagten die Geschwindigkeit erhöht habe. Wenngleich dieses Verhalten verständlich und eventuell sogar notwendig gewesen sei, um an den Beklagten vorbeikommen zu können, beinhalte es doch eine gewisse Sorglosigkeit des Klägers und seines Bruders im Umgang mit ihren eigenen Gütern.
Das überwiegende Verschulden sei allerdings den Beklagten anzulasten. Mit der Provokation sei von ihrer Seite und namentlich durch den Zweitbeklagten begonnen worden. Obwohl es angesichts der Breite der Bundesstraße nicht notwendig gewesen wäre, vor dem Überholen der nebeneinanderfahrenden Radfahrer ein Hupsignal zu geben, habe der Zweitbeklagte gehupt. Entscheidend sei aber der von beiden Beklagten unternommene Versuch, den Kläger und seinen Bruder durch Betreten und Abriegeln der Fahrbahn aufzuhalten. Hiedurch sei die eigentliche Ursache für den Sturz des Klägers gesetzt worden. Angesichts dieser Umstände sei eine Verschuldensteilung im Ausmaß von 2 : 1 zu Gunsten des Klägers gerechtfertigt.
Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.
Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil beiden Rechtsmitteln keine Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,-- und S 300.000,-- übersteigt.
Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, rechtswidrig sei nicht bloß eine den drei Fällen des § 1329 ABGB zuzuordnende vorsätzliche Freiheitsberaubung, sondern auch jede andere Verletzung des absolut geschützten Rechtsgutes der Freiheit. Eine gegen den ernstlichen Willen erzwungene Einschränkung in der Bewegungsfreiheit mache sowohl bei vorsätzlicher als auch bei fahrlässiger Vorgangsweise für den zufällig eingetretenen Schaden haftbar. Daß sie nach § 86 Abs 2 StPO zur Anhaltung des Klägers und seines Bruders berechtigt gewesen wären, hätten die Beklagten nie behauptet und sei auf Grund des festgestellten Sachverhaltes auch nicht anzunehmen. Dazu komme, daß die Fahrbahn der dem Fahrzeugverkehr vorbehaltene Teil der Straße sei, auf dem sich Fußgänger entsprechend den Bestimmungen des § 76 StVO zu verhalten hätten. Mit Rücksicht auf das auf der Fahrbahn für den Fahrzeugverkehr bestehende Vorrecht müsse ein Fußgänger in der Regel davon ausgehen, daß ein Fahrzeuglenker seine bisherige Fahrweise beibehalte. Die Beklagten hätten sich dem Kläger gegenüber in mehrfacher Weise rechtswidrig verhalten, und zwar selbst dann, wenn in dem vom Zweitbeklagten abgegebenen Hupsignal keine Provokation der Radfahrer, sondern ein durch § 22 StVO gedecktes Warnzeichen erblickt werde. Die Beklagten hätten kein Recht gehabt, die beiden Radfahrer durch Blockieren ihrer Fahrbahnhälfte zum Anhalten zu zwingen, sondern wären zur Freigabe der Fahrbahn verpflichtet gewesen. Es möge sein, daß die von ihnen in der letzten Phase ohnehin beabsichtigte Aufgabe der Blockade dadurch erschwert worden sei, daß die Radfahrer - in dem aus ihrer Sicht allerdings verständlichen Bestreben, nicht stehenzubleiben und an den Beklagten vorbeizukommen - ihre Fahrgeschwindigkeit erhöhten und dadurch den Zeitraum verkürzten, der den Beklagten für eine Räumung der Fahrbahn zur Verfügung stand. Es sei allerdings die Absicht des Klägers und seines Bruders gewesen, an den auf der Fahrbahn postierten Beklagten vorbeizufahren und ihnen zu entkommen.
Es sei nicht erheblich, ob es der Kläger oder dessen Bruder gewesen sei, der bereits beim ersten Überholmanöver gegen den PKW gespuckt habe und der bei dem später erfolgten Vorbeifahren an dem PKW in das Innere des Fahrzeuges gespuckt habe. Wesentlich sei, daß das darin gelegene Verhalten vom Kläger und seinem Bruder im gemeinsamen Zusammenwirken gesetzt worden sei und daher vom Kläger in jedem Fall mitvertreten werde müsse. Auch in dem das vom Zweitbeklagten beabsichtigte Überholmanöver erschwerenden "Zick-Zack-Fahren" der beiden Radfahrer sei eine bei der Gewichtung des Mitverschuldens zu berücksichtigende Provokation zu erblicken. Schließlich müsse auch in der vom Kläger unmittelbar vor Erreichen der durch die Beklagten gebildeten Blockade vorgenommenen Erhöhung der Fahrgeschwindigkeit eine Sorglosigkeit im Umgang mit eigenen Gütern erblickt werden, weil für den Kläger klar sein habe müssen, daß dadurch die den Beklagten obliegende Freigabe der Fahrbahn erschwert werden konnte. Der Umstand, daß der Kläger und sein Bruder Interesse haben mußten, der drohenden Konfrontation mit den Beklagten zu entgehen, könne daran nichts ändern, weil der Kläger und sein Bruder die Beklagten durch ihr vorausgegangenes Verhalten provoziert hätten.
Bei Gegenüberstellung der aufgezeigten Verschuldenskomponenten sei in der vom Erstgericht im Verhältnis von 2 : 1 zu Gunsten des Klägers vorgenommenen Verschuldensteilung eine Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.
Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß das S 75.000,-- übersteigende Mehrbegehren der klagenden Partei abgewiesen und die Haftung der Beklagten für sämtliche weitere Schäden und Folgen aus dem Ereignis vom 29. August 1981 zu nur einem Viertel festgestellt wird". Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision der Beklagten als verspätet zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig. Sie ist entgegen der in der Revisionsbeantwortung vertretenen Ansicht rechtzeitig, weil das angefochtene Urteil dem Beklagtenvertreter am 7. Mai 1987 zugestellt und die Revision der Beklagten am 4. Juni 1987, also innerhalb der Revisionsfrist, zur Post gegeben wurde.
Sachlich ist die Revision allerdings nicht berechtigt. Die Beklagten versuchen in ihrer Rechtsrüge darzutun, daß bei nach ihrer Meinung richtiger rechtlicher Beurteilung von einem überwiegenden Verschulden des Klägers auszugehen und eine Verschuldensteilung im Ausmaß von 1 : 3 zu Lasten des Klägers vorzunehmen sei.
Dem kann nicht gefolgt werden.
Das den Beklagten anzulastende, in einem groben Verstoß gegen ihre aus § 76 StVO abzuleitenden Verhaltenspflichten bestehende Verschulden an dem hier zu beurteilenden Verkehrsunfall steht infolge der im § 268 ZPO normierten Bindungswirkung des gegen sie ergangenen Strafurteiles ebenso fest wie die Kausalität ihres Fehlverhaltens für die dem Kläger entstandenen Schäden. Auf den im § 86 Abs 2 StPO normierten Rechtfertigungsgrund haben sich die Beklagten nicht berufen; sie könnten dies im übrigen im Hinblick auf die Bindungswirkung des gegen sie ergangenen strafgerichtlichen Urteiles auch nicht mit Erfolg tun.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß die Provokation eines Angriffs durch den Verletzten ein Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB begründet (SZ 17/38; SZ 24/214; SZ 32/24 uva). Dem Kläger ist nach den getroffenen Feststellungen insoweit ein in hohem Maße provokantes Verhalten anzulasten, als er das vom Zweitbeklagten durch Hupzeichen angekündigte Überholmanöver durch "Zick-Zack-Fahren" erschwerte und, als er später das vom Zweitbeklagten gelenkte Fahrzeug überholte, gegen dieses spuckte. Hingegen begründet es kein Mitverschulden des Klägers, wenn er den die Fahrbahn sperrenden Beklagten zu entkommen versuchte und zu diesem Zweck seine Fahrgeschwindigkeit erhöhte; daß er etwa bei diesem Fluchtversuch auf einen der beiden Beklagten direkt zugefahren wäre, ist den Feststellungen der Vorinstanzen ebensowenig zu entnehmen wie ein anderer anläßlich dieses Fluchtversuches vom Kläger gesetzter Verstoß gegen verkehrsrechtliche Vorschriften. Wenn auch das dargestellte in hohem Maße provokante Verhalten des Klägers zweifellos ein bei der Schadensteilung nicht zu vernachlässigendes Mitverschulden im Sinne des § 1304 ABGB begründet, ist doch nicht zu übersehen, daß die eigentliche Gefahrensituation erst durch das verkehrswidrige Verhalten der beiden Beklagten, die bei ihrem Versuch, den Kläger und seinen Bruder anzuhalten, in grober Weise gegen ihre aus § 76 StVO abzuleitenden Pflichten verstießen, herbeigeführt wurde. Daß die beiden Beklagten diese Absicht dann sozusagen im letzten Augenblick aufgaben und versuchten, unmittelbar vor den herankommenden Radfahrern diesen auszuweichen und ihnen damit den Weg freizugeben, ändert daran nichts, weil dieser Versuch nicht nur viel zu spät, sondern auch in einer die beiden Radfahrer in hohem Maße gefährdenden Weise erfolgte.
Wenn die Vorinstanzen unter diesen Umständen zu dem Ergebnis kamen, daß das den Beklagten anzulastende Verschulden schwerer wiege als das des Klägers und daß demgemäß eine Schadensteilung im Verhältnis von 1 : 2 zu Lasten der Beklagten vorzunehmen sei, ist darin eine unrichtige rechtliche Beurteilung nicht zu erkennen. Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E13852European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00058.87.0412.000Dokumentnummer
JJT_19880412_OGH0002_0080OB00058_8700000_000