TE OGH 1988/4/12 10ObS78/88

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Veröffentlicht am 12.04.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Rupert Dollinger und Franz Riepl in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Renate K***, Verkäuferin, 8720 Knittelfeld, Schmittstraße 13, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei S*** G***, 8011 Graz, Josef Pongratz-Platz

1, vertreten durch Dr. Helmut Destaller und Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in Graz, wegen Wochengeldes, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 1987, GZ 8 Rs 1108/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 13. April 1987, GZ 21 Cgs 1032/87-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. In der Urschrift und in den Ausfertigungen des erstgerichtlichen Urteils wird im Spruch (Urteilsseite 1) der Endtermin des Wochengeldes vom 9. Juni 1984 auf den 9. Juli 1984 berichtigt.

Diese Berichtigung ist vom Erstgericht der Urschrift seines Urteils beizusetzen und nach Tunlichkeit in den dazu abzufordernden Ausfertigungen seiner Entscheidung ersichtlich zu machen.

2. Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 21. November 1986 lehnte die beklagte Partei

die Forderung der Klägerin auf Zahlung eines höheren täglichen

Wochengeldes aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft unter

Berufung auf § 367 Abs 1 Z 2 iVm § 162 Abs 3 und § 5 Abs 2 ASVG

ab und sprach aus, daß das Wochengeld täglich 5,34 S betrage. Sie

vertrat die Ansicht, daß für diese Leistung nur die innerhalb des

Bemessungszeitraumes aus versicherungspflichtigen

Beschäftigungsverhältnissen erzielten Arbeitsverdienste

heranzuziehen seien. Weil der Versicherungsfall der Mutterschaft am

2. Dezember 1983 eingetreten sei, ergebe sich ein Bemessungszeitraum

vom 1. September bis 30. November 1983. Da die Klägerin vom

1. September bis 31. Oktober 1983 geringfügig und daher nicht

versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei, müsse der in dieser

Zeit erzielte Arbeitsverdienst für die Wochengeldberechnung außer

Betracht gelassen werden. Dafür sei nur der vom 2. bis 4. November

1983 erzielte Nettoarbeitsverdienst von 358 S heranzuziehen, der

durch 67 Kalendertage (1. September bis 30. November 1983

= 91 Kalendertage abzüglich der Zeit der Arbeitsunfähigkeit vom 7.

bis 30. November 1983 = 24 Kalendertage) zu teilen sei, woraus sich

ein tägliches Wochengeld von 5,34 S ergebe.

In der noch innerhalb der vor dem 1. Jänner 1987 in Lauf gesetzten und daher noch nicht nach § 67 Abs 2 ASGG auf vier Wochen verkürzten Klagefrist (Kuderna, ASGG § 98 Erl. 1) erhobenen Klage brachte die Klägerin im wesentlichen vor, der Versicherungsfall der Mutterschaft sei am 2. Dezember 1983 eingetreten, vom 7. November bis 1. Dezember 1983 sei sie arbeitsunfähig gewesen, der Bemessungszeitraum betrage daher 92 Kalendertage vom 1. August bis 31. Oktober 1983, in denen sie einen Nettoverdienst von 5.152,50 S erzielt habe. Das ergebe ein tägliches Wochengeld von 56,01 S. Die Klägerin begehrte, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, ihr das Wochengeld aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft ab 2. Dezember 1983 im gesetzlich höchstmöglichen Ausmaß zu gewähren. Die beklagte Partei beantragte festzustellen, daß der Klägerin aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft, der am 2. Dezember 1983 eingetreten sei, nur ein Wochengeld von täglich 5,34 S gebühre, und das Mehrbegehren auf Zahlung eines Wochengeldes von 56,01 S abzuweisen.

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft ab 2. Dezember 1983 bis 9. Juni 1984 ein Wochengeld von täglich 58,76 S zu zahlen. Dabei unterlief dem Erstgericht ein zu berichtigender Fehler, weil das Wochengeld - wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt - bis 9. Juli 1984 (Ende der nachgeburtlichen Schutzfrist) zuerkannt werden sollte.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest: Die Klägerin war seit Oktober 1981 als Aufräumerin beim Dentisten Georg K*** in Knittelfeld stundenweise beschäftigt. Der Stundenlohn betrug bis Oktober 1982 40 S, von November 1982 bis Oktober 1983 45 S und ab November 1983 50 S. Wegen des geringen Entgeltes war die Klägerin (bis Oktober 1983) nur in der Unfallversicherung teilversichert. Im Sommer 1983 sprach sie mit ihrem Dienstgeber über die volle Anmeldung zur Sozialversicherung. Er erklärte ihr, daß sie bald mehr verdienen und dann die Geringfügigkeitsgrenze überschritten werde. Die Klägerin bezog im August 1983 ein Nettoeinkommen von 1.462,50 S, im September 1983 von 1.958,60 S, im Oktober 1983 von 1.620 S und vom 2. bis 4. November 1983 von 358 S. Ab Anfang November 1983 wußte sie von ihrer Schwangerschaft. Vom 5. (richtig: 7.) November bis 1. Dezember 1983 befand sie sich im Krankenstand, am 2. Dezember 1983 begann die Mutterschutzfrist, am 14. Mai 1984 gebar sie ihr Kind.

Nach der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes habe die Klägerin im nach Abzug des 25 Kalendertage umfassenden Krankenstandes vom 7. November bis 1. Dezember 1983 nur mehr 67 Kalendertage währenden Bemessungszeitraum vom 1. September bis 6. November 1983 ein Nettoeinkommen von 3.936,60 S erzielt. Ihr gebühre daher vom 2. Dezember 1983 bis 9. Juli 1984 (8 Wochen nach der Geburt) ein tägliches Wochengeld von 58,76 S.

Dagegen erhob die beklagte Partei Berufung, in der sie beantragte, das erstgerichtliche Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge.

In der dagegen erhobenen Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache beantragt die beklagte Partei, das angefochtene Urteil im klageabweisenden Sinne abzuändern. Die Klägerin erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 leg.cit. zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Weiblichen Versicherten gebührt für die letzten acht Wochen vor

der voraussichtlichen Entbindung, für den Tag der Entbindung und für

die ersten acht Wochen nach der Entbindung ein tägliches Wochengeld

.... (§ 162 Abs 1 ASVG).

Das Wochengeld gebührt den nach § 4 Abs 3 den Dienstnehmern

Gleichgestellten und den nach § 8 Abs 1 Z 4 lit. a bis c

teilversicherten Personen in der Höhe des täglichen Krankengeldes,

anderen weiblichen Versicherten in der Höhe des auf den Kalendertag

entfallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten 13 Wochen

(bei Versicherten, deren Arbeitsverdienst nach Kalendermonaten

bemessen oder abgerechnet wird, in den letzten drei Kalendermonaten)

gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen

Abzüge; die auf diesen Zeitraum entfallenden Sonderzahlungen sind

nach Maßgabe des Abs 4 zu berücksichtigen (§ 162 Abs 3 ASVG).

Die Klägerin gehört zu den "anderen weiblichen Versicherten",

denen das Wochengeld in der Höhe des auf den Kalendertag

entfallenden Teiles des durchschnittlichen in den letzten drei

Kalendermonaten (vor dem Eintritt des Versicherungsfalles)

gebührenden Arbeitsverdienstes, vermindert um die gesetzlichen

Abzüge, gebührt.

Im vorliegenden Fall ist nur strittig, ob zu diesem Arbeitsverdienst nur das Entgelt zu zählen ist, auf das die Klägerin während ihrer Vollversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Anspruch hatte, oder auch das Entgelt, auf das sie während ihrer als geringfügig geltenden Beschäftigung Anspruch hatte, während der sie nur in der Unfallversicherung versichert war. Als gebührender Arbeitsverdienst ist grundsätzlich jeder Geld- und Sachbezug zu verstehen, der der voll- oder teilversicherten Arbeitnehmerin als Arbeitsverdienst im Beobachtungszeitraum zustand, und zwar unabhängig von beitrags- oder einkommensteuerlicher Qualifikation (Binder in Tomandl, SV-System 3. ErgLfg 255).

Die im Erlaß des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 20. April 1972, 26.063/2-10/72, zitiert in MGA ASVG 31. ErgLfg 879 bis 882, vertretene Auffassung, daß alle aus versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erzielten Arbeitsverdienste zu berücksichtigen seien, steht mit der im vorigen Absatz vertretenen Rechtsmeinung nicht im Widerspruch, weil die im § 5 Abs 1 Z 2 ASVG von der Vollversicherung ausgenommenen Beschäftigten nach § 7 Z 3 lit. a leg.cit. in der Unfallversicherung teilversichert sind, so daß sie insoweit auch in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen, und weil der zitierte Erlaß nicht sagt, daß aus nicht versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen erzielte Arbeitsverdienste nicht zu berücksichtigen seien. Dies würde der im Erlaß mehrfach erwähnten Absicht des Gesetzgebers widersprechen, der Versicherten beim Eintritt des Versicherungsfalles der Mutterschaft die gleichen Einkommensverhältnisse sicherzustellen, die in den letzten 13 Wochen oder drei Monaten bestanden.

Die Behauptung der Revisionswerberin, daß der Versicherungsfall der Mutterschaft "eine Leistung der Krankenversicherung" sei, dürfte so zu verstehen sein, daß es sich bei den Leistungen aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft um Leistungen der Krankenversicherung handle. Aus § 125 Abs 1 ASVG ist für den hier zu entscheidenden Fall entgegen der Meinung der Revisionswerberin nichts abzuleiten, weil diese Gesetzesstelle die Bemessungsgrundlage für die Barleistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit regelt, während § 162 Abs 3 ASVG die Höhe des Wochengeldes regelt, bei dem es sich um eine Leistung aus dem Versicherungsfall der Mutterschaft handelt. Soweit sich die Revisionswerberin auf § 122 Abs 2 und 3 ASVG beruft, übersieht sie, daß diese Bestimmungen die Anspruchsberechtigung nach dem Ausscheiden aus der (Kranken-)Versicherung regeln, aber mit der Berechnung des Wochengeldes überhaupt nichts zu tun haben.

Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

Der erwähnte Fehler im erstgerichtlichen Urteilsspruch war in der Urschrift und in den Ausfertigungen des erstgerichtlichen Urteils zu berichtigen (§ 419 ZPO).

Anmerkung

E13658

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:010OBS00078.88.0412.000

Dokumentnummer

JJT_19880412_OGH0002_010OBS00078_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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