TE OGH 1988/4/13 1Ob537/88

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Veröffentlicht am 13.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Susanne G***, Floristin, Stockerau, Dr. Fuchs-Gasse 4, vertreten durch Dr. Günter Kunert, Dr. Wolfgang Kunert, Rechtsanwälte in Stockerau, wider den Antragsgegner Ernst K***, Filialleiter, St. Pölten, Franz Binder-Straße 47, vertreten durch Dr. Stefan Gloß, Dr. Hans Pucher, Rechtsanwälte in St. Pölten, wegen Bestimmung eines Heiratsgutes, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 2. Dezember 1987, GZ R 646/87-24, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 23. Oktober 1987, GZ 1 Nc 103/86-19, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit die Zuerkennung eines Heiratsgutes von 12.000 S bekämpft wird, zurückgewiesen; im übrigen wird ihm nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die im Jahr 1963 geborene Antragstellerin heiratete am 18. Juli 1986 Gerhard G***. Sie verdiente damals als Bestückerin 8.000 S, Gerhard G*** als Maschinenschlosser 9.000 S monatlich netto. Der Mietzins für eine kurz zuvor in Bestand genommene 30 m2 große Wohnung betrug 2.500 S monatlich. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war die Antragstellerin Eigentümerin eines fast neuen PKWs Renault 5, den sie inzwischen wieder verkauft hat. Sonst besaß sie kein nennenswertes Vermögen. Einige Zeit vor der Eheschließung ließ die Antragstellerin ihre Schwangerschaft unter den Voraussetzungen des § 97 Abs 1 Z 1 StGB abbrechen. Zum Zeitpunkt der Eheschließung war sie nicht schwanger. Die Eltern der Antragstellerin sind geschieden. Ihr Vater, der Antragsgegner, hat sich wieder verehelicht. Er ist von Beruf Filialleiter; er verdiente in der Zeit vom 1. Dezember 1985 bis 30. November 1986 205.398,84 S, d.s. monatlich 17.116,57 S netto. Auch seine Gattin ist berufstätig, sie verdient rund 10.000 S netto monatlich. Der Antragsgegner und seine Gattin sind zur Hälfte Eigentümer einer etwa 73 m2 großen Eigentumswohnung. Der Antragsgegner nahm am 15. April 1985 bei der C*** einen Kredit von 400.000 S mit einer Laufzeit von vier Jahren auf, der seit dem Jahr 1985 mit monatlich 9.870 S zu tilgen ist. Weder im Zeitpunkt der Eheschließung noch danach trafen ihn weitere Sorgepflichten. Zum Zeitpunkt der Eheschließung besaß er ein Motorboot, das er im April 1987 verkauft hat. Mit dem Verkaufserlös deckte er Schulden bei seiner Schwiegermutter. Seine Gattin kaufte in der Folge ein neues Motorboot. Der Antragsgegner wurde von der Antragstellerin von der beabsichtigten Eheschließung nicht verständigt. Er hatte es etwa zwei bis drei Monate vorher abgelehnt, ihr bei der Einrichtung ihrer Wohnung behilflich zu sein. Deshalb war es zwischen ihnen zum Streit gekommen. Die Mutter der Antragstellerin, eine Raumpflegerin, wendete anläßlich der Eheschließung ihrer Tochter einen Betrag von ca. 50.000 S für die Anschaffung des Hochzeitskleides, die Bezahlung der Hochzeitstafel für 30 Personen und die Finanzierung der Hochzeitsreise auf.

Die Antragstellerin beantragte am 17. November 1986, ihrem Vater aufzutragen, ihr ein Heiratsgut in der Höhe von 80.000 S binnen zwei Monaten zu leisten. Ihr Vater habe die Eheschließung nicht mißbilligt, er habe auch keine Gründe zur Mißbilligung. Der Antragsgegner wendete ein, er habe für die Anschaffung der Eigentumswohnung und der Wohnungseinrichtung Kreditrückzahlungen in der Höhe von monatlich 9.000 S zu leisten. Die Antragstellerin habe sich ohne sein Wissen verehelicht, so daß für ihn keine Verpflichtung zur Leistung eines Heiratsgutes bestehe. Die Antragstellerin habe zur Zeit der Eheschließung ausreichendes eigenes Vermögen besessen.

Das Erstgericht setzte das Heiratsgut mit 12.000 S, zahlbar in vier Monatsraten a 3.000 S, fest. Das Mehrbegehren wies es ab. Unerheblich sei das Vorbringen des Antragsgegners, daß ihn die Antragstellerin zur Hochzeit nicht eingeladen habe, da er nicht nachgewiesen habe, daß er zureichende Gründe für eine Mißbilligung der Ehe gehabt hätte. Die Abtreibung im Rahmen der Fristenlösung stelle einen solchen Mißbilligungsgrund nicht her. Der Wert des Motorbootes und der Eigentumswohnung sei nicht zu berücksichtigen. Mit dem Erlös des Motorbootes habe der Antragsgegner Schulden bezahlt, die Eigentumswohnung diene zur Befriedigung seines Wohnbedürfnisses. Die Rückzahlungsraten auf den Wohnungsbeschaffungskredit seien vom Nettoeinkommen des Antragsgegners abzuziehen. Dem Antragsgegner verbleibe daher ein durchschnittlicher Betrag von monatlich 7.000 S. Es könne ihm zugemutet werden, jährlich etwa 40.000 S anzusparen, zumal eine vorübergehende Einschränkung des eigenen Lebensstandards in Kauf genommen werden müsse. Ein Heiratsgut von 12.000 S erscheine angemessen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht, dem der Antragstellerin, die die Abweisung eines Betrages von 30.000 S unangefochten ließ, Folge. Es änderte den Beschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antragsgegner schuldig erkannte, der Antragstellerin binnen zwei Monaten ein Heiratsgut von 50.000 S zu bezahlen. Die Unterlassung der Verständigung der Eltern von der Eheschließung führe nur dann zum Verlust des Dotationsanspruches, wenn der Dotationspflichtige nachweise, daß er zureichende Gründe für eine Mißbilligung der Ehe gehabt hätte. Gründe der Mißbilligung habe der Antragsgegner in erster Instanz nicht behauptet. Das Einkommen der Antragstellerin von 8.000 S monatlich netto habe auf die Bemessung des Heiratsgutes keinen Einfluß, es schließe den Dotationsanspruch nicht aus. Der Antragstellerin sei beizupflichten, daß bei der Ermittlung des Jahresnettoeinkommens des Antragsgegners nicht die gesamten Kreditraten in Abzug gebracht werden könnten. Der Antragsgegner und seine berufstätige Ehefrau seien Hälfteeigentümer einer Eigentumswohnung. Ein gewisser Anteil der monatlichen Rückzahlungen müsse auch der Ehefrau angerechnet werden, da dieser finanzielle Aufwand nicht bloß Zwecken der Wohnraumbeschaffung, sondern im erheblichen Ausmaß auch der Bildung eines Vermögenswertes und in geringerem Umfang auch der Anschaffung von Einrichtungsgegenständen gedient habe. Der in Form des Motorbootes gegebene Vermögenswert sei ebenfalls bei der Berechnung in Anschlag zu bringen. Daß der Antragsgegner mit dem Erlös des Motorbootes irgendwelche nicht näher definierten Schulden getilgt habe, könne nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen, zumal nunmehr seine Ehefrau ein neues Motorboot erworben habe. Unter Berücksichtigung dieser Umstände sei die von der Antragstellerin vorgenommene Berechnung eines Heiratsgutes von 50.000 S auf jeden Fall unbedenklich. Vom Antragsgegner könne die Aufbringung des Betrages von 50.000 S innerhalb von zwei Monaten erwartet werden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners ist, soweit er die Bestimmung eines Heiratsgutes in der Höhe von 12.000 S bekämpft, worüber bestätigende Entscheidungen der Vorinstanzen vorliegen (SZ 57/119 ua), mangels Vorliegens der in § 16 AußStrG genannten Revisionsrekursgründe unzulässig, im übrigen ist er nicht berechtigt. Gemäß § 1220 ABGB sind die Eltern oder Großeltern nach der Reihenfolge und nach den Grundsätzen, nach denen sie für den Unterhalt der Töchter oder Enkelinnen, die kein eigenes, zu einem angemessenen Heiratsgut hinlängliches Vermögen besitzen, verpflichtet, bei der Verehelichung ein angemessenes Heiratsgut zu geben oder verhältnismäßig dazu beizutragen. Zweck des Heiratsgutes ist die Gewährung einer den Lebensverhältnissen der Eltern angemessenen Starthilfe für das ausstattungsbedürftige Kind bei der Gründung einer eigenen Familie (EFSlg 46.038; SZ 53/110; Ostheim, ÖJZ 1978, 512; Koziol-Welser7 II 228). Der Gesetzgeber geht davon aus, daß Söhne und Töchter zur Befriedigung der mit der ersten Heirat verbundenen Bedürfnisse noch einmal angemessen an den Lebensverhältnissen ihrer Eltern teilnehmen können (Ostheim aaO 507). Gegen den von beiden Vorinstanzen bejahten Grund des Anspruchs machte der Revisionsrekurswerber geltend, er könne deshalb nicht zur Zahlung einer Ausstattung verpflichtet werden, weil sich die Antragstellerin ohne sein Wissen verehelicht habe. Gemäß § 1222 ABGB sind die Eltern nicht schuldig, der Tochter ein Heiratsgut zu geben, wenn diese ohne Wissen oder gegen den Willen ihrer Eltern sich verehelicht hat und das Gericht die Ursache der Mißbilligung gegründet findet. Diese Vorschrift wird von der Rechtsprechung und der überwiegenden Lehre dahin ausgelegt, daß eine Eheschließung ohne Wissen der Eltern den Ausstattungsanspruch nicht auf jeden Fall, sondern nur dann verwirkt, wenn die Eltern zureichende Gründe gehabt hätten, die Ehe zu mißbilligen (EFSlg 41.064, 38.545, 24.798, 11.722; SZ 37/142; Petrasch in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1222;

Ehrenzweig-Schwind, Familienrecht3 93, 96; Ehrenzweig II/22, 246, FN 23; Lenhoff in Klang1 III 595; aM Weiß in Klang2 V 743;

Stubenrauch8 II 521). Der mit dem Bindewort "und" verbundene zweite Teil des einleitenden Konditionalsatzes des § 1222 ABGB ist also entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs auf beide Fälle des ein gemeinsames Subjekt aufweisenden ersten Halbsatzes zu beziehen. Es liegen aber auch keine gerechtfertigten Gründe der Mißbilligung der Eingehung der Ehe der Antragstellerin vor. Solche Gründe beziehen sich in erster Linie auf die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse, das Vermögen und die Einkünfte des Bräutigams (EvBl 1976/153; Petrasch aaO Rz 2 zu § 1222). Der Vater behauptete zwar, daß die abgetriebene Leibesfrucht vom nunmehrigen Ehegatten der Antragstellerin gestammt hätte, daß jener aber auf die Antragstellerin eingewirkt hätte, die Abtreibung durchzuführen, wurde weder behauptet noch festgestellt. Daß die damals noch minderjährige Tochter mit einem anderen Mann verlobt war, hat auf die Bestellung des Heiratsgutes keinen Einfluß.

Soweit der Antragsgegner die Höhe der zuerkannten Ausstattung bekämpft, so stellt das Gesetz keine starre Regelung der Ausmittlung auf; maßgebend sind die Verhältnisse des Einzelfalles (EFSlg 51.465, 48.588, 46.042, 43.489 ua). Unter Vermögen des Dotierungspflichtigen im Sinne des § 1220 ABGB ist auch sein Arbeitseinkommen zu verstehen, wenn dieses Ersparnisse und die Ansammlung eines entsprechenden Kapitals ermöglicht (EFSlg 46.059; SZ 53/87; EvBl 1977/98 ua; Petrasch aaO Rz 1 zu § 1221). Bei der Bemessung des Anspruches ist auch auf den Schuldenstand des Leistungspflichtigen sowie darauf zu achten, daß sein eigener anständiger Unterhalt nicht gefährdet werden darf (EFSlg 51.468, 48.595, 46.046 ua). Dabei ist aber zu bedenken, daß der Ausstattungspflichtige zumindest ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Geltendmachung des Ausstattungsanspruches sich wirtschaftlich darauf einzustellen hat, daß sein Kind einen Ausstattungsbeitrag in angemessener Höhe zu erhalten haben wird (EFSlg 51.467). Überhöhte Konsumausgaben und im Zusammenhang damit aufgenommene Kredite können den Ausstattungsanspruch nicht schmälern (SZ 53/87). Bei dem im Jahr 1985 bei der C*** aufgenommenen Kredit von

400.000 S handelt es sich um einen Privat-Sofort-Kredit mit nur vierjähriger Laufzeit. Durch relativ kurzfristige Darlehen vorgezogen befriedigte Konsumwünsche (hier: Wohnungseinrichtung) können den Ausstattungsanspruch der Antragstellerin nicht entscheidend mindern. Die Antragstellerin besaß zum Zeitpunkt der Eheschließung auch nicht ein derartiges Vermögen, daß eine Starthilfe nicht oder nur in eingeschränktem Ausmaß erforderlich gewesen wäre. Das von ihr bezogene Durchschnittseinkommen kann ihren Ausstattungsanspruch nicht mindern (EFSlg 46.035, 46.068; Petrasch aaO Rz 2 zu § 1220). Nicht zu berücksichtigen sind auch weitere nicht verehelichte Kinder des Antragsgegners aus erster Ehe, bei denen das Entstehen eines Ausstattungsanspruches derzeit nicht zu erwarten ist (EFSlg 51.470, 46.054), gleichfalls nicht mindernd wirkt der von der Mutter der Antragstellerin anläßlich der Eheschließung gewährte finanzielle Beitrag; die Summe der Beiträge beider Elternteile bleibt im Rahmen der Angemessenheit des Ausstattungsanspruches. Geht man aber von den festgestellten Einkommensverhältnissen des sonst für niemanden sorgepflichtigen Antragsgegners aus, kann die vom Rekursgericht festgesetzte Ausstattung nicht als überhöht bezeichnet werden. Da das Verfahren bereits nahezu 1 1/2 Jahre anhängig ist, bestand für den Antragsgegner auch die Möglichkeit, Rücklagen zu machen, so daß auch die Leistungsfrist von zwei Monaten nicht zu beanstanden ist. Soweit der Antragsgegner die Bemessung eines Heiratsgutes mit mehr als 12.000 S bekämpft, ist seinem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Anmerkung

E13920

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00537.88.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19880413_OGH0002_0010OB00537_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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