TE OGH 1988/4/13 9ObA89/88

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.04.1988
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag.Dr.Dieter Waldmann und Mag.Günter Köstelbauer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei G*** Real- und Personalkreditbank AG, Wien 6., Theobaldgasse 19, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann F***, Gastwirt, Innsbruck, Innrain 22, vertreten durch Dr. Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 12.000 S sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30. September 1987, GZ 5 Ra 1124/87-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 28. April 1987, GZ 45 Cga 1009/87-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.414,72 S (darin 219,52 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Beschluß vom 17. September 1986 bewilligte das Bezirksgericht Innsbruck der Klägerin zur Hereinbringung ihrer vollstreckbaren Forderung von 36.660 S sA die Exekution gegen die Verpflichtete Christine A*** durch Pfändung und Überweisung der Bezüge, die ihr auf Grund ihres Arbeitsverhältnisses gegen den Beklagten zustanden. Der die Exekution bewilligende Beschluß wurde dem Beklagten am 25. September 1986 zugestellt. In seiner fristgemäß erstatteten Drittschuldnererklärung gab der Beklagte an, daß die Verpflichtete am 30. September 1986 aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten sei.

Mit der am 21. Jänner 1987 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 12.000 S sA. Der Beklagte habe weder eine Drittschuldnererklärung abgegeben noch Zahlung geleistet, obwohl zumindest ein monatlicher Betrag von 3.000 S der Pfändung unterlegen sei.

Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die Verpflichtete sei am 30. September 1986 vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgetreten. Ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Bewilligungsbeschlusses und des für die Drittschuldneräußerung bestimmten Formulars habe er keine Abzüge vom Entgelt der Verpflichteten zugunsten der Klägerin mehr vornehmen können. Die Klägerin erwiderte, daß die Verpflichtete nunmehr wieder beim Beklagten arbeite und dieser schon aus diesem Grunde verpflichtet gewesen sei, die gepfändeten Bezüge einzubehalten. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Verpflichtete Christine A*** war beim Beklagten vom 19. April 1986 bis zu ihrem vorzeitigen Austritt am 30. September 1986 als Köchin beschäftigt. Zum Zeitpunkt ihres Austrittes hatte die Verpflichtete keine Entgeltansprüche mehr und der Beklagte konnte daher keine Beträge einbehalten und an die Klägerin überweisen.

Am 1. November 1986 ging die Verpflichtete ein neues Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten ein. Sie arbeitet seither wiederum als Köchin und bezieht ein monatliches Nettoentgelt von 7.000 S.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte der Klägerin zwar kein im September 1986 fällig gewordenes Entgelt der Verpflichteten überweisen habe können, wohl aber ab November 1986. Da die Verpflichtete keine Sorgepflichten habe, sei ihr Einkommen nur bis zur Höhe von 3.300 S dem Pfändungsschutz unterlegen. Der eingeklagte Betrag sei bis zum Schluß der Verhandlung fällig geworden.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG nicht zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß sich das Pfandrecht am Arbeitseinkommen gemäß § 299 Abs 1 EO zwar auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Bezüge, nicht aber auf die Bezüge aus einem künftigen, noch gar nicht existenten Arbeitsverhältnis beziehe. Wenn der Verpflichtete nach der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber wieder einen neuen Arbeitsvertrag schließe, entstehe ein neues Arbeitsverhältnis. Das Pfandrecht der Klägerin sei daher mit 30. September 1986 untergegangen. Eine Behauptung dahin, daß es sich bei der Auflösung des Arbeitsverhältnisses nur um eine Scheinhandlung und in Wirklichkeit um ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis gehandelt habe, sei von der Klägerin nie aufgestellt worden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin, die das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung behauptet, als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen und in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, ob durch eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses das exekutive Pfandrecht an der Entgeltforderung des Verpflichteten erlischt, eine Rechtsfrage des Verfahrensrechts von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 46 Abs 2 Z 1 ASGG ist, zu welcher eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes fehlt (Kuderna ASGG § 46 Erl. 7 und 8 mwH). Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

Soweit die Klägerin unterstellt, die Verpflichtete habe das Arbeitsverhältnis im Einverständnis mit dem Beklagten nur deshalb kurzfristig unterbrochen, um ihre Entgeltforderungen von Pfandrechten zu befreien, geht sie nicht von den Feststellungen aus. Wie schon das Berufungsgericht ausführte, wurde eine Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses nur zum Schein (vgl. Koziol-Welser I8 114 f) bisher nicht behauptet und es liegen auch keine Verfahrensergebnisse für eine solche Annahme vor. Die Verpflichtete Christine A*** begründete ihren vorzeitigen Austritt vielmehr damit, daß sie mit der Küchenchefin des Beklagten in Streit geraten sei. Nachdem sie einen Monat bei ihren Eltern verbracht habe, habe sie es sich wieder überlegt und sei ein neues Arbeitsverhältnis zum Beklagten eingegangen. Da ein unbegründeter Austritt eines Arbeitnehmers auch nachteilige Folgen für diesen haben kann (vgl. etwa §§ 1162 a ABGB, 23 Abs 7, 28 Abs 1 AngG), trifft es weiters nicht zu, daß er es "jederzeit in der Hand habe", das Arbeitsverhältnis ohne weitere Konsequenzen zu unterbrechen. Die Pfändbarkeit noch nicht fälliger Geldforderungen gemäß § 299 EO ist unbestritten und wurde auch vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. § 299 EO bezieht sich jedoch nur auf solche Bezüge, die auf einem einheitlichen Rechtsgrund beruhen und die dem Verpflichteten aus demselben andauernden Rechtsverhältnis zukommen (Heller-Berger-Stix, Kommentar EO 2172, Handbuch der Lohnpfändung 179 f; Mayer in ZAS 1982, 30; SZ 19/19, SZ 34/131; Arb. 7.358; MietSlg. 21.901 ua). Das Arbeitsverhältnis ist ein privatrechtliches, durch den Arbeitsvertrag begründetes Rechtsverhältnis, das in erster Linie die Art der zu leistenden Arbeit und die Höhe des Entgelts festlegt, dessen Inhalt aber auch die übrigen Modalitäten der Arbeitsleistung und die Art der Beendigung des Verhältnisses sein können (Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 46). Schon daraus folgt, daß die Auflösung eines bestehenden Arbeitsvertrages und der Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages keine bloße "Unterbrechung" eines identen Arbeitsverhältnisses schlechthin ist, sondern daß damit - wenn auch mit demselben Arbeitgeber - ein neues Arbeitsverhältnis begründet wird. Eine lediglich auf Unterbrechung gerichtete Absicht der Parteien des Arbeitsvertrages wurde - wie erwähnt - im vorliegenden Fall nicht behauptet. Es trifft zwar zu, daß gemäß § 299 Abs 2 EO die Fortdauer der Pfändung nur gilt, wenn nicht die Person des Arbeitgebers eine andere wird. Eine Änderung des "Dienstherrn" hat aber nicht notwendigerweise auch eine Änderung des Arbeitsverhältnisses zur Folge (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 172; Heller-Berger-Stix, Kommentar 2173), weshalb sich aus dieser Regelung keine Schlüsse auf die Rechtslage ergeben, die durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses und durch die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses mit demselben Arbeitgeber entstehen.

Die in der Revision zitierte und in der RpflSlgE 1959/72 veröffentlichte und nicht weiter begründete Entscheidung des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes wurde von diesem nicht aufrecht erhalten. Die rekursgerichtlichen Entscheidungen stimmen vielmehr darin überein, daß ein durch die Lohnpfändung erworbenes Pfandrecht erlischt, wenn der Verpflichtete das Arbeitsverhältnis auflöst, selbst wenn er später mit demselben Arbeitgeber einen neuen Arbeitsvertrag schließt (vgl.LG für ZRS Wien in RpflSlgE 1966/65, 1971/155; LG Linz in Arb. 9.410). In diesem Sinne vertreten Heller-Berger-Stix in ihrem Kommentar zur Exekutionsordnung ebenfalls die Ansicht, daß bei einer Unterbrechung des Rechtsverhältnisses durch längere Zeit (etwa über eine Auszahlungsperiode) das Pfandrecht erlischt und die Exekution von da ab ins Leere geht. Lediglich bei einer "vorübergehenden Unterbrechung" des Rechtsverhältnisses lebe das Pfandrecht an der Forderung fort (Kommentar 2175; Handbuch 181). Abgesehen davon, daß sich eine "Unterbrechung" des Arbeitsverhältnisses im vorliegenden Fall ohnehin über eine Entgeltzahlungsperiode erstreckt hätte, kann der Einfluß der Dauer einer Unterbrechung auf den Bestand des Pfandrechts im vorliegenden Fall schon deshalb dahingestellt bleiben, weil das Arbeitsverhältnis der Verpflichteten zum Beklagten nicht nur unterbrochen und später fortgesetzt, sondern beendet und in der Folge ein neues Arbeitsverhältnis begründet wurde. Dazu kommt, daß die Pfändbarkeit nicht fälliger Geldforderungen voraussetzt, daß im Zeitpunkt der Pfändung überhaupt anfallende Bezüge gepfändet werden können (Heller-Berger-Stix, Kommentar 2173; Handbuch 180; EvBl 1966/141; JBl 1979, 438). Dies war nicht der Fall, da der Verpflichteten im Zeitpunkt der Zustellung des Zahlungsverbotes an den Beklagten keine Entgeltforderungen mehr zugestanden sind. Die Forderungspfändung hätte sich sohin im Ergebnis ausschließlich auf die Bezüge der Verpflichteten aus einem künftigen, im Zeitpunkt der Pfändung noch gar nicht bestehenden und daher ungewissen Arbeitsverhältnis richten können. Solche künftigen Forderungen können aber grundsätzlich nicht in Exekution gezogen werden.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.

Anmerkung

E13862

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00089.88.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19880413_OGH0002_009OBA00089_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten