Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Dieter Waldmann und Mag. Günter Köstelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei EBC Gegengeschäftsvermittlungsgesellschaft mbH, Wien 13., Hietzinger Hauptstraße 50, vertreten durch Dr. Erich Proksch und Dr. Richard Proksch, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Dieter M***, Kaufmann, Wien 7., Burggasse 107/17, vertreten durch Dr. Helmut Hoppel, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 100.000,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. August 1987, GZ 33 Ra 49/87-40, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 27. November 1986, GZ 1 Cr 2009/86-30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.243,80 (darin S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand die professionelle Vermittlung von Gegengeschäften ist (Exchange Business Club). Der Beklagte war ab 4. Juli 1984 für die Klägerin tätig. Nach dem am selben Tag abgeschlossenen "Mitarbeitervertrag" sollte der Beklagte selbständig als Kundenberater und selbständiger Vermittler von EBC-Verträgen auftreten. Es traf ihn keinerlei Arbeits- und Dienstpflicht und es stand ihm frei, tätig zu sein oder nicht. Er erklärte ausdrücklich, wirtschaftlich unabhängig, auf Abschlüsse auf Grund des Vertrages nicht angewiesen zu sein und aus der Tätigkeit für die Klägerin nicht den überwiegenden Lebensunterhalt zu bestreiten. Ein Arbeitsverhältnis sollte durch diese Vereinbarung nicht begründet werden.
Ferner war vereinbart, daß es dem Beklagten jederzeit frei stehe, ohne Angabe von Gründen zu erklären, daß er seine Tätigkeit einstelle. Er war dabei weder an bestimmte Termine, noch Fristen gebunden. Für den Fall des Verstoßes gegen vertragliche Pflichten, insbesondere mangelnde Betreuung der Mitglieder, Nichtablieferung kassierter Gelder, verspätete Weitergabe von Aufträgen oder Formularen udgl. war andererseits die Klägerin berechtigt, den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufzulösen. Der Beklagte konnte sich seine Tätigkeit nach eigenem Ermessen einteilen. Es stand ihm frei, wann er arbeitete und welche Mitglieder er besuchte; er war bei Verrichtung seiner Tätigkeit insbesondere weder an bestimmte Orte noch an bestimmte Arbeitszeiten noch an die Erreichung einer bestimmten Arbeitsleistung bzw. eines bestimmten Erfolges gebunden.
Am 15. November 1985 bot die Klägerin dem Beklagten einen neuen "Mitarbeitervertrag" an, der unter anderem vorsah, daß ein Mitarbeiter während der Dauer dieses Vertrages im selben Geschäftszweig weder selbständig noch unselbständig tätig sein noch sich an einem solchen beteiligen dürfe. Ein Verstoß gegen dieses Konkurrenzverbot sollte die Klägerin nicht nur zur sofortigen Auflösung des Vertrages berechtigen, sondern auch den Mitarbeiter schadenersatzpflichtig machen. Jedenfalls sei eine nicht der richterlichen Mäßigung unterliegende Konventionalstrafe von 1 Million S fällig.
Mit einem als "Kündigung" bezeichneten Schreiben vom 18. November 1985 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß er mit demselben Tag seine Tätigkeit für die Klägerin eingestellt habe. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin vom Beklagten die Zahlung von S 100.000,- an verwirkter Konventionalstrafe. Der Beklagte sei als selbständiger Handelsvertreter mit der Vermittlung von Rechtsgeschäften in ihrem Namen und auf ihre Rechnung betraut gewesen. Er hätte das Handelsvertreterverhältnis gemäß § 19 Abs 2 HVG frühestens zum 31. Dezember 1985 lösen können. Dennoch habe er am 18. November 1985 erklärt, seine Tätigkeit sofort einzustellen, und habe dadurch gegen das im Vertrag vom 15. November 1985 enthaltene Konkurrenzverbot verstoßen, daß er eine Tätigkeit als Geschäftsführer in einem von ihm aufgebauten Konkurrenzunternehmen aufgenommen habe.
Der Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Die zwischen den Parteien abgeschlossene Vereinbarung unterliege nicht dem HVG, sondern sei als "freier Dienstvertrag" anzusehen; dieser habe vereinbarungsgemäß von jeder Seite jederzeit und sofort gelöst werden können. Der Beklagte habe das Vertragsverhältnis mit 18. November 1985 wirksam beendet, so daß auch das nur für die Dauer der Vereinbarung geltende Konkurrenzverbot mit diesem Tag erloschen sei. Eine Konkurrenzklausel im Sinne des § 36 AngG sei nie vereinbart worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte im wesentlichen fest:
Der Beklagte konnte seine Tätigkeit im Sinne des "Mitarbeitervertrages" vom 4. Juli 1984 völlig frei gestalten. Er hatte die Aufgabe, anhand von Material, das nicht unbedingt von der Klägerin beigestellt wurde, wie etwa von Branchenverzeichnissen und Telefonbüchern, mit Unternehmen in Kontakt zu kommen, um diese für das professionelle Gegengeschäft zu werben. Er mußte nicht zu bestimmten Zeiten im Betrieb der Klägerin sein, sondern konnte arbeiten, wann immer er wollte. Er hatte keine Gewerbeberechtigung. Seine Tätigkeit für die Klägerin war nicht die einzige geschäftliche Betätigung. Allerdings arbeitete er nicht für weitere Vertragspartner, sondern bezog sein überwiegendes Einkommen aus der Unterstützung durch seine Eltern.
Im Spätherbst 1985 erfuhr der Geschäftsführer der Klägerin, Peter P***, daß es auf dem Markt Bemühungen gebe, ein Konkurrenzunternehmen zu gründen. Da jeder Mitarbeiter einen Zugang zur "kompletten Basis" hatte, wollte er verhindern, daß Daten unrechtmäßig verwendet werden. Er ließ daher einen neuen "Mitarbeitervertrag" ausarbeiten, in dem ein Konkurrenzverbot und Kündigungsfristen vorgesehen waren. Die Kündigungsfrist sollte vorsorgen, daß ein ausscheidender Mitarbeiter nicht mit aktuellen Datenbeständen arbeiten konnte.
Auch der Vertrag vom 15. November 1985 wies auf die Selbständigkeit der Tätigkeit des Klägers, auf das Fehlen jeglicher Arbeits- oder Dienstpflicht und darauf hin, daß es dem Beklagten völlig frei stehe, für die Klägerin tätig zu werden oder nicht. Auch mit diesem Vertrag sollte kein Arbeitsverhältnis gegründet werden. Ein Mitarbeiter sollte eine juristisch und wirtschaftlich selbständige Person sein, die sich verpflichte, die gewerberechtlichen Voraussetzungen zur Vertretung der Klägerin zu besitzen bzw. unverzüglich zu erbringen; ferner ordnungsgemäß Bücher im Sinne der handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Vorschriften zu führen und die erforderlichen Steuererklärungen abzugeben. Als Neuerung enthielt der Vertrag vom 15. November 1985 jedoch ein "während der Dauer" des Vertragsverhältnisses geltendes Konkurrenzverbot, dessen Verletzung einer Konventionalstrafe unterlag, und folgende Kündigungsbestimmung:
"EBC ist berechtigt, das Vertragsverhältnis unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist jeweils zum Monatsletzten aufzukündigen, wenn der Mitarbeiter durch einen Zeitraum von 2 Monaten keine produktive Geschäftstätigkeit (Mitgliederwerbung/Umsatzförderung) erbringt. Im übrigen gelten die Kündigungsbestimmungen des § 19 HVG (unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungszeit)."
Dieser Vertrag wurde von sämtlichen Mitarbeitern der Klägerin unterschrieben. Auch der Beklagte, der am 15. November 1985 zufällig in das Büro der Klägerin kam, wurde aufgefordert, den Vertrag zu unterfertigen. Er meinte aber, vorerst noch mit dem Geschäftsführer der Klägerin sprechen zu wollen, da er Änderungswünsche habe. Gegenüber dem Geschäftsführer äußerte sich der Beklagte dahin, daß er die Klausel betreffend die Kündigungsfrist durchstreichen wolle. Peter P*** akzeptierte den Einwand und strich die Kündigungsregelung durch; hierauf unterfertigte der Beklagte den Vertrag.
Auf die Frage des Beklagten, warum er den neuen Vertrag wünsche, antwortete der Geschäftsführer der Klägerin, er habe gehört, daß auf dem Markt eine Konkurrenz auftauche. Er fügte hinzu: "Vielleicht sind Sie meine Konkurrenz." Der Beklagte erwiderte, daß es tatsächlich so sei. Er habe schon längere Zeit Vorbereitungen getroffen und wolle in einer neu zu gründenden Gesellschaft Geschäftsführer werden. Hierauf versuchte der Geschäftsführer der Klägerin auf den Beklagten einzuwirken, daß er weiterhin - in besserer Position - für die Klägerin arbeite. Der Beklagte erklärte dazu, er werde sich das überlegen.
Mit Schreiben vom 18. November 1985 erklärte der Beklagte, daß er seine Tätigkeit für die Klägerin einstelle und fügte telefonisch hinzu, daß er lieber für das Konkurrenzunternehmen tätig sein wolle. Er führte in der folgenden Woche verschiedene Präsentationen durch. Am 26. November 1985 wurde die Konkurrenzgesellschaft gegründet und der Beklagten zu einem ihrer Geschäftsführer bestellt. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß das Verhältnis der Parteien als "freier Dienstvertrag" anzusehen sei. Für dieses sei zwar die Anwendung der Kündigungsfristen nach dem HVG ausgeschlossen worden, doch sei jedenfalls auf zwingende arbeitsrechtliche Bestimmungen Bedacht zu nehmen. Da der Beklagte vorwiegend von seinen Eltern erhalten worden sei, gelte für ihn die 14-tägige Kündigungsfrist des § 1159 b ABGB, welche gemäß § 1164 ABGB zwingend sei. Er hätte daher den freien Dienstvertrag frühestens mit 2. Dezember 1985 beenden können. In dieser Zeit habe der Beklagte durch die Teilnahme an Präsentationen, den Abschluß des Gesellschaftsvertrages und die Aufnahme der Geschäftsführertätigkeit gegen das am 15. November 1985 vereinbarte Konkurrenzverbot verstoßen. Er habe die begehrte Konventionalstrafe zu zahlen. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß zwischen den Parteien kein Dienst- oder Arbeitsvertrag im Sinne des § 1151 ABGB, sondern ein sogenannter freier Arbeitsvertrag zustande gekommen sei, und führte ergänzend aus, daß im Vertrag vom 4. Juli 1984 die sofortige Lösbarkeit des Vertragsverhältnisses vereinbart gewesen sei. Es sei unstrittig, daß es dem Beklagten vor allem darum gegangen sei, diese Auflösbarkeit auch im neuen Vertrag beizubehalten und daß er deshalb erklärt habe, er wolle die im Vertragsentwurf enthaltenen Kündigungsbestimmungen streichen, weil er nicht mehr als früher gebunden sein wolle. Er habe daher der Meinung sein können, daß hinsichtlich der Kündigungsbestimmungen alles beim alten bleibe.
Die Bestimmung des § 1159 b ABGB sei zwar zugunsten des Arbeitnehmers zwingendes Recht, doch sei es fraglich, ob die darin enthaltenen Kündigungsfristen auch auf freie Arbeitsverträge anzuwenden seien. Eine Aufrechterhaltung des Vertrages entgegen dem erklärten Willen der Vertragspartner widerspreche dem Wesen des freien Arbeitsvertrages. Es bestehe kein Bedürfnis, einen "freien Mitarbeiter" als den angeblich sozial Schwächeren dadurch zu bevormunden, daß man ihn zwinge, die im ABGB vorgesehenen Kündigungsfristen einzuhalten, wenn er ausdrücklich die sofortige Lösbarkeit des Vertrages gewünscht und vereinbart habe. Der Beklagte habe es sich vorbehalten, nach Belieben tätig zu werden oder auch nicht. Es könne daher nicht angenommen werden, es müsse ihm entgegen dem erklärten Vertragswillen die Kündigungsfrist des § 1159 b ABGB aufgezwungen werden. Er habe sohin das Vertragsverhältnis mit der Klägerin jederzeit und sofort lösen dürfen. Damit sei eine Verletzung des erst mit Vertrag vom 15. November 1985 vereinbarten Konkurrenzverbotes nach dem 18. November 1985 denkunmöglich. Vor dem 15. November 1985 habe weder ein Konkurrenzverbot bestanden noch sei eine Konventionalstrafe vereinbart gewesen.
In der Zeit zwischen Freitag, dem 15. November 1985, und Montag, dem 18. November 1985, habe der Kläger keine Konkurrenztätigkeit entfaltet. Überdies sei ihm dieser Zeitraum vom Geschäftsführer der Klägerin als Überlegungsfrist dafür zugestanden worden, ob er weiter für die Klägerin tätig sein wolle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Mit ihren Ausführungen in der Mängelrüge, es sei vereinbart gewesen, daß anstelle der im Vertrag vom 15. November 1985 gestrichenen Kündigungsbestimmungen "das Gesetz" gelten habe sollen, bekämpft die Revisionswerberin in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, wonach es im Hinblick auf die Interessenslage des Beklagten hinsichtlich der Möglichkeit der jederzeitigen Auflösung des Vertrages beim alten bleiben sollte. Damit haben die Parteien aber ohnehin eine eindeutige Regelung getroffen. Ob diese Regelung geeignet war, allenfalls entgegenstehende arbeitsrechtliche Bestimmungen zu verdrängen, ist eine Rechts- und keine Tatsachenfrage.
In ihrer Rechtsrüge vertritt die Revisionswerberin einerseits die Ansicht, daß ein Arbeitsverhältnis bzw. ein freies Arbeitsverhältnis vorgelegen sei, auf das mangels gegenteiliger Vereinbarung zwangsläufig die Bestimmung des § 1159 b ABGB anzuwenden sei, und im Widerspruch dazu andererseits die Auffassung, es habe sich in Wahrheit um ein Handelsvertreterverhältnis gehandelt, so daß schon begrifflich die Anwendung arbeitsrechtlicher Vorschriften ausgeschlossen sei. Es seien daher die Kündigungsbestimmungen des § 19 HVG maßgeblich, nach denen eine Kündigung frühestens zum 31. März 1986 erfolgen hätte dürfen. In dieser Zeit habe der Beklagte jedenfalls gegen den Vertrag verstoßen. Diesen Ausführungen ist vorerst die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes entgegenzuhalten, daß es für das Vertragsverhältnis der Parteien wesentlich und ausschlaggebend war, daß den Beklagten keinerlei Arbeitspflicht traf und es ihm völlig frei stand, für die Klägerin tätig zu werden oder für sie nicht zu arbeiten. Dem mangelnden Bindungswillen des Beklagten, der an der Wirtschaftsuniversität studierte und Unterhalt von seinen Eltern erhielt, entsprach auch die vertraglich eingeräumte Möglichkeit, seine Tätigkeit jederzeit ohne Angabe von Gründen eizustellen. Die Ansicht der Revisionswerberin, es hätte zur Beendigung des Vertragsverhältnisses schon nach der Vereinbarung dennoch einer Kündigung bedurft, ist verfehlt, da ausdrücklich die Möglichkeit der jederzeitigen Vertragsauflösung vereinbart worden war. Nach dem Mitarbeitervertrag vom 4. Juli 1984 sollte das Vertragsverhältnis längstens durch den "Tod" eines der beiden Vertragsteile enden. "Überdies" stand es dem Beklagten jederzeit frei, ohne Angabe von Gründen zu erklären, daß er seine Tätigkeit einstelle. Er war dabei weder an bestimmte Termine noch Fristen gebunden. Andererseits war die Klägerin berechtigt, den Vertrag bei Vorliegen bestimmter Gründe ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist aufzulösen. Schon aus dem Zusammenhang und der Erwähnung von Terminen und Fristen folgt entgegen der Ansicht der Revisionswerberin, daß die Erklärung des Beklagten, seine Tätigkeit zu beenden, unmittelbar die Auflösung des Vertrages bewirken sollte, ohne daß es allein der Klägerin vorbehalten geblieben wäre, aus der faktischen Nichttätigkeit des Beklagten vertragslösende Konsequenzen zu ziehen. Dies bestätigt letztlich auch das Bestreben der Klägerin, im "Mitarbeitervertrag" vom 15. November 1985 Kündigungsfristen und Termine aufzunehmen, woraus ebenfalls zu schließen ist, daß vorher solche nicht vereinbart waren.
Den Ausführungen des Berufungsgerichtes, daß zwischen den Parteien kein Arbeitsvertrag im Sinne des § 1151 ABGB zustande gekommen ist und daß nach herrschender Ansicht auf den sogenannten freien Dienstvertrag die Regeln über den Arbeitsvertrag nicht unmittelbar anzuwenden sind, sondern grundsätzlich nur jene arbeitsrechtlichen Vorschriften zur Anwendung kommen können, die nicht vom persönlichen Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmer ausgehen und den sozial Schwächeren schützen sollen, ist insoweit beizupflichten (vgl. Adler-Höller in Klang2 V 156; Krejci in Rummel ABGB § 1151 Rz 36 ff und 83; Kuderna ASGG § 51 Erl. 10 und 14 mwH; Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht2 I 3, 15 ff; Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 99 ff; Tomandl, Wesensmerkmale des Arbeitsvertrages 66 ff, 121; Mayer-Maly/Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 28 ff; Jabornegg HVG § 1 Erl. 4.2 ff; Wachter. Der sogenannte freie Dienstvertrag, DRdA 405 ff; Csebrenyak-Geppert-Maßl-Rabofsky, ABGB und Arbeitsvertragsrecht 177 ; Sprung-König ZAS 1985 166 ff; Arb. 8.030, 10.055, 10.060, 10.096, 10.406; ZAS 1983/3 mit Besprechung von Wachter; DRdA 1984/18 mit Besprechung von Wachter; DRdA 1985/20 mit Besprechung von Wachter; JBl 1987, 332; 14 Ob A 46/87 ua). Dem Berufungsgericht ist aber auch darin zuzustimmen, daß gerade die bewußt unabhängige Gestaltung des Vertragsverhältnisses der Prozeßparteien so frei und lösbar wie möglich der analogen Anwendung von Kündigungsbestimmungen des ABGB - eine unmittelbare Anwendung kommt auf den "freies Dienstverhältnis" nicht in Betracht - entgegensteht. Diese hätte nämlich durch die Bindung an die Klägerin zu einer persönlichen Abhängigkeit des Beklagten geführt, welche beide Parteien nicht wollten und die auch mangels jeglicher Arbeitspflicht des Beklagten nicht sinnvoll gewesen wäre. Auch wenn die in den §§ 1159 ff ABGB vorgesehenen Kündigungsfristen so kurz sind, daß sie in der Regel nur die legitimen Interessen der Vertragspartner vor einer abrupten einseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses durch einen Kontrahenten schützen (vgl. Wachter in DRdA 1984, 414), steht im vorliegenden Fall im Vordergrund, daß beide Teile eine möglichst freie Gestaltung ihres Vertragsverhältnisses wollten und auch tatsächlich handhabten, so daß ihnen hinsichtlich der vereinbarten jederzeitigen Lösbarkeit gerade im Hinblick auf die konkrete objektiv verstandene Interessenlage des Beklagten (vgl. Krejci in Rummel ABGB § 1164 Rz 8), der ja zu keiner Tätigkeit verpflichtet war, keine Schutzbedürftigkeit zukommt.
Es kann auch dahingestellt bleiben, ob zwischen den Parteien in Wahrheit ein Handelsvertretervertrag abgeschlossen wurde (vgl. Jabornegg HVG § 1 Erl. 4.3.3 ff, 4.4.2), da die Bestimmung des § 19 Abs 2 HVG dispositiv ist und grundsätzlich auch Vereinbarungen zulässig sind, wonach das Handelsvertretervertragsverhältnis zwar unbefristet eingegangen wird, aber stets ohne Grund fristlos gekündigt werden kann (Jabornegg HVG § 19 Erl. 4.3; HS 6.705). Der Einwand der Revisionswerberin, es sei keine von § 19 Abs 2 HVG abweichende Vereinbarung zustande gekommen, übergeht die Feststellungen ebenso wie der weitere Einwand, für die Klägerin habe keine entsprechende Kündigungsmöglichkeit bestanden. Auch die Klägerin war zur sofortigen Auflösung des Vertragsverhältnisses berechtigt (§ 19 Abs 3 HVG), wobei der Kündigungsgrund der mangelnden Betreuung der Mitglieder im Zusammenhalt mit der Freiheit des Beklagten, nicht tätig werden zu müssen, ohnehin einen allgemeinen Auflösungsgrund bot. Im übrigen ist auch die Bestimmung des § 19 Abs 3 HVG gemäß § 28 Abs 1 HVG nur zugunsten des Handelsvertreters relativ zwingend (Jabornegg aaO). Daß der Beklagte in der auf ein Wochenende fallenden Zeit zwischen dem 15. November 1985 und dem 18. November 1985 gegen das Konkurrenzverbot verstoßen hätte können, wird selbst in der Revision nicht behauptet und wurde nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch nicht bewiesen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.
Anmerkung
E13872European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00160.87.0413.000Dokumentnummer
JJT_19880413_OGH0002_009OBA00160_8700000_000