TE OGH 1988/4/13 1Ob548/88

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Veröffentlicht am 13.04.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** Gesellschaft m.b.H. & Co KG, Wien 10., Gudrunstraße 90, vertreten durch Dr. Ernst Ploil, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** T*** P*** Gesellschaft m.b.H., Wien 3., Modecenterstraße 22, vertreten durch Dr. Helmut Neudorfer und Dr. Klaus Griensteidl, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 600.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Dezember 1987, GZ 4 R 228/87-23, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Zwischenurteil des Handelsgerichtes Wien vom 14. Juni 1987, GZ 15 Cg 92/86-18, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 16.122,15 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon 1.465,65 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei schloß am 4. Februar 1981 mit der S*** AG einen "Liefer- und Bezugsvertrag", der u.a. vorsah:

"1. Vertragsgegenstand:

1.1. S*** verpflichtet sich, jeweils im Rahmen ihres Erzeugungsprogramms auf Grund der Bestimmungen dieses Vertrages, die FSG (klagende Partei) mit Kunststoffenstern zu beliefern. FSG verpflichtet sich, die von ihr zu liefernden und/oder zu montierenden Fenster, soweit es sich um Kunststoffenster handelt, ausschließlich im Semperdursystem zu verkaufen. Schließen behördliche Vorschriften Typen von Semperit-Fenstern aus, ist FSG für den jeweiligen Geschäftsfall berechtigt, andere Kunststoffenster zu verkaufen.

5. Werbemaßnahmen, Bezeichnung und Image der Vertragsprodukte:

5.1. S*** gestattet der FSG für die Zeit der Belieferung aufgrund dieses Vertrages, die ihr gehörenden Produktbezeichnungen wie Semperdur, Roplasto, Thermo und allfällige in der Folge eingetragene Warenzeichen und Kennzeichen hiefür zu verwenden.

5.2. FSG ist verpflichtet, diese Bezeichnungen in einer angemessenen und werbewirksamen Form zu verwenden, hiebei die Richtlinien der S*** bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes dieser Bezeichnungen zu beachten, sodaß ein einheitliches Erscheinungsbild dieser Produkte nach außen gewährleistet ist. FSG hat alles zu unterlassen, wodurch das einheitliche und günstige Image dieser Produkte auf dem Markt beeinträchtigt werden könnte.

5.3. FSG erhält von S*** auf Vertragsdauer kostenlos eine ausreichende Anzahl von Demonstrationsobjekten letzten Standes, die jedoch im Eigentum der S*** verbleiben. An Messen und Werbefeldzügen wird sich FSG auf ihre Kosten angemessen beteiligen.

5.4. FSG erhält von S*** oder P*** kostenlos eine ihrem Geschäftsumfang entsprechende Menge an Prospekten bzw. all jenem Werbematerial, welches vorhanden ist bzw. in späterer Folge noch angeschafft wird. FSG ist verpflichtet, regelmäßig an die S*** oder P*** über ihre Marktaktivitäten und -erfolge sowie über die aktuellen Markt-Tendenzen zu berichten und S*** verpflichtet sich, regelmäßig mit FSG hierüber zu beraten.

6. Laufzeit, Kündigung:

6.1. Dieser Vertrag ist auf unbestimmte Zeit abge schlossen. Er kann zu jedem Jahresende mit 6-monatiger Kündigungsfrist durch eingeschriebenen Brief (Datum des Poststempels) gekündigt werden.

6.2. Jeder Vertragsteil ist außerdem berechtigt, den Vertrag mit sofortiger Wirkung aufzukündigen, wenn die andere Vertragspartei nachhaltig gegen eine Bestimmung dieses Vertrages verstößt. Dieses Recht steht insbesondere bei Insolvenz, drohender Insolvenz oder nachhaltigen Zahlungsstockungen eines Vertragsteiles zu. Die noch laufenden Aufträge werden in diesem Fall von P*** gegen Erstattung einer Provision, wie gesondert zwischen FSG und P*** vereinbart, übernommen."

Die beklagte Partei trat mit Zustimmung der klagenden Partei am 6. Mai 1983 anstelle der S*** AG in diesen Vertrag ein. Die klagende Partei übernahm von der dem S*** angehörigen P*** Bauelemente Vertriebsgesellschaft m.b.H. (im folgenden: P***), die mit dem Vertrieb von Kunststoffenstern befaßt war, ein Geschäftslokal in Wien 23., Triester Straße 211. Dabei wurde die am Geschäftsportal in einem für S*** typischen Schriftzug angebrachte Leuchtschrift "Semperdur" unverändert übernommen, weil eine Änderung das Bekanntwerden der damals noch nicht so eingeführten Marke "Semperdur" beeinträchtigt hätte. Die klagende Partei erhielt auch Werbematerial von der S*** AG, das in seiner Gestalt weitgehend dem vom Semperitunternehmen angeglichen war. So waren die der klagenden Partei zur Verfügung gestellten Bestellformulare in der Farbe völlig und im Schriftbild weitgehend jenen der P*** gleich. Prospekte und Visitenkarten der Mitarbeiter der klagenden Partei wiesen die Markenbezeichnung "Semperdur" Kunststoffenster auf. Die Mitarbeiter der klagenden Partei meldeten sich am Telefon mit "Semperdur-Beratungsdienst" oder "Semperdur-Fenstersanierung", ohne ausdrücklich auf die klagende Partei als eigenes Unternehmen hinzuweisen. Es kam dadurch zu Verwechslungen, weil Kunden die klagende Partei für ein weiteres Tochterunternehmen der S*** AG hielten. Die Mitarbeiter der klagenden Partei deklarierten sich jedoch auf Anfrage als solche. Über die Kammer für Arbeiter und Angestellte wurde der P*** die Beschwerde eines Kunden der klagenden Partei betreffend die Lieferung von Rolläden weitergeleitet, die tatsächlich "eine Katastrophe" waren. Dipl.Ing. Wilhelm K***, der Geschäftsführer der P***, ersuchte den Geschäftsführer der klagenden Partei Ing. Günther K***, in Hinkunft Reklamationen von meinungsbildenden Stellen nach Möglichkeit zu vermeiden. Im Jahre 1982 leitete die Kammer für Arbeiter und Angestellte eine weitere Beschwerde über mangelhafte Fenstermontage durch die klagende Partei an die P*** weiter. Sie wisse zwar, daß die P*** und die klagende Partei nicht ident seien, ersuche aber der guten Ordnung halber darauf hinzuwirken, daß in Unterlagen und Briefköpfen das auch für den kleinen Kunden erkennbar gemacht werde. Dipl.Ing. Wilhelm K*** forderte darauf von Ing. Günther K***, daß sich die klagende Partei von der S*** AG bzw. ihren Töchtern stärker abheben solle. Ing. Günther K*** erklärte hiezu allgemein seine Bereitschaft. Es wurde auch das Briefpapier der klagenden Partei geändert. Als die Ö*** K*** AG, mit der die

S*** AG in Geschäftsverbindung stand, die Holzfenster ihres Hauptgebäudes auszuwechseln beabsichtigte, trat sie Anfang 1983 an die P***, möglicherweise aber auch an die klagende Partei heran. Der Leiter der Hausverwaltung Kurt C*** erteilte der klagenden Partei mündlich den Auftrag zur Lieferung von fünf Fenstern zur Probe. Die Gestaltung der Fenster wurde von der Ö*** K*** AG wegen schwerer Mängel beanstandet, worauf die Mängel behoben wurden. Zudem leerten Arbeiter der klagenden Partei den Mist in den Lichthof, beschädigten die Teppichböden und gaben auf Vorhalte freche Antworten. Die S*** AG ließ durch ihren Generaldirektorstellvertreter Dipl.Kfm. Horst K*** sicherstellen, daß nicht die klagende Partei, sondern die P*** den Auftrag bekam, und beauftragte Dipl.Ing. Wilhelm K***, diesen Sachverhalt Ing. Günther K*** "vorzutragen und weiszumachen". Dipl.Kfm. Horst K*** rief Ing. Günther K*** an und verwies ihn darauf, daß es hier "um einen Millionenschaden gehe", der mit den Fenstern nichts zu tun habe, daß er sich Verstöße gegen die (damals noch nicht ausgearbeiteten) S***ichtlinien nicht gefallen lasse und daß Ing. Günther K*** über mögliche Konsequenzen weiterer Verstöße nachdenken möge. Dipl.Kfm. Horst K*** ersuchte Ing. Günther K***, von weiteren Kontakten mit der Ö*** K*** AG Abstand zu nehmen.

Am 9. Mai 1983 erschien in der "Neuen Kronen Zeitung" eine Einschaltung der P***, wonach unter denjenigen, die zwischen 8 und 16 Uhr unter der Telefonnummer 86-33-68 anrufen und mitteilen, von welcher Firma Semperdur Kunststoffenster erzeugt werden, täglich ein Gewinner gezogen wird. Am 26. Mai 1983 schaltete die klagende Partei in der Tageszeitung "Kurier" eine Anzeige ein, wonach unter denjenigen, die unter der Telefonnummer 67-87-33 (der klagenden Partei) anrufen und mitteilen, ob Semperdur Kunststoffenster ein österreichisches Erzeugnis sind, ein Gewinner ausgelost wird. Die Werbung der klagenden Partei führte im Jahr 1984 zu einem Leserbrief an die Zeitschrift "Solidarität", in dem über Keiler-Methoden Beschwerde geführt wurde.

Mit Schreiben vom 17. Juni 1983 teilte die S*** AG der klagenden Partei mit, daß gemäß Punkt 6.1 des Liefer- und Bezugsvertrages vom 4. Februar 1981 das Vertragsverhältnis zum 31. Dezember 1983 gekündigt werde.

Im Juli 1983 verteilte die klagende Partei in Wien ca. 150 Exemplare einer Werbeschrift, in der unter Verwendung der Bezeichnung "Semperdur" für den Einbau von Türen der Marke "RenoPort" geworben wird. Ein Inserat in der Zeitschrift "Tip-NÖ" vom Juli 1983 enthält keinen Hinweis auf die Marke "Semperdur". Am 13. Juli 1983 teilte die S*** AG der klagenden Partei namens der beklagten Partei mit, sie sei in Kenntnis, daß die klagende Partei an Haushalte in Wien ein Flugblatt verteilt habe, in dem unter dem Warenzeichen "Semperdur" für ein Türenrenovierungssystem geworben werde. Dies verstoße gegen Punkt 5.1 des Vertrages vom 4. Februar 1981, wonach der klagenden Partei die Benützung des Warenzeichens Semperdur nur "auf Grund des Vertrages", somit nur im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Kunststoffenstern des Erzeugungsprogramms der S*** gestattet worden sei. Gemäß Punkt 6.2 des Vertrages werde die Auflösung des Vertrages mit sofortiger Wirkung erklärt. Anfang September 1983 wurde die klagende Partei nicht mehr mit Semperdur-Fenstern beliefert.

Die klagende Partei begehrt den Betrag von 3,025.109 S sA und brachte zur Begründung vor, die beklagte Partei sei zur vorzeitigen Auflösung des Liefer- und Bezugsvertrages nicht berechtigt gewesen, weil jedenfalls ein nachhaltige, somit beharrliche Vertragsverletzung nicht gegeben sei. Die beklagte Partei habe nach Abgabe ihrer Auflösungserklärung keine Bestellungen von der klagenden Partei mehr entgegengenommen und sich geweigert, die bereits erteilten Aufträge auszuführen. Dadurch sei der klagenden Partei ein Schaden in Höhe des Klagsbetrages entstanden. Die klagende Partei stellte den Zwischenantrag auf Feststellung, daß die von der beklagten Partei am 13. Juli 1983 abgegebene Erklärung, den Liefer- und Bezugsvertrag mit sofortiger Wirkung aufzulösen, nicht zur Auflösung des Vertrages geführt habe.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Das gesamte Verhalten der klagenden Partei sei vertragswidrig gewesen und habe das Vertrauensverhältnis zwischen den Streitteilen zerstört. Die klagende Partei sei wie eine Filiale der S*** AG aufgetreten, was zu Verwechslungen geführt habe; sie habe sich dadurch Aufträge verschafft, die der S*** AG oder deren Tochtergesellschaft P*** zugedacht gewesen seien. An einem von der P*** übernommenen Mietlokal habe die klagende Partei die Aufschrift "Semperdur" belassen und keine eigene Firmenaufschrift angebracht. Sie sei auch als "Semperdur-Beratungsdienst" aufgetreten. Ein Telefon-Gewinnspiel der P*** sei von der klagenden Partei nachgeahmt worden. Im Juli 1983 habe die klagende Partei schließlich unter Verwendung der Marke "Semperdur" für das nicht von S*** stammende Produkt "RenoPort" geworben. Dadurch sei das schon vorher schwer belastet gewesene Vertrauensverhältnis endgültig zerstört worden.

Die klagende Partei hielt dem entgegen, daß die verschiedenen Werbemaßnahmen mit der beklagten Partei und der S*** AG abgestimmt worden seien. Sie habe das gesamte Werbematerial von der S*** AG erhalten. Die Werbung für Holztüren der Marke "RenoPort" unter Verwendung der Marke "Semperdur" habe die beklagte Partei zum Vorwand für die sofortige Vertragsauflösung genommen. Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß die Forderung der klagenden Partei dem Grunde nach zu Recht bestehe. Die von der beklagten Partei am 13. Juli 1983 abgegebene Erklärung, den Liefer- und Bezugsvertrag vom 4. Februar 1981 mit sofortiger Wirkung aufzulösen, habe nicht zur Auflösung dieses Vertrages geführt. Ein nachhaltiger Verstoß gegen die Bestimmungen des Vertrages vom 4. Februar 1981 liege nicht vor. Auch ohne weitere Feststellungen lasse sich die Berechtigung der Forderung der klagenden Partei dem Grunde nach bejahen, so daß auch ein Zwischenurteil gemäß § 393 Abs 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei teilweise Folge. Es bestätigte den Ausspruch des Erstgerichtes über das Feststellungsbegehren und sprach aus, daß der hievon betroffene Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Im übrigen hob es das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Ein Dauerschuldverhältnis könne aus wichtigen Gründen auch vorzeitig gelöst werden. Die Auflösungsgründe müßten in der Auflösungserklärung nicht angeführt werden; lediglich im Falle der Bestreitung der Rechtswirksamkeit seien sie nachzuweisen. Die beklagte Partei sei demnach berechtigt gewesen, alle ihr wichtig erscheinenden Auflösungsgründe geltend zu machen. Die von der beklagten Partei herangezogenen Beschwerden der Kammer für Arbeiter und Angestellte seien ihrer Natur nach nicht geeignet gewesen, ein Schwinden des Vertrauensverhältnisses zwischen den Streitteilen zu bewirken. Es handle sich dabei um mangelhafte Arbeiten der klagenden Partei, die zwar allenfalls Auswirkungen auch auf den Geschäftsgang der beklagten Partei haben mochten, aber nicht bewirken konnte, daß das Vertrauen zwischen den Streitteilen erschüttert werde. Die weitgehende Verwendung der Marke Semperdur sei der klagenden Partei von der beklagten Partei gestattet worden, habe sie doch Bestellformulare und Werbeschriften, in der diese Marke herausgestrichen wurde, der klagenden Partei zur Verfügung gestellt. Weder das Verhalten bei Hereinnahme des Probeauftrages der Ö*** K*** AG noch auch die Nachahmung des Telefongewinnspieles der P*** stellten eine Verletzung des Liefer- und Bezugsvertrages vom 4. Februar 1981 dar. Die Nachahmung der Werbemethode konnte nur die P*** beschweren. Lediglich in der Verwendung der Marke "Semperdur" für das Fremdprodukt "RenoPort" liege ein Verstoß der klagenden Partei gegen die Bestimmungen des Liefer- und Bezugsvertrages. Es handle sich dabei aber um keinen nachhaltigen Verstoß, weil von dieser Werbeschrift nur ca. 150 Exemplare versandt bzw. verteilt wurden und die klagende Partei nach Erhalt des Auflösungsschreibens vom 13. Juli 1983 diese Art der Werbung nicht weiter fortgesetzt habe. Demnach sei die beklagte Partei zur fristlosen Aufkündigung des Vertragsverhältnisses nicht berechtigt gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den das Ersturteil bestätigenden Teil der Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Es entspricht Rechtsprechung und Lehre, daß Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen aufgelöst werden können, wenn einem Teil die Aufrechterhaltung des Vertragsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die einem Dauerschuldverhältnis zugrundeliegende Vertrauensbasis weggefallen ist (SZ 57/186; EvBl. 1982/187; SZ 48/77; SZ 46/109; Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 7 vor §§ 918 ff; Ehrenzweig-Mayrhofer, System3 II/1, 619). Die vorzeitige Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses ist auch während laufender Kündigungsfrist zulässig. Der Revisionswerberin ist einzuräumen, daß Dauerschuldverhältnisse nicht in gleichem Ausmaß der außerordentlichen Kündigung unterliegen; es kommt darauf an, wie fest und beständig der Gesetzgeber oder die Parteien das Rechtsverhältnis gestaltet haben (Ehrenzweig-Mayrhofer a. a.O. 619). So wurde etwa das einseitige Abstehen vom Vertrag bei verbücherten Dienstbarkeiten nur als äußerstes Notventil, dessen Verweigerung den Sinn des Rechtsverhältnisses geradezu ins Gegenteil verkehren würde, angesehen (MietSlg. 31.223; Mayrhofer, JBl. 1974, 593, 602). Es trifft auch zu, daß Dauerschuldverhältnisse wie etwa ein Gesellschaftsverhältnis mit Wirksamkeit der Aufkündigung in einen "neuen Rechtszustand" treten (Torggler-Kucsko in Straube, HGB, Rz 6 zu § 145), doch treten die Auflösungswirkung und die daran geknüpften Folgen (Liquidation) nicht schon mit Abgabe der Kündigungserklärung, sondern erst mit deren Wirksamkeit ein. Daß die außerordentliche Kündigung während des Laufes der Kündigungsfrist unter erleichterten Voraussetzungen möglich wäre, ist daraus nicht abzuleiten.

Im vorliegenden Fall wurde das Recht zur vorzeitigen Auflösung in Punkt 6.2 des Liefer- und Bezugsvertrages vom 4. Februar 1981 dahin geregelt, daß es an einen nachhaltigen Verstoß gegen eine Vertragsbestimmung geknüpft wurde. Das Recht sollte insbesondere bei Insolvenz, drohender Insolvenz oder nachhaltigen Zahlungsstockungen eines Vertragsteiles zustehen. Von einem nachhaltigen Verstoß gegen die Vertragspflichten kann nur bei einer beharrlichen oder doch einer besonders gravierenden Vertragsverletzung gesprochen werden, die die Vertrauensbasis entfallen und eine weitere Fortsetzung des Vertragsverhältnisses, insbesondere auch bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, als nicht zumutbar erscheinen läßt. Ein solcher Verstoß ist der klagenden Partei, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, nicht vorzuwerfen. Die beklagte Partei hat auch die Vorfälle bis zum 17.Juni 1983 nur zum Anlaß einer Kündigung des Vertragsverhältnisses genommen, also offenbar selbst nicht als so gravierend erachtet, daß sie eine sofortige, fristlose Auflösung des Vertragsverhältnisses rechtfertigen. Nach dem 17. Juni 1983 liegt aber nur ein einziger Vorfall. Eine Vertragsverletzung liegt sicherlich in der Verwendung der Marke "Semperdur" bei der Verkaufswerbung für Türen der Marke RenoPort. Punkt 5.1 des Liefer- und Bezugsvertrages kann nur dahin verstanden werden, daß der klagenden Partei die Verwendung der Marke nur beim Vertrieb der Kunststoffenster "Semperdur", die den Gegenstand des Vertrages bilden (vgl. Punkt 1.1 des Liefer- und Bezugsvertrages), gestattet wurde. Da es sich aber um einmaligen Verstoß ohne besondere Breitenwirkung handelte, könnte von einer nachhaltigen Vertragsverletzung nur gesprochen werden, wenn die klagende Partei trotz Abmahnung die Verwendung des Warenzeichens fortgesetzt hätte, was nicht der Fall war. Das Inserat in der Zeitschrift "Tip-NÖ" vom Juli 1983 enthält keinen Hinweis auf die Marke "Semperdur". Sonstige mißbräuchliche Verwendungen der Marke "Semperdur" werden in der Revision nicht mehr geltend gemacht.

Die mangelhafte Erbringung von Leistungen (Montage von Rolläden bzw. Fenstern), die zu Beschwerden von Konsumenten bei der Kammer für Arbeiter und Angestellte führte, und die Beanstandung von Leistungen durch die Ö*** K*** AG konnte an sich

das Image der Marke "Semperdur" beeinträchtigen, zumal der Abnehmer vielfach nicht zwischen dem Produkt und dessen mangelhafter Montage unterscheiden wird. Die klagende Partei hatte auch gemäß Punkt 5.2 des Liefer- und Bezugsvertrages alles zu unterlassen, was eine solche Beeinträchtigung zur Folge haben konnte. Es handelte sich aber bei den in Rede stehenden Fehlleistungen unter Bedachtnahme auf den erheblichen Jahresumsatz der klagenden Partei (vgl. ON 8 S 2) um Einzelfälle, so daß auch darin ein nachhaltiger Vertragsverstoß nicht erblickt werden kann. Das Kopieren einer Werbekampagne stellt, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, keine Vertragsverletzung dar, weil es sich nicht um die Nachahmung von Werbemethoden der beklagten Partei handelte. Daran ändert auch nichts, daß der Geschäftsführer der P*** Dipl.Ing. Wilhelm K*** gleichzeitig Leiter der Fenstersparte der beklagten Partei war bzw. ist. Daß das Gewinnspiel gegen § 28 UWG verstoße und dies die Vertrauensbasis zwischen den Streitteilen erschüttert hätte, wurde im Verfahren erster Instanz nicht geltend gemacht. Die Beschwerde eines Konsumenten bei der Zeitschrift "Solidarität" gegen die von der klagenden Partei (und der P***) angewandten Werbemethoden war im Zeitpunkt der Auflösungserklärung der beklagten Partei nicht erhoben und konnte daher schon aus diesem Grund das Vertrauensverhältnis zwischen den Streitteilen nicht belasten. Daß sich das Berufungsgericht mit seiner im Urteil vertretenen Rechtsauffassung in Widerspruch zu einem in einem anderen Verfahren gefällten Beschluß setzte, stellt keinen Revisionsgrund dar. Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E13721

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0010OB00548.88.0413.000

Dokumentnummer

JJT_19880413_OGH0002_0010OB00548_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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