Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Gertraud W***, Angestellte, Wien 18., Staudgasse 2/4, vertreten durch Dr. Karl Leutgeb, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Leopold W***, Drogist, Purkersdorf, Wienerstraße 58/1/3, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger und Dr. Peter Mardetschläger, Rechtsanwälte in Wien, wegen §§ 81 ff EheG, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 8. Jänner 1988, GZ 47 R 1039/87-27, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 9. Oktober 1987, GZ F 2/86-23, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsgegner ist schuldig, der Antragstellerin die mit 15.874,65 S bestimmten Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof (darin 1.443,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 1. Oktober 1985, 52 Cg 272/84-11, aus beiderseitigem gleichteiligen Verschulden rechtskräftig geschieden. Der Ehe entstammen keine Kinder.
An ehelichem Gebrauchsvermögen sind folgende Gegenstände vorhanden:
Eine Eigentumswohnung in Purkersdorf, Wienerstraße Nr. 58, die als Ehewohnung diente. Der Schätzwert dieser Wohnung beträgt 820.000 S. Unter Berücksichtigung eines noch offenen Wohnbaudarlehensrestes von rund 150.000 S ergibt sich ein Wert von 670.000 S. Außerdem sind in der Ehewohnung Fahrnisse im Wert von
91.270 S. Diese Wohnung wurde vor der Eheschließung vorwiegend aus Mitteln der Antragstellerin angeschafft. In der Folge haben die Streitteile die Lasten der Wohnung ungefähr zu gleichen Teilen getragen.
Für einen gemeinsamen PKW hat der Antragsgegner einen Erlös von 80.000 S erzielt. Im Besitz der Antragstellerin befindet sich Schmuck im Wert von rund 70.000 S, ferner ein Fernseher und eine Filmausrüstung im Wert von etwa 10.000 S. Demgegenüber hat eine dem Antragsgegner verbliebene Foto- und Filmausrüstung einen Wert von 50.000 S sowie ein Motorroller einen Wert von 20.000 S. Schließlich ist eine Münzensammlung im Wert von ca. 50.000 S vorhanden. Während der Ehe verdienten die Streitteile ungefähr gleich viel. Auf Druck des Antragsgegners unterschrieb die Antragstellerin, die andernfalls berufliche Nachteile befürchtete, am 20. Juni 1983 eine Vereinbarung, derzufolge sie ihren Hälfteanteil an der Ehewohnung dem Antragsgegner überträgt. Hiefür sollte sie 300.000 S erhalten. 200.000 S wurden ihr vom Antragsgegner tatsächlich bezahlt, während sie die restlichen 100.000 S nicht mehr annahm. Das Erstgericht hat die Ehewohnung der Antragstellerin zugewiesen und die Übertragung des Miteigentumsanteiles des Antragsgegners an sie angeordnet. Den Verkaufserlös für den PKW, den Motorroller, die Münzensammlung und die beim Antragsgegner verbliebene Foto- und Filmausrüstung hat es dem Antragsgegner, den Schmuck und die der Antragstellerin verbliebene Foto- und Filmausrüstung dieser zugewiesen. Bezüglich der Wohnungseinrichtung räumte das Erstgericht dem Antragsgegner ein Wahlrecht ein, das binnen 14 Tagen auszuüben ist. Als Ausgleich für die Ehewohnung wurde der Antragstellerin die Zahlung eines Ausgleichsbetrages von 360.000 S auferlegt. Nach Maßgabe der Ausübung des Wahlrechtes des Antragsgegners bezüglich der Wohnungseinrichtung ist diese Ausgleichszahlung zu reduzieren. Außerdem wurde die Antragstellerin verpflichtet, die anläßlich der Vereinbarung vom 20. Juni 1983 erhaltenen 200.000 S zurückzuzahlen. Bezüglich der ehelichen Ersparnisse (diesbezüglich wurde ungefähre Gleichwertigkeit festgestellt) hat das Erstgericht ausgesprochen, daß jeder Teil das behält, was derzeit in seinem Besitz ist. Die Antragstellerin wurde zur alleinigen Rückzahlung des auf der Eigentumswohnung aushaftenden restlichen Wohnbauförderungsdarlehens verpflichtet. Das Rekursgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigt und den Revisionsrekurs für zulässig erklärt. In rechtlicher Hinsicht gingen die Vorinstanzen davon aus, daß beide Streitteile zur Befriedigung ihres Wohnbedarfes auf die Ehewohnung angewiesen seien. Im Hinblick auf den Umstand, daß die Ehewohnung bereits vor Eheschließung im wesentlichen aus Mitteln der Antragstellerin angeschafft worden sei, erscheine es billig, die Ehewohnung dieser zuzuweisen. Die auferlegte Ausgleichszahlung bewirke, daß beiden Streitteilen ungefähr die Hälfte des aufzuteilenden Vermögens zukomme. Auf die betreffend die Ehewohnung am 20. Juni 1983 geschlossene Vereinbarung könne gemäß § 97 EheG nicht Bedacht genommen werden.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Antragsgegner gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist nicht gerechtfertigt.
Auf die Mängelrüge war nicht einzugehen, weil gemäß § 232 Abs. 2 AußStrG Entscheidungen des Rekursgerichtes im Aufteilungsverfahren nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung angefochten werden dürfen.
Daß die zwischen den Streitteilen die Ehewohnung betreffende Vereinbarung vom 20. Juni 1983 gemäß § 97 Abs. 1 EheG unwirksam ist, wurde von den Vorinstanzen richtig dargelegt. Dies bestreitet auch der Antragsgegner nicht mehr. Entgegen den Ausführungen in seinem Rekurs hat der Oberste Gerichtshof nie die Rechtsansicht vertreten, ungeachtet der Unwirksamkeit derartiger Vereinbarungen müsse auf sie im Aufteilungsverfahren Bedacht genommen werden. Es wurde lediglich ausgeführt, daß der Richter bei seiner zu treffenden Billigkeitsentscheidung den Inhalt der von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung und die Gründe, warum sie zu einer solchen gelangt sind, zu berücksichtigen hat (EvBl. 1980/61 ua). Dies heißt keinesfalls, daß die nach den §§ 81 ff EheG zu treffende Entscheidung inhaltlich der nach § 97 Abs. 1 EheG unwirksamen Vereinbarung entsprechen muß.
Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen Bedacht auf die Gründe für die Vereinbarung genommen. Sie gelangten hiebei zu dem Ergebnis, daß sich die Antragstellerin auf Drängen des Antragsgegners zu einer Unterfertigung der schriftlichen Vereinbarung nur deshalb bereitgefunden hat, weil sie aus privaten, dem Antragsgegner bekannten Gründen berufliche Nachteile im Falle einer Intervention des Antragsgegners befürchtete. Dieser Sachverhalt mag für die gerichtliche Anfechtung der geschlossenen Vereinbarung nicht ausreichen. Bei der Billigkeitsentscheidung nach den §§ 81 ff EheG wird jedoch der Umstand, daß eine nach § 97 EheG unwirksame Vereinbarung nur in einer Zwangslage geschlossen wurde, meistens dazu führen, daß auf ihren Inhalt nicht Bedacht zu nehmen ist.
Mit Recht haben demnach die Vorinstanzen den Inhalt der Vereinbarung vom 20. Juni 1983 bei ihrer Entscheidung unberücksichtigt gelassen.
Daß auch die Antragstellerin zur Befriedigung ihres Wohnbedarfes auf die Ehewohnung angewiesen ist, bestreitet der Antragsgegner nicht ernsthaft. Im Hinblick darauf, daß es sich bei der Ehewohnung um eine relativ billige, den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Antragstellerin entsprechende Wohnmöglichkeit handelt, kann die derzeitige Befriedigung ihres Wohnbedarfes nur als Notlösung angesehen werden. Schließlich steht der Antragsgegner selbst nicht auf dem Standpunkt, die Ehewohnung sei gemäß § 82 Abs. 2 EheG deshalb nicht in die Aufteilung einzubeziehen, weil die Antragstellerin auf ihre Weiterbenützung nicht angewiesen wäre. Nach § 83 Abs. 1 EheG ist die Aufteilung nach Billigkeit vorzunehmen. Dabei ist besonders auf Gewicht und Umfang des Beitrages jedes Ehegatten zur Anschaffung des ehelichen Gebrauchsvermögens und zur Ansammlung der ehelichen Ersparnisse Bedacht zu nehmen. Geht man davon aus, daß die Ehewohnung vorwiegend auf Initiative der Antragstellerin beschafft und die Anschaffung aus ihren Mitteln finanziert worden ist, so entspricht es der Billigkeit, die Wohnung ihr zu überlassen.
Da der Antragsgegner im Revisionsrekurs bezüglich der weiteren Aufteilungsmaßnahmen keine konkreten Einwendungen macht, war die vorgenommene Aufteilung zu bestätigen.
Ausgehend von der erfolgten Aufteilung erscheint auch die vom Erstgericht errechnete Ausgleichszahlung gerechtfertigt. Hiebei ist es unerheblich, ob man bei der Errechnung der Grundlage für die Ausgleichszahlung den Motorroller mit einem Wert von 20.000 S oder nur mit einem Drittel davon annimmt. Bei der Ausmessung einer Ausgleichszahlung ist nämlich eine strenge rechnerische Feststellung nicht erforderlich. Vielmehr müssen unter dem Gesichtspunkt der Billigkeit zu bemessende Pauschalzahlungen festgesetzt werden (7 Ob 683/87, 7 Ob 613/85 ua). Unter Berücksichtigung der zur Diskussion stehenden Beträge fällt die vom Antragsgegner angestrebte Reduktion von nicht ganz 14.000 S überhaupt nicht ins Gewicht. Bei der Errechnung der Grundlage für die Ausgleichszahlung hatte die vom Antragsgegner angestrebte Verringerung bezüglich der Münzensammlung nicht zu erfolgen, weil diese Sammlung nach seinem Vorbringen (S 89 d.A.) seinem Vater nur zur Sicherstellung für den gewährten Kredit von 200.000 S überlassen worden ist. Bei den 200.000 S handelt es sich um jenen Betrag, den der Antragsgegner der Antragstellerin aufgrund der Vereinbarung vom 20. Juni 1983 bezahlt hat. Das Erstgericht hat jedoch die Antragstellerin zur Rückzahlung der 200.000 S neben der Ausgleichszahlung verpflichtet. Entspricht die Antragstellerin dieser Verpflichtung, so hat der Antragsgegner jene Mittel in der Hand, die ihm eine Auslösung der Münzensammlung ermöglichen. Die behauptete Verpfändung der Münzensammlung spielt daher im vorliegenden Verfahren keine Rolle.
Nach den getroffenen Feststellungen beträgt der Wert der Ehewohnung unter Abzug des Restdarlehens, zu dessen Rückzahlung die Antragstellerin verpflichtet ist, 670.000 S. Der Antragstellerin verbleiben der Schmuck (Wert 70.000 S), ein Fernseher und eine restliche Fotoausrüstung (Wert 10.000 S) sowie die Wohnungseinrichtung (laut ON 11 91.000 S), sohin insgesamt 171.000 S. Demgegenüber verbleiben dem Antragsgegner aufgrund des Punktes 2 des erstgerichtlichen Beschlusses Gegenstände im Wert von insgesamt 200.000 S. Es widerspricht daher nicht der Billigkeit, wenn die Antragstellerin zur Leistung einer Ausgleichszahlung verpflichtet wird, die etwas höher als die Hälfte des Wertes der Ehewohnung abzüglich des Restdarlehens ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 234 AußStrG. Es erscheint billig, daß der Antragsgegner der Antragstellerin die gesamten Kosten ihrer Beteiligung an dem von ihm eingeleiteten Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof, das für ihn keinerlei Erfolg brachte, ersetzt.
Anmerkung
E13998European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00556.88.0414.000Dokumentnummer
JJT_19880414_OGH0002_0070OB00556_8800000_000