TE OGH 1988/4/14 7Ob10/88

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Veröffentlicht am 14.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** DER Ö*** B*** Versicherungs-Aktiengesellschaft,

Eisenstadt, Mylldorfgasse 1, vertreten durch Dr. Walter Langer und Dr. Peter Hajek, Rechtsanwälte in Eisenstadt, wider die beklagte Partei Thomas U***, Kraftfahrer, Andau, Windgasse 29, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler, Rechtsanwalt in Neusiedl am See, wegen S 96.820,40 samt Anhang infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Jänner 1988, GZ 16 R 282/87-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt vom 16. September 1987, GZ 3 Cg 92/87-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.243,80 (darin enthalten S 385,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist bei der Klägerin mit seinem PKW Opel Ascona, B 202.468, haftpflichtversichert. Am 16. November 1984 gegen 17,30 Uhr verschuldete Willi P***, der keine Lenkerberechtigung hatte, mit diesem PKW auf der Bundesstraße 54 in Pinggau im alkoholisierten Zustand (1 %o) durch überhöhte Geschwindigkeit und unvorsichtige Fahrweise bei starkem Nebel und stellenweise glatter Fahrbahn einen Verkehrsunfall, bei dem unter anderem der PKW des Anton N*** beschädigt wurde. Willi P*** wurde im Zusammenhang mit diesem Schadensereignis vom Bezirksgericht Hartberg mit Urteil vom 10. Jänner 1985, U 1211/84-3, wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit in einem die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand nach § 89 (81 Z 2) StGB rechtskräftig verurteilt. Auf Grund der bestehenden Haftpflichtversicherung mußte die Klägerin an den Geschädigten S 96.820,40 zahlen.

Das Erstgericht stellte folgenden Sachverhalt fest:

In der Nacht vom 15. November auf den 16. November 1984 feierte der Beklagte mit Thomas K*** in einer Diskothek in Mönchhof seinen Geburtstag und trank verschiedene alkoholische Getränke. Willi P***, der in diesem Lokal als Kellner arbeitete, trank mit dem Beklagten und Thomas K*** fallweise mit. Am 16. November 1984 verließen die Genannten um 7 Uhr früh das Lokal. Alle drei waren alkoholisiert. Der Beklagte lenkte zunächst sein Fahrzeug selbst nach Andau, wo Thomas K*** erklärte, daß er einen Kühler benötige. Daraufhin fuhr der Beklagte nach Frauenkirchen und dann noch nach Bruckneudorf, um dem Thomas K*** diesen Einkauf zu ermöglichen. Dort übergab er dem Willi P*** die Fahrzeugschlüssel und ersuchte ihn, weiterzufahren, weil er selbst übermüdet war und seine Alkoholisierung spürte. Der Beklagte wußte, daß Willi P*** keinen Führerschein besitzt, aber häufig mit einem PKW fährt. Über die Alkoholisierung des Willi P*** machte er sich angesichts seiner eigenen starken Alkoholisierung keine Gedanken. Willi P*** fuhr sodann nochmals nach Frauenkirchen und dann nach Gols. In Gols suchten der Beklagte, Thomas K*** und Willi P*** am Vormittag ein Heurigenlokal auf und tranken neuerlich alkoholische Getränke. Zu Mittag beschlossen sie, nach Andau zurückzufahren. Willi P***, der noch den Fahrzeugschlüssel verwahrte, lenkte neuerlich das Fahrzeug. Der Beklagte nahm im Fond Platz und schlief kurz nach Antritt der Fahrt ein. In Andau erklärte Willi P*** dem Thomas K***, nunmehr in die Steiermark fahren zu wollen. Thomas K*** riet ihm davon ab und versuchte erfolglos, Willi P*** die Fahrzeugschlüssel wegzunehmen. Es gelang ihm auch nicht, den Beklagten, der dies alles nicht wahrnahm, zu wecken. Daraufhin stieg Thomas K*** aus dem Fahrzeug aus. Willi P*** setzte sodann die Fahrt in Richtung Steiermark fort. Der Beklagte wurde erst durch den Unfall geweckt. Nach dem Unfall wollte ihn Willi P*** zur Aussage bewegen, selbst mit seinem PKW gefahren zu sein. Willi P*** gab dies auch zunächst an, widerrief diese Aussage aber.

Die Klägerin begehrt nunmehr vom Beklagten im Regreßwege die Erstattung des von ihr als Haftpflichtversicherer dem Unfallgeschädigten gezahlten Betrages. Der Beklagte habe dadurch, daß er sein Fahrzeug dem Willi P*** trotz Kenntnis, daß dieser keinen Führerschein besitze und alkoholisiert gewesen sei, überlassen habe, die in Art. 6 Abs 2 lit a und b AKHB festgesetzten Obliegenheiten verletzt. Außerdem habe der Beklagte gegen die ihn nach Art. 8 Abs 2 Z 2 AKHB treffende Aufklärungspflicht verstoßen, weil er vor der Gendarmerie unrichtige Angaben über die Person des Lenkers gemacht habe. Die Klägerin sei daher von der Leistung frei.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Willi P*** habe die Fahrt in die Steiermark ohne seinen Willen angetreten. Der Beklagte habe ihm nur gestattet, mit dem Fahrzeug bis Bruckneudorf zu fahren. Dem Beklagten sei zwar bekannt gewesen, daß Willi P*** keinen Führerschein besitzt, er habe jedoch Kenntnis davon gehabt, daß Willi P*** ständig am öffentlichen Verkehr teilnehme und über ausreichende Fahrpraxis verfüge. Die Verletzung der Aufklärungspflicht habe keinen Einfluß auf die Leistungspflicht der Klägerin gehabt.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es bejahte die Leistungsfreiheit der Klägerin wegen der Verletzung der Führerschein- und der Alkoholklausel. Der Beklagte habe dem Willi P*** die Bewilligung für die Unfallfahrt zumindestens schlüssig erteilt. Daß der Beklagte in dem Zeitpunkt, in dem Willi P*** den Entschluß gefaßt habe, in die Steiermark zu fahren, geschlafen habe, könne ihn nicht entschuldigen, weil ein Kraftfahrzeuglenker sein Fahrzeug nur einer zuverlässigen Person überlassen dürfe. Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Dem Beklagten sei die vorsätzliche Verletzung der Obliegenheit nach Art. 6 Abs 2 lit a AKHB anzulasten, weil ihm bekannt gewesen sei, daß Willi P*** keine Lenkerberechtigung besitzt. Es könne keine Rede davon sein, daß Willi P*** das Fahrzeug ohne Willen des Beklagten gelenkt hätte. Daß das genaue Fahrziel nicht abgesprochen worden sei, könne den Beklagten nicht entschuldigen; ebenso nicht der Umstand, daß der Beklagte wegen seines Zustandes nicht mehr die Fahrt in die Steiermark verhindern habe können. Die Ansprüche des geschädigten Dritten seien auf die Klägerin, die auf Grund der vereinbarten Versicherungsbedingungen auch gegenüber dem Beklagten leistungsfrei sei, übergegangen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung der Klage abzuändern; hilfsweise stellt der Beklagte auch einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte beharrt auf seiner bereits vor den Untergerichten vertretenen Ansicht, ihm falle weder eine Verletzung der "Führerschein-" noch der "Alkoholklausel" zur Last. Willi P*** habe eine unerlaubte Schwarzfahrt vorgenommen. Zum Zeitpunkt der Überlassung der Wagenschlüssel sei Willi P*** noch nicht alkoholisiert gewesen. Die Fahrt in die Steiermark sei ohne seinen Willen vorgenommen worden. Er habe daher die "Schwarzfahrt" des alkoholisierten Willi P*** auch nicht verschuldet. Den Revisionsausführungen kann nicht gefolgt werden: Ist im Versicherungsvertrag bestimmt, daß bei Verletzung einer Obliegenheit, die vor dem Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei sein soll, so tritt die vereinbarte Rechtsfolge nicht ein, wenn die Verletzung als eine unverschuldete anzusehen ist (§ 6 Abs 1 VersVG). Wird hingegen eine Obliegenheit verletzt, die vom Versicherungsnehmer zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen ist, so kann sich der Versicherer auf die vereinbarte Leistungsfreiheit nicht berufen, wenn die Verletzung keinen Einfluß auf den Eintritt des Versicherungsfalles oder den Umfang der ihm obliegenden Leistung gehabt hat (§ 6 Abs 2 VersVG). Art. 6 Abs 2 AKHB bestimmt als Obliegenheiten, die zum Zweck der Verminderung der Gefahr oder der Verhütung einer Erhöhung der Gefahr dem Versicherer gegenüber zu erfüllen sind (§ 6 Abs 2 VersVG), und deren Verletzung im Zeitpunkt des Schadensereignisses die Freiheit des Versicherers von der Verpflichtung zur Leistung bewirkt (lit a), daß der Lenker die kraftfahrrechtliche Berechtigung besitzt, das versicherte Fahrzeug zu lenken; die Verpflichtung zur Leistung bleibt gegenüber dem Versicherungsnehmer und den mitversicherten Personen bestehen, wenn diese ohne Verschulden annehmen konnten, daß der Lenker diese Berechtigung besitze, oder wenn der Lenker das Fahrzeug ohne Willen des Halters gelenkt hat (lit b), daß der Lenker sich nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs 1 oder 8 StVO 1960 befindet; diese Leistungsfreiheit darf nur geltend gemacht werden, wenn der Lenker im Zusammenhang mit dem Schadensereignis durch rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichtes oder rechtskräftigen Bescheid einer Verwaltungsbehörde schuldig erkannt worden ist und im Spruch oder in der Begründung dieser Entscheidung der angeführte Umstand festgestellt wird. Die Leistungsfreiheit des Versicherers nach diesen Bestimmungen ist jedoch mit S 100.000 begrenzt (Art. 6 Abs 3 AKHB).

Ob die vorgenannte Fahrt des Willi P*** in die Steiermark eine Schwarzfahrt im Sinne des Art. 6 Abs 2 lit a AKHB dargestellt hat, muß nicht geprüft werden, weil schon die dem Beklagten anzulastende Verletzung der Obliegenheit nach Art. 6 Abs 2 lit b AKHB die Leistungsfreiheit der Klägerin zur Folge hat. Diese Obliegenheit wird nämlich, wie sich schon aus dem Wortlaut des Art. 6 Abs 2 lit b AKHB ergibt (als Obliegenheiten.....werden bestimmt...., daß sich der Lenker nicht in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand im Sinne des § 5 Abs 1 oder 8 StVO 1960 befindet...), nicht nur dann verletzt, wenn der Versicherungsnehmer selbst sein Fahrzeug in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt hat, sondern auch dann, wenn er einer derart beeinträchtigten Person das Lenken seines Fahrzeuges überlassen hat.

Die Leistungsfreiheit des Versicherers ist von der doppelten Voraussetzung abhängig, daß das Zivilgericht eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit des Kraftfahrzeuglenkers feststellen kann und daß überdies in einem Erkenntnis des Strafgerichts oder der Verwaltungsbehörde eine gleichartige Feststellung erfolgt (Petrasch aaO 74; ZVR 1983/18). Dem Versicherungsnehmer aber obliegt der mögliche Beweis des Fehlens jeden Verschuldens (Petrasch aaO 69, 73; Grubmann, VersVG2 Anm. 2 zu Art. 6 AKHB). Bei der Verletzung der Alkoholklausel sieht Art. 6 Abs 2 lit b AKHB nicht wie Art. 6 Abs 2 lit a für eine solche Verletzung der Führerscheinklausel vor, daß der Versicherungsschutz des Versicherten bestehen bleibt, wenn der Lenker das Fahrzeug ohne Willen des Halters gelenkt hat. Der Versicherte kann sich von den Folgen dieser Obliegenheitsverletzung nur durch den Beweis des fehlenden Verschuldens oder den Kausalitätsgegenbeweis befreien. Für alle Fälle der Obliegenheitsverletzung vor dem Versicherungsfall genügt - anders als bei den Obliegenheitsverletzungen nach dem Versicherungsfall (§ 6 Abs 3 VersVG) jeder Verschuldensgrad (Petrasch aaO 68; SZ 53/100).

Im vorliegenden Fall war Willi P*** zur Unfallszeit alkoholisiert (1 %o). Er wurde auch im Zusammenhang mit dem Schadensereignis durch rechtskräftige Entscheidung eines Strafgerichts unter Anführung der Alkoholisierung verurteilt. Der Klägerin ist daher der Beweis des objektiven Tatbestandes dieser Obliegenheitsverletzung gelungen. Der Beklagte hat gemeinsam mit Willi P*** in der Nacht vor dem Unfall alkoholische Getränke zu sich genommen. Dieser war bereits am Morgen des Unfalltages alkoholisiert. Der Beklagte mußte daher annehmen, daß bei Willi P*** eine verkehrsgefährdende Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs 1 StVO vorlag. Dennoch hat der Beklagte Willi P*** ersucht, mit seinem PKW zu fahren. Am Vormittag des Unfalltages trank der Beklagte gemeinsam mit Willi P*** neuerlich alkoholische Getränke. Um die Mittagszeit waren alle Beteiligten ziemlich alkoholisiert. Der Beklagte hat es dennoch zugelassen, daß Willi P*** die Fahrt nach Andau fortsetzte. Er hat daher die Fahrt des alkoholisierten Willi P*** durch Außerachtlassung der nötigen Vorsicht ermöglicht. Daß der Beklagte später wegen seines körperlichen Zustandes die vorher nicht besprochene Fahrt in die Steiermark nicht verhindern konnte, ändert nichts daran, da er durch sein schuldhaftes Verhalten den alkoholisierten Willi P*** durch sein Verhalten in die Lage versetzt hat, das Fahrzeug zu lenken. Er hat schon dieses einleitende Verhalten zu vertreten (vgl. SZ 46/106). Daß ihn seine eigenen Alkoholisierung die Alkoholisierung des Willi P*** allenfalls nicht erkennen ließ, vermag den Beklagten ebenfalls nicht zu entschuldigen: dieser Umstand begründet vielmehr ein zusätzliches schuldhaftes Verhalten. Den ihm obliegenden Kausalitätsgegenbeweis hat der Beklagte gar nicht angetreten. Mit Recht bejahten daher die Unterinstanzen die Leistungsfreiheit der Klägerin.

Der unberechtigten Revision mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14244

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0070OB00010.88.0414.000

Dokumentnummer

JJT_19880414_OGH0002_0070OB00010_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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