Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Ulrike Irene T***, im Haushalt, Meyzieu 1. Allee Frederik Mistral JONAGE, Frankreich, und 2.) mj. Thomas K***, Schüler, im Haushalt seiner Mutter Theresia K***, Haslach, Marktplatz 48, beide vertreten durch Dr. Albrecht Schröder, Rechtsanwalt in Rohrbach, wider die beklagten Parteien 1.) Ursula K***, im Haushalt, und 2.) Christine K***, Studentin, beide wohnhaft in München, Ickstattstraße 4, Bundesrepublik Deutschland, beide vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen Feststellung der Unwirksamkeit des von den Beklagten in der zu A 86/84 des Bezirksgerichtes Neufelden abgegebenen Erbserklärungen zugrundegelegten Erbrechtstitels, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. Januar 1988, GZ 4 R 159/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 24. März 1987, GZ 8 Cg 353/85-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1. den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Revision wird, soweit sie auf Nichtigkeitsgründe gestützt ist, zurückgewiesen.
und 2.) zu Recht erkannt:
Im übrigen wird der Revision nicht stattgegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den klagenden Parteien die mit 13.033,93 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer 1.184,90 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Viktor K*** ist am 20. Juli 1984 im 61. Lebensjahr gestorben. Er war österreichischer Staatsbürger. Aus seiner ersten Ehe stammen eine Tochter und ein Sohn. Dieser Sohn ist 1982 vorverstorben, hinterließ aber einen im April 1979 geborenen Sohn. Im Januar 1963 ist der Erblasser mit einer 15 Jahre jüngeren Frau eine zweite Ehe eingegangen. Dieser Ehe entstammt eine im Mai 1963 geborene Tochter. Im August 1979 schloß der Erblasser mit seinen beiden aus der ersten Ehe stammenden Kindern einen Pflichtteilsverzichtsvertrag. Die beiden Kinder verzichteten damit "jeder für sich und seine gesetzlich erbberechtigten Nachkommen unwiderruflich auf das ihnen
nach ihrem Vater ... zustehende Pflichtteilsrecht einschließlich
ihrer Schenkungseinrechnungsansprüche gemäß ... § 785 ABGB."
In der Abhandlung der Verlassenschaft nach dem am 20. Juli 1984 in München gestorbenen Erblasser gaben einerseits seine Tochter aus erster Ehe eine unbedingte Erbserklärung und der minderjährige Enkelsohn, Sohn des vorverstorbenen Sohnes des Erblassers aus dessen erster Ehe, eine bedingte Erbserklärung aufgrund des Gesetzes ab, während die Witwe und die Tochter aus der zweiten Ehe des Erblassers je zur Hälfte des Nachlasses eine unbedingte Erbserklärung aufgrund eines von ihnen nicht näher datierten, nach den Aussagen der als Testamentszeugen vernommenen Personen während der letzten Lebensjahre des Erblassers in München außergerichtlich errichteten mündlichen Testamentes abgaben.
Dabei waren das Münchner Ehepaar und dessen Tochter, die als Testamentszeugen genannt worden waren, zunächst im Rechtshilfeweg durch das Amtsgericht München am 6. Februar 1985 unbeeidet vernommen worden und dann auf Verlangen der Witwe des Erblassers und dessen Tochter am 23. Juli 1985 nochmals unter Eid, worauf das Abhandlungsgericht das Protokoll über die unter Eid abgelegten Zeugenaussagen formell kundgemacht hatte.
Die Abkömmlinge des Erblassers aus dessen erster Ehe bestritten die Wirksamkeit der von den Zeugen bekundeten Äußerungen des Erblassers als letztwilliger Verfügung. (Die erbrechtliche Berufung der Witwe und deren Tochter aufgrund des Gesetzes, welchen Berufungsgrund diese Personen allerdings bisher nicht in Anspruch genommen haben, haben die Abkömmlinge des Erblassers aus dessen erster Ehe nie in Zweifel gezogen.)
Das Abhandlungsgericht hat die einander (teilweise) widersprechenden Erbserklärungen der Abkömmlinge des Erblassers aus seiner ersten Ehe einerseits und der Witwe des Erblassers und seiner Tochter aus dessen Ehe mit dieser zu Gericht angenommen und die Abkömmlinge des Erblassers aus seiner ersten Ehe mit ihren Erbansprüchen gemäß § 125 AußStrG auf den Rechtsweg verwiesen. Die dabei für die Einbringung der Klage bestimmte Frist von vier Wochen (die mit Zustellung der bestätigenden Rekursentscheidung am 27. September 1985 begann) verlängerte das Abhandlungsgericht nachträglich auf insgesamt fünf Wochen.
Am 31. Oktober 1985 brachten die Abkömmlinge des Erblassers aus dessen erster Ehe gegen die Witwe des Erblassers und seine Tochter mit dieser seiner zweiten Frau eine auf den bereits in der Verlassenschaftsabhandlung eingenommenen Standpunkt gestützte Erbrechtsklage ein, daß mangels Testamentserrichtungswillens die Erklärungen des Erblassers, die von den als Testamentszeugen vernommenen Personen bekundet und von den Beklagten ihren Erbserklärungen zugrundegelegt wurden, kein wirksames Testament darstellten. In dieser Klage formulierten sie ihr Begehren in folgender Weise:
"Das außergerichtliche mündliche Testament des am 20. Juli 1984 verstorbenen ... gemäß den Niederschriften vom 6. Februar und vom 23. Juli 1985 ist ungültig."
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6. Mai 1986 erklärten die Kläger, ihr Begehren in folgender Weise umzustellen:
"Es wird festgestellt, daß die beklagten Parteien nicht aufgrund des angeblichen mündlichen Testamentes aus den Jahren 1982 oder 1983 nach dem am 20. Juli 1984 in München verstorbenen ... erbberechtigt sind."
In dieser Neuformulierung des Klagebegehrens erblickten die Beklagten eine Klagsänderung, die nach Ablauf der gemäß § 125 AußStrG gesetzten Frist und überdies im Hinblick darauf, daß das in der Klage gestellte Begehren den gesetzlichen Erfordernissen nicht entsprochen habe, (auch nach § 235 Abs 3 ZPO) nicht zuzulassen und zu beachten gewesen wäre.
Der Spruch des abändernden Berufungsurteiles lautete dann wörtlich:
"Das von den beklagten Parteien als Erbrechtstitel angegebene, aus dem Jahr 1982 oder 1983 stammende mündliche Testament des am 20. Juli 1984 in München verstorbenen ... ist ungültig."
Während das Prozeßgericht erster Instanz das Begehren der beiden Abkömmlinge des Erblassers aus seiner ersten Ehe abgewiesen hatte, hat das Berufungsgericht das Beweisverfahren teilweise wiederholt und dabei unter Berufung auf § 281 a ZPO die im Zuge der Abhandlung aufgenommenen Rechtshilfeprotokolle über die Vernehmung der drei Münchner Zeugen zur Verlesung gebracht. Hierauf hat das Berufungsgericht in Abänderung des Urteiles erster Instanz dem Klagebegehren mit dem bereits wörtlich wiedergegebenen Spruch stattgegeben.
Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen ist hervorzuheben:
Anläßlich der Errichtung des Notariatsaktes über den Pflichtteilsverzicht der nunmehrigen Kläger erklärte der Erblasser gegenüber dem Errichter des Notariatsaktes auf dessen gezielte Frage, er beabsichtige im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht, ein Testament zu errichten.
In den Jahren 1982/83 erklärte der Erblasser zwei- oder dreimal in Gegenwart eines befreundeten Ehepaares und deren Tochter, daß die nunmehrigen Beklagten nach seinem Tod die einzigen Erben seien. Dabei erwähnte der Erblasser, daß seine Kinder aus erster Ehe bereits ausbezahlt worden seien und dies auch notariell geregelt worden sei. Keiner der drei Zeugen bezweifelte, daß die Erklärung des Erblassers seinem letzten Willen entsprach (das heißt inhaltlich dem entsprach, wie der Erblasser seine Rechtsnachfolge nach seinem Tod geregelt wissen wollte). Das Berufungsgericht konnte aber nicht feststellen, daß der Erblasser gerade vor dem befreundeten Ehepaar und dessen Tochter ein mündliches Testament zu errichten beabsichtigte und den drei erwähnten Personen ihre Eigenschaft als Zeugen einer Testamentserrichtung bewußt gewesen wäre. Bei dieser Beweiswürdigung verwertete das Berufungsgericht vor allem auch die ersten, unbeeidet abgelegten Aussagen der drei als Testamentszeugen vernommenen Personen.
Aufgrund seiner Feststellungen über die Testamentserrichtungsabsicht des Erblassers und das Bewußtsein der Zeugenschaft bei den Zuhörern verneinte das Berufungsgericht das Vorliegen eines wirksamen außergerichtlichen mündlichen Testamentes. In seinem abändernden Urteil sprach das Berufungsgericht aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Der sachliche Widerspruch zwischen der Witwe und der Tochter des Erblassers aus seiner zweiten Ehe einerseits und den Abkömmlingen des Erblassers aus dessen erster Ehe beschränkt sich auf die gesetzliche Erbquote der beiden letztgenannten Erbansprecher von je zwei Neuntel. Obwohl nicht erkennbar ist, ob das Berufungsgericht diesen Umstand bei seinem Bewertungsausspruch nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO beachtet hat oder, wie die Kläger bei ihrer nach § 56 Abs 2 JN vorgenommenen Streitbewertung, den vollen Betrag des sich nach dem eidesstättigen Vermögensbekenntnis der Beklagten ergebenden reinen Nachlasses von 324.746,75 S zugrundegelegt hat, erachtet sich das Revisionsgericht an die nicht offenkundig gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßende Bewertung des Streitgegenstandes durch das Berufungsgericht gebunden.
Die Beklagten fechten das abändernde Berufungsurteil unter Geltendmachung der Anfechtungsgründe nach § 503 Abs 1 Z 1, 2 und 4 ZPO mit einem Abänderungsantrag im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an. Die Kläger streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Sämtliche Ausführungen zu den einzelnen Revisionsgründen stellen sich der Sache nach als Rüge von angeblichen Verfahrensverstößen dar. Solche erblicken die Revisionswerber zum einen darin, daß das Prozeßgericht die nach Ablauf der gemäß § 125 AußStrG gesetzten Frist zur Klagsanbringung und nach Eintritt der Streitanhängigkeit entgegen den Einwendungen der Beklagten erklärte Neuformulierung des von den Beklagten als untauglich angesehenen Klagebegehrens zugelassen habe, zum andern, daß das Berufungsgericht das neu formulierte Klagebegehren in "ein Rechtsgestaltungsbegehren modifiziert" hätte, und schließlich darin, daß das Berufungsgericht
bei seinen von den Beklagten bekämpften negativen Feststellungen
über die Testierabsicht des Erblassers (und das Zeugenbewußtsein der Zuhörer) neben der im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung unter Eid abgelegten Aussagen der als Testamentszeugen vernommenen Personen auch deren zuvor unbeeidet abgelegten Aussagen verwertete. Keine dieser Bemängelungen ist stichhältig.
Gegenstand des Erbrechtsstreites ist immer die Feststellung, welcher jeweils von den Streitteilen geltend gemachte erbrechtliche Berufungsgrund in seiner Wirksamkeit den des Prozeßgegners verdrängt (NZ 1984, 192). Dieser durch Klagsvorbringen und Klagsbegehren umrissene Streitgegenstand wurde im anhängigen Rechtsstreit durch die Neuformulierung des Begehrens in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 6. Mai 1986 nicht wesensmäßig verändert. Das Prozeßgericht hat die Neufassung des Klagebegehrens daher zu Recht nicht als Klagsänderung behandelt. Das Berufungsgericht hat diesen Vorgang des Erstgerichtes auch zutreffend gebilligt.
Auslösende Ursache eines Erbrechtsstreites sind die zur Verlassenschaftsabhandlung abgegebenen, einander (ganz oder teilweise) widersprechenden Erbserklärungen. Zweck des Rechtsstreites ist aber nicht nur die Bereinigung dieses formellen Hindernisses für die Fortsetzung der Abhandlung, sondern darüber hinaus auch die Klärung des Widerstreites der materiellen Ansprüche der Streitteile. Darüber, ob eine Klage nach ihrem Begehren dem vom Abhandlungsgericht erteilten Auftrag zur Klageführung und damit zum Innehalten mit der weiteren Abhandlung genüge, hat ausschließlich das Abhandlungsgericht zu befinden. Wegen des erwähnten Klagszieles einer materiellen Streitbereinigung (über die zu erwartenden Ergebnisse der Abhandlung hinaus) könnte selbst im Falle einer Fortführung der Abhandlung unter Außerachtlassung der von den klagenden Parteien abgegebenen Erbserklärungen kein Wegfall des Rechtsschutzinteresses am Begehren der Erbrechtsklage angenommen werden, worauf die Revisionswerber mit ihrem Vorbringen über eine eingetretene "Verfristung" des Klagsanspruches der Sache nach offensichtlich hinzuweisen beabsichtigten. Für einen materiellen Untergang erbrechtlicher Ansprüche zufolge Fristversäumung fehlt es an jeder gesetzlichen Grundlage.
Der vom Berufungsgericht gewählte klagsstattgebende Ausspruch hält sich in den durch das Klagebegehren vorgegebenen Grenzen und weicht vom erhobenen Feststellungsbegehren der Kläger keineswegs in Überschreitung des Klagebegehrens im Sinne eines rechtsgestaltenden Ausspruches ab, wobei der Sinn des Urteilsspruches nach den berufungsgerichtlichen Entscheidungsgründen nicht darin liegt, einer Rechtsgeschäftserklärung die ihr nach ihrem Wortlaut zuzukommen scheinende Rechtswirkung zu benehmen, sondern festzustellen, daß die letztwillige Erklärung im Sinne des § 601 ABGB formungültig ist. Zur Formgültigkeit einer außergerichtlichen mündlichen letztwilligen Verfügung zählt deren Erweislichkeit durch die eidliche Aussage der Testamentszeugen im Sinne des § 586 ABGB. Diese Bestimmung ordnet aber keine Beweisbeschränkung hinsichtlich aller im § 586 ABGB nicht genannten Beweismittel in dem Sinne an, daß die unter Eid abgelegten Aussagen der Testamentszeugen durch andere Beweismittel nicht widerlegt werden könnten (vgl. Kralik, Erbrecht, 138). So aber wollen die Revisionswerber zu Unrecht die Regel des § 586 ABGB verstanden wissen.
Die geltend gemachten Verfahrensverstöße liegen daher nicht vor, geschweige denn ein mit Nichtigkeit bedrohter. Eine unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache wurde mit den Ausführungen zum Punkt III der Revisionsschrift nicht dargelegt, der der Sache nach gerügte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Der Vollständigkeit halber ist hinzuzufügen, daß die 1982 oder 1983 in München abgegebenen Erklärungen des Erblassers, der österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitzen in München und Österreich gewesen war, in Ansehung ihrer Formgültigkeit als letztwillige Verfügung gemäß Artikel 1 Buchstaben a bis c des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht, BGBl. 1963 Nr. 295, nach österreichischem Recht und nach dem in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Recht zu prüfen wäre, eine Formgültigkeit nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht behauptet wurde und nach den Parteienbehauptungen auch nicht in Erwägung zu ziehen war, so daß die Formgültigkeitsfrage von den Vorinstanzen zutreffend ausschließlich nach österreichischem Recht beurteilt wurde.
Die Revision war daher, soweit Nichtigkeitsgründe geltend gemacht wurden, zurückzuweisen, im übrigen war ihr nicht stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E14210European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0060OB00559.88.0414.000Dokumentnummer
JJT_19880414_OGH0002_0060OB00559_8800000_000