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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
EStG 1988 §16 Abs1 Z10 idF 1999/I/106;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde der BW in I, vertreten durch Dr. Renate Napetschnig, Rechtsanwältin in 9020 Klagenfurt, Sterneckstraße 3/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates (Außenstelle Innsbruck) vom 9. September 2003, GZ. RV/0509-I/02, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2001, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine promovierte Juristin, ist Leiterin der Personal- und Rechtsabteilung einer Kultureinrichtung mit rund 400 Beschäftigten. Im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2001 machte sie bei ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Besuch eines postgradualen Universitätslehrganges für Konfliktmanagement und Mediation als Werbungskosten geltend.
Das Finanzamt versagte diesen Aufwendungen mit der Begründung die Anerkennung, dass gegenständlich "Ausbildungskosten (keine berufsspezifische Fortbildung)" vorlägen.
In der dagegen erhobenen Berufung wies die Beschwerdeführerin auf die mit dem Steuerreformgesetz (StRefG) 2000 ab dem Jahr 2000 eingeführte Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 hin. Danach seien nunmehr auch Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit als Werbungskosten anzuerkennen. Nach den Stenographischen Protokollen zur Regierungsvorlage zum StRefG 2000 träfe diese Voraussetzung insbesondere auf Aufwendungen für den Besuch einer Fachhochschule oder von Universitätslehrgängen zu. Derartige Aufwendungen lägen im Beschwerdefall vor. Die Beschwerdeführerin habe durch die Ausbildung zur Mediatorin eine Zusatzqualifikation erworben, welche sie in ihrem ausgeübten Beruf als Personalverantwortliche auch unmittelbar anwenden könne. Die Tätigkeit als Mediator würde typischerweise zusätzlich zu anderen, verwandten beruflichen Tätigkeiten, wie Jurist oder Psychologe, ausgeübt. Die Verflechtung der Tätigkeiten gehe auch daraus hervor, dass das abgeschlossene Rechtsstudium und der vorhandene Zugang zu Konfliktsituationen im ausgeübten Beruf Voraussetzungen für die Zulassung zum Lehrgang gewesen seien.
In ihrer abweisenden Berufungsvorentscheidung vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass der Kurs ein Wissen vermittelt habe, welches vielfach allgemeiner Natur und daher sowohl im Beruf als auch im privaten Leben verwendbar sei. Aufwendungen, die eine klare Abgrenzung zu den Kosten der allgemeinen Lebensführung nicht zuließen, seien nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Mangels Berufsbezogenheit seien die Kosten des besuchten Kurses den Aufwendungen für die Lebensführung zuzurechnen.
In ihrem Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz entgegnete die Beschwerdeführerin den Ausführungen des Finanzamtes, die im Universitätslehrgang vermittelten Kenntnisse dienten der Erweiterung ihrer beruflichen Qualifikation und wären für ihre Berufsausübung und berufliche Weiterentwicklung von großer Bedeutung. Das Argument, das vermittelte Wissen sei von allgemeiner Natur, lasse außer Acht, dass es keine - für sie zugängliche - Spezialisierung auf eingegrenzte Bereiche, wie z.B. Wirtschaftsmediation oder Konfliktmanagement im Verwaltungsbereich, gäbe. Juristen würden durch diese Ausbildung besonders angesprochen und hätten zwölf der insgesamt 28 Teilnehmer gestellt. Auch habe ihr Arbeitgeber - wie aus der beigefügten Bestätigung hervorgehe - den Lehrgangsbesuch durch die Gewährung einer zweiwöchigen bezahlten Dienstfreistellung unterstützt.
Über Vorhalt der belangten Behörde erläuterte die Beschwerdeführerin, die Anwendungsmöglichkeiten der im Lehrgang vermittelten Kenntnisse lägen in ihrem Fall in der sogenannten "Inhouse-Mediation" (Mediation im innerbetrieblichen Bereich), zum Beispiel bei Fällen von Mobbing, beim Schlichten des ständig aktuellen Interessengegensatzes zwischen Technik und Kunst, bei Konflikten zwischen Abteilungen und Dienstnehmern. Zu ihrem beruflichen Aufgabenbereich gehörten alle Angelegenheiten der Personalverwaltung, wie Durchführung der Lohn- und Gehaltsverrechnung, Ausfertigung von Arbeitsverträgen und Vertragsänderungen, Überwachung der arbeits-, sozial- und steuerrechtlichen Bestimmungen, Beratung des Arbeitgebers in Fragen der Betriebsvereinbarungen und Kontakt mit Betriebsräten, sowie Kontakte mit Ämtern und Behörden. Für ihre Funktion bestehe keine Stellenbeschreibung, falls erforderlich, könne die Beschwerdeführerin zusammen mit ihrem Vorgesetzten jedoch eine solche erarbeiten und nachreichen. Neben den angeführten Tätigkeiten habe die Beschwerdeführerin in den letzten Jahren auch zusätzliche Aufgaben übernommen, wie Mitarbeit bei der Ausarbeitung von Kollektivverträgen und Vermittlung in innerbetrieblichen Konflikten. Als konkrete Beispiele für solche innerbetrieblichen Konflikte nannte die Beschwerdeführerin näher dargestellte Konflikte im Bereich "Zeitausgleich", "Schneiderei" und "Mobbing". Für die Lösung des Konfliktfalles "Schneiderei" sei die Beschwerdeführerin vom Arbeitgeber sogar gesondert honoriert worden. Darüber hinaus gäbe es im Berufsalltag auch zahlreiche nicht so weitreichende und langandauernde Konfliktsituationen, die sich durch einige Gespräche lösen ließen, wie Uneinigkeiten über Terminvereinbarungen oder die Weigerung von Gastkünstlern, vertragliche Leistungen zu erbringen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass keine Berufsfortbildung vorläge, weil die vermittelten Kenntnisse weit über die Anforderungen hinausgingen, die die Beschwerdeführerin in ihrem Beruf zu erfüllen habe und die Absolvierung des Kurses Grundlage für die Ausübung eines neues Berufes biete.
Eine Ausbildung in einem verwandten Beruf sei gleichfalls nicht gegeben, weil die Berufe Mediator und Leiter der Personal- und Rechtsabteilung nicht gemeinsam am Markt angeboten würden und die Beschwerdeführerin die erworbenen Kenntnisse auch nicht bzw. nur in Randbereichen einsetzen könne. Auf Grund der Verantwortlichkeit und Weisungsgebundenheit dem Arbeitgeber gegenüber könne die Beschwerdeführerin nämlich keine neutrale oder als neutral akzeptierte Vermittlerrolle einnehmen. Zudem gingen die erworbenen Kenntnisse weit über ihre beruflichen Einsatzmöglichkeiten hinaus. Für ihr Vorbringen, der Arbeitgeber habe die Bearbeitung des Konfliktfalles "Schneiderei" gesondert entlohnt, habe die Beschwerdeführerin keinen Nachweis erbracht. Indem die Beschwerdeführerin dies unterlassen habe, sei sie zum einen ihrer Mitwirkungspflicht an der Aufklärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes nicht nachgekommen. Zum anderen offenbare das diesbezügliche Vorbringen, dass "ihr Tätigwerden als Mediatorin über ihre dienstlichen Pflichten hinausgeht ('Die Honorierung derartiger zusätzlicher Leistungen...')".
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 in der Fassung BGBl. I Nr. 106/1999 (StRefG 2000) stellen Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit Werbungskosten dar. Aufwendungen für Nächtigungen sind jedoch höchstens im Ausmaß des den Bundesbediensteten zustehenden Nächtigungsgeldes der Höchststufe bei Anwendung des § 13 Abs. 7 der Reisegebührenvorschrift zu berücksichtigen. Keine Werbungskosten stellen Aufwendungen dar, die im Zusammenhang mit dem Besuch einer allgemeinbildenden (höheren) Schule stehen.
Mit der Einfügung der Z 10 in die Bestimmung des § 16 Abs. 1 EStG 1988 durch das StRefG 2000 sollte die früher bestandene strenge Differenzierung von steuerlich nicht abzugsfähigen Aufwendungen für die Ausbildung einerseits und steuerlich abzugsfähigen Aufwendungen für die Fortbildung andererseits gelockert werden. Wie sich aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage ergibt, sollen im Gegensatz zur Rechtslage vor dem StRefG 2000 auch solche Bildungsmaßnahmen als abzugsfähige (Fort)Bildung angesehen werden, die nicht spezifisch für eine bestimmte betriebliche oder berufliche Tätigkeit sind, sondern zugleich für verschiedene berufliche Bereiche dienlich sind, die aber jedenfalls im ausgeübten Beruf von Nutzen sind und somit einen objektiven Zusammenhang mit dem ausgeübten Beruf aufweisen; sie fallen unter die vom Gesetz angesprochenen, im Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit stehenden Bildungsmaßnahmen.
Eine begünstigte Bildungsmaßnahme liegt jedenfalls vor, wenn die Kenntnisse im Rahmen der ausgeübten Tätigkeit verwertet werden können.
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage sollen u.a. Aufwendungen für die Persönlichkeitsentwicklung vom Abzug ausgeschlossen sein, was nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aber dann nicht zutrifft, wenn im Rahmen der ausgeübten Einkunftsquelle eine entsprechende psychologische Schulung erforderlich ist (vgl. zum Ganzen mit weiterführenden Hinweisen Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Tz. 1 und 2 zu § 16 Abs. 1 Z 10).
Die Beschwerdeführerin brachte im Verwaltungsverfahren vor, dass sie in innerbetrieblichen Konfliktfällen vermittle bzw. vermittelt habe und führte dazu konkrete Beispiele an. Die belangte Behörde hat diese Vermittlungstätigkeit nicht in Abrede gestellt, aber dazu die Meinung vertreten, dass die Beschwerdeführerin aufgrund ihrer dem Arbeitgeber gegenüber bestehenden Verantwortlichkeit und Weisungsgebundenheit keine neutrale oder als neutral akzeptierte Vermittlerrolle einnehmen könne. Daraus ergäbe sich, dass die erlernten Kenntnisse nur in einem äußerst eingeschränkten Ausmaß und in Randbereichen ihrer beruflichen Verantwortlichkeit verwendet werden könnten.
Dass die Beschwerdeführerin in den von ihr geschilderten Fällen von Konflikten zwischen verschiedenen Abteilungen oder zwischen einzelnen Dienstnehmern aufgrund ihrer Verantwortlichkeit und Weisungsgebundenheit dem Arbeitgeber gegenüber nicht in der Lage sein sollte, eine neutrale oder als neutral akzeptierte Vermittlerrolle einzunehmen, ist allerdings nicht zu erkennen. Auch lässt sich der Nutzen einer konkreten Aus- oder Fortbildungsmaßnahme nicht an dem zeitlichen Ausmaß der möglichen Verwendung messen. Der Nutzen kann vielmehr auch darin gelegen sein, für fallweise eintretende Bedarfsfälle über entsprechende Kenntnisse zu verfügen.
Weiters entbehrt die Auseinandersetzung der belangten Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, für ihr Tätigwerden in einem konkret genannten Konfliktfall vom Arbeitgeber gesondert honoriert worden zu sein, zum einen der Nachvollziehbarkeit, zum anderen der Schlüssigkeit. Nicht nachvollziehbar ist der Vorwurf, die Beschwerdeführerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen, weil eine auf die Honorierung bezogene Aufforderung der Nachweisführung aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei. Der im Vorhalt vom 26. Juni 2003 verwendeten Formulierung, der Beschwerdeführerin werde "hiermit Gelegenheit gegeben, weitere Unterlagen vorzulegen und Argumente vorzubringen, die für die Entscheidung der Berufungssache dienlich sein können", kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass allfälligen in Beantwortung des Vorhalts gemachten Ausführungen von vornherein nur dann Glauben geschenkt werden könne, wenn das jeweilige Vorbringen zugleich mit entsprechenden Beweismitteln untermauert werde.
Der Schlüssigkeit entbehren die Überlegungen der belangten Behörde, die (allenfalls doch erfolgte) gesonderte Entlohnung ihrer Vermittlungsdienste spräche gegen den Werbungskostencharakter der gegenständlichen Aufwendungen. Nach § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Ob es sich bei diesen Einnahmen um laufende Bezüge oder um Prämienzahlungen im Zusammenhang mit besonderen Leistungen des Dienstnehmers handelt, ist dabei unerheblich. Solcherart ist nicht zu erkennen, warum der Umstand, dass die Bildungsmaßnahme allenfalls sogar zu zusätzlichen Einnahmen aus dem Dienstverhältnis geführt hat, der Anerkennung der diesbezüglichen Aufwendungen als Werbungskosten abträglich sein sollte.
Gehört die Vermittlung in Konfliktfällen zu den dienstlichen Aufgaben der Beschwerdeführerin, wofür auch der Umstand der zweiwöchigen Dienstfreistellung unter Weiterbezug des Gehaltes spricht, kann nicht gesagt werden, dass die strittigen Aufwendungen der Beschwerdeführerin in ihrem ausgeübten Beruf nicht von Nutzen sein können. Dass im Lehrgang auch die Bereiche Familie und Umwelt, von denen die Beschwerdeführerin in ihrem Beruf nicht unmittelbar betroffen sein mag, behandelt wurden, schadet jedenfalls bei Fehlen berufsspezifischerer gleichwertiger Bildungsangebote nicht.
Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, sodass er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Vor dem Hintergrund dieser Sach und Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beschwerdefall als wirksam beantragt anzusehen war und im Unterbleiben einer Verhandlung ein wesentlicher Verfahrensmangel zu erblicken wäre.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Kostenmehrbegehren war abzuweisen, weil der durch die genannte Verordnung festgesetzte Pauschalbetrag den gesamten Schriftsatzaufwand, also auch die Umsatzsteuer, umfasst.
Wien, am 22. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003140090.X00Im RIS seit
26.10.2005Zuletzt aktualisiert am
17.05.2013