TE OGH 1988/4/21 8Ob556/88

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Veröffentlicht am 21.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Schwarz und Dr. Graf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Johann und Gertraud S***, Pensionisten, 5231 Schalchen,

Brunnbachstraße 20, vertreten durch Dr. Hans Estermann, Rechtsanwalt in Mattighofen, wider die beklagte Partei Johann K***, Bediensteter, 5231 Schalchen, Hummelbachstraße 13, vertreten durch Dr. Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Unterlassung infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Kreisgerichtes Ried im Innkreis als Berufungsgerichtes vom 17. November 1987, GZ R 379/87-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mattighofen vom 27. Juli 1987, GZ C 148/86-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Es wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Kläger stellten den Urteilsantrag, der Beklagte sei schuldig, jegliche über das Begehen und Befahren des Grundstückes 483/2 der EZ 396 KG Schalchen hinausgehende Benützung des Weges, insbesondere das Abstellen von Fahrzeugen sowie Ablagern von Holz, zu unterlassen und stützten dieses Begehren auf folgendes Vorbringen: Sie seien gemeinsam Eigentümer der Liegenschaft EZ 396 KG Schalchen mit dem Grundstück 483/2 Weg, der Beklagte und dessen Frau seien je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft 731 KG Schalchen mit dem Grundstück 483/4. Zu Gunsten dieses Grundstückes sei auf der Parzelle 483/2 Weg ein Geh- und Fahrrecht einverleibt. Der Beklagte benütze diesen Weg aber nicht nur im Rahmen dieses Geh- und Fahrrechtes, sondern darüber hinaus in einer Weise, wie dies nur einem Eigentümer zustünde: Trotz mehrfachen Verbotes stelle er Fahrzeuge mitten auf dem 4 m breiten, unbefestigten Weg stundenlang und mit geöffneten Türen ab, so daß der Weg komplett versperrt sei und die Kläger nicht zu ihrer Liegenschaft zufahren könnten. Auch lagere er stundenlang Holz auf dem Weg. Zuletzt habe er dies insbesondere zu den im einzelnen angegebenen Zeitpunkten und in den genannten Zeiträumen getan; zweimal sei dies auch mittels eines Traktors geschehen. Der Beklagte beantragte Klageabweisung und wendete zunächst (ON 2) ein, die behauptete Störung sei entweder gar nicht oder nicht in der geschilderten Form erfolgt. Wohl könne es vorgekommen sein, daß bei Holzzufuhr oder Schottertransport Verladearbeiten durchgeführt worden seien, jedoch sei hiedurch keine Behinderung der Kläger eingetreten. In der Folge (ON 3, AS 23) berief er sich darauf, bei Einräumung des Geh- und Fahrtrechtes über den streitgegenständlichen Weg durch seinen Rechtsvorgänger, den Bruder des Klägers, sei auch das Recht zum "Abstellen des PKW neben dem Haus mitumfaßt" gewesen. Sodann brachte er vor (ON 4, AS 26), ein Abstellen seines PKW auf dem Weggrundstück der Kläger sei nicht erfolgt. Schließlich wendete er ein (ON 11, AS 47), die zeitweise Inanspruchnahme des Klagsgrundstückes im Ausmaß von 20 bis 40 cm stelle keine unzulässige Servitutsausweitung dar, da kein Interesse der Kläger beeinträchtigt werde. Deren Berufung auf ihr Eigentum sei schikanös, der Beklagte habe bereits mehrfach den Ankauf oder die Anmietung "dieses Grundstückes" angeboten.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest, daß dem Beklagten auf dem 4 m breiten Weg ein Geh- und Fahrtrecht, nicht aber ein Recht zum Abstellen von Fahrzeugen zusteht. Da das Haus des Beklagten nur 1,25 m vom Weg entfernt ist, steht ein dort abgestellter PKW zwangsläufig teilweise auf dem Weg. Der Vorgänger des Beklagten hat sein Fahrzeug immer in der weiter hinten stehenden Garage abgestellt, der Beklagte parkt regelmäßig so, daß das Fahrzeug zumindest 1/2 m in den Weg ragt. Auch durch abgelagertes Holz wurde der Weg zuletzt im Herbst 1986 durch einige Stunden verlegt.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf das Verbot der Erweiterung von Servituten gemäß § 484 ABGB und den durch den Titel bestimmten Ausübungsumfang einer Dienstbarkeit. In einem Geh- und Fahrtrecht sei ein Recht auf Abstellen von Fahrzeugen und auf Zwischenlagerung von Holz nicht enthalten. Bei derartigen Benützungsweisen handle es sich um eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit, welcher im Sinne der Entscheidung 6 Ob 765/82 durch eine Eigentumsfreiheitsklage oder aber auch durch eine "schlichte" Unterlassungsklage allein gegen den störenden Miteigentümer begegnet werden könne. Da der Beklagte vorliegendenfalls der Ansicht sei, das Abstellen von Fahrzeugen geschehe ohne Nachteil für den Kläger, bestehe auch die für eine Unterlassungsklage erforderliche Gefahr künftiger weiterer Störungen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Klage ab. Da Miteigentümer, die eine Grunddienstbarkeit in Anspruch nehmen, in einem gemeinschaftlichen Rechtsverhältnis stünden, sodaß das behauptete Recht nur für oder gegen alle festgestellt werden könne, müsse eine Klage gegen die Anmaßung einer Grunddienstbarkeit gegen sämtliche Miteigentümer des herrschenden Grundstückes gerichtet werden und zwar auch dann, wenn die den Anlaß zur Klagsführung bildende Störung nur von einem Miteigentümer ausgegangen sei. Einem Miteigentümer allein fehle somit die passive Klagslegitimation. Da vorliegendenfalls unbestritten sei, daß der Beklagte gemeinsam mit seiner Frau Eigentümer des Grundstückes 483/4 sei, zu deren Gunsten das strittige Geh- und Fahrtrecht bestehe, hätte die vorliegende Klage auch gegen die Frau des Beklagten gerichtet werden müssen, damit sichergestellt sei, daß das gemeinschaftliche Rechtsverhältnis für oder gegen alle einheitlich gestaltet werde. Nur dann, wenn die Störung des Grundeigentümers durch einen Dritten, der nicht Eigentümer des herrschenden Grundstückes sei, erfolge, könne dieser Störer im Sinne der Entscheidung 6 Ob 765/82 auch allein mit Unterlassungsklage verfolgt werden. Somit sei die vorliegende Klage abzuweisen, ohne daß auf die weiteren Berufungsausführungen eingegangen werden müsse. Zum Wert des Streitgegenstandes sprach das Berufungsgericht aus, daß dieser den Betrag von S 15.000,--, nicht jedoch den Betrag von S 300.000,-- übersteigt. Es hielt die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht für zulässig. Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung richtet sich die auf § 503 Abs 1 Z 4 und Abs 2 ZPO gestützte außerordentliche Revision der Kläger mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteiles. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte, dem die Beantwortung der Revision gemäß § 508 a Abs 2 ZPO freigestellt wurde, beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes - zulässig, weil der Rechtsfrage der Passivlegitimation des Beklagten im Hinblick auf die Bestimmungen des § 362 und § 523 ABGB die in § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vorausgesetzte erhebliche Bedeutung zukommt und von ihrer Lösung auch die Entscheidung des vorliegenden Falles abhängt.

Die Revision, deren Ausführungen die Bejahung der Passivlegitimation des Beklagten zum Ziele haben, ist auch gerechtfertigt.

Dem Berufungsgericht ist darin zu folgen, daß im Sinne der jüngeren überwiegenden Rechtsprechung sowohl die auf die Freiheit des Eigentums gestützte Feststellungsklage als auch die Unterlassungsklage nach § 523 ABGB bei Anmaßung einer Grunddienstbarkeit zu Gunsten einer im Miteigentum stehenden Liegenschaft wegen der zufolge dieser dinglichen Rechtsgemeinschaft gegebenen unzertrennlichen Streitgenossenschaft nur gegen alle Miteigentümer des angeblich herrschenden Grundstückes, also nicht gegen den Störer allein, gerichtet werden konnte, weil sich eine Grunddienstbarkeit notwendigerweise auf das Eigentum als Ganzes und nicht bloß auf einen Miteigentumsanteil beziehe. Als entscheidend angesehen wurde dabei der Inhalt des Rechtes, das der Störer als Eigentumsbeschränkung in Anspruch nahm (SZ 27/101; JBl 1965, 89; 7 Ob 614/76, 7 Ob 514/77; SZ 56/60 ua).

In der von beiden Unterinstanzen zitierten Entscheidung 6 Ob 765/82, in welcher der beklagte Störer - entgegen der berufungsgerichtlichen Annahme - auch selbst der Miteigentümergemeinschaft angehörte, wurde dagegen unter Hinweis auf das schon aus § 362 ABGB folgende materielle Recht des Eigentümers, andere von der Sachbenützung auszuschließen, ausgesprochen, es müsse einem Eigentümer, dem zwar Störungen und die Gefahr weiterer Eingriffshandlungen einer bestimmten Person, nicht aber etwa auch der vom Störer für sich in Anspruch genommene Rechtstitel bekannt sei, unbenommen bleiben, ohne im Sinne des § 523 ABGB den Bestand eines vom Beklagten etwa beanspruchten Rechtes zum Gegenstand der Eigentumsfreiheitsklage zu machen, auf Unterlassung künftiger Störungen zu klagen. Ob Gegenstand des Rechtsstreites das Bestehen einer vom Beklagten angemaßten Dienstbarkeit sei oder nicht, bestimme das Begehren und das dieses stützende Tatsachenvorbringen des Klägers, nicht aber das Einwendungsvorbringen des Beklagten, auch wenn er sich zur Rechtfertigung seines Verhaltens auf den aufrechten Bestand einer Dienstbarkeit berufen sollte. Das Vorliegen eines den Eigentümer zur Duldung verpflichtenden Rechtstitels bliebe dann - mangels Zwischenfeststellungsantrages - eine im Unterlassungsstreit zu beurteilende Vorfrage, über die nicht mit Rechtskraftwirkung zu entscheiden sei. Strebe der Kläger hingegen eine der Rechtskraft teilhaft werdende Entscheidung über den (Nicht-)Bestand einer vom Urheber des Eingriffes für sein Verhalten in Anspruch genommenen Grunddienstbarkeit an, müsse er die Klage gegen alle Eigentümer des angeblich herrschenden Grundes richten. Dieser Rechtsansicht entspricht die von Spielbüchler in Rummel ABGB, Rz 8 zu § 354 vertretene Lehrmeinung, wonach es allein Sache des Klägers sein müsse, in Beurteilung seiner Durchsetzungsinteressen zu entscheiden, ob er alle Miteigentümer oder nur die störenden belange. Auf diese der zitierten Judikatur widersprechende Lehrmeinung wurde sodann in der Entscheidung 5 Ob 587/84 Bezug genommen. Die Entscheidung 5 Ob 613, 614/84 schloß sich in der Folge ausdrücklich der Entscheidung 6 Ob 765/82 und der Lehrmeinung Spielbüchlers an, wonach der Eigentümer auch gegen einen Störer allein mit schlichter Unterlassungsklage gemäß § 362 ABGB vorgehen oder aber im Sinne des § 523 ABGB auch den Bestand eines vom Beklagten etwa beanspruchten Rechtes zum Gegenstand der Freiheitsklage machen kann. Von dieser Ansicht abzugehen, sieht sich der erkennende Senat nicht veranlaßt. Demgemäß ist hier die Passivlegitimation des Beklagten zu bejahen.

Im übrigen erschiene es aber auch ausgehend von der vom Berufungsgericht bezogenen Judikatur fraglich, ob die von dieser geforderte Voraussetzung der Inanspruchnahme eines für alle Miteigentümer wirkenden Rechtes durch den Störer vorliegendenfalls erfüllt wäre. Das in sich widersprüchliche Vorbringen des Beklagten ist nämlich, insgesamt betrachtet, auf die Bestreitung von Störungshandlungen bzw. ins Gewicht fallender Beeinträchtigungen abgestellt. Daß durch das einverleibte Geh- und Fahrrecht das Abstellen von Fahrzeugen und Lagern von Holz gedeckt sei, behauptet der Beklagte selbst gar nicht. Eine solche Benützungsweise gehört ohne besondere Abrede keinesfalls zum Inhalt eines Geh- und Fahrtrechtes. Auch behauptete der Beklagte nicht, daß die Kläger von einer zwischen ihm und ihrem Rechtsvorgänger mündlich begründeten und somit obligatorisch wirkenden Dienstbarkeit des Abstellens von Fahrzeugen usw. Kenntnis gehabt hätten und daher an diese gebunden seien. Somit beruft er sich im Grunde gar nicht auf ein ihm und seiner Frau als Miteigentümer zustehendes, weil gegenüber den Klägern wirksam erworbenes Recht zur Vornahme der klagsgegenständlichen Eingriffe in deren Eigentum. Eine Servitutsausweitung auf Benützungsweisen, die wie ausgeführt, grundsätzlich nicht zum Inhalt eines Geh- und Fahrtrechtes gehören, erscheint durch § 484 ABGB als möglichem Rechtstitel von vornherein ausgeschlossen.

Da die passive Klagslegitimation des Beklagten entgegen der in seiner Berufung und auch vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht somit gegeben ist, bedarf es der Behandlung der in der Berufung weiters geltend gemachten Berufungsgründe. Die Rechtssache ist daher nach Urteilsaufhebung an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E14002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0080OB00556.88.0421.000

Dokumentnummer

JJT_19880421_OGH0002_0080OB00556_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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