Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.April 1988 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Melnizky als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Friedrich, Dr. Massauer und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Legradi als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Günther A*** wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Schöffengericht vom 14. Oktober 1987, GZ 23 a Vr 1104/84-65, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Günther A*** im zweiten Rechtsgang des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt, weil er im Sommer 1981 in Bregenz in seiner Eigenschaft als Vermittler und Treuhänder der Liegenschaft EZ 1320 KG Hörbranz mit dem darauf befindlichen Wohnhaus Herrenmühlestraße Nr. 32 die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch wissentlich mißbraucht und (seinen Machtgebern) Peter und Eveline D*** einen 100.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt hat, daß er aus dem Verkaufserlös von 2,5 Mio S einen Überling von 250.000 S aus dem Vermittlungsgeschäft nicht an das Ehepaar D*** abführte.
Günther A*** wurde hiefür sowie für den bereits im ersten Rechtsgang unangefochten ergangenen (Teil-)Schuldspruch wegen Betruges (an Dipl.Ing. Wilhelm Philipp R*** mit einem Schaden von 24.000 S) zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe verurteilt.
Von der weiteren Anklage, er habe in der Zeit von April 1981 bis August 1981 in Bregenz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Dipl.Ing. Wilhelm Philipp R*** durch Erstellung einer überhöhten Abrechnung im Zuge der Vermittlung der Liegenschaft EZ 1320 KG Hörbranz, wobei er sich teilweise falscher Urkunden bedient habe, somit durch Täuschung über Tatsachen unter Benützung falscher Urkunden, zur Zahlung eines um 589.709,20 S überhöhten Kaufpreises, sohin zu einer Handlung verleitet, welche Dipl.Ing. Wilhelm Philipp R*** in dieser Höhe an seinem Vermögen schädigte, wobei der Schaden 100.000 S übersteige, und er habe hiedurch das Verbrechen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB begangen, wurde Günther A*** unter einem gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Während dieser Freispruch in Rechtskraft erwachsen ist, bekämpft der Angeklagte den eingangs wiedergegebenen Schuldspruch mit einer auf die Z 8 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die jedoch teils offenbar unbegründet, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt ist.
Aus dem erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund wendet die Beschwerde ein, der dem Schuldspruch zugrunde liegende Sachverhalt sei von der Anklage nicht erfaßt. Denn der öffentliche Ankläger habe in der Hauptverhandlung am 14.Oktober 1987 die (ursprüngliche) Anklage lediglich eventualiter für den Fall modifiziert, daß dem Angeklagten über die vom Schuldspruch bereits erfaßten Fakten hinaus ein betrügerisches Verhalten im Sinne der Anklageschrift nicht nachgewiesen werden sollte, worin aber die (erforderliche) Ausdehnung der Anklage gemäß § 263 StPO nicht erblickt werden könne, liege doch eine solche nur vor, wenn zu dem bereits angeklagten Sachverhalt ein weiterer Sachverhalt hinzukommt, der einem strafbaren Tatbestand unterstellt werden soll, nicht aber, wenn die Subsumierung desselben Sachverhalts unter einen anderen Straftatbestand begehrt wird. Im übrigen fehle es überdies an einer weiteren Voraussetzung des § 263 StPO, nämlich an einem Beschluß des Gerichtshofes, die Verhandlung und das Urteil auf das Faktum D*** auszudehnen.
Von einer Überschreitung der Anklage, wie sie die Beschwerde der Sache nach reklamiert, kann indes nur dann gesprochen werden, wenn ein Schuldspruch sich auf eine Tat erstreckt, die nicht von der - sei es vor der Hauptverhandlung, sei es während dieser - erhobenen Anklage erfaßt ist (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO2 ENr. 24 erster Satz zu § 281 Z 8). Vorliegend hat der öffentliche Ankläger durch seine Antragstellung in der Hauptverhandlung am 14. Oktober 1987 (S 111/Bd. II) unmißverständlich seinen Willen bekundet, den Angeklagten (auch) wegen wissentlichen Befugnismißbrauchs zum Nachteil der Eheleute D*** mit einem Schaden von 250.000 S zu verfolgen, mithin auch diesen Sachverhalt, der dem bekämpften Schuldspruch zugrundeliegt, unter Anklage zu stellen. Daran ändert die von der Beschwerde ins Treffen geführte, dem formulierten Anklagetenor vorangestellte Erklärung des Staatsanwaltes nichts; genug daran, daß der öffentliche Ankläger (im Anschluß daran) seinen Verfolgungswillen in Ansehung der von ihm deutlich bezeichneten, dem Angeklagten (weiters) zur Last gelegten Tat (vgl. § 207 Abs 2 Z 2 StPO) eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Da somit (auch) in Ansehung des Faktums D*** ein wirksamer Verfolgungsantrag des berechtigten Anklägers vorlag, trifft es nicht zu, daß sich der bekämpfte Schuldspruch auf eine Tat bezieht, die nicht von der erhobenen Anklage erfaßt ist, von einer Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 8 des § 281 Abs 1 StPO kann demnach keine Rede sein. Das gilt gleichermaßen auch für den Einwand, das Gericht habe es unterlassen, die Verhandlung und Entscheidung beschlußmäßig auf das Faktum D*** auszudehnen. Denn es begründet keine Nichtigkeit nach der zitierten Gesetzesstelle, wenn der Angeklagte auf Antrag des Anklägers der neu hervorgekommenen Tat schuldig erkannt wird, ohne daß vorher die Ausdehnung der Anklage durch ein (die Verhandlung !und das Urteil ausdrücklich auf diese Tat ausdehnendes) Zwischenerkenntnis für zulässig erklärt wurden (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 102 zu § 263). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) hinwieder entbehrt zur Gänze der prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Negiert sie doch zum einen bei der Behauptung, es mangle an einem absichtlichen Befugnismißbrauch, die gegenteilige Urteilskonstatierung, derzufolge der Angeklagte sehr wohl wissentlich seine Befugnis als Vermittlungsbeauftragter der Eheleute D*** mißbraucht hat (US 6 f, 9, 15); zum anderen geht sie urteilsfremd davon aus, daß der Angeklagte berechtigt gewesen sei, den von Dipl.Ing. R*** kassierten "Zuschlag" von 250.000 S im Einverständnis mit den Eheleuten D*** als Entgelt dafür zu verwenden, daß er nach außen hin als Käufer der Liegenschaft aufgetreten ist und eine Reihe rechtsgeschäftlicher Transaktionen zur Durchführung des Geschäfts vorgenommen hat. Eine derartige Berechtigung wurde ihm aber seitens seiner Machtgeber Peter und Eveline D*** nach den Feststellungen des Schöffengerichtes nicht eingeräumt; darnach stand ihm vielmehr für seine Geschäftstätigkeit (lediglich) ein 3 %iges Vermittlungshonorar zu (US 6, 8), das er (sowohl) von den Eheleuten D*** (als auch von Dipl.Ing. R***) kassierte (US 9, 14), während davon, daß ihm ein erzielter Mehrerlös zufallen sollte, nie die Rede gewesen ist (US 6 unten/7 oben), sodaß er durch dessen Einbehalten seinen Auftraggebern Peter und Eveline D***, die er von dem Mehrerlös nicht in Kenntnis gesetzt hatte (US 8), einen Vermögensnachteil in der Höhe dieses Mehrerlöses vorsätzlich zufügte (US 10).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war deshalb teils nach § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils nach der Z 1 (in Verbindung mit § 285 a Z 2 StPO) der zitierten Gesetzesstelle schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E13908European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0120OS00029.88.0421.000Dokumentnummer
JJT_19880421_OGH0002_0120OS00029_8800000_000