Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith, Dr.Maier, Dr.Petrag und Dr.Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Manfred P***, Angestellter, Pettenbach 92, vertreten durch Dr.Franz Gütlbauer, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagte Partei Dr.Georg P***, Rechtsanwalt in Gmunden, Kirchengasse 2, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Firma Ing.Karl P*** Gesellschaft mbH, Scharnstein 122, wegen Feststellung einer Konkursforderung, (Streitwert S 328.259,45, Revisionsstreitwert S 227.749,88), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 2.Februar 1988, GZ 4 R 172/87-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 13.April 1987, GZ 9 Cg 160/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.495,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 772,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 1.Juli 1986 wurde zu S 31/86 des Kreisgerichtes Wels der Konkurs über das Vermögen der Ing.Karl P*** Gesellschaft mbH in Scharnstein eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Der Kläger, der Sohn des Geschäftsführers dieser Gesellschaft, war bei diesem Unternehmen ab 1.November 1964 als Angestellter beschäftigt. Sein Monatsgehalt betrug im Jahre 1984 S 17.579,-- brutto. Unter Berücksichtigung der kollektivvertraglichen Erhöhungen entspricht dies für das Jahr 1986 einem Bruttobezug von S 19.298,-- monatlich. Zwischen dem Kläger und der Gemeinschuldnerin, die sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand - die Auftragslage war schlecht - wurde am 7.Mai 1984 vereinbart, daß der Kläger (bei der Sozialversicherung) vorübergehend abgemeldet werde, daß er bei Änderung der Auftragslage mit allen Rechten und Pflichten eingestellt werde und ihm bei Wiedereintritt sämtliche Vordienstzeiten für den Abfertigungs- und Urlaubsanspruch angerechnet werden. Nach dem Bezug der Arbeitslosenunterstützung durch einige Monate ist der Kläger am 1. November 1984 wieder in das Unternehmen eingetreten. Die Auftragslage hatte sich zwar gebessert, doch war der Kläger nicht voll ausgelastet. Deshalb wurde vereinbart, daß er nur nach den geleisteten Arbeitsstunden entlohnt werde, jedoch unter Zugrundelegung des zuletzt bezogenen Stundensatzes zuzüglich der inzwischen erfolgten Lohnerhöhungen. Dabei wurde davon ausgegangen, daß die Teilzeitbeschäftigung nur vorübergehend sein solle und daß der Kläger später wieder voll arbeiten werde. In der Folge hat der Kläger bis März 1986 durchschnittlich 3 1/2 Stunden täglich gearbeitet. Er führte in dieser Zeit in den Räumen des Unternehmens mit dem ihm zur Verfügung gestellten Werkzeug Reparaturen an Fernsehgeräten durch, wobei ihm jeweils aufgetragen wurde, welche Geräte zu reparieren waren. In den Jahren 1975 bis 1981 hatte der Kläger seinen Urlaubsanspruch nicht voll ausgenützt. Unter Hinweis auf den Umfang der Arbeit wurde ihm Urlaub nicht gewährt; in wiederholten Gesprächen wurde vom Geschäftsführer die Einräumung des ausständigen Urlaubs zu einem späteren Zeitpunkt zugesagt. Ab 1. März 1986 konsumierte der Kläger seinen nicht verbrauchten Urlaub, der über den 1.Juli 1986 hinausgereicht hätte. Unmittelbar nach der Eröffnung des Konkursverfahrens erklärte er seinen vorzeitigen Austritt. Im Konkursverfahren anerkannte der Masseverwalter eine Forderung des Klägers aus Ansprüchen aus einem Arbeitsverhältnis in der Höhe von S 197.216,30.
Der Kläger begehrte die Feststellung einer weiteren Forderung von S 328.259,45 als Konkursforderung. Im Hinblick darauf, daß das Dienstverhältnis länger als 20 Jahre gedauert habe, gebühre ihm eine Abfertigung im Ausmaß von 9 Monatsgehältern. Der Berechnung des Urlaubsentgelts für die Zeit vom 1.März 1986 bis 30.Juni 1986, des restlichen Gehaltes für die Zeit von seinem Austritt bis zum fiktiven Ende des Dienstverhältnisses bei Arbeitgeberkündigung wie auch der Berechnung der Abfertigung sei ein Monatsgehalt von S 19.298,-- zugrundezulegen.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das Dienstverhältnis sei bereits am 31.März 1986 aufgelöst worden. Zuvor sei der Kläger für die Gemeinschuldnerin nicht als Angestellter, sondern im Rahmen eines freien Arbeitsvertrages tätig geworden. Urlaubsansprüche des Klägers aus früheren Jahren seien verfristet. Der Abfertigungsanspruch gebühre, wenn überhaupt, so nur im Ausmaß von 6 Monatsgehältern, wobei als Berechnungsgrundlage das zuletzt bezogene Monatseinkommen heranzuziehen sei.
Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers teilweise statt und stellte einen weiteren Betrag von S 327.749,88 als Konkursforderung fest; hinsichtlich eines Betrages von S 509,57 wies es das Begehren (unangefochten) ab. Auf Grund der Vereinbarung vom 7.Mai 1984 sei es zu keiner Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur zu einer Karenzierung gekommen. Nach dem Wiedereintritt sei der Kläger - nunmehr teilzeitbeschäftigt - weiterhin Angestellter der beklagten Partei gewesen. Damit ergebe sich eine 20 Jahre übersteigende Dienstzeit. Die der Höhe nach unbestritten gebliebenen Ansprüche des Klägers seien daher berechtigt.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge. Wohl habe die Tätigkeit des Beklagten seit seinem Wiedereintritt am 1.November 1984 einige Merkmale eines freien Arbeitsvertrages aufgewiesen, doch sei der Vereinbarung vom 7. Mai 1984 nur eine Aussetzung des Arbeitsverhältnisses beabsichtigt gewesen. Die Vertragsbeziehungen nach dem Wiedereintritt sei eine Fortsetzung des zuvor bestandenen Angestelltenverhältnisses gewesen. Dem Kläger sei der Abfertigungsanspruch gewahrt geblieben, als er sich bereit gefunden habe, am 1.November 1984 vorläufig Teilzeitarbeit zu leisten. Für die Berechnung des Abfertigungsanspruches sei von einer 20 Jahre übersteigenden Gesamtdienstzeit auszugehen, zumal in der Aussetzungsvereinbarung die Wahrung aller damals bestandenen Rechte zugesagt worden sei. Nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 7.Mai 1984 sollte dem Kläger kein Nachteil aus der vorübergehenden Aussetzung seines Dienstverhältnisses entstehen. Dem werde aber nur durch die Zugrundelegung des vollen Monatsgehaltes für die Errechnung des Entgelts für die Urlaubsmonate April bis Juni 1986, der Kündigungsentschädigung und der Abfertigung Rechnung getragen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Begehren, soweit es auf Feststellung einer Konkursforderung von S 227.749,88 gerichtet sei, abgewiesen werde.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht führte aus, die Tatsache, daß die Kündigungsentschädigung nach dem fiktiven Vollgehalt zu bemessen sei, sei letztlich eine Konsequenz der Tatsache, daß der Kläger in den letzten Monaten vor der Austrittserklärung auf der Basis einer Vollbeschäftigung entlohnt worden sei. Dies ist aber keine Tatsachenfeststellung, sondern lediglich ein Verweis auf die rechtliche Beurteilung der Frage der Entlohnung für die Urlaubszeit. Das Berufungsgericht brachte damit zum Ausdruck, daß sich die Höhe des der Berechnung der Kündigungsentschädigung zugrunde zu legenden Betrages als Konsequenz aus dem diesbezüglich zur Berechnung des Urlaubsentgelts vertretenen Rechtsstandpunkt ergebe. Die gerügte Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor.
Unter Aussetzung des Arbeitsverhältnisses ist das vorübergehende, auf Initiative des Arbeitgebers vereinbarte oder angeordnete Ruhen der arbeitsvertraglichen Hauptpflichten (also der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung und der Verpflichtung des Arbeitgebers zur Entgeltleistung) zu verstehen. Rechtlich handelt es sich um eine Form der Karenzierung. Der Arbeitnehmer wird von seiner Arbeitspflicht gegen Entfall des Entgelts vorübergehend freigestellt; das Arbeitsverhältnis selbst wird dabei nicht aufgelöst, sondern lediglich ruhend gestellt (Runggaldier DRdA 1986, 275). Bei Aussetzungsverträgen wird typischerweise eine Konstruktion gewählt, die einen Anspruch auf Arbeitslosengeld nach sich zieht. Auf den ersten Blick bieten sich für diesen Zweck jene Vertragsmodelle an, die das Arbeitsverhältnis zunächst beenden. Gegen die Beendigungskonstruktion sprechen aber ganz entschieden die Interessen des Arbeitgebers. So sehr die Beendigungsvariante dem Arbeitnehmer zur Realisierung des Anspruches auf Arbeitslosengeld recht sein wird, so wenig ist sie für den Arbeitgeber billig. Er will das Arbeitsverhältnis ja nicht nur deswegen aussetzen, um dem Arbeitnehmer einen zukünftigen Arbeitsplatz zu erhalten oder sich dessen Arbeitskraft zu sichern. Ausgesetzt und nicht gekündigt wird aus der Sicht des Arbeitgebers vor allem deswegen, um sich durch Zusage der Wiedereinstellung die aus der Beendigung des Arbeitsvertrages erwachsenden Kosten zu ersparen. Wenn auch bei der Aussetzung des Arbeitsvertrages trotz der bloß vorübergehenden Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Abfertigung, die Urlaubsentschädigung oder die Urlaubsabfindung fällig wird, bräuchte man nicht auszusetzen, sondern könnte gleich - meist sogar objektiv betriebsbedingt - kündigen. Der Anreiz, sich zur Wiedereinstellung zu verpflichten, fiele weg, wird doch die Aussetzung gerade in Betrieben angewendet, die durch die Kosten der Abfertigungsverpflichtungen erst recht in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten gelangen würden (Marhold RdW 1984, 246 f).
Bei der Prüfung von Aussetzungsverträgen ist zu berücksichtigen, daß die Parteien regelmäßig eine im Hinblick auf diese Gesichtspunkte möglichst günstige Lösung anstreben. Einerseits soll dem Arbeitnehmer der Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gesichert werden und andererseits soll der Eintritt der mit der Lösung des Arbeitsverhältnisses verbundenen Rechtsfolgen verhindert werden, die den Zweck, der mit dem Aussetzungsvertrag verfolgt wird, nämlich in einer schwierigen Situation die Belastung des Unternehmens zu verhindern, zunichte machen würden.
Derartige Motive haben im vorliegenden Fall auch die Vereinbarung vom 7.Mai 1984 bestimmt. Man kam überein, daß der Kläger "vorübergehend abgemeldet" werde, und es wurde ihm die Wiedereinstellung mit allen Rechten und Pflichten bei Änderung der Auftragslage zugesagt; die Anrechnung sämtlicher Vordienstzeiten für den Abfertigungs- und Urlaubsanspruch wurde zugesichert. Am 1. November 1984 nahm der Kläger die Tätigkeit für die Gemeinschuldnerin wieder auf und war in der folgenden Zeit bis 31. März 1986 dort tätig. Wenn auch der Umfang seiner Tätigkeit unter dem früheren Beschäftigungsausmaß lag, so war die Tätigkeit doch inhaltlich die gleiche wie vor der Aussetzung. Er verrichtete im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung seine frühere Tätigkeit. Zutreffend ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gelangt, daß zur Frage der Beurteilung der Qualifikation dieses Arbeitsverhältnisses auf das früher bestandene Angestelltenverhältnis zurückzugreifen ist, als dessen Fortsetzung sich die Teilzeitbeschäftigung ab 1.November 1984 darstellt. Eine grundsätzliche Modifikation des Arbeitsvertrages ist damit jedoch nicht eingetreten. Bei Vereinbarung der Teilzeitbeschäftigung sind die Parteien davon ausgegangen, daß die Teilzeitbeschäftigung nur vorübergehend sein sollte und der Kläger später wieder voll im Unternehmen arbeiten werde. Ungeachtet der Wiederaufnahme der Tätigkeit sind daher die Parteien von der Vereinbarung vom 7. Mai 1984 ausgegangen, derzufolge der Kläger bei späterer Änderung der Auftragslage mit allen Rechten (und damit auch mit dem bis dahin bezogenen Gehalt) wieder eingestellt werde. Die als vorübergehend vereinbarte Teilzeitbeschäftigung ab 1.November 1984 kommt nach dem Willen der Parteien ab diesem Zeitpunkt im Ergebnis einer teilweisen Aussetzung des Arbeitsvertrages nahe, wobei grundsätzlich am früheren Arbeitsvertrag in der bis zur Aussetzungsvereinbarung bestandenen Form festgehalten wurde. Das Arbeitsverhältnis wurde mit der Vereinbarung vom 7.Mai 1984 nicht beendet. In der Zeit ab 1. November 1984 war der Kläger, wenn auch nur teilzeitbeschäftigt, Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin, so daß er insgesamt eine 20 Jahre übersteigende Dienstzeit zurückgelegt hat. Gemäß § 6 UrlG behält der Arbeitnehmer während des Urlaubes den Anspruch auf das Entgelt, wobei ein nach Wochen, Monaten oder längeren Zeiträumen bemessenes Entgelt für die Urlaubsdauer nicht gemindert werden darf. Der Arbeitnehmer behält damit grundsätzlich seinen Entgeltanspruch während des Urlaubes. Es soll sichergestellt werden, daß er durch den Urlaubsantritt keinen wirtschaftlichen Nachteil erleidet. Ein nach Monaten bemessenes Entgelt ist in der unmittelbar vor dem Urlaub bezogenen Höhe auch während des Urlaubes weiterzuleisten. Gemäß § 23 AngG beträgt die Abfertigung ein Mehrfaches des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgelts.
Geht man von der Vereinbarung vom 7.Mai 1984 aus, in der festgelegt wurde, daß dem Kläger aus der Aussetzung kein Nachteil entstehen sollte, so kann zur Berechnung des Urlaubsentgelts und der Abfertigung nicht von dem für den letzten unmittelbar vor dem Urlaubsantritt gebührenden Entgelt ausgegangen werden. Der Kläger konsumierte ab 31.März 1986 bis zu seinem Austritt den Resturlaub aus einer Zeit, die vor seiner Aussetzung lag. Es wäre für ihn ein wesentlicher Nachteil, würde man der Berechnung des Entgelts für diesen Urlaub und der Abfertigung das Entgelt zugrundelegen, das er während der Zeit bezog, in der sein Arbeitsverhältnis im Interesse des Unternehmens ausgesetzt war. Ausgehend von der anläßlich der Aussetzung des Arbeitsvertrages getroffenen Vereinbarung muß auf das Entgelt für eine vollzeitige Beschäftigung zurückgegriffen werden. Eine andere Lösung würde zu dem Ergebnis führen, daß ein Arbeitnehmer, der während einer Karenzierung seinen Urlaub antritt, oder dessen Arbeitsverhältnis durch berechtigten Austritt oder Kündigung in dieser Zeit beendet wird, keinen Anspruch auf Urlaubsentgelt und Abfertigung hätte, weil ihm im Hinblick auf die Karenzierung im vorangegangenen Monat kein Entgelt gebührte. In diesem Fall ist von dem Entgelt jenes Monats auszugehen, in dem der Arbeitnehmer noch beschäftigt war (in diesem Sinne auch Martinek-Schwarz, Abfertigung, 331; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte, Rz 253 ff).
Bei der Bemessung der Kündigungsentschädigung ist schon deshalb von den gleichen Grundsätzen auszugehen, weil dem Kläger ausdrücklich zugesichert wurde, daß er durch die vorübergehende Aussetzung des Dienstverhältnisses keinen Nachteil erleiden sollte. Urlaubsentgelt, Kündigungsentschädigung und Abfertigung sind daher auf der Grundlage jenes Entgelts zu berechnen, das bei vollzeitiger Arbeitsleistung gebührt hätte.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E14713European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0090OB00901.88.0427.000Dokumentnummer
JJT_19880427_OGH0002_0090OB00901_8800000_000