TE OGH 1988/4/27 2Ob639/87 (2Ob640/87)

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Veröffentlicht am 27.04.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Ernestina K***, geborene W***, Hausfrau, 6460 Imst, Thomas Walch-Straße 41, vertreten durch Dr. Helmut A. Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte und widerklagende Partei Robert K***, Pensionist, 6420 Roppen Nr. 199, vertreten durch Dr. Klaus Nuener, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Ehescheidung und Unterhalt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. September 1985, GZ 5 R 194, 195/85-80, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. April 1985, GZ 8 Cg 39/84-73 teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Das angefochtene Urteil, das in der Hauptsache ebenso wie das Urteil erster Instanz wirkungslos ist, wird im Kostenpunkt bestätigt. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 565,59 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hat dem mit Klage und Widerklage gestellten Scheidungsbegehren der Streitteile stattgegeben, die Ehe aus beiderseitigem Verschulden geschieden und ausgesprochen, daß das Verschulden des Beklagten und Widerklägers überwiege. Es erkannte der Klägerin ab Rechtskraft des Scheidungsurteiles einen monatlichen Unterhaltsbeitrag des Beklagten von S 2.500,- zu.

Der gegen das erstgerichtliche Urteil vom Beklagten erhobenen Berufung wurde nicht, dagegen jener der Klägerin stattgegeben und vom Berufungsgericht ausgesprochen, daß den Beklagten das Alleinverschulden an der Scheidung der Ehe treffe. Sein Scheidungsbegehren wurde demgemäß abgewiesen und der Klägerin der begehrte Unterhalt zugesprochen.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil erhob der Beklagte und Widerkläger am 12. Jänner 1986 fristgerecht eine Revision mit dem Antrage auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin, daß die Ehe der Streitteile aus gleichteiligem Verschulden geschieden und das Unterhaltsbegehren abgewiesen werde. Hilfsweise stellte er einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin und Widerbeklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben. Nach Vorlage der Revision an das Revisionsgericht ist der Beklagte am 13. Juli 1986 verstorben. Mit Beschluß vom 14. Oktober 1986, 2 Ob 557, 558/86, sprach das Revisionsgericht aus, daß der Rechtsstreit gemäß § 460 Z 8 ZPO wegen des vor der Rechtskraft des Scheidungsurteiles eingetretenen Todes des Beklagten in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen ist, die Urteile der Vorinstanzen wirkungslos sind und daß das Verfahren hinsichtlich der Kosten nur über Antrag fortgesetzt werden würde.

Rechtliche Beurteilung

Auf Grund des von der Klägerin gestellten Fortsetzungsantrages ON 99 ist nunmehr über die Kostenersatzpflicht zu erkennen, zu welchem Zwecke die berufungsgerichtliche Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Revisionsgründe und des gestellten Revisionsantrages auf ihre Richtigkeit in der bereits erledigten Hauptsache geprüft werden muß. Diese Überprüfung ergibt, daß die vom Beklagten erhobene Revision ohne Erfolg geblieben wäre. Dem berufungsgerichtlichen Urteilsspruch lag im wesentlichen folgender, aus dem erstgerichtlichen Urteil als unbedenklich übernommener Sachverhalt zugrunde:

Der am 4. August 1950 geschlossenen Ehe der Streitteile entstammen sieben Kinder, welche in den Jahren 1951 bis 1965 geboren wurden. Die Streitteile wohnten zunächst bei den Eltern der Klägerin, erwarben dann einen Baugrund und errichteten schließlich darauf ein Haus, welches sie zu Weihnachten 1959 bezogen. Die Klägerin war immer im Haushalt tätig, half aber beim Bau des Eigenheimes fleißig mit. Der Beklagte war ursprünglich im Elektrizitätswerk Imst beschäftigt, arbeitete dann nebenberuflich als Werber für eine Bausparkasse und machte diese Tätigkeit "Mitte der 60er-Jahre" zu seinem Hauptberuf. Von seinem Lohn als Angestellter hatte er kaum etwas für sich persönlich verwendet, und so war es möglich, ein Eigenheim zu bauen und daneben die immer größer werdende, schließlich neunköpfige Familie zu erhalten. In den ersten Jahren war die Ehe durchschnittlich gut. Gewisse Schwierigkeiten ergaben sich daraus, daß die Parteien bei den Eltern der Klägerin wohnten. Vor allem zwischen dem Beklagten einerseits und seiner Schwiegermutter andererseits ergaben sich Differenzen. Guch als die Parteien dann im eigenen Hause lebten, gab es Streitigkeiten. Ob diese schon vor "Mitte der 60er-Jahre" das durchschnittliche Maß überstiegen, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Dem Beklagten hat aber schon im Jahre 1963 einmal, als er von einer einwöchigen auswärtigen Schulung für seinen Nebenberuf zurückkam, vor der Klägerin wegen ihres damaligen Körpergeruches "gegraust". Der Klägerin war es angesichts der sich vergrößernden Zahl der Kinder und des insgesamt doch bescheidenen Einkommens des Beklagten nicht leicht, den Haushalt in Ordnung zu halten; dies mag auch eine Quelle von Streitigkeiten zwischen den Ehegatten gewesen sein. Die tiefgreifende Zerrüttung des ehelichen Verhältnisses zwischen den Parteien bahnte sich aber dadurch an, daß der Beklagte mit Lieselotte S*** in Verbindung kam. Diese schloß bei ihm zunächst einen Bausparvertrag ab und wurde dann seine Mitarbeiterin in seiner Tätigkeit als Vertreter der Bausparkasse. Der berufliche Kontakt zwischen den beiden ging etwa im Jahre 1964 in ein sexuelles Verhältnis über. Diese der Klägerin zunächst nicht bekannte Beziehung führte deshalb zu Zwistigkeiten und Reibereien in der Ehe, weil der Beklagte bemüht war, möglichst viel Zeit bei seiner Freundin zu verbringen, und Streitigkeiten vom Zaun brach, um einen Grund zu haben, von zu Hause wegzugehen. Zunehmend wurden vom Beklagten auch die ehelichen Kinder "in diese Probleme" miteinbezogen, indem er sie zur Freundin mitnahm und gemeinsame Ausflüge machte, die Kinder aber dabei anhielt, der Klägerin davon nichts zu erzählen. Dieser wurden sodann andere Ziele der Ausflüge vorgespiegelt. Um die Kinder, denen diese Heimlichkeit vor der Mutter zumindest auf Dauer unangenehm war, zum Mitfahren geneigt zu machen, erhielten sie verschiedene kleine Geschenke als eine Art "Schweigegeld". Auch übte der Beklagte, wenn die Kinder Schwierigkeiten machten, zu Lieselotte S*** mitzufahrenG durch drohende Äußerungen Druck aus. Die Klägerin nahm es jahrelang hin, daß der Beklagte allein mit den Kindern wegfuhr, und drängte nicht allzu sehr darauf, an den Ausflügen teilzunehmen, so daß sie dadurch dem Beklagten indirekt die jahrelang geheim gehaltene Beziehung zu Lieselotte S*** ermöglichte. Im Laufe der Zeit wurden die Kinder angehalten, zu Lieselotte S*** "Mutti" zu sagen. Sofern anläßlich der Besuche über die Klägerin gesprochen wurde, geschah dies nicht immer freundlich, es kam auch vor, daß diese vor den Kindern als "alte Hexe" bezeichnet wurde. Andererseits hielt Lieselotte S*** die Kinder aber auch an, daheim nicht "frech" zu ihrer Mutter zu sein. In den Jahren 1966 und 1967 wurde es der Klägerin nach und nach klar, daß der Beklagte eine zumindest ehewidrige Beziehung zu Lieselotte S*** habe. Im Jahre 1969 war sie deswegen einmal bei deren Vater und verwies auf das ehewidrige Verhältnis. Damals baute Lieselotte S*** gerade jenes Haus, in welchem der Beklagte mit ihr in der Folge lebte. Dort holte ihn die Klägerin einmal gemeinsam mit seiner Mutter in der Nacht aus dem Schlafzimmer der Lieselotte S***. Als das Haus fertig war, hatte der Beklagte Lieselotte S*** wie eine Braut über die Schwelle des Hauses getragen. Die Wochenendausflüge gingen nunmehr dorthin. Es kam vor, daß der Beklagte schon früh am Sonntag mit den Kindern wegfuhr und dann gemeinsam mit Lieselotte S*** und den Kindern das Frühstück einnahm. Zu Weihnachten gab es zwei Weihnachtsferien, nämlich am frühen Abend bei Lieselotte S*** in Roppen und am späten Abend in der Ehewohnung in Imst. Etwa um das Jahr 1970 erwarb der Beklagte ein weiteres Haus "am Rosengarten" in Imst, richtete dort in der Folge sein Büro als Bausparkassenvertreter ein und hielt sich sodann nur mehr teilweise in der Ehewohnung auf. Das Wirtschaftsgeld, das die Klägerin vom Beklagten erhielt, war anfänglich auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse beengt. Aber auch in der Folge, als der Beklagte verhältnismäßig sehr gut verdiente und damit auch in Gasthäusern prahlte, gab er der Klägerin nur ein bescheidenes Wirtschaftsgeld. Die Kinder hatten jedenfalls den Eindruck, daß der Beklagte bei seiner Freundin weitaus großzügiger mit dem Geld umgehe als in der eigenen Familie. Zur Aufbesserung des Familieneinkommens war es für die Klägerin notwendig, durch Zimmervermietung Geld hereinzubringen. Das Schlafzimmer des Beklagten vermietete sie aber erst an Fremdengäste, als er schon zur Gänze bei Lieselotte S*** wohnte. Das Wirtschaftsgeld wurde ua. durch Erträgnisse des Hausgartens, den die Klägerin betreute, aufgebessert. Die Gartenarbeit und die Zimmervermietung waren zwecks Gewinnung von Mitteln für die Haushaltsführung notwendig. Die beengten wirtschaftlichen Verhältnisse und die Forderung der Klägerin auf Zahlung eines entsprechenden Haushaltsgeldes führten im Jahre 1980 zu einer Tätlichkeit des Beklagten gegenüber der Klägerin, weswegen er strafgerichtlich verurteilt wurde. Schon die Jahre vorher hatte er die Kinder wiederholt geschlagen, so daß sie Angst vor seiner Grobheit hatten; auch die Klägerin selbst war schon bisher wiederholt geschlagen worden. Den Vorfall vom Jahre 1980 nahm sie schließlich zum Anlaß, die Scheidungsklage einzubringen. Gelegentlich hat der Beklagte auch Alkohol zu sich genommen und dann im angeheitertem Zustand vor den inzwischen erwachsen gewordenen Kindern mit seinen Frauenbekanntschaften geprahlt. In seinem Büro im Haus "Rosengarten" befanden sich für die Kinder sichtbar Nacktfotos. Die Tochter Anita, die dort beim Beklagten aufräumte, traf ihn einmal mit einer ihr unbekannten Frau im Bett an. Er äußerte sich ihr gegenüber auch in derber Weise über sexuelle Beziehungen zu anderen Frauen. Die Behauptungen des Beklagten, auch die Klägerin habe außereheliche Beziehungen zu anderen Männern gehabt, er habe die Klägerin schon im Jahre 1962 in einer verfänglichen Situation mit einem Feriengast aus Berlin ertappt und die Klägerin habe anläßlich eines Mallorca-Aufenthaltes in Spanien ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern gehabt, sind nicht erwiesen. Was die Vorwürfe gegen die Klägerin betrifft, daß sie mit dem Essen nicht rechtzeitig fertig geworden sei und auch sonst den Haushalt nachlässig geführt habe, ist nicht feststellbar, daß der Klägerin diesbezüglich Nachlässigkeiten und Versäumnisse über das durch die wirtschaftliche Beengtheit und die Größe des Haushaltes notwendige Ausmaß hinaus vorzuwerfen seien. Der Beklagte fühlte sich dadurch vernachlässigt, daß er nach seinem Unfall im Krankenhaus Zams und in Innsbruck von der Familie nicht besucht wurde. Die Angehörigen wollten aber nicht gemeinsam mit der Freundin des Beklagten bei ihm im Besuchszimmer sein. Schon seit etwa dem Jahre 1970 waren beide Teile innerlich weitgehend von einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft abgerückt, hielten aber nach außen hin die "eheliche Form" aufrecht. Bis zum Jahre 1980 hatte die Klägerin immer noch eine gewisse Hoffnung, daß das außereheliche Verhältnis des Beklagten mit Lieselotte S*** noch zu einem Ende kommen und die eheliche Gemeinschaft wieder hergestellt werden könnte.

In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht davon aus, daß die Ehe der Streitteile zumindest seit dem Jahre 1980 endgültig zerrüttet sei, wobei das primäre Verschulden an dieser Zerrüttung den Beklagten treffe, der eine außereheliche Beziehung eingegangen sei und so die immer tiefer werdende Entfremdung zwischen den Parteien eingeleitet und schließlich vollendet habe. Aber auch die Klägerin sei nicht schuldlos. Auch wenn ihr konkrete einzelne Eheverfehlungen nicht zur Last gelegt werden könnten, habe sie die Entfremdung zwischen den Parteien doch dadurch mitverschuldet, daß sie sich dem Beklagten persönlich zu wenig zugewendet habe. Somit sei die Ehe aus beiderseitigem Verschulden zu scheiden, wobei aber das weitaus überwiegende Verschulden den Beklagten treffe.

Das Berufungsgericht verwies im Tatsachenbereich zusammenfassend ua. noch darauf, daß die Klägerin zur Zeit, als der Beklagte sein Verhältnis mit Lieselotte S*** begann, entweder kurz vor oder nach der Geburt ihres jüngsten Kindes stand und damals schon sechs Kinder zu versorgen hatte, darunter ein ein- bis zwei- und ein vier- bis fünfjähriges Kind. Hinzu sei die mit der Zimmervermietung, der Gartenbetreuung und der Haustierhaltung (Kaninchen) verbundene Arbeitslast gekommen. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß in dieser Situation die Teilnahme an Ausflügen und Ausfahrten für die Klägerin äußerst erschwert gewesen sei und daß sie an den Wochenenden deswegen dringend einer gewissen Ruhe bedurft habe. Vergegenwärtige man sich - auf Grund der im einzelnen dargelegten Beweisergebnisse - daß die Klägerin offenbar eine Person sei, die dazu neige, sich ihren Kummer nicht anmerken zu lassen und duldend trotz allem eine Besserung zu erhoffen, und daß der Beklagte in Wahrheit an einer Teilnahme der Klägerin an den weitgehend mit seiner Geliebten ausgeführten Ausflügen und Ausfahrten gar nicht interessiert gewesen sei und seine Wünsche gegenüber der Klägerin durchzusetzen pflegte, so erscheine es verständlich, daß die Klägerin das alleinige Wegfahren des Beklagten mit den älteren Kindern lange Zeit hingenommen und auf eine - praktisch ohnehin unmögliche und unzumutbare - Teilnahme nicht allzu sehr gedrängt habe. Die übergroße Arbeitslast, die von der Klägerin zu bewältigen gewesen sei, habe zwangsläufig zu dem vom Erstgericht mit Recht festgestellten völligen Aufgehen der Klägerin in den Lasten des Haushaltes führen müssen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß der Beklagte den Scheidungsgrund des Ehebruches nach § 47 EheG sowie auch mehrfache Scheidungstatbestände nach § 49 EheG dadurch gesetzt habe, daß er Streitigkeiten vom Zaun gebrochen habe, um von zu Hause wegzukommen und sich seiner Freundin widmen zu können; daß er die Klägerin wiederholt tätlich mißhandelt habe; daß er mit einer weiteren Frau zumindest grob ehewidrige Beziehungen aufgenommen habe; schließlich auch, daß er die Kinder in die ehelichen Probleme hineingezogen habe. Durch dieses Gesamtverhalten des Beklagten sei die Zerrüttung der Ehe der Streitteile eingeleitet und schließlich unheilbar geworden. Der Klägerin hingegen könne im Sinne der dargestellten Grundsätze der Rechtsprechung keine schwere Eheverfehlung und daher auch kein Mitverschulden an der Ehescheidung angelastet werden. Wenn sie die Ausfahrten des Beklagten mit den Kindern jahrelang hingenommen und nicht allzu sehr darauf gedrängt habe, mitgenommen zu werden, so sei zu bedenken, daß die jeweils jüngsten Kinder naturgemäß an solchen Ausflügen nicht oder doch nur in eingeschränktem Maße teilnehmen hätten können und daß es dem Beklagten um ein Zusammensein mit Lieselotte S*** und nicht um eine Teilnahme der Klägerin an den Ausflügen und Ausfahrten gegangen sei. Da die auf der Klägerin lastenden Aufgaben gewiß alle ihre Kräfte in Anspruch genommen hätten, könne ihr auch nicht im Sinne einer schweren Eheverfehlung angerechnet werden, daß sie ganz in den Lasten des Haushaltes aufgegangen und damit im Beklagten den (subjektiven) Eindruck einer zu geringen Zuwendung erweckt habe. Bei einem von ehelicher Gesinnung erfüllten und daher zur Nachsicht bereiten Ehegatten hätte nämlich dieses Verhalten der Klägerin keineswegs eine völlige Entfremdung herbeiführen können, sondern vielmehr Anlaß geboten, durch geeignete Hilfestellung und durch Vermeidung jedweden die eheliche Lebensgemeinschaft belastenden Verhaltens der Klägerin in ihrer ungünstigen Lage beizustehen. Aber auch ins Gewicht fallende Mängel in der Haushaltsführung könnten der Klägerin auf der gegebenen Feststellungsgrundlage nicht angelastet werden.

In der Revision des Beklagten werden die Revisionsgründe des § 503 Abs.1 Z 2-4 ZPO geltend gemacht, bei deren Ausführung aber in weitwendigen Darlegungen nahezu ausschließlich die vor dem Obersten Gerichtshof nicht mehr anfechtbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen bekämpft. Die Revisionsbehauptungen über eine angebliche mehrfache Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie mehrfache Aktenwidrigkeiten basieren ausschließlich auf Angriffen gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanzen bzw. deren tatsächliche Schlußfolgerungen und sind daher von vornherein unbeachtlich. Die Revisionsgründe des § 503 Abs.1 Z 2 und 3 ZPO liegen demnach nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

In der Rechtsrüge geht die Revision überwiegend nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ist daher insoweit ebenso wie hinsichtlich des steten Versuches, die Beweiswürdigung zu bekämpfen, nicht gesetzmäßig ausgeführt. Zusammenfassend wird zugrundegelegt, die Klägerin habe durch ein Verhalten ihrerseits, nämlich eine zu geringe Zuwendung zum Beklagten, wodurch es zu dessen Beziehungen zu Lieselotte S*** gekommen sei, die allmähliche Zerrüttung der Ehe eingeleitet. Eine übergroße Belastung der Klägerin durch die Haushaltsführung und Kinderpflege sei nicht vorgelegen, denn die Gesamtbelastung des Beklagten sei mindestens ebenso groß gewesen. Demgemäß erscheine es nicht verständlich, warum die Klägerin dem Beklagten nicht die entsprechende Zuwendung entgegengebracht und seine Leistungen nicht anerkannt habe. Bei Lieselotte S***, welcher ebenfalls die Betreuung ihres Kindes oblegen sei, habe ihn die Geordnetheit und Sauberkeit fasziniert. Die Klägerin habe sich auch jahrelang geweigert, an den Wochenenden mit ihm und den Kindern Ausflüge zu machen.

Entgegen diesen Ausführungen ist jedoch festgestellt, daß der Beklagte seinerseits die tiefgreifende Zerrüttung der Ehe dadurch einleitete, daß er mit Lieselotte S*** ehewidrige sexuelle Beziehungen aufnahm und sodann Streitigkeiten vom Zaun brach, um einen Grund zu haben, von zu Hause wegzugehen und sich der Freundin widmen zu können. In der Folge nahm er auch die Kinder mit, wobei er der Klägerin andere Ausflugsziele vorspiegelte und den Kindern verbot, der Klägerin zu berichten. Er gab ihnen "Schweigegeld", damit sie die Sache vor der Klägerin verheimlichten, und setzte sie durch Drohungen unter Druck. Daß er die Klägerin wegen vorwerfbarer Vernachlässigung des Haushaltes oder Unsauberkeit verlassen hätte, wurde nicht festgestellt. Dagegen steht fest, daß der Beklagte sowohl die Klägerin als auch die Kinder auch immer wieder geschlagen hat. Wegen einer solchen Tätlichkeit im Jahre 1980 wurde er rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Diese Tätlichkeit bildete für die Klägerin den Anlaß für die Einbringung der Scheidungsklage. Weiters wird in der Revision vorgebracht, die Klägerin habe selbst zugestanden, während eines Urlaubes in Mallorca mit drei Männern geschlechtlich verkehrt zu haben, selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sei, habe sie aber durch ihre Erzählung beim Beklagten subjektiv das Gefühl erweckt, andere Männer gehabt zu haben, worin eine schwere Eheverfehlung liege. Zum Zeitpunkt der Aufnahme ehewidriger Beziehungen des Beklagten zu Lieselotte S*** sei die Ehe der Streitteile somit bereits zerrüttet gewesen, wobei die Ursachen der Zerrüttung von beiden Streitteilen zumindest zu gleichen Teilen gesetzt worden seien.

Auch mit diesem Vorbringen weicht die Revision von der den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungsgrundlage ab. Geht man im Sinne des Gesetzes von dieser aus, dann ergibt sich, daß der Beklagte schwere Eheverfehlungen, nämlich fortgesetzten Ehebruch und mehrfache weitere, sehr erhebliche Ehewidrigkeiten begangen hat. Dagegen fallen der Klägerin keinerlei Ehewidrigkeiten vom Gewichte einer schweren Eheverfehlung zur Last. Der diesbzüglichen berufungsgerichtlichen Beurteilung ist vielmehr als zutreffend zu folgen und demgemäß auch dahin, daß den Beklagten das Alleinverschulden an der Scheidung der Ehe der Streitteile trifft. Somit haftet aber auch der Entscheidung der Berufungsinstanz, der Beklagte habe die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens zu tragen, kein Rechtsirrtum an.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E13927

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0020OB00639.87.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19880427_OGH0002_0020OB00639_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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