TE OGH 1988/4/27 9ObA87/88

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Veröffentlicht am 27.04.1988
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Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Olga Makomaski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Siegfried L***, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 15, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Harald S*** (20 S 62/82 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz) wider die beklagte Partei Renate S***, Gewerbetreibende, Graz, Lendkai 155, vertreten durch Dr.Manfred Eichholzer, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 357.061,25 brutto (Streitwert im Revisionsverfahren) S 165.845), infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14.Dezember 1987, GZ. 8 Ra 1137/87-17, womit das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 22.September 1986, GZ. 2 C 95/85-10, aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst durch Urteil wie folgt erkannt:

"Der Berufung wird Folge gegeben.

Das Ersturteil hat einschließlich seines unbekämpft gebliebenen Teils dahin zu lauten, daß das Klagebegehren, die Beklagte sei schuldig, dem Kläger insgesamt S 357.061,25 brutto sA zu zahlen, abgewiesen wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 35.063,-- bestimmten Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz (davon S 3.193,-- Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit S 6.793,05 bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung (davon S 617,55 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Gemeinschuldner Harald S*** betrieb in Graz, Lendkai Nr.155, eine Sauerkrauterzeugung. Im Jänner 1982 stellte er den Betrieb ein. Die Betriebsliegenschaft samt Zubehör, zu dem auch die Geräte für die Sauerkrauterzeugung gehörten, wurde in Zwangsversteigerung gezogen. Die Beklagte, die damals noch nicht mit Harald S*** verheiratet war, erwarb am 27.5.1982 durch Zuschlagserteilung im Zwangsversteigerungsverfahren die Liegenschaft und nahm in der Folge die Sauerkrauterzeugung wieder auf. Am 6.8.1982 heiratete sie Harald S***. Am 14.10.1982 wurde über dessen Vermögen der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.

Der Kläger behauptet, die Sauerkrauterzeugung samt Verkauf werde tatsächlich vom Gemeinschuldner betrieben; zwischen der Beklagten und dem Gemeinschuldner bestehe ein verdecktes Arbeitsverhältnis. Das Arbeitseinkommen des Gemeinschuldners aus dieser Tätigkeit falle zur Gänze in die Masse. Der Masseverwalter behalte sich eine Erklärung darüber vor, welchen Teil davon er dem Gemeinschuldner zur bescheidenen Lebensführung überlasse. Auf der Grundlage kollektivvertraglicher Monatsbezüge von S 14.335,-- habe der Gemeinschuldner für die Saisontätigkeit in der Sauerkrauterzeugung und im Obsthandel in der Zeit vom 14.10.1982 bis 22.9.1986 Lohnansprüche gegen die Beklagte in Höhe von S 357.061,25 sA erworben. Der Lohn sei jedoch nicht gezahlt worden. Der Masseverwalter begehrt daher die Zahlung dieses Betrages. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß der Gemeinschuldner nach der Übernahme der Sauerkrauterzeugung durch die Beklagte in diesem Betrieb keine nachhaltige Tätigkeit mehr entfaltet habe. Er habe sich zunächst auf eine beratende Tätigkeit beschränkt und sich erst später wieder zeitweilig um Betriebsangelegenheiten gekümmert und Zustellungen vorgenommen. Er sei nur im Rahmen seiner ehelichen Beistandspflicht tätig geworden und habe insgesamt etwa 15 bis 20 Stunden wöchentlich im Betrieb mitgearbeitet. Selbst wenn die Beklagte dem Gemeinschuldner hiefür eine Vergütung schulde, betrage diese nicht mehr als S 4.500 monatlich, so daß der Masseverwalter dem Gemeinschuldner unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten gemäß § 5 KO den gesamten Lohn überlassen müsse.

Das Erstgericht sprach dem Kläger S 165.845,-- netto samt Stufenzinsen zu und wies ein Mehrbegehren von S 191.216,25 brutto sA - insoweit unbekämpft - ab.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Gemeinschuldner ist seit Ende August 1982 in der von seiner Gattin geführten Sauerkrauterzeugung "in wesentlicher Funktion" tätig. Lediglich Zustellfahrten führte er bis Mitte 1983 kaum durch, weil die Beklagte hiefür einen Zusteller beschäftigte. Danach übernahm der Gemeinschuldner auch diese Tätigkeit. Er berät seine Ehefrau bei der Betriebsführung, erteilt Anweisung an die Beschäftigten und arbeitet auch beim Entladen der zugelieferten Ware. Insgesamt arbeitet er von September bis März des Folgejahres mindestens 20 Stunden pro Woche in der Sauerkrauterzeugung, aus der die Beklagte einen jährlichen Reingewinn von S 80.000,-- bis S 160.000,-- erzielt.

Die Beklagte besitzt eine weitere Gewerbeberechtigung für den Handel mit Landesprodukten. In diesem Geschäftszweig war der Gemeinschuldner für seine Ehefrau von Anfang Juni bis Anfang August 20 Stunden wöchentlich als Kirschenzulieferer in Tirol tätig. In diesem Geschäftszweig erzielt die Beklagte einen jährlichen Reingewinn von S 20.000,-- bis S 40.000,-- (im Jahr 1986 bedingt durch die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl allerdings weniger). Der Gemeinschuldner hat für zwei minderjährige Töchter aus zweiter Ehe, die Zwillinge Dagmar und Barbara S*** (geboren 15.9.1973) zu sorgen, für die er nach dem neschluß des Pflegschaftsgerichtes ab 1.5.1982 je S 1.500,-- monatlich zu bezahlen hat. Außerdem hat er für den vier Jahre alten Sohn Maximilian, der aus der Ehe mit der Beklagten stammt, zu sorgen. Dieses Kind lebt mit der Beklagten und dem Gemeinschuldner im gemeinsamen Haushalt.

Zwischen der Beklagten und dem Gemeinschuldner wurde ausdrücklich kein Arbeitsvertrag begründet und der Gemeinschuldner auch nicht zur Sozialversicherung angemeldet. Sie vereinbarten vielmehr, daß er für seine Tätigkeit ein tägliches Taschengeld von S 40 bis S 50 (monatlich rund S 1.000,--) bezieht und freie Kost und Wohnung erhält. Die Beklagte unterstützt den Gemeinschuldner nach Möglichkeit auch bei der Zahlung von Alimenten an seine Töchter aus zweiter Ehe.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß zwischen dem Gemeinschuldner und der Beklagten ausdrücklich kein Arbeitsverhältnis begründet worden sei. Die Tätigkeit eines Ehegatten für den anderen führe nicht ohne weiteres zu einem Arbeitsverhältnis, da die Leistungen auch im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht erbracht worden sein könnten. Eine exakte Abgrenzung der im Rahmen der ehelichen Beistandspflicht erbrachten Leistungen von jenen, die darüber hinausgingen, sei nicht möglich. Die Tätigkeit des Gemeinschuldners im Ausmaß einer Halbtagsbeschäftigung gehe über den Rahmen der ehelichen Beistandspflicht hinaus. Die Beklagte habe dem Gemeinschuldner vollen Unterhalt und ein Taschengeld gewährt. Die Arbeitsleistungen des Gemeinschuldners seien mit S 6.000,-- monatlich zu bewerten. Der Betrag falle in die Konkursmasse, sei aber dem Gemeinschuldner so weit zu überlassen, als es zum Unterhalt für ihn und diejenigen, die gegen ihn einen gesetzlichen Anspruch auf Unterhalt hätten, erforderlich sei. Die von der Beklagten erbrachten Unterhaltsleistungen seien mit S 3.000,-- zu bewerten. Die über die eheliche Beistandspflicht hinausgehende Arbeitsleistung habe ebenfalls einen Wert von S 3.000,-- monatlich. Diesen Betrag habe die Beklagte an die Masse abzuführen, ohne daß der Gemeinschuldner noch zusätzlich gemäß § 5 KO Unterhaltsansprüche gegen die Masse geltend machen könne. Unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen ergebe sich daher bis 22.9.1986 ein Zuspruch von S 189.845,-- sA. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge. Es hob das Ersturteil in seinem stattgebenden Teil und im Ausspruch über die Prozeßkosten unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Urteilsfällung an die erste Instanz zurück.

Grundsätzlich sei bei der Erbringung von Arbeitsleistungen von einem Vertragsverhältnis auszugehen; bei Arbeitsleistungen unter Familieangehörigen spreche jedoch der typische Geschehensablauf gegen ein Arbeitsverhältnis. Daher müsse derjenige, der sich auf ein solches berufe, dies entsprechend erhärten. Durch die bloße Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen im Rahmen der Verpflichtung nach § 90 ABGB entstehe noch kein Arbeitsverhältnis. Die Arbeitsleistung eines Ehegatten im Erwerb des anderen werde entweder im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht oder auf Grund eines Arbeits- oder Gesellschaftsvertrages erbracht. Die Bestimmung des § 98 ABGB räume dem mitarbeitenden Ehegatten, gleichgültig ob er zur Mitwirkung nach § 90 ABGB (in diesem Umfang) verpflichtet gewesen sei, den Anspruch auf angemessene Abgeltung dieser Mitwirkung ein. Hätten jedoch die Ehegatten die Mitwirkung im Erwerb auf eine andere Grundlage gestellt, so seien gemäß § 100 ABGB die vertraglichen Bestimmungen anzuwenden.

Die Beklagte gehe in ihrer Berufung vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses aus und behaupte nur, daß der Gemeinschuldner nicht Angestellter, sondern Arbeiter gewesen sei. Unabhängig von diesem Geständnis sei auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes ein Arbeitsverhältnis des Gemeinschuldners anzunehmen. Wie sich aus den getroffenen Feststellungen ergebe, sei der Gemeinschuldner "in seinem eigenen Betrieb, der von seiner Frau formell übernommen wurde, weiterhin wie ein Unternehmer, mindestens aber wie ein leitender Angestellter tätig" gewesen.

Selbst bei Verneinung eines Arbeitsverhältnisses habe aber der im Erwerb des anderen mitarbeitende Ehegatte gemäß § 98 ABGB Anspruch auf angemessene Abgeltung dieser Mitarbeit. Dieser Anspruch entstehe schon während aufrechter Ehe und sei auch vererblich. Gehe man aber von einem Arbeitsverhältnis aus, habe der Gemeinschuldner gegen die Beklagte Anspruch auf angemessene Entlohnung. Dessen Höhe sei durch zwingende Rechtsvorschriften (Kollektivvertrag, Satzung) geregelt und dürfe nicht unterschritten werden. Der Gemeinschuldner könne darauf auch nicht rechtswirksam verzichten.

Gemäß §§ 1, 5 KO sei der Masseverwalter berechtigt, Forderungen des Gemeinschuldners aus dessen Erwerbstätigkeit geltend zu machen. Unterhaltsansprüche des Gemeinschuldners könnten im Prozeß nicht eingewendet werden. Die Unterhaltspflicht der Beklagten gegen den Gemeinschuldner sei nur eine subsidiäre. Der Gemeinschuldner sei auf Grund seiner Erwerbstätigkeit in der Lage gewesen, für seinen Unterhalt mit den ihm gemäß § 5 KO zur Verfügung zu stellenden Mitteln selbst aufzukommen. Darüber, welche Unterhaltsansprüche dem Gemeinschuldner zustünden, sei im Prozeß nicht abzusprechen. Der Lohnanspruch des Gemeinschuldners falle zur Gänze in die Konkursmasse.

Es bedürfe aber noch der Klärung, welche Lohnansprüche dem Gemeinschuldner zugestanden seien. Er habe als Arbeitnehmer Anspruch auf den kollektivvertraglichen Mindestlohn. Es werde daher festzustellen sein, welcher Kollektivvertrag auf die Betriebe der Beklagten zur Anwendung komme.

Der Masseverwalter erhebt gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes Rekurs mit dem Antrag, diesen aufzuheben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte beantragt, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben. Die Rechtssache ist im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens spruchreif. Der Rekurs des Klägers ist daher, wenn auch nicht im Sinne seiner Anträge, berechtigt.

Durch Dienste von Familienmitgliedern, die ausschließlich aus Gründen familiärer Beistandspflicht tätig werden, wird in der Regel kein Arbeitsvertrag begründet. Es bleibt den Beteiligten allerdings unbenommen, Gegenteiliges zu vereinbaren. In welchem Fall im einzelnen zwischen Familienangehörigen Dienstverträge geschlossen worden sind, ist allerdings schwer zu beantworten. Das äußere Bild der Erfüllung familiärer Beistandspflicht kann der Erfüllung dienstvertraglicher Pflichten völlig gleichen, denn die Beistandspflichterfüllung schließt eine Einordnung des Angehörigen in den Betrieb des anderen nicht aus (Krejci in Rummel, ABGB, Rz 17 zu § 1151; Holzer in Ruppe, Familienverträge und Individualbesteuerung 109). Geleistete Zahlungen können einmal als Arbeitsentgelt, das andere Mal als Unterhaltsleistungen betrachtet werden. Entscheidend ist die Nähe der Verwandtschaft. Bei Ehegatten und im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern können im Zweifel Familiendienste angenommen werden, im Verhältnis zu anderen Verwandten nicht (SZ 35/156; Krejci in Rummel aaO Rz 17 und 19). Die Neuregelung der §§ 98 bis 100 ABGB überläßt den Ehegatten die Wahl, für die Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen familienrechtliche Entgeltansprüche geltend zu machen oder eine - solche Ansprüche im allgemeinen ausschließende - vertragliche Regelung zu treffen; bei Begründung eines Dienstverhältnisses bleibt jedoch dem Ehegatten der Anspruch nach § 98 ABGB gewahrt, soweit er seine Ansprüche aus dem Dienstverhältnis übersteigt. Da somit die Ehegatten mehrere Wahlmöglichkeiten zur Gestaltung ihrer Rechtsbeziehungen aus der Mithilfe im Erwerb des anderen haben, muß, wenn ein Arbeitsverhältnis angenommen werden soll, dessen Abschluß deutlich zum Ausdruck kommen. Die sonst recht großzügig gehandhabte Anwendung des § 863 ABGB greift hier nicht, weil man in der Regel keine zweifelsfreie Situation vorfindet. Im Zweifel aber ist davon auszugehen, daß die Familiendienste der Erfüllung familiärer Beistands- und Mitwirkungspflichten gelten (Krejci in Rummel aaO Rz 18, Mayer-Maly, Arbeitsrecht2 I 3 f; Holzer aaO 110; Martinek-Schwarz AngG6 35 und 205 f; auch Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht3 207; Schwind, KommzEheG2 92 f). Nach diesen Kriterien kann ein reguläres, kollektivvertragliche Lohnansprüche auslösendes Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und ihrem Ehemann nicht angenommen werden. Das Berufungsgericht stützte das Vorliegen eines solchen Arbeitsverhältnisses in erster Linie auf ein Geständnis der Beklagten im Berufungsverfahren. In erster Instanz hatte sich die Beklagte ausdrücklich darauf berufen, daß der Gemeinschuldner in ihrem Betrieb in Erfüllung seiner Beistandspflicht (§ 90 Satz 2 ABGB) tätig werde und diesen Standpunkt auch im Berufungsverfahren aufrecht erhalten. Sie hat zwar dort betont, daß der Gemeinschuldner niemals "Angestellter", sondern lediglich "Handelsarbeiter" oder "Arbeiter" gewesen sei, und damit erkennbar die Höhe der zugesprochenen Beträge bekämpft daneben aber in Zweifel gezogen, ob man überhaupt eine Arbeitstätigkeit des Beklagten behaupten könne (AS 88). Ein das Berufungsgericht bindendes Geständnis (§ 266 Abs 2 ZPO) lag daher nicht vor. Die besondere Situation, in der sich der Gemeinschuldner und die Beklagte befanden, läßt es auch nicht zu, die Mitarbeit des Gemeinschuldners im Unternehmen der Beklagten zweifelsfrei (§ 863 ABGB) als Arbeitsverhältnis zu deuten. Die Beklagte hat noch vor der Eheschließung die Betriebsliegenschaft ihres späteren Ehemannes erworben und damit die Möglichkeit zur Fortführung des Betriebes durch sie geschaffen. Kurz darauf wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Es liegt auf der Hand, daß die Absicht der Ehegatten in dieser Lage kaum darauf gerichtet gewesen sein wird, einen Arbeitsvertrag abzuschließen. Gegen diesen Abschluß spricht auch, daß der Gemeinschuldner nicht zur Sozialversicherung gemeldet wurde.

Von einem wegen Vorliegens der Voraussetzungen des § 863 ABGB schlüssig anzunehmenden Arbeitsverhältnis kann daher keine Rede sein. Zum Schutze der Gläubiger sieht allerdings die Rechtsordnung unter bestimmten Voraussetzungen die Fingierung eines Arbeitsverhältnisses vor. So bestimmt § 10 Abs 2 LohnPfG, daß im Verhältnis des betreibenden Gläubigers zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet gilt, wenn der Verpflichtete einem Dritten in einem ständigen Verhältnis Arbeiten oder Dienste, die nach Art und Umfang üblicherweise vergütet werden, unentgeltlich oder gegen eine unverhältnismäßig geringe Vergütung leistet. Eine ähnliche Regelung enthält § 1 UschG zum Schutze von Unterhaltsansprüchen. Ob § 10 Abs 2 LohnPfG auch im Konkursverfahren sinngemäß angewendet werden kann, der Masseverwalter sich also darauf berufen kann, daß im Verhältnis der Konkursgläubiger zu dem Empfänger der Arbeits- und Dienstleistungen eine angemessene Vergütung als geschuldet gilt, kann diesmal auf sich beruhen, weil § 10 Abs 2 LohnPfG jedenfalls nicht zur Anwendung kommt, wenn der Verpflichtete (hier: Gemeinschuldner) diese Arbeiten für seinen Ehegatten erbringt. Gemäß § 99 ABGB sind Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB) verpfändbar, so weit sie durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind. In Einklang damit sind gemäß § 291 EO Ansprüche auf Abgeltung der Mitwirkung eines Ehegatten im Erwerb des anderen (§ 98 ABGB), soweit sie nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden sind, der Pfändung nicht unterworfen. Zweck dieser Bestimmungen ist es, daß nicht in die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten eingegriffen werden kann, wenn der allenfalls Berechtigte die Geltendmachung nicht wünscht. Die Bestimmungen des § 99 EheG und des § 291 EO nehmen daher in der Frage des Schutzes von Gläubigerinteressen gerade den gegenteiligen Standpunkt wie § 10 Abs 2 LohnPfG und § 5 USchG ein. Das Verhältnis zwischen diesen gegensätzlichen Bestimmungen kann, will man nicht die Regelung des § 291 EO überhaupt "weginterpretieren" und sich damit vom eindeutig erklärten Willen des Gesetzgebers entfernen, nur dahin verstanden werden, daß dem § 10 Abs 2 LohnPfG für den Fall, daß der Drittschuldner der Ehegatte des Verpflichteten ist (und der Anspruch nach § 98 EheG nicht durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht worden ist) derogiert wurde. Der Anwendungsbereich dieser Bestimmung wurde damit eingeschränkt. Ein anderes Verständnis des Verhältnisses dieser beiden Bestimmungen ist trotz bestehender Wertungswidersprüche (die im Verhältnis zwisch § 291 EO und § 5 USchG noch krasser sind) nicht möglich (siehe dazu Franz Berger, Verfahrensrechtliches zu den neuen eherechtlichen Gesetzen RZ 1978, 257; derselbe, Vermischte exekutionsrechtliche Fragen, ÖJZ 1982, 434; auch Fenyves in Ostheim: Schwerpunkte der Familienrechtsreform 155 anerkennt, daß jeder andere Interpretationsversuch auf kaum überwindliche Schwierigkeiten stößt, wenngleich schon viel gewonnen wäre, wenn es gelänge, zumindest dem Unterhaltsgläubiber den unbeschränkten Zugriff auf den Anspruch nach § 98 ABGB zu ermöglichen. Auf dieses Sonderproblem braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil kein Unterhaltsanspruch vorliegt). Aus dieser Rechtslage folgt aber, daß der Masseverwalter auf eine allfällige, dem Gemeinschuldner über das vereinbarte Taschengeld von S 1.000 monatlich gebührende Vergütung nach § 98 EheG nicht greifen kann. Da insoweit nichts vereinbart wurde und ein reguläres Arbeitsverhältnis nicht vorliegt, hätte der Gemeinschuldner gegen die Beklagte nur allfällige familienrechtliche Ansprüche auf (ergänzende) Abgeltung seiner Mitwirkung in ihrem Unternehmen im Sinne der §§ 98, 100 ABGB. Da dieser Anspruch weder durch Vertrag oder Vergleich anerkannt oder gerichtlich geltend gemacht wurde, ist er gemäß § 291 EO nicht pfändbar und fällt damit auch nicht unter das zur Konkursmasse gehörende, der Exekution unterworfene Vermögen, das der Gemeinschuldner während des Konkurses erlangt hat (§ 1 KO).

Dasselbe gilt aber auch für das vereinbarte (und offenbar gezahlte) monatliche Taschengeld von S 1.000,--, selbst wenn es als Arbeitseinkommen im Sinne der weiten Begriffsbestimmung des § 1 Abs 2 LPfG ("sonstige Vergütungen für Dienstleistungen aller Art, die die Erwerbstätigkeit des Verpflichteten vollständig oder zu einem wesentlichen Teil in Anspruch nehmen") angesehen werden müßte. Die Bestimmung des § 1 KO geht jener des § 5 KO vor, so daß das, was der Gemeinschuldner während des Konkurses durch eigene Tätigkeit erwirbt, nur dann der Regelung des § 5 KO unterfällt, wenn dieser Erwerb überhaupt zur Konkursmasse gehört.

Die Bezüge, die das Existenzminimum des § 289 c EO (seit 1.12.1940 LPfV; seit 31.3.1955 LPfG) nicht übersteigen, fallen nicht in die Konkursmasse (Bartsch-Pollak3 I 22; Holzhammer, Österr. Insolvenzrecht2 10 f; ähnlich für andere Pfändungsschutzbestimmungen Arb.7.547, 7.842 und SZ 36/113). Vor der Anwendung des § 5 KO "ist daher Unpfändbares auszuscheiden" (Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht1 10). Da der Betrag von S 1.000,-- monatlich weit unter den maßgeblichen Wertgrenzen des § 5 Abs 1 Z 1 LohnPfG liegt (ab 1.5.1980: S 2.700,--; vom 1.1.1984 bis 31.3.1988: S 3.300,--), gehört er nicht zum Massevermögen im Sinne des § 1 KO, so daß der Masseverwalter nicht darauf greifen kann.

Damit ist die Rechtssache im Sinne der Klagsabweisung spruchreif. Gemäß § 519 Abs 2 ZPO kann daher der Oberste Gerichtshof über den Rekurs nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO durch Urteil in der Sache selbst erkennen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E14729

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:009OBA00087.88.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19880427_OGH0002_009OBA00087_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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