Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Monika K*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.Dezember 1987, GZ 7 b Vr 4002/87-69, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung (wegen der Aussprüche über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche) werden die Akten gemäß § 285 i StPO dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO hat die Angeklagte die Kosten des Verfahrens über ihre Nichtigkeitsbeschwerde zu ersetzen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Monika K*** des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat sie in Wien ein ihr anvertrautes Gut, nämlich Geldbeträge von zusammen 981.516,30 S, welche sie als Buchhalterin und Kassenleiterin der Fa. F*** Büromaschinenvertriebs-GesmbH verwahrt hatte, sich (zu ergänzen: mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern) zugeeignet und zwar
a) in der Zeit von 1982 bis 3.Oktober 1983 in wiederholten Zugriffen insgesamt 228.516,30 S aus der Hauptkassa
b) am 7.Dezember 1982 2.000 S und am 2. Februar 1983 61.000 S aus der Ersatzteilkassa sowie
c) in der Zeit vom 29.Jänner 1982 bis 3.Oktober 1983 in wiederholten Zugriffen 690.000 S, die mittels Barschecks von der PSK oder von Banken behoben worden waren.
Den Schuldspruch ficht die Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 Z 5, 9 lit a und 10 StPO an.
In der Mängelrüge (Z 5) wird der Sache nach eine Unvollständigkeit des Urteils behauptet, da eine Vielzahl von Beweisergebnissen übergangen worden sei. So seien unerörtert geblieben:
1. Die Aussage des Zeugen C***, wonach er keinerlei Geldzuwendungen durch die Angeklagte erhalten habe,
2. die "Tatsache", daß C*** jedes Monat die Forderungen aus seinem CA-Kredit beglichen habe,
3. der Grund "dieser" Kredite, welche die Angeklagte aus der früheren Ehe übernommen habe,
4. die Aussagen der Zeugin B***, daß C*** bloß ein Bekannter ihrer Mutter sei und dieser jene nicht regelmäßig besucht habe,
5. die Aussagen der gleichen Zeugin, daß ihre Mutter keinesfalls mehr Geld ausgegeben habe, als sie verdient habe,
6. die "Tatsache", daß die Angeklagte den Safeschlüssel im Büro zurückgelassen habe und dadurch sämtliche Mitarbeiter der Firma Zugang zu den Belegen hatten,
7. die Verantwortung der Angeklagten, daß diverse Bons über Einkäufe der Firma nicht gefunden worden seien und daß diese Belege oft Beträge von 100.000 S aufgewiesen hätten,
8. die Verantwortung der Angeklagten, daß der Schaden im Faktum b) durch Zusammenheften zweier Belege entstanden sein könne,
9. die Aussage der Zeugin B***, daß der Schreibtisch ihrer Mutter immer voll mit Belegen gewesen sei,
10. die übereinstimmenden Aussagen sämtlicher Zeugen, wonach die Angeklagte keinesfalls einen Eindruck hinterlassen habe, aus welchem auf einen überhöhten Lebensstil geschlossen werden könnte,
11. daß auch andere Personen Zugang zum Firmensafe gehabt hätten und sehr wohl für andere Mitarbeiter die Möglichkeit bestanden hätte, Belege verschwinden zu lassen,
12. daß oft Schecks in der Höhe von 100.000 S völlig unkontrolliert im Safe gelegen seien,
13. daß die Angeklagte in Ansehung von Schecks nicht zeichnungsberechtigt gewesen sei,
14. daß andere Mitarbeiter mit Barschecks Geld von der PSK abgeholt hätten sowie
15. die der Annahme von wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Angeklagten entstehenden Aussagen der Zeugin B*** und der Mitarbeiter der Firma.
Überdies mangle dem Ersturteil eine Begründung, warum ein Übertragungsfehler nicht Ursache der Differenzen im Faktum b) sein könne.
Rechtliche Beurteilung
Vorweg: Urteilsnichtigkeit gemäß § 281 Abs. 1 Z 5 StPO liegt nur dann vor, wenn ein Begründungsmangel sich auf eine entscheidende Tatsache, das ist eine solche, welche die Unterstellung der Tat unter das Strafgesetz oder die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes betrifft, bezieht (EvBl 1972/17 uva).
Vorliegend ist entscheidend, ob die Beschwerdeführerin sich ihr anvertraute Firmengelder im Gesamtbetrag von 981.516,30 S zugeeignet hat. Das Schöffengericht hat dies als erwiesen angenommen und sah ihre leugnende Verantwortung als widerlegt an, weil im Faktum a) sie im alleinigen Gelegenheitsverhältnis gestanden sei (nur sie hatte Zugang zur Kassa), die Spesenrechnungen in Form von Vorschüssen aus der Kassa keinesfalls die Höhe des veruntreuten Betrages erreicht hätten und das Manko auch nicht auf derartige Spesenvorschüsse zurückzuführen sei, zumal bei solchen Geldentnahmen aus der Kassa Bons ausgestellt wurden und solche auch tatsächlich vorhanden waren. Die Verantwortung der Nichtigkeitswerberin im Faktum b) erachtete es als nicht glaubwürdig, weil bei Annahme des behaupteten Übertragungsfehlers in bezug auf die fehlenden 2.000 S sowie des vorgebrachten versehentlichen Aneinanderheftens zweier Belege als Ursache für die Differenz der 61.000 S in der Kassa ein Überschuß in Höhe dieser Beträge hätte sein müssen. Auch im Faktum c) folgte es nicht den Einlassungen der Rechtsmittelwerberin, die sich auf Fehlbuchungen berief, sondern nahm im Hinblick auf die Nichtverrechnung von Scheckabhebungen von 1,170.000 S und die zum Zweck der Vertuschung erfolgte Verbuchung von 480.000 S, deren Herkunft ungelöst blieb, Veruntreuungsvorsatz an.
Unter Bedachtnahme auf das Vorgesagte betreffen daher die Einwände in der Mängelrüge zu den Punkten 1., 2., 3., 4., 5., 9., 10., 12., 13. und 14. keine entscheidenden Tatsachen, weshalb sich weitere Ausführungen hiezu erübrigen.
Mit den Einwänden laut Punkten 6., 7., 8. und 11. macht Monika K*** keinen Begründungsmangel gemäß dem relevierten Nichtigkeitsgrund geltend, weil sie dabei bloß ihre - vom Gericht als unglaubwürdig abgetane - Verantwortung wiederholt und solcherart die Nichtigkeitsbeschwerde nicht zur gesetzmäßigen Darstellung bringt.
Als unzulässiger Angriff auf die schöffengerichtliche Beweiswürdigung und nicht als behaupteter Begründungsmangel erweisen sich die Ausführungen zu Punkt 15.: die Zeugin B*** hat zwar bekundet, die Angeklagte habe keinesfalls mehr Geld ausgegeben, als sie verdient habe (S 158/II) und keiner der bei der Fa. F*** Beschäftigten wußte etwas über wirtschaftliche Schwierigkeiten der Beschwerdeführerin auszusagen. Wenn das Erstgericht trotzdem eine "schlechte finanzielle Situation" der Nichtigkeitswerberin als erwiesen angenommen hat (US 13), hat es dies mit ihren eigenen Aussagen begründet, in welchen sie ausdrücklich zugegeben hat, in den Jahren 1982 und 1983 Schulden gehabt zu haben (S 145/II). Sofern die Rechtsmittelwerberin das Fehlen jeglicher Begründung dafür behauptet, daß - entgegen ihrer Verantwortung - ein Übertragungsfehler nicht Ursache für die Differenzen im Faktum b) sein könne, geht sie nicht vom Inhalt der Entscheidungsgründe aus:
Auf US 17 hat sich das Schöffengericht mit dieser Verantwortung auseinandergesetzt und - der Beschwerde zuwider - auch begründet, warum es dieses Vorbringen als (unglaubwürdige) Schutzbehauptung ansah.
Mit der Rechtsrüge (Z 9 lit a) macht Monika K*** Feststellungsmängel geltend: Im Urteil fehlten Konstatierungen, welcher Vorgangsweise sie sich bei der Zueignung der Gelder bedient habe und wie "der tatsächliche Geldverlust bei der Firma gelaufen ist" sowie daß sie Reisekosten und Spesen völlig unkontrolliert ausbezahlt habe; weiters vermißt die Angeklagte Feststellungen, wer außer ihr Zugang zum Safe, zu den Belegen und Schecks hatte und inwieweit ein Einbruch im Jahr 1983 in die Buchhaltung das Verschwinden von diversen Schecks verursacht habe.
Hierauf ist zu erwidern: Das Erstgericht hat angenommen, daß anläßlich der Gebarungsprüfung bei der Fa. F*** im November 1983 ein Kassafehlbestand von 228.516,30 S festgestellt wurde und die Beschwerdeführerin bei Geldtransaktionen von der Ersatzteilkassa zur Hauptkassa zwei Empfangsbelege der Hauptkassa mit um 2.000 S und 61.000 S geringeren Beträgen als die entsprechenden Kassaausgangsbelege der Ersatzteilkassa quittierte sowie daß die Nichtigkeitswerberin in mehrere Barabhebungen von der Bank und von der PSK im Gesamtbetrag von 1,170.000 S, welche von Mitarbeiterinnen durchgeführt worden waren, im Kassabuch nicht als Geldeingänge erfaßt hat, daß sie aber Geldeingänge von 480.000 S verbuchte, deren Herkunft rätselhaft blieb, was der Vertuschung ihrer Verfehlungen diente. Diese Gelder im Gesamtbetrag von 981.516,30 S habe sie sich in wiederholten Angriffen mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern; dabei habe sie im Zeitraum Jänner 1982 bis Oktober 1983 eine Vertrauensstellung als Betriebsratsobmann, Buchhalterin und Hauptkassierin ausgeübt. Damit aber hat das Erstgericht ausreichende Feststellungen getroffen, auf welche Weise die Rechtsmittelwerberin sich die Barbeträge im Gesamtausmaß von 981.516,30 S zugeeignet hat. Diese Konstatierungen übergeht sie in der Rechtsrüge und bringt diese daher nicht zu gesetzmäßiger Darstellung.
Daß Monika K*** Reisekosten und Spesen völlig
unkontrolliert ausbezahlt hat, konnte das Erstgericht angesichts der von ihm konstatierten Unglaubwürdigkeit ihrer Verantwortung gar nicht feststellen, denn solches hat nur die Angeklagte behauptet; das Erstgericht hat demgegenüber festgestellt, daß bei Spesenvorschüssen ein unterschriebener Bon in die Kassa gegeben werden mußte, daß solche Bons vorhanden waren und daß der Fehlbetrag auf Spesenvorschüsse nicht zurückzuführen war (US 10 f); indem die Beschwerdeführerin sich über diese Feststellungen hinwegsetzt, läßt ihre Rechtsrüge auch in diesem Punkt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen.
Gleiches gilt für die angeblich unterbliebenen Feststellungen in bezug auf den Zugang zu Safe und Schecks; hier ist die Nichtigkeitswerberin auf US 8, 10 und 14 zu verweisen, wo sich die entsprechenden Konstatierungen finden.
Unsubstantiiert bleibt die Beschwerde, soweit sie Feststellungen über den Zugang "zu den Belegen" wünscht, denn der Rechtsmittelschrift ist nicht zu entnehmen, auf welche "Belege" sich dieses Vorbringen bezieht. Einer sachbezogenen Erwiderung ist letztlich auch die (nicht verständliche) Behauptung, im Urteil fänden sich keine Feststellungen "wie der tatsächliche Geldverlust bei der Firma gelaufen ist" nicht zugänglich; es ist nicht Sache eines Rechtsmittelgerichtes, Spekulationen darüber anzustellen, welche Bedeutung dunkle und unbestimmte Rechtsmittelausführungen haben könnten.
In Anbetracht des Gebotes gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs. 2 Z 5 StPO) war das Erstgericht nicht gehalten, sich damit auseinanderzusetzen, ob ein Einbruchsdiebstahl im Jahre 1983 bei der Fa. F*** Büromaschinenvertriebs-GesmbH das Verschwinden diverser Schecks verursacht hat. Denn nach den Aussagen des Zeugen Kurt S*** wurden bei einem Einbruch in diese Firma, der seiner Meinung nach im Jahre 1983 stattfand, lediglich Geld in Höhe von 10.000 bis 20.000 S, sonst aber nichts, insbesondere keine Schecks gestohlen (S 95/II). Auch aus den vom Polizeikommissariat Mariahilf beigeschafften Diebstahlsanzeigen (vgl ON 62) ergibt sich kein Hinweis dafür, daß anläßlich eines Einbruchsdiebstahls bei der Fa. F*** Schecks oder andere Buchhaltungsunterlagen abhanden gekommen wären.
Sofern sich die Subsumtionsrüge (Z 10) auf die zum Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a relevierten Feststellungsmängel bezieht, genügt ein Hinweis auf die Erwiderungen zu diesem Beschwerdevorbringen. Der Ansicht der Rechtsmittelwerberin zuwider grenzt das Erstgericht nicht zwischen Untreue und Diebstahl ab, sondern vergleicht "die Tat" (d.i. die Veruntreuung) mit Untreue und Diebstahl; auch hier verläßt die Beschwerde daher den Boden des tatsächlichen Urteilsinhalts. Mit der Behauptung aber, das Urteil lasse nicht erkennen, ob die Angeklagte sich nach Ansicht des Gerichts durch Ausstellung der Schecks oder durch Zueignung anvertrauter Gelder bereichert hat, geht sie erneut nicht vom Urteilssachverhalt aus. Danach hat sie im Faktum c) nicht durch Mißbrauch einer Befugnis Barschecks ausgestellt, sondern sich Geldbeträge in Höhe von 690.000 S, die mittels Barschecks behoben worden waren, zugeeignet (US 3, 8 f, 12).
Da sohin die Mängelrüge teils unbegründet, teils nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, das Vorbringen zu den Nichtigkeitsgründen der Z 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO zur Gänze prozeßordnungswidrig dargestellt werden, war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d Abs. 1 Z 1 und 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufung fällt demgemäß in die Kompetenz des Oberlandesgerichtes (§ 285 i StPO nF).
Anmerkung
E14125European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00054.88.0503.000Dokumentnummer
JJT_19880503_OGH0002_0150OS00054_8800000_000