TE OGH 1988/5/3 15Os14/88

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Veröffentlicht am 03.05.1988
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof.Dr. Brustbauer und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin in der Strafsache gegen Egon H*** und Johann M*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB aF über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 27. Oktober 1987, GZ 20 Vr 819/86-205, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten gemäß §§ 285 i, 344 StPO nF dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die durch die Nichtigkeitsbeschwerden verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem einhelligen Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurden Egon H*** und Johann M*** - im zweiten Rechtsgang abermals - des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB aF schuldig erkannt.

Darnach haben sie am 20. Februar 1986 in Völs in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) durch die unter Vorhalt einer Pistole erfolgte Äußerung "Überfall, alle hinlegen ! Aufsperren ! Schlüssel her ! Fünf Minuten liegen bleiben, sonst gibt es ein Blutbad !", sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) den Bankangestellten der R*** V*** Franz E***, Hansjörg S***, Peter J*** und Marina K*** fremde bewegliche Sachen, nämlich Bargeldbeträge von 1,184.910 öS, 10,6 Millionen Lit und 8.000 DM mit dem Vorsatz weggenommen bzw. abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten gesondert mit jeweils ausschließlich auf die Z 5 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, welchen jedoch keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Egon H***:

Durch die vom Schwurgerichtshof beschlossene Abweisung (S 135/V) des am 2. Verhandlungstag um etwa 22.00 Uhr gestellten Antrages (S 133/V) auf Erstreckung der Hauptverhandlung und Fortsetzung an einem anderen Tag, weil wegen vorgeschrittener Tageszeit die Geschwornen der Verhandlung nicht mehr mit der "gewissenhaftesten Aufmerksamkeit" (§ 305 Abs 1 StPO) zu folgen vermöchten, zumal einer der Laienrichter bereits kurz eingenickt sei, wurden Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt. Die Hauptverhandlung hatte an diesem Tage - dem Beschwerdevorbringen zuwider nicht schon um

8.15 Uhr, sondern erst - um 13.37 Uhr begonnen (S 85/V) und wurde zur Erholung der daran Beteiligten mehrmals unterbrochen (S 113, 131, 133/V), weshalb - bezogen auf den Zeitpunkt des Zwischenerkenntnisses (22.41 Uhr) - von einer übergebührlich langen, die Grenzen der geistigen Aufnahmefähigkeit der Laienrichter absolut überschreitenden Verhandlungsdauer (noch) nicht gesprochen werden kann. Im übrigen wurde jener Geschworne, der zur Intervention der Verteidigung unmittelbar Anlaß gegeben hatte, vom Geschwornenamt vorsorglich ohnedies befreit, während die übrigen Mitglieder der Geschwornenbank ausdrücklich erklärten, "weiterverhandeln zu wollen" (S 135/V).

Mit dem Hinweis auf den im beschlußmäßig ergänzten Hauptverhandlungsprotokoll festgehaltenen Vorfall, daß sich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft während des Schlußvortrages des Verteidigers des Angeklagten H*** ohne Abmeldung beim Vorsitzenden für zwei Minuten aus dem Verhandlungssaal entfernt hat (S 162, 271/V), wird keiner der in der Prozeßordnung taxativ aufgezählten Nichtigkeitsgründe geltend gemacht, zumal in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung kein Antrag gestellt worden ist, über den vom Schwurgerichtshof ein Zwischenerkenntnis zu fällen gewesen wäre.

Mit Recht hat aber der Gerichtshof den Beweisantrag (S 130, 141 ff/V) des Beschwerdeführers auf Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Schuh- und Sohlenerzeugung abgelehnt (S 134, 147 f/V), durch welches erwiesen werden sollte, daß die gesicherte (größere) Schuhabdruckspur Nr 1 einem "Moonboot", die kleinere Schuhabdruckspur Nr 2 aber einem Schaftstiefel zuzuordnen sei, woraus sich mit Rücksicht auf die vermessene Größe der Spuren und der Schuhgrößen der Angeklagten in Verbindung mit der Beschreibung der Fußbekleidung des (einen) Täters durch die Zeugen ergebe, daß der Angeklagte M*** nicht jener Täter gewesen sein könne, der in die Bank eingedrungen und allein von den Bankbeamten beobachtet und beschrieben worden ist. Denn schon angesichts der vom Schwurgerichtshof zutreffend aufgezeigten, keineswegs außerhalb jeder Erfahrung liegenden Möglichkeit, Schuhsohlen aus Gründen einer Reparatur (aber auch zum Zwecke der Irreführung - vgl. S 127/V) mit einem nicht originalen Schuhoberteil nachträglich zu verbinden, sodaß von einer bestimmten Schuhsohle keinesfalls zwingend auf die hier allein interessierende Art der Fußbekleidung (Schaftstiefel) geschlossen werden könnte, war die begehrte Beweisaufnahme von vornherein nicht geeignet, die den Geschwornen durch die Gesamtheit der ihnen bereits vorliegenden Verfahrensergebnisse vermittelte Sach- und Beweislage maßgebend zu verändern.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten

Johann M***:

Durch das Zwischenerkenntnis (S 140 f/V) des Schwurgerichtshofes, mit dem über die Zulässigkeit der gegen dessen Mitglieder geltend gemachten Ablehnung (S 136 ff/V) abschlägig entschieden worden ist (§ 74 Abs 1 StPO; Mayerhofer-Rieder StPO2 E 8 dazu), wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt, weil keine der gerügten Amtsverrichtungen (des Vorsitzenden) oder Entscheidungen (des Gerichtshofes) geeignet sind, die volle Unbefangenheit der Mitglieder des Schwurgerichtshofes (auch nur scheinbar) in Zweifel zu ziehen. Davon, daß den Verteidigern Beweismaterial vorenthalten (vgl. S 86 iVm 271/V sowie S 112 f/V) oder die Dauer der Verhandlung aus Voreingenommenheit oder Parteilichkeit bis in die Nachtstunden (vgl. S 85, 136, 163/V sowie S 141/V) ausgedehnt worden wäre, kann nach den aktenkundigen Umständen nicht im entferntesten die Rede sein, vielmehr entsprachen die getroffenen Maßnahmen des Schwurgerichtshofes und insbesondere seines Vorsitzenden in durchaus sachgerechter Weise dem Erfordernis einer konzentrierten und zielstrebigen Prozeßleitung (§§ 232 ff StPO), in deren Rahmen auch die Androhung disziplinärer Schritte ein legitimes Mittel darstellt (vgl. §§ 236, 236 a StPO).

Die wegen der Nichtbeanstandung der - bereits

erwähnten - zeitweisen Abwesenheit des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft während des Schlußvortrages eines Verteidigers sowie wegen einer angeblichen Äußerung des Vorsitzenden außerhalb der Verhandlung gegen diesen in der Beschwerde erhobenen Vorwürfe sind im Rahmen der Verfahrensrüge schon deshalb unbeachtlich, weil es sich dabei um Umstände handelt, auf welche die Ablehnung des Schwurgerichtshofes in der Hauptverhandlung gar nicht gestützt worden ist, sodaß in dem darüber ergangenen Zwischenerkenntnis darauf nicht eingegangen werden konnte. Im übrigen erweist sich der bezügliche (objektive) Sachverhalt nach den hiezu angebotenen Aufklärungen (S 271 f/V; ON 223) im gegebenen Zusammenhang als völlig unbedenklich.

Was die Ablehnung des auch vom Angeklagten M*** gestellten Beweisantrages auf Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Schuh- und Sohlenerzeugung anlangt, so wird - um Wiederholungen zu vermeiden - auf die Erledigung der entsprechenden Verfahrensrüge des Angeklagten H*** verwiesen. Mit Recht hat aber der Schwurgerichtshof auch den Antrag (S 145/V) auf ergänzende Einvernahme des Zeugen Insp. Hubert G*** (vgl. S 117 ff/V) abgewiesen (S 148/V), durch den dargetan werden sollte, daß die von dem Zeugen gemeinsam mit Insp. Edmund W*** durchgeführte Observierung des Wohnhauses des (Alibi-)Zeugen Martin K*** am Tatvormittag nicht derart lückenlos gewesen sei, daß dadurch das vom Angeklagten H*** angebotene Alibi (vgl. S 22, 45, 146 f/V) entkräftet werden könnte. Es wurden nämlich die übrigen vom Beschwerdeführer zu diesem Beweisthema beantragten Beweise (S 144 f/V) und zwar die Verlesung der Observationsprotokolle und eines Verwaltungsstrafaktes sowie die ergänzende Vernehmung der Zeugen K*** und W*** vom Geschwornengericht ohnedies aufgenommen (S 146 f, 148 f, 156/V). Darüber hinaus waren aber von der neuerlichen Anhörung des Zeugen Insp. G*** in der Tat keine zusätzlichen Erkenntnisse mehr zu erwarten.

Die Verfahrensrüge in Ansehung des Antrages (S 87/V), den Zeugen Insp. Adolf H*** zur Preisgabe des Namens jenes Konfidenten zu veranlassen, dem die von der R*** V*** für entscheidende Hinweise zur Aufklärung des verfahrensgegenständlichen Raubüberfalles ausgesetzte Prämie von 25.000 S ausbezahlt worden ist, versagt schon aus formellen Gründen, weil der Beschwerdeführer insoweit kein Beweisthema angeführt hat. Da es sich nach der Darstellung des Zeugen Insp. H*** bei der fraglichen Vertrauensperson, der er Anonymität zugesichert hat, nicht um einen unmittelbaren Tatzeugen gehandelt, diese vielmehr bloß darauf hingewiesen hat, daß der Angeklagte H*** nach dem Tatzeitpunkt über auffallend mehr Geldmittel verfügt hat als vorher (S 86/V), hätte der Beschwerdeführer die aus dem Sachzusammenhang keineswegs ersichtliche Notwendigkeit der Befragung jener Person dartun müssen, in Ermangelung dessen aber die Relevanz des gestellten Antrages vom Gerichtshof nicht beurteilt werden konnte.

Insoweit der Beschwerdeführer unter Wiederholung seines Beschwerdevorbringens betreffend die behauptete Befangenheit der Mitglieder des Schwurgerichtshofes sowie die Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten durch Abweisung von Beweisanträgen einwendet, ihm sei kein "faires Verfahren" im Sinne des Art. 6 MRK zuteil geworden, vermag er keinen (zusätzlichen) Nichtigkeitsgrund aufzuzeigen, weil die erwähnte Verfassungsbestimmung zwar als Interpretationsmaßstab für die Beurteilung behaupteter Verfahrensmängel heranzuziehen ist (vgl. RZ 1987/62; idS auch 15 Os 160/87), ihrerseits aber keinen eigenständigen Nichtigkeitsgrund normiert (Mayerhofer-Rieder StPO2 E 3 zu § 281; Nebenstrafrecht2 E 7, 13, 15 a zu Art. 6 und E 4 zu Art. 13 MRK). Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - nach Anhörung der Generalprokuratur - schon bei einer nichtöffentlichen Beratung als zum Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt (§§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm §§ 285 a Z 2, 344 StPO nF), im übrigen aber als offenbar unbegründet (§§ 285 d Abs 1 Z 2, 344 StPO nF) sofort zurückzuweisen. Dementsprechend sind die Akten zur Entscheidung über die Berufungen der Angeklagten dem hiefür gemäß §§ 285 i, 344 StPO nF zuständigen Oberlandesgericht Innsbruck zuzuleiten.

Anmerkung

E14123

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1988:0150OS00014.88.0503.000

Dokumentnummer

JJT_19880503_OGH0002_0150OS00014_8800000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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